1 Zweck der Vorschrift
Rz. 1
Die Finanzbehörde kann vollstreckbare Geldforderungen, wenn sie nicht freiwillig erfüllt werden, nur nach den §§ 249–323 AO vollstrecken. Sie kann sich dann aus dem durch die Verwertung der gepfändeten Gegenstände erzielten Erlös befriedigen. Das Recht zur Verwertung ergibt sich aus dem durch die Pfändung begründeten Pfändungspfandrecht.
Dieser Weg über die Pfändung wäre – ohne die Regelung des § 327 AO – auch dann erforderlich, wenn die Finanzbehörde für die Geldforderung bereits ein Sicherungsrecht freiwillig oder erzwungen erlangt hat. Allein die Einräumung oder Erlangung eines Sicherungsrechts begründet für die Finanzbehörde noch nicht automatisch das Recht zur Verwertung im Weg der öffentlich-rechtlichen Vollstreckung. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Sicherungsrecht durch zivilrechtliches Rechtsgeschäft bestellt worden ist.
Ein solcher Umweg über die Pfändung widerspräche dem Sinn eines Sicherungsrechts. Dessen Bestellung bezweckt die spätere Erfüllung einer Forderung durch die Möglichkeit der Verwertung des zur Sicherung dienenden Gegenstands. Der Sicherungsgeber hat sich in gewisser Weise "freiwillig" der sofortigen Vollstreckung unterworfen bzw. ist durch Verwaltungsakt zur Einräumung der Sicherheit gezwungen worden. § 327 AO vereinfacht entsprechend dem Sinngehalt eines Sicherungsrechts das Vollstreckungsverfahren und schafft die Rechtsgrundlage für eine Verwertung der Sicherheit durch die Finanzbehörde aufgrund der eigenen öffentlich-rechtlichen Rechtsstellung.
Rz. 1a
Das Verwertungsverfahren nach § 327 AO ist eine besondere Art des Vollstreckungsverfahrens. Es ersetzt einen Teil des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Vollstreckungsverfahrens, nämlich Pfändung und Beschlagnahme des Gegenstands, an dem das Sicherungsrecht besteht. Da die Verwertung vorhandener Sicherheiten für die Finanzbehörde der einfachere Vollstreckungsweg ist, ist die Anordnung anderer Vollstreckungsmaßnahmen m. E. als Übermaßpfändung rechtswidrig, sofern aus den Sicherheiten eine Tilgung des finanzbehördlichen Anspruchs zu erwarten ist.
2 Entstehung des Verwertungsrechts
2.1 Gesicherter Anspruch
Rz. 2
Das Verwertungsrecht der Finanzbehörde nach § 327 AO setzt voraus, dass der Finanzbehörde eine im Verwaltungsverfahren vollstreckbare Geldforderung zusteht, für die sie eine Sicherheit erlangt hat und die noch nicht erfüllt ist.
Vollstreckbarkeit i. d. S. bedeutet nach § 327 S. 1 AO zunächst, dass die Finanzbehörde das Vollstreckungsverfahren nach den §§ 249–253 AO betreiben kann. Hiernach können nur Forderungen vollstreckt werden, die unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet sind. Sonstige Ansprüche werden nach §§ 328ff. AO vollstreckt. Die Anwendung von § 327 AO kommt also nur dann in Betracht, wenn die sonstigen Forderungen in eine Geldforderung übergegangen sind und die Sicherheit dann für diese Geldforderung bestellt worden ist.
Nach den §§ 249–323 AO können nur öffentlich-rechtliche Geldforderungen vollstreckt werden, die von der Finanzbehörde durch einen Verwaltungsakt festgesetzt worden sind bzw. durch eine Steueranmeldung nach § 168 AO als festgesetzt gelten. Die Verwertung von Sicherheiten für zivilrechtliche Ansprüche, z. B. bei der Bestellung von Sicherheiten durch andere Personen als den Vollstreckungsschuldner, der Finanzbehörde kommt nur über das zivilrechtliche Verfahren in Betracht.
Rz. 3
Geldforderungen i. d. S. sind, wie für den Arrest, zunächst alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Hierzu zählen z. B. Ansprüche auf
- Steuern,
- steuerliche Nebenleistungen i. S. v. § 3 Abs. 4 AO,
- Haftungsansprüche und auch – als Unterfall der Haftung – Ansprüche auf
- Duldung der Befriedigung aus einem Gegenstand wegen eines Anspruchs aus einem Steuerschuldverhältnis sowie Ansprüche auf
- Rückgewähr unberechtigt erfüllter Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis.
Geldforderungen i. d. S. sind ferner auch im Steuerordnungswidrigkeitenverfahren festgesetzte Bußgelder, die Kosten des Bußgeldverfahrens (§ 412 Abs. 3 AO) sowie die Kosten und Ordnungsgelder des finanzgerichtlichen Verfahrens.
Rz. 4
Für die vollstreckbare Geldforderung muss die Vollziehbarkeit nach § 251 Abs. 1 AO gegeben sein. Die Geldforderung darf also einerseits nicht durch ein Insolvenzverfahren betroffen sein (§ 251 Abs. 2 AO). Zum anderen darf nach § 251 Abs. 1 AO die Vollziehbarkeit nicht aufgrund der Einlegung eines Einspruchs oder der Erhebung der finanzgerichtlichen Klage durch die gewährte Aussetzung der Vollziehung ausgeschlossen sein.
Rz. 5
Ferner darf nach § 327 S. 1 AO die vollziehbare Forderung noch nicht erfüllt, also nach § 47 AO nicht erloschen sein. Ist die gesicherte Forderung erloschen, so ist wegen der Akzessorietät