Rz. 24
Keine Steuern sind die im Staatsrecht höchst umstrittenen sog. Sonderabgaben. Anders als Steuern sind diese hinsichtlich ihrer Erhebung und Verwendung zweckgebunden und dienen nicht der Erzielung von Einnahmen i. S. d. § 3 Abs. 1 AO. Ihr Aufkommen fließt nicht in den allgemeinen Staatshaushalt, sondern regelmäßig in einen Sonderfonds und ist "gruppennützig" zu verwenden. Derartige nichtsteuerliche Abgaben sind durch die Finanzverfassung nicht grundsätzlich ausgeschlossen, weil das GG keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabentypen enthält. In eine gewisse Konkurrenz zu Steuern geraten Sonderabgaben jedoch deshalb, weil auch ihnen keine Gegenleistung der öffentlichen Hand gegenübersteht und auch Sonderabgaben "voraussetzungslos" auferlegt werden. Die Abgrenzung zwischen Steuern und Sonderabgaben bereitet daher erhebliche Probleme.
Rz. 25
Da der Steuerbegriff der Art. 105ff. GG nur Abgaben umfasst, die dem Staat unmittelbar und endgültig zufließen, sind jedenfalls die gruppennützig verwendeten Einnahmen ein Ausschlussmerkmal für eine Steuer und ein starkes Indiz für eine Sonderabgabe. Je allgemeiner die zu erfüllende Aufgabe ist, desto mehr nähert sich die Sonderabgabe dem Charakter einer Steuer an. Es besteht daher die Gefahr, dass durch Einführung von Sonderabgaben, die an sich Steuercharakter haben, die Gesetzgebungs- und Aufkommensregelungen der Art. 105–107 GG umgangen werden können.
Rz. 26
Die Kompetenzgrundlage für die Begründung einer Sonderabgabe folgt nicht aus der Abgabenkompetenz, sondern aus der Gesetzgebungszuständigkeit für die jeweilige Sachmaterie. Grenzen für derartige Sonderabgaben ergeben sich jedoch sowohl aus der Begrenzungs- und Schutzfunktion der in Art. 104a ff. GG verankerten bundesstaatlichen Finanzverfassung als auch aus den Grundrechten.
Rz. 27
Nach dem primären Zweck der Abgabe unterscheidet die BVerfG-Rspr. zwischen Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion und Sonderabgaben mit Lenkungs- und Ausgleichsfunktion. Nach der BVerfG-Rspr. müssen Sonderabgaben die seltene Ausnahme bleiben; tatsächlich nimmt die Zahl der Sonderabgaben erheblich zu.
Rz. 28
Einer Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion darf sich der Gesetzgeber zur Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Mit der Sonderabgabe darf nur eine homogene Gruppe belegt werden, die zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck in spezifischer Sachnähe steht, aufgrund deren ihr eine besondere Finanzierungsverantwortung zugerechnet werden kann. Außerdem muss das Abgabenaufkommen grundsätzlich gruppennützig verwendet werden. In formeller Hinsicht müssen diese Sonderabgaben haushaltsrechtlich vollständig dokumentiert und ihre sachliche Rechtfertigung in angemessenen Zeitabständen überprüft werden. In Anwendung dieser Merkmale hat sich die Prüfdichte der an die Verfassungsmäßigkeit einer Sonderabgabe zu stellenden Anforderungen in den letzten Jahren erhöht.
Rz. 29
Weniger strenge Anforderungen sollen demgegenüber an die Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben mit Lenkungs- und Ausgleichsfunktion zu stellen sein. Hier sollen die Erfordernisse einer besonderen Gruppenverantwortung und das Gebot der gruppennützigen Verwendung des Abgabenaufkommens "nicht uneingeschränkt gelten". Eine Herabsetzung der Anforderungen, die an die Verfassungsmäßigkeit solcher Sonderabgaben zu stellen sind, dürfte sich jedoch im Fall des echten Sanktionscharakters solcher Abgaben rechtfertigen.
Rz. 29a
Der Gesetzgeber muss im Interesse wirksamer parlamentarisch-demokratischer Legitimation und Kontrolle die erhobenen Sonderabgaben haushaltsrechtlich vollständig dokumentieren und ihre sachliche Rechtfertigung in angemessenen Zeitabständen überprüfen.