Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 6
Eine der in §§ 34, 35 AO bezeichneten Personen muss bei Ausübung ihrer Obliegenheiten Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung (vgl. Rz. 8) gewesen sein oder eine leichtfertige Steuerverkürzung begangen haben (vgl. Rz. 9) und muss hierdurch Steuerschuldner oder Haftender geworden sein (vgl. Rz. 12). Die in § 34 AO oder § 35 AO bezeichnete Person muss also selbst die angeführten Deliktvoraussetzungen durch Handlung oder Unterlassung bewirkt haben. Bei der Person selbst müssen die Folgen der Steuerschuldnerschaft bzw. Haftungsschuldnerschaft gerade durch das deliktische Verhalten eingetreten sein. Aus der Haftungsfolge des § 70 AO ergibt sich außerdem, dass ein Steuervorteil eingetreten sein muss. Dieser ist von dem Vermögensvorteil zu unterscheiden, bei dessen Fehlen in den Fällen des Abs. 2 die Haftung nach § 70 AO ausgeschlossen ist. Steuervorteile sind vor allem Steuererstattungen oder Steuervergütungen, die wegen der Tat zu Unrecht gewährt worden sind. Für den Vermögensvorteil ist es nicht erforderlich, dass der Täter dem Vertretenen diesen Vorteil verschaffen wollte. Maßgebend ist allein der Eintritt des Vorteils.
3.1 Steuerliches Delikt
Rz. 7
Als Delikt der Personen nach §§ 34, 35 AO kommen nur die Steuerhinterziehung in Täterschaft oder Teilnahme und die leichtfertige Steuerverkürzung in Betracht. Auf andere Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten lässt sich die Vorschrift auch nicht durch Analogie ausdehnen.
3.1.1 Steuerhinterziehung (Täterschaft, Teilnahme)
Rz. 8
Eine Steuerhinterziehung muss tatbestandsmäßig, rechtswidrig und vorsätzlich schuldhaft begangen worden sein. Die Person nach §§ 34, 35 AO muss entweder ihr Täter (Allein-, Mit- oder Nebentäter) gewesen sein oder an ihr als Anstifter oder Gehilfe teilgenommen haben. Der Vorteil der Hinterziehung kann einer anderen Person zugekommen sein und sich sogar für den Vertretenen schädlich ausgewirkt haben. In diesem Fall könnte allerdings ein Haftungsausschluss nach Abs. 2 in Betracht kommen. Der Versuch einer Steuerhinterziehung reicht ebenso wenig aus wie eine – steuerstrafrechtlich zulässige – Wahlfeststellung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerhehlerei. § 70 AO fordert eindeutig eine Steuerhinterziehung. Eine Steuerhehlerei ist, obwohl sie ein Steuervergehen ist, nicht ausreichend, ebenso wenig eine nur versuchte Steuerhinterziehung. Auch andere Straftaten wie z. B. der Betrug und die Hehlerei reichen nicht. Schwierigkeiten in der Praxis können sich aus der Aufgabe des Rechtsinstituts der fortgesetzten Tat für die Steuerhinterziehung ergeben (s. auch Rz. 10).
3.1.2 Leichtfertige Steuerverkürzung
Rz. 9
Eine leichtfertige Steuerverkürzung ist gegeben, wenn jemand als Stpfl. oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Stpfl. den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt und subjektiv bei ihm insofern Leichtfertigkeit gegeben ist. Da Stpfl. nach § 33 Abs. 1 AO jeder ist, der in eigener Angelegenheit steuerliche Pflichten zu erfüllen hat, fallen hierunter wegen § 34 Abs. 1 S. 1 AO alle unter §§ 34, 35 AO aufgeführten Personen. Die leichtfertige Steuerverkürzung kann allein oder mit mehreren Beteiligten begangen worden sein. Dabei unterscheidet das hier einschlägige Ordnungswidrigkeitenrecht nicht zwischen Täterschaft und Teilnahme. Ohne Rücksicht darauf, ob bei einer Straftat eine Täterschaft oder Teilnahme (Anstiftung, Gehilfenschaft) gegeben wäre, handelt nach § 14 OWiG jeder Beteiligte ordnungswidrig. Voraussetzung ist allerdings ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der Beteiligten. Das ist auch bei fahrlässigen Taten denkbar, so dass nicht nur der Fall der Nebentäterschaft für die Haftung mehrerer Beteiligter an einer leichtfertigen Steuerverkürzung nach dieser Vorschrift in Betracht kommt.
3.1.3 Ermittlungen und Entscheidung über die Voraussetzungen
Rz. 10
Über das Vorliegen der objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Steuerhinterziehung und der leichtfertigen Steuerverkürzung sowie der Täterschaft oder Beteiligung der unter §§ 34, 35 AO fallenden Person entscheidet die für den Erlass des Haftungsbescheids zuständige Finanzbehörde. Da die Haftungsvorschrift steuerlicher Art ist, muss das Delikt nicht geahndet sein, eine Bestrafung oder Bußgeldfestsetzung ist also nicht erforderlich. Für die Ermittlungen gelten ebenso wie bei § 235 AO die steuerlichen, nicht die strafverfahrensrechtlichen Regeln. E...