Rz. 27

§ 208 Abs. 2 Nr. 1 AO begründet die Befugnis der Fahndung, im Weg der internen finanzbehördlichen Amtshilfe für steuerliche Ermittlungen[1] für die sonst zuständigen Finanzbehörden im Besteuerungsverfahren i. S. v. § 6 AO tätig zu werden. Mit dieser besonderen Aufgabenzuweisung[2] werden die eigenen Kompetenzen der Fahndung festgeschrieben.[3] Während im Bereich der primär straftatbezogenen Ermittlungen nach § 208 Abs. 1 AO die Fahndung ihre Ermittlungstätigkeit kraft eigenen Rechts und eigener Entschließung ausübt, wird sie im Rahmen des § 208 Abs. 2 Nr. 1 AO kraft besonderen Auftrags, ähnlich der Amtshilfe, der sachlich zuständigen Finanzbehörde tätig. Ihr Tätigkeitsbeginn beruht hier auf einer fremden Entschließung. Die Zuständigkeit der ersuchenden Behörde für die steuerlichen Ermittlungen wird durch diesen Auftrag nicht verändert (s. Rz. 11a, 53). Ersucht die sonst zuständige Finanzbehörde die Fahndung um Prüfung, so begründet sich dadurch eine eigene Zuständigkeit der Fahndung.[4]

 

Rz. 28

Die Befugnis zur Inanspruchnahme der Fahndung besteht für die sonst sachlich zuständige Finanzbehörde.[5] Ob sie davon Gebrauch macht, steht in ihrem Ermessen.[6] Das Vorliegen einer besonderen sachlichen Notwendigkeit i. S. d. § 112 Abs. 1 AO ist zwar nicht explizit erforderlich.[7] Allerdings sind die dort ausgeführten Erwägungen in aller Regel Gegenstand der Ermessensentscheidung. Bei der Ausübung des Ermessens ist insbesondere darauf zu achten, dass die Beauftragung der Fahndung nicht allein zu dem Zweck erfolgt, bei dem Stpfl. oder gar einem Dritten den Eindruck zu erwecken, es werde strafrechtlich ermittelt.[8] Dies bedeutete einen schweren Ermessensfehlgebrauch und führte zu einem steuerlichen Verwertungsverbot der so gewonnenen Erkenntnisse. Zulässig sind dagegen ermittlungstaktische Erwägungen bei der Ermessensausübung[9], sofern sie nach Abwägung aller Umstände voraussichtlich insgesamt nicht zu einer unverhältnismäßigen Rufschädigung des Stpfl. führen.[10] Die beauftragende Behörde muss jedenfalls nachvollziehbar ihre Ermessenserwägungen dokumentieren. Diese können in der Sachnähe der Fahndung zum Sachverhalt liegen, beispielsweise bei früheren Ermittlungen in dem Steuerfall, oder bei besonderen Erfahrungen der Fahndung im Umgang mit einem bestimmten steuerlichen Sachverhalt. Der Fahndung stehen bei Erfüllung des Auftrags alle Mittel nach der AO zu, derer sich die beauftragende Behörde bedienen darf.

Andererseits hat die sonst zuständige Finanzbehörde kein einklagbares Recht auf ein Tätigwerden der Fahndung. Im Zweifelsfall entscheidet die der Fahndung vorgesetzte Behörde im Wege der Fachaufsicht.

 

Rz. 29

§ 208 Abs. 2 Nr. 1 AO gibt nur eine Rechtsgrundlage für die Beauftragung der Fahndung mit der Durchführung steuerlicher Ermittlungen.[11] Ob und welche Ermittlungen zu führen sind, entscheidet die ersuchende Behörde. Die Anordnung der Ermittlungen erfolgt dem Grunde nach durch die sonst sachlich zuständige Finanzbehörde, die damit auch die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit trägt. § 208 Abs. 2 Nr. 1 AO räumt daher die Befugnis ein, von der sonst nach § 16 AO i. V. m. FVG geregelten sachlichen Zuständigkeit abzuweichen. Die Fahndung ist nur ausführendes Ermittlungsorgan . Im Rahmen ihres Auftrags ist die Fahndung allerdings die für die Ermittlungsmaßnahmen sachlich zuständige Finanzbehörde.[12] Verlässt die Fahndung bei der Erfüllung des Ersuchens den von der ersuchenden Behörde gesteckten Rahmen, so handelt sie als sachlich unzuständige Behörde.[13]

Allerdings kann die Fahndung im Rahmen der Erfüllung des Ersuchens jederzeit bei Vorliegen der Voraussetzungen zuständig werden nach § 208 Abs. 1 AO.

 

Rz. 30

Nach § 208 Abs. 2 Nr. 1 AO kann die Fahndung auch mit der Durchführung einer Außenprüfung beauftragt werden.[14] Auch die Fahndungsstellen sind Finanzbehörde i. S. v. § 195 S. 2 AO.[15] In diesem Falle gelten die allgemeinen Vorschriften über die Außenprüfung.[16] Die Fahndung kann die erforderliche Prüfungsanordnung[17] erlassen.[18] Sie hat die erforderliche Schlussbesprechung[19] vorzunehmen.[20] Steuerfestsetzungen oder verbindliche Zusagen[21] können im Rahmen der Fahndungsprüfung allerdings abweichend von § 195 S. 2 AO nicht ergehen, da § 208 Abs. 2 Nr. 1 AO der Fahndung keine steuerrechtliche Entscheidungskompetenz einräumt (s. auch Rz. 11a). Diese darf nach § 112 Abs. 2 AO demgemäß insoweit keine Amtshilfe leisten.[22]

 

Rz. 31

Die von der Fahndung in diesem Aufgabenbereich getroffenen Maßnahmen erfolgen im Verwaltungsverfahren wegen Abgabenangelegenheiten. Die Zulässigkeit und Durchführung dieser Maßnahmen richtet sich nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften der AO.[23] Gegen Verwaltungsakte der Fahndung in Erfüllung dieser Aufgabe ist der Finanzrechtsweg[24] gegeben. Der außergerichtliche Rechtsbehelf ist der Einspruch.[25] Im Rahmen dieses Einspruchsverfahrens ist zudem die Zulässigkeit der Beauftragung durch die sonst zuständige Finanzbehörde zu überprüfen.[26] Vorläufiger Rechtsschutz ist durc...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Kanzlei-Edition enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge