Leitsatz (amtlich)
1. Widerspricht der Schuldner einer bereits durch einen – Gegenstand und Rechtsgrund konkret bezeichneten – Vollstreckungsbescheid titulierten Forderung nach Anmeldung dieser Forderung im Insolvenzverfahren der Qualifizierung der Forderung als aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung herrührend und wird ein entsprechender Widerspruch in der Insvolvenztabelle vermerkt, hat der Gläubiger ein berechtigtes Interesse daran, diesen Widerspruch im Wege der Klage auf Feststellung der vorgenannten Qualifizierung der Forderung zu beseitigen.
2. Die Rechtskraft eines Vollstreckungsbescheides erfasst auch die darin ausdrücklich und konkret bezeichnete rechtliche Einordnung der titulierten Forderung als Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 266a Abs. 1, 14 StGB wegen nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge, mithin als Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung, weil diese Einordnung – auch im Hinblick auf § 302 Ziff. 1 InsO und § 850 f Abs. 2 ZPO – ausnahmsweise den Streitgegenstand individualisiert.
3. Eine Durchbrechung der Rechtskraft des Vollstreckungsbescheides gem. § 826 BGB ist nur in engen Grenzen möglich. Ansonsten können materielle Einwendungen gegen den Grund der Forderung lediglich in den Grenzen des § 795 Abs. 2 ZPO erhoben werden.
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 17.11.2004; Aktenzeichen 10 O 232/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.11.2004 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert und neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die durch Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Erfurt vom 09.03.2000 (Az.: 16 B 16430/99) titulierte Forderung der Klägerin gegen den Beklagten in Höhe von 75.932,65 EUR wegen nicht abgeführter Arbeitnehmeranteile zu den Sozialversicherungsbeiträgen für die Mitarbeiter der Fa. U GmbH, G-Straße, U, für den Zeitraum 20.11.1997 bis 31.01.1998 auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin aus dem Urteil durch Sichereitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand
(gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO):
I.
Wegen des erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Bl. 75 ff. = 84 ff. GA) Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage mit der aus dem angefochtenen Urteil ersichtlichen Begründung als unzulässig (wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses) abgewiesen.
Mit ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter. Zur Begründung führt sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen aus: Entgegen der Ansicht des Landgerichts bestehe das Rechtsschutzinteresse für die begehrte Feststellung. Dieses Rechtsschutzinteresse ergebe sich aus den Vorschriften der §§ 184 Satz 1, 201 Abs. 2 Satz 1, 301 Abs. 1, 302 Ziff. 1 InsO (vgl. i.e. die vertiefenden Ausführungen in der Berufungsbegründung Bl. 120 ff. GA mit Bezugnahme auf ein Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 19.11.2003, Az. 2-4 O 124/03, in einem vergleichbaren Fall – Bl. 127 ff. GA – und den die Berufung gegen dieses Urteil zurückweisenden Beschluss des OLG Frankfurt vom 10.02.2004, Az. 16 U 212/03, – Bl. 135 ff. GA). Der materiellrechtliche Anspruch der Klägerin ergebe sich aus dem rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid vom 09.03.2000 (Bl. 30 GA). Mit seinen jetzigen materiellen Einwänden sei der Beklagte im vorliegenden Verfahren insoweit von vornherein ausgeschlossen, zumal er weder ein Wiedereinsetzungs- oder Wiederaufnahmeverfahren noch eine Klage nach § 826 BGB betrieben und überdies seinen Widerspruch im Insolvenzverfahren auf den Rechtsgrund beschränkt habe.
Die Voraussetzungen für eine Durchbrechung der Rechtskraft gem. § 826 BGB lägen hier nicht vor. Die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Beklagten gem. § 153 a StPO sei nicht vorgreiflich. Im Übrigen bleibe es dabei, dass die Voraussetzungen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten auch tatsächlich vorlägen. 3. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Berufung. Er führt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen aus: Eine Stellungnahme zu der von der Klägerin angegriffenen Begründung des angefochtenen Urteils erscheine nicht angezeigt. Aus Sicht des Beklagten erweise sich die Klageabweisung durch das Landgericht jedenfalls (im Ergebnis) aus anderen Gründen als richtig. Der im Insolvenzverfahren erhobene Widerspruch müsse Bestand haben, da der Beklagte keine vorsätzliche unerlaubte Handlung nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 266a, 14 StGB begangen habe. Entgegen der Auffassung der Klägerin könne sich der Kläger durchaus noch mit materiellen Einwänden gegen die hier in Rede stehende, bereits durch den ...