Entscheidungsstichwort (Thema)
Unanfechtbarkeit und Änderbarkeit von infolge einer gerichtlichen Abänderungsentscheidung ohne Betragsfestsetzung mit geändertem Inhalt neu bekanntgegebenen Steuerbescheiden. Treu und Glauben bei Änderung von Gewerbesteuermessbescheiden nach § 35b GewStG nach Ablauf der Festsetzungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
1. Überträgt das Gericht die Berechnung der nach einer Anfechtungsklage festzusetzenden Steuer dem FA, so sind die daraufhin vom FA erlassenen Steuerbescheide binnen eines Monats nach ihrer Bekanntgabe mit dem Einspruch anfechtbar. Mit Ablauf der Monatsfrist werden die geänderten Steuerbescheide unanfechtbar und endet die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO.
2. Der Finanzverwaltung ist es nicht gestattet, ohne Bindung an die Festsetzungsverjährung im Anschluss an eine gerichtliche Abänderungsentscheidung ohne Betragsfestsetzung solange Bescheide zu erlassen, bis der geänderte Inhalt nach ihrer Auffassung dem des finanzgerichtlichen Urteils entspricht.
3. Der Grundsatz von Treu und Glauben steht der Änderung von Gewerbesteuermessbescheiden nach § 35b Abs. 1 GewStG entgegen, wenn für diese ohne Berücksichtigung des § 35b Abs. 1 S. 3 GewStG in Verbindung mit § 171 Abs. 10 AO Festsetzungsverjährung eingetreten ist und der die Änderung rechtfertigende Steuerbescheid seinerseits wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht hätte ergehen dürfen.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 2; AO § 169 Abs. 1, § 171 Abs. 3a, 10, § 355 Abs. 1 S. 1; GewStG § 35b Abs. 1
Tenor
1. Die Bescheide des Finanzamts vom 7.9.2009 für 1996, 1997, 1998 und 1999 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag zur Steuernummer A) und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung des Finanzamtes D. vom 19.4.2010 (Steuernummer/Aktenzeichen: B)) werden aufgehoben.
Die Bescheide des Finanzamtes D. zur Steuernummer B) vom 7.9.2009 für 1996 und 1997 über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag sowie für 1998 und 1999 über den Gewerbesteuermessbetrag und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung des Finanzamtes D. vom 19.4.2010 (Steuernummer/Aktenzeichen: B)) werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in selbiger Höhe leistet.
4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Änderbarkeit von infolge einer gerichtlichen Abänderungsentscheidung ohne Betragsfestsetzung mit geändertem Inhalt neu bekannt gegebenen Steuerbescheiden.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die ihre Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre 1996 bis 1999 jeweils im Folgejahr beim damals zuständigen Rechtsvorgänger des Beklagten, dem Finanzamt D., einreichte.
1. Körperschaftsteuer
Die ursprünglichen auf die Körperschaftsteuererklärungen der Klägerin ergangenen Körperschaftsteuerbescheide wurden infolge einer Außenprüfung vom Rechtsvorgänger des Beklagten mit Bescheiden vom 12.6.2001 geändert. Hiergegen erhob die Klägerin am 22.6.2001 Einspruch. Gegenstand des Einspruchsverfahrens war die Behandlung von Pensionsrückstellungen und von Tantiemen durch den Rechtsvorgänger des Beklagten. Die Einsprüche gegen die geänderten Bescheide über die Körperschaftsteuer wurden mit Einspruchsentscheidung vom 31.1.2005 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen strengte die Klägerin das Verfahren 1 K 373/05 an. Das Sächsische Finanzgericht hat mit am 14.5.2009 zugestelltem und von den Beteiligten nicht angegriffenem Urteil erkannt:
„Unter Änderung der Körperschaftsteuerbescheide 1996 bis 1999 vom 12. Juni 2001 und der Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 2005 werden die Körperschaftsteuer und das zu versteuernde Einkommen auf den Betrag festgesetzt bzw. festgestellt, der sich ergibt, wenn in 1996 eine Pensionsrückstellung i.H.v. 91.011,– DM, in 1997 eine Pensionsrückstellung i.H.v. 112.742,– DM, in 1998 eine Pensionsrückstellung i.H.v. 135.899,– DM und in 1999 eine Pensionsrückstellung i.H.v. 162.259,– DM berücksichtigt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.”
Hierauf erließ das Finanzamt D. unter dem 23.6.2009 geänderte Bescheide über die Körperschaftsteuer der Jahre 1996 bis 1999. Die Festsetzungen und Feststellungen lauteten:
für Jahr |
Körperschaftsteuer |
zu versteuerndes Einkommen in DM |
Tarif- belastung |
steuerlicher Verlust (1996)/ Erhöhung KSt (1997-1999) auf |
Einkommen i.S.d. § 47 Abs. 2 Nr. 3 KStG in DM |
1996 |
0,00 DM /EUR |
- 171.668 |
0 |
-171.688 DM |
-171.688 |
1997 |
21.428 DM (10.955,96 EUR) |
0 |
0 |
21.428 DM |
22.732 |
1998 |
6.502 DM (3.324,42 EUR) |
0 |
0 |
6.502 DM |
26.441 |
1999 |
6.818 DM (3.485,99 EUR) |
0 |
0 |
6.818 DM |
51.664 |
Zur Berechnung der Festsetzungen hatte der Beklagte die vom Finanzgericht genannte Provisionsrückstellung (1996) bzw. die Differenz dieser zur...