Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzverwalter mit qualifizierten Mitarbeitern – Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus selbstständiger Arbeit
Leitsatz (redaktionell)
- Die Tätigkeit eines Konkurs-, Zwangs- und Vergleichsverwalters ist eine vermögensverwaltende i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und keine freiberufliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
- Wird ein Rechtsanwalt (überwiegend) als Verwalter im Konkurs-, Insolvenz- Gesamtvollstreckungs- oder Zwangsverwaltungsverfahren tätig, gilt nichts anderes.
- Es gehört zu den Wesensmerkmalen der selbstständigen Tätigkeit, dass sie in ihrem Kernbereich auf der eigenen persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers beruht. Nimmt die Tätigkeit einen Umfang an, der die ständige Beschäftigung mehrere Angestellter oder die Einschaltung von Subunternehmern erfordert, und werden den genannten Personen nicht nur untergeordnete (vorbereitende oder mechanische) Arbeiten übertragen, beruht sie nicht mehr im Wesentlichen auf der persönlichen Arbeitskraft des Berufsträgers und ist deshalb als gewerblich zu qualifizieren.
- Wann diese Voraussetzungen vorliegen, ist im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden.
- Ein Insolvenzverwalter, der unter Zuhilfenahme eine Vielzahl qualifizierter Beschäftigter tätig wird, erzielt daher Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2, § 18
Streitjahr(e)
1998, 1999, 2000, 2001, 2002
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Einkünfte der Klägerin der Gewerbesteuerpflicht unterliegen.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Gesellschafter sind als Insolvenzverwalter, Zwangsverwalter, Rechtsanwalt und Notar tätig.
Die Klägerin erzielt überwiegend Einnahmen aus der Konkurs-/Insolvenzverwaltung und Zwangsverwaltung von Liegenschaften. Die Einnahmen aus Rechtsanwaltstätigkeiten stammen zumeist aus Prozessen, die im Rahmen der Insolvenzverfahren zu führen sind. Als sonstige weitere Tätigkeit werden Kopien von Gerichtsakten im Auftrag von Versicherungen gefertigt.
Im Jahr 2002 fand eine Betriebsprüfung für die Jahre 1998 bis 2000 statt. Der Betriebsprüfer ging nach den getroffenen Feststellungen davon aus, dass die bisher aus einer freiberuflichen Tätigkeit erklärten Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusehen sind. Wegen der Ausführungen der Betriebsprüfung im Einzelnen wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 15.11.2002, Tz. 49 – 62 (Bp-Akte Band II) verwiesen.
In den Jahren 1995 bis 2002 wurden folgende Anzahl von Konkurs- und Insolenzverfahren eröffnet, die von den Gesellschaftern der Klägerin betreut wurden:
Jahr |
A |
B |
C |
Insgesamt |
1995 |
18 |
12 |
|
30 |
1996 |
18 |
6 |
|
24 |
1997 |
17 |
20 |
|
37 |
1998 |
15 |
7 |
|
22 |
1999 |
11 |
9 |
|
20 |
2000 |
20 |
23 |
3 |
46 |
2001 |
13 |
20 |
9 |
42 |
2002 |
25 |
35 |
48 |
108 |
Die Klägerin beschäftigte in den Jahren 1995 bis 2002 durchschnittlich zwischen 5,875 und 11,905 Vollzeit-Mitarbeiter (ohne Reinigungskräfte, Boten, Auszubildende). Die meisten Angestellten waren mit Zuarbeiten in InsO-Verfahren, Ausstellen von InsO-Bescheinigungen, Mietüberwachung in der Zwangsverwaltung, Buchhaltungsaufgaben, Büroarbeiten und Botendiensten beschäftigt. Die Mitarbeiter waren in den Jahren 1995 bis 2002 im Insolvenz- und Zwangsverwaltungsbereich im Rahmen von Buchhaltung, Mietüberwachung und Lohnangelegenheiten umgerechnet auf Vollzeitbeschäftigte eingesetzt:
1995: 2,5 Mitarbeiter; davon 2 Rechtsanwaltsfachangestellte
1996: 3,25 Mitarbeiter; davon 2 Rechtsanwaltsfachangestellte
1997: 3,375 Mitarbeiter; davon 2 Rechtsanwaltsfachangestellte
1998: 2,75 Mitarbeiter (zusätzliche Ausstellen von INSO-Bescheinigungen); davon 2,25 Rechtsanwaltsfachangestellte; Beschäftigte insgesamt: 17 Personen
1999: 3,75 Mitarbeiter (zusätzliche Ausstellen von INSO-Bescheinigungen sowie Dateneingabe); davon 3 Rechtsanwaltsfachangestellte; Beschäftigte insgesamt: 19 Personen
2000: 4,163 Mitarbeiter (zusätzliche Ausstellen von INSO-Bescheinigungen sowie Dateneingabe); davon 3 Rechtsanwaltsfachangestellte; Beschäftigte insgesamt: 20 Personen
2001: 6,16 Mitarbeiter (zusätzliche Ausstellen von INSO-Bescheinigungen sowie Dateneingabe); davon 3,75 Rechtsanwaltsfachangestellte
2002: 6,07 Mitarbeiter (zusätzliche Ausstellen von INSO-Bescheinigungen sowie Dateneingabe); davon 3,5 Rechtsanwaltsfachangestellte
Die weiteren Anteile der Arbeitskraft entfielen auf 1 Groß- und Außenhandelskaufmann, 1 Industriekaufmann und 2 Studentinnen.
Wegen der Einzelheiten wird ferner auf die Personalliste 1998 - 2000 (Bl. 144 ff. Bp-AA) verwiesen.
Der am 01.01.2003 aufgenommene Gesellschafter war ab dem 12.02.1996 während seiner Referendarzeit mit einer genehmigten Nebentätigkeit von nicht mehr als 8 Stunden pro Woche für Zivilprozesse und gutachterliche Stellungnahmen gegenüber den Insolvenzverwaltern beschäftigt. Nach Zulassung als Rechtsanwalt war er ab dem 25.05.1998 als angestellter Rechtsanwalt für Zivilprozesse mit Spezialisierung auf das Aktienrecht beschäftigt. Zum 24.10.2002 erfolgte di...