Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustellungsurkunde – Beweis des Gegenteils
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Zustellungsurkunde gemäß § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. §§ 182, 1, 418 ZPO handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, die den vollen Beweis für die in ihr bezeugten Tatsachen erbringt.
- Ein Gegenbeweis kann nur durch den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs oder den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen erbracht werden.
Normenkette
FGO §§ 47, 53 Abs. 2; ZPO §§ 182, 418
Streitjahr(e)
2008
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob fristgerecht Klage erhoben wurde.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks R 42a. Dieses besteht aus einem Vorder- und einem Hinterhaus. Im Vorderhaus befinden sich drei Wohneinheiten, die der Kläger vermietet. In der oberen Wohnung wohnen drei Studenten, u.a. die beiden Zeugen H und M. In einer der beiden anderen Wohnungen wohnt der Mieter S. Im Hinterhaus wohnen die Kläger selbst; zudem befindet sich dort der Sitz eines vom Kläger geführten Unternehmens.
Da die Kläger keine Einkommensteuererklärung für 2008 abgaben, schätzte der Beklagte mit Einkommensteuerbescheid 2008 vom 11. Februar 2010 die Besteuerungsgrundlagen. Die Einkommensteuer setzte der Beklagte auf 15.824,- € fest; der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein und reichten die Einkommensteuererklärung 2008 ein. Mit Datum vom 24. Juni 2010 änderte der Beklagte unter Auswertung der Einkommensteuererklärung den Bescheid gem. § 164 Abs. 2 AO und setzte die Einkommensteuer auf 16.498,- € herauf. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob der Beklagte gleichzeitig auf. In der Sache wich der Beklagte hinsichtlich diverser Punkte von der Steuererklärung ab.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2010 schrieb der Sachbearbeiter an den Kläger und forderte diverse Unterlagen an. Danach ist zunächst kein Fortgang in der Sache zu erkennen. Mit Schreiben vom 13. April 2012 äußerten sich die Kläger erneut zur Sache, woraufhin der Beklagte mit Schreiben vom 19. Juli 2012 wiederum diverse Unterlagen anforderte.
Da diese Unterlagen nicht eingingen, entschied der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 24. September 2012 über den Einspruch. Der Einspruchsbescheid wurde am 25. September 2012 zur Post gegeben und gegen Zustellungsurkunde am Mittwoch, den 26. September 2012 zugestellt. Der Zusteller hat auf der Zustellungsurkunde vermerkt, dass er die Sendung zu übergeben versucht und - weil die Übergabe in der Wohnung nicht möglich gewesen sei - das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt habe. Unterzeichnet ist die Zustellungsurkunde von dem Zusteller R K von der Citypost.
Die Kläger haben per Fax vom 27. Oktober 2012, 19.15 Uhr Klage erhoben. Sie erklären darin, dass ihnen der Einspruchsbescheid am 27. Oktober 2012 von ihren Mietern überreicht worden sei, da er in deren Briefkasten gelegen habe und - nach langer Abwesenheit in den Semesterferien - in der umfänglichen Post untergegangen sei. Da ihnen die Einspruchsentscheidung erst später bekannt gegeben worden sei, sei die Klagefrist gewahrt.
Ohnehin erweise sich die Citypost als äußerst unzuverlässig. Vielfach würden Schreiben falsch eingeworfen. Das gelte auch für Zustellungen per Zustellungsurkunde.
Zur Bestätigung haben die Kläger eine Bescheinigung des Zeugen R H vorgelegt. Dieser erklärt darin, dass zwischen der Post für seine Wohngemeinschaft in einer Zeitschrift versteckt ein Einschreiben für die Kläger gelegen habe. Das sei ihm erst nach Rückkehr aus den Semesterferien, und zwar am 27. Oktober 2012 aufgefallen. Nachdem er den Brief dem Kläger ausgehändigt habe, habe dieser ihn sofort geöffnet und festgestellt, dass es sich um ein termingebundenes Schreiben des Finanzamts gehandelt habe. Auf Wunsch des Klägers bestätige er diesen Vorgang.
Die Kläger sehen ihre Rechtsauffassung als durch die Beweisaufnahme bestätigt an. Der Zeuge H habe bestätigt, dass er dem Kläger die Einspruchsentscheidung erst am 27. Oktober 2012 ausgehändigt habe. Der Zeuge K hingegen habe im Rahmen seiner Vernehmung zunächst erklärt, dass der Briefkasten der Kläger der obere der beiden Briefkästen für das Grundstück R Str. 42a sei. Außerdem habe er erklärt, dass die Post von oben in den Briefkasten eingeworfen werde. Damit könne aber nur der Briefkasten der Mieter des Vorderhauses gemeint sein, denn sein Briefkasten sei der untere in der Briefkastenanlage. Damit sei der Beweis der Zustellungsurkunde erschüttert.
Die Kläger beantragen,
unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom 11. Februar 2010 in der Gestalt vom 24. Juni 2010 und der Einspruchsentscheidung vom 25. September 2012 die Einkommensteuer 2008 entsprechend der eingereichten Einkommensteuererklärung festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält die Klage für unzulässig. Er geht dav...