Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Rechtsbehelfsbelehrung eines Steuerbescheides
Leitsatz (redaktionell)
- Zu den Anforderungen an eine Rechtsbehelfsbelehrung i. S. des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO.
- Macht die FinVerw Angaben zur Form der Einspruchseinlegung, erwähnt dabei aber die Möglichkeit der Einspruchseinlegung per Email nicht ausdrücklich, so kann das zur Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung führen.
Normenkette
AO §§ 356-357
Streitjahr(e)
2006, 2007, 2008
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit eines Einspruchs.
Der Kläger wohnt in F. Er betreibt in L den Gewerbebetrieb „P”. Für diesen Betrieb werden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) vom Beklagten (dem Finanzamt – FA–) gesondert festgestellt. Da der Kläger für die Jahre 2006 und 2007 zunächst keine Feststellungserklärungen abgab, schätzte das FA jeweils einen Gewinn und erließ entsprechende Feststellungsbescheide, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen.
Im Dezember 2009 übersandte das für die Einkommensteuerveranlagung des Klägers zuständige FA F dem beklagten FA eine Gewinnermittlung des Klägers für das Jahr 2006. Da der Gewinnermittlung keine Feststellungserklärung und kein förmliches Einspruchsschreiben beilag, veranlasste das beklagte FA zunächst nichts weiter. Im Dezember 2010 übersandte der Kläger dann die Gewinnermittlungen für die Jahre 2006 – 2008 an das beklagte FA.
Daraufhin forderte das FA den Kläger mit Schreiben vom 14. Januar 2011 auf, weitere Nachweise vorzulegen. Nachdem der Kläger dieser Aufforderung nicht gefolgt war, hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung bezüglich der Feststellungserklärungen 2006 und 2007 mit Bescheiden vom 30. März 2011 auf. Am selben Tag erließ das FA auch einen Feststellungsbescheid für 2008. Die Rechtsbehelfsbelehrungen aller drei Bescheide enthielten jeweils den Satz: „Der Einspruch ist beim Finanzamt X schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären.” Weitere Angaben zur Form des Einspruches enthielten die Belehrungen nicht. Auf allen drei Bescheiden befindet sich in den Fußzeilen neben der Anschrift, der Telefonnummer, den Sprechzeiten und den Kontoverbindungen des beklagten FA auch deren Email-Adresse. Auf den Bescheiden für 2006 und 2007 ist unterhalb der Email-Adresse die Aufforderung abgedruckt: „Nutzen Sie das elektronische Service-Angebot Ihrer Steuerverwaltung: www.elster.de”.
Mit Schreiben vom 20. Mai 2011 beantwortete der Kläger das Anforderungsschreiben des FA vom 14. Januar 2011 und bat, die Schätzungen zurückzunehmen. Das FA betrachtete dieses Schreiben als Einspruch gegen die Feststellungsbescheide für 2006 – 2008 vom 30. März 2011 und verwarf diesen Einspruch wegen Überschreitung dieser Einspruchsfrist als unzulässig.
Hiergegen richtet sich die vom Kläger erhobene Klage. Er ist der Ansicht, dass das Einspruchsschreiben vom 20. Mai 2011 nicht verspätet sei. Denn das FA habe in den Rechtsbehelfsbelehrungen nicht über die Möglichkeit belehrt, dass der Einspruch auch per Email eingelegt werden könne. Dies führe dazu, dass dem Kläger für die Einlegung des Einspruchs die Jahresfrist des § 356 Abs. 2 AO zur Verfügung gestanden habe.
Der Kläger beantragt,
die Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2011 aufzuheben,
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest. Insbesondere seien auch die Rechtsbehelfsbelehrungen nicht fehlerhaft oder unvollständig. Zwar sei eine Einspruchseinlegung per Email ohne weitere Voraussetzungen möglich; auch enthielten die Rechtsbehelfsbelehrungen keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung per Email; dies sei jedoch (wie auch ein Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung per Telefax) auch nicht erforderlich, da die Email (ebenso wie das Telefax) eine Unterform der Schriftform darstelle.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist mit ihrem eingeschränkten Antrag auf Aufhebung der Einspruchsentscheidung zulässig.
Zwar ist nach § 44 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Einspruchsentscheidung gefunden hat; in den Fällen jedoch, in denen ein Rechtsbehelf zu Unrecht als unzulässig verworfen wurde, ist auch die isolierte Anfechtung der außergerichtlichen Rechtsbehelfsentscheidung möglich (von Groll in Gräber, Kommentar zur FGO, § 44 Rn. 38 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Demnach durfte der Kläger vorliegend seine Klage auf die Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2011, mit der das FA den Einspruch vom 20. Mai 2011 als unzulässig verworfen hat, begrenzen.
II. Die Klage ist auch begründet. Die angefochtene Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FA hat den Einspruch des Klägers vom 20. Mai 2011 zu Unrecht ...