Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen wegen steuerlichen Wechselwirkungen, die sich aus Gewinnverlagerungen für die betroffenen Veranlagungszeiträume ergeben
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Voraussetzungen eines Erlasses aus Gründen sachlicher Unbilligkeit.
- Wechselwirkungen, die sich aus Gewinnverlagerungen für die betroffenen Veranlagungszeiträume ergeben, dürfen bei der Billigkeitsprüfung einer Zinsfestsetzung nicht gänzlich außer Acht gelassen werden.
- Die regelmäßig fehlende betragsmäßige Entsprechung zwischen den gegenläufigen steuerlichen Auswirkungen auf die betroffenen Veranlagungszeiträume wirkt sich allein darauf aus, in welchem Umfang der mit der verspäteten Festsetzung für den einen Veranlagungszeitraum verbundene Liquiditätsvorteil durch den sich für den anderen Veranlagungszeitraum ergebenden Liquiditätsnachteil kompensiert wird. Die Entsprechung betrifft damit nicht den Grund, sondern nur die Höhe des im Hinblick auf den Gesetzeszweck des § 233a AO zu gewährenden Billigkeitserlasses.
Normenkette
AO § 233a
Streitjahr(e)
1988, 1990
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist der Erlaß von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen.
Die Klägerinnen sind Rechtsnachfolgerinnen ihrer Eltern, die für die Jahre 1988 und 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
Durch einen nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid vom 16. Februar 1994 setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Einkommensteuer 1988 unter erstmaliger Berücksichtigung eines gesondert festgestellten Veräußerungsgewinns auf 691.906,00 DM fest. Ohne Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns hätte sich eine Steuer von 0,00 DM ergeben. Durch Bescheid vom 21. Juli 1999 wurde die Steuer auf 698.538,00 DM heraufgesetzt. Die Einkommensteuer 1988 wurde wie folgt entrichtet:
vor dem 1. April 1990 |
17.559,00 DM |
12. November 1990 |
32.043,70 DM |
14. Januar 1990 |
122.221,30 DM |
17. September 1993 |
3.663,45 DM |
28. September 1993 |
1.118,06 DM |
17. Dezember 1993 |
22.317,70 DM |
25. Januar 1994 |
6.475,34 DM |
8. März 1994 |
486.469,45 DM |
8. Juli 1999 |
1.092,00 DM |
12. August 1999 |
5.540,00 DM. |
Die Einkommensteuer 1990, die zunächst aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen auf 256.600 DM (Bescheid vom 18. August 1993) festgesetzt und nach Abgabe der Steuererklärung auf 194.515,00 DM herabgesetzt worden war (Bescheid vom 11. Juli 1994), wurde durch weiteren Änderungsbescheid vom 25. Oktober 1995 auf 195.125,00 DM festgesetzt.
Nachdem durch geänderte Feststellungsbescheide für die Jahre 1988 und 1990 der zunächst im Jahr 1988 erfaßte Veräußerungsgewinn dem Jahr 1990 zugeordnet worden war, erteilte das FA unter dem 15. Februar 2001 nochmals geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1988 und 1990. Die Einkommensteuer 1988 setzte es auf 0,00 DM herab, die Einkommensteuer 1990 auf 1.006.732,00 DM herauf. Mit der geänderten Einkommensteuerfestsetzung 1990 wurde die Festsetzung von Nachzahlungszinsen in Höhe von 192.526,00 DM verbunden. Die Zinsen wurden auf der Grundlage eines abgerundeten Unterschiedsbetrages von 811.600 DM für die Zeit vom 1. April 1992 bis zum 31. März 1996 ermittelt.
Mit Schreiben vom 19. März 2001 beantragten die Klägerinnen, die für 1990 festgesetzten Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen. Zur Begründung trugen sie vor, daß der Zweck des § 233 a AO darin bestehe, Liquiditätsvorteile auszugleichen. Diese seien ihnen im vorliegenden Fall jedoch nie entstanden, weil der ursprünglich zu geringen Steuerfestsetzung für 1990 eine zu hohe Steuerfestsetzung für 1988 gegenübergestanden habe.
Durch Bescheid vom 27. April 2001 erließ das FA die Nachzahlungszinsen in Höhe eines Teilbetrages von 34.388,00 DM. Im übrigen lehnte es den Erlaßantrag ab. Der erlassene Teilbetrag entspricht den Erstattungszinsen, die für 1988 festzusetzen gewesen wären, wenn die Regelung des § 233 a AO für dieses Jahr bereits gegolten hätte.
Hiergegen legten die Klägerinnen am 30. Mai 2001 Einspruch ein, zu dessen Begründung sie geltend machten, daß sie infolge der unzutreffenden Erfassung des Veräußerungsgewinns im Jahr 1988 statt im Jahr 1990 keine Liquiditätsvorteile genossen hätten. Es gehe daher nicht an, daß sie für 1990 Nachzahlungszinsen entrichten müßten, obwohl sie für 1988 keine Erstattungszinsen beanspruchen könnten. Das Fehlen einer Übergangsregelung in § 233 a AO könne nicht zu ihren Lasten gehen. Die für 1990 festgesetzten Zinsen seien in voller Höhe zu erlassen.
Durch Bescheid vom 28. August 2001 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Es vertrat die Ansicht, daß ein über den erlassenen Teilbetrag hinausgehender Erlaß der Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht in Betracht komme. Auch wenn – wie im Streitfall – die Verlagerung von Einkünften von einem Veranlagungszeitraum in einen anderen gegenläufige Änderungen der Steuer...