Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Steuerpflichtigen auf Anwendung der sog. Kostendeckelung für einen Veranlagungszeitraum Auslegung des Begriffs der "tatsächlich entstandenen Aufwendungen" Anwendung des Zu- und Abflussprinzips des § 11 EStG bei der Kostendeckelung hinsichtlich einer Leasingsonderzahlung
Leitsatz (redaktionell)
1. Soweit aus dem im BMF-Schreiben vom 18.11.2009 (BStBl I 2009, 1326) vorgesehenen Billigkeitserlass ein Anspruch des Steuerpflichtigen auf Anwendung der sog. Kostendeckelung für einen Veranlagungszeitraum in Frage kommt, kommt die Anwendung dieser Billigkeitsregelung nicht in Betracht, wenn die in diesem Jahr zu erfassenden Betriebsausgaben zuzüglich einmalig geleisteter Betriebsausgaben anderer Veranlagungszeiträume (insbesondere Leasingsonderzahlungen), welche auch für den jeweiligen Veranlagungszeitraum geleistet wurden, den Ansatz nach der 1%-Methode übersteigen.
2. Die von der Finanzverwaltung im Rahmen der Anwendung der sog. Kostendeckelung getroffene Auslegung des Begriffs der "tatsächlich entstandenen Aufwendungen" (Gesamtkosten) als nicht rein steuerrechtlichen sondern darüberhinaus wirtschaftlichen Begriff begegnet keinen Bedenken.
3. Die Anwendung des Zu- und Abflussprinzips des § 11 EStG bei der Kostendeckelung hinsichtlich einer Leasingsonderzahlung widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz und dem Grundsatz der Gesamt- und Totalgewinngleichheit.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, 5 Nr. 6, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, Abs. 7 Nr. 2, § 11; AO §§ 85, 163; GG Art. 20
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Zusammenhang mit der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeuges, dessen Entnahmewert nach der 1%-Methode zu ermitteln ist, um die Berücksichtigung eines niedrigeren Privatanteils im Billigkeitswege nach § 163 Abgabenordnung (AO).
Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2012, 2013 und 2014 eine Praxis (in Praxisgemeinschaft mit Frau C) in E. Seinen Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit ermittelte er durch Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Die Einkünfte aus der Praxisgemeinschaft wurden gesondert und einheitlich festgestellt.
Für seinen Betrieb hatte der Kläger ein Kfz der Marke BMW für die Zeit vom 15.12.2011 bis zum 14.12.2014 geleast. Für diesen Pkw leistete er im Dezember 2011 eine Leasingsonderzahlung in Höhe von 21.888,- € (40% des Kaufpreises). Die monatliche Leasingrate belief sich auf 187,29 € zzgl. einer Gebühr für die Kilometer, die über die vereinbarte jährliche Fahrleistung von 30.000 km hinausgehen. Der Bruttolistenpreis des Kraftfahrzeugs betrug 54.720,- €. Das Fahrzeug diente in den Streitjahren unstreitig zu mehr als 50 v.H. betrieblichen Zwecken.
Die Erklärungen zur gesonderten Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung gingen bei dem Beklagten für das Jahr 2012 am 18.12.2013, für das Jahr 2013 am 29.07.2014 und für das Jahr 2014 am 25.06.2015 ein. Insgesamt betrugen die hierin vom Kläger gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelten laufenden abzugsfähigen Kosten für den geleasten PKW im Jahr 2012 7.917,27 Euro, im Jahr 2013 10.475,07 Euro und im Jahr 2014 9.488,38 Euro. Da er ein Fahrtenbuch für diese Jahre nicht führte, ermittelte er den privaten Nutzungsanteil nach§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG (1%-Regelung). Der danach vom Kläger ermittelte private Nutzungsanteil des Kraftfahrzeuges betrug für das Jahr 2012 und 2013 jeweils 6.564,- € und für das Jahr 2014 6.017,- €. Der von ihm ermittelte pauschale Wertansatz gem. § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG betrug für das Jahr 2012 und 2013 jeweils 7.286,04 € und für das Jahr 2014 6.678,87 €. Auf Grund der sogenannten "Kostendeckelung" begrenzte er die zu berücksichtigenden privaten Kraftfahrzeugnutzungen im Jahr 2012 auf 7.917,27 €, im Jahr 2013 auf 10.475,07 € und im Jahr 2014 auf 9.488,38 €.
Der Beklagte stellte die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit zunächst erklärungsgemäß mit Bescheid vom 03.04.2014 für das Jahr 2012 auf … €, mit Bescheid vom 06.02.2015 für das Jahr 2013 auf … € und mit Bescheid vom 13.10.2015 auf … € fest.
In der Zeit vom 01.03.2016 bis 05.04.2016 fand bei dem Kläger durch den Beklagten eine Außenprüfung für die Jahre 2012 bis 2014 statt. Die Betriebsprüfung stellte unter anderem fest, dass für die sogenannte Kostendeckelung auch die geleistete Leasingsonderzahlung anteilig über den Leasingzeitraum zu berücksichtigen sei. Der Wert der privaten Kraftfahrzeugnutzung erhöhte sich durch diese Würdigung für 2012 und 2013 auf 13.850,04 € und für 2014 auf 12.695,87 €. Davon zog die Betriebsprüfung im Jahr 2012 und 2013 jeweils 2.553,00 € und im Jahr 2014 2.331,00 € für Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte ab.
Auf Grund der Feststellungen der Außenprüfung änderte der Beklagte sodann entsprechend die Feststellungsbescheide für 2012, 2013 und 2014 jeweils mit Datum vom 02.05.2016. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit des Klägers setze er für das Jahr 2012 auf … €, für 2013 auf … € und für 2014 auf …...