rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostentragungspflicht des Finanzamts nach § 137 Satz 2 FGO bei Klagerücknahme
Leitsatz (redaktionell)
§ 137 Satz 2 FGO ist als Spezialvorschrift auch in Fällen der Klagerücknahme anwendbar und geht dann der allgemeinen Kostenregelung des § 136 Abs. 2 FGO vor. Dem Finanzamt können daher die Kosten für eine Klage, zu deren Erhebung der Kläger durch eine mit einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung versehene Einspruchsentscheidung veranlasst wurde, auch dann auferlegt werden, wenn der nicht fachkundig vertretene Kläger die Klage unter Verwahrung gegen die Kostenlast zurücknimmt, obwohl die Abgabe von Erklärungen zur Erledigung der Hauptsache veranlasst gewesen wäre.
Normenkette
FGO §§ 72, 137 S. 2, § 136 Abs. 2, § 138
Tenor
1. Das Verfahren wird eingestellt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Nach Klagerücknahme war das Verfahren gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO einzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 137 Satz 2 FGO, der als Spezialvorschrift auch in Fällen der Klagerücknahme anwendbar ist und dann der allgemeinen Kostenreglung des § 136 Abs. 2 FGO vorgeht (ebenso Ratschow, in: Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 136 Rn. 9; a.A: BFH, wie dort zitiert).
Die Anwendbarkeit auch in diesen Fällen beruht für das Gericht darauf, dass anderenfalls die Abgabe von Erklärungen zur Erledigung der Hauptsache veranlasst gewesen wäre, da in der dann gemäß § 138 FGO zu treffenden Kostenentscheidung das Verschulden eines Beklagten unproblematisch zu dessen Lasten berücksichtigt werden könnte. Gerade aber in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Kläger nicht steuerlich vertreten war, stellt es eine bloße Förmelei dar, ob man – wie hier der Kläger – eine Klagerücknahme unter Verwahrung gegen die Kostenlast oder aber eine Erledigung der Hauptsache erklärt. Erforderlichenfalls wäre auch zu erwägen gewesen, die Rücknahmeerklärung des Klägers in eine solche Erledigungserklärung umzudeuten. Demgegenüber ist die unmittelbare Anwendung des § 137 Satz 2 FGO auch in den Fällen der Klagerücknahme der einfachere Weg.
Die Voraussetzungen des § 137 Satz 2 FGO liegen hier vor. Denn der Kläger ist durch ein Verschulden des Beklagten zur Erhebung der Klage veranlasst worden. Der Beklagte hat in seine Einspruchsentscheidung vom 25. November 2010 die gewöhnliche, für Inlandsfälle zutreffende Rechtsmittelbelehrung eingefügt. Diese enthielt in Übereinstimmung mit § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO den Hinweis, dass der Bescheid bei der – hier erfolgten – Zusendung durch einfachen Brief mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gelte, es sei denn, er würde zu einem späteren Zeitpunkt zugehen. Demgegenüber war aber für den in der Republik Österreich wohnhaften Kläger die Regelung des § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO einschlägig, wonach die Bekanntgabevermutung in Auslandsfällen erst einen Monat nach der Aufgabe zur Post eingreift.
Infolgedessen war die Rechtsmittelbelehrung insgesamt unrichtig und daher gemäß § 55 Abs. 2 i.V.m. § 54 Abs. 1, 1. Alt. FGO eine Klagefrist von einem Jahr seit der realen Bekanntgabe gegeben.
Indem der Beklagte sodann den Antrag des Klägers vom 9. Dezember 2010 auf schlichte Änderung nicht innerhalb der von ihm in der Einspruchsentscheidung genannten – gemessen am Bescheidzugang beim Kläger am 2. Dezember 2010 bis einschließlich Montag, 3. Januar 2011 laufenden – Frist verbeschieden hat, hat er den Kläger durch die unrichtige Rechtsmittelbelehrung veranlasst, am letzten Tage des so berechneten Zeitraumes seine Klage zu erheben, um sich die Änderungsmöglichkeit unabhängig von einer seitens des Beklagten erfolgenden Bejahung der Voraussetzungen des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Satz 2 und 3 AO zu erhalten. Das in dieser unrichtigen Belehrung liegende Verschulden war daher kausal für die Klageerhebung und führt mithin zur Auferlegung der Kosten des Verfahrens auf den Beklagten.
Fundstellen