Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 53
Die Aufrechnung wird durch Aufrechnungserklärung geltend gemacht. Für die Aufrechnungserklärung durch die Finanzbehörde und durch den Stpfl. gelten grundsätzlich die gleichen Regeln. Die Aufrechnungserklärung ist eine einseitige, empfangsbedürftige, bedingungsfeindliche öffentlich-rechtliche Willenserklärung, durch die ein steuerschuldrechtliches Gestaltungsrecht ausgeübt wird. Sie ist, auch wenn sie von der Finanzbehörde abgegeben wird, kein Verwaltungsakt. Sie wird, da sie empfangsbedürftig ist, mit Zugang entsprechend § 130 Abs. 1 S. 1 BGB wirksam. Die Bekanntgabe richtet sich nicht nach § 122 AO.
Die Aufrechnungserklärung ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Es genügen auch schlüssige Handlungen. Allerdings muss die Erklärung den eindeutigen Willen zur Tilgung und Verrechnung von Haupt- und Gegenforderung enthalten. Sie braucht aber nicht als "Aufrechnungserklärung" bezeichnet zu sein. Die Beweislast für das Vorliegen einer Aufrechnung und ihrer Voraussetzungen trägt der Aufrechnende.
Rz. 54
Umbuchungsmitteilungen genügen den an eine Aufrechnungserklärung zu stellenden Anforderungen, wenn sie die klare Aussage enthalten, dass hierdurch die aufrechnende und die aufzurechnende Forderung getilgt werden soll. Auch der Hinweis, dass auf Wunsch des Stpfl. eine andere Art der Verrechnung in Betracht gezogen werden könne, ändert hieran nichts. Die Benutzung des Worts "Aufrechnung" ist zwar empfehlenswert, aber nicht zwingend notwendig.
Rz. 55
Sog. "Verrechnungsstundungen", bei denen eine Stundung der fälligen Steuerforderung ausgesprochen wird, bis die Forderung des Stpfl. gegen die Finanzbehörde fällig geworden ist, ist keine Aufrechnungserklärung. Die Stundung der Steuerforderung spricht dagegen. Auch eine Aufrechnung unter der aufschiebenden Bedingung der Fälligkeit der Forderung des Stpfl. kann hierin nicht gesehen werden, da die Aufrechnung bedingungsfeindlich ist (Rz. 56).
Rz. 56
Wird die Aufrechnungserklärung unter einer Bedingung abgegeben, ist sie unwirksam.
Rz. 57
Eine Form ist für die Aufrechnungserklärung nicht vorgeschrieben. Sie kann schriftlich, mündlich oder auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Möglich ist auch elektronische Form oder Erklärung durch automatische Einrichtungen. Sie kann wirksam auch in einem Abrechnungsbescheid erklärt werden. Die Formvorschriften des § 119 Abs. 2 AO gelten nur für Verwaltungsakte, nicht für steuerschuldrechtliche Willenserklärungen.
Rz. 58
Grundsätzlich kann die Aufrechnung in jedem Stadium des Verfahrens erklärt werden. Wird sie allerdings im Vollstreckungsverfahren erklärt, ist zu berücksichtigen, dass sich die Aufrechnung gegen das Bestehen des durch die zu vollstreckende Entscheidung festgestellten Anspruchs richtet. Dies kann im Vollstreckungsverfahren nicht geprüft werden. Die Aufrechnung ist daher durch die Vollstreckungsabwehrklage, §§ 767, 769 ZPO, geltend zu machen. Zu Beschränkungen der Aufrechnung im Insolvenzverfahren Dißars, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 251 AO Rz. 61ff.
Rz. 59
Inhaltlich muss die Aufrechnungserklärung lediglich klar und unzweideutig den Willen zur Tilgung und Verrechnung enthalten. Daher braucht sie Grund und Höhe der Hauptforderung des Aufrechnungsgegners (Steuerart, Besteuerungszeitraum, Betrag der Steuerforderung) nicht zu enthalten. Dagegen muss die Aufrechnungserklärung die Gegenforderung nach Grund und Höhe angeben, damit feststellbar ist, in welcher Höhe diese Forderung durch die Aufrechnung erlischt. Diese Konkretisierung der Gegenforderung kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG nachgeholt werden. Die Aufrechnungserklärung der Finanzbehörde ist eine (verwaltungsrechtliche) Willenserklärung, kein Verwaltungsakt (Rz. 60). Die inhaltlichen Bestimmtheitsanforderungen des § 119 AO sind daher nicht anwendbar, bei Verstoß hiergegen kann die Erklärung daher auch nicht nach § 125 AO nichtig sein. Dies gilt auch für den auf die Aufrechnung folgenden Abrechnungsbescheid bzw. die Erklärung der Aufrechnung im Abrechnungsbescheid. Der Abrechnungsbescheid ist nicht nach § 125 nichtig, wenn er die Hauptforderung nicht genau bezeichnet, weil anderenfalls § 396 Abs. 1 BGB umgangen würde. Der Abrechnungsbescheid muss nur die aufrechnende Forderung, also die Gegenforderung, sowie die Feststellung, dass diese durch Aufrechnung erloschen ist, enthalten, nicht aber die Hauptforderung des Aufrechnungsgegners, gegen die aufgerechnet worden ist. Der Abrechnungsbescheid rechnet über die aufrechnende Forderung, nicht die Hauptforderung in der Bestandskraft fähiger Weise ab. Wird allerdings streitig, ob und welche Forderungen durch Aufrechnung erloschen sind, muss der Aufrechnende die Hauptforderungen konkretisieren. Im gerichtlichen Verfahren muss das bis zum Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung geschehen sein, da sonst nicht entschieden werden kann, welche Forderungen durch die Aufrechnung erloschen sind.
Die Aufrechnungserklärung ist von derjenigen Finanzbehörd...