Rz. 2
Die Klage kann in jedem Verfahrensstadium bis zur Rechtskraft, also auch nach Verkündung oder Zustellung des FG-Urteils und noch im Revisionsverfahren – bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung –, zurückgenommen werden. Voraussetzung ist die Statthaftigkeit der Revision, da anderenfalls die Rechtskraft des FG-Urteils bereits mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist eintritt und die Klagerücknahme ins Leere geht. Im Übrigen braucht die Revision nicht zulässig (i. e. S.) zu sein, da bei einer an sich statthaften, aber unzulässigen Revision die Rechtskraft des FG-Urteils erst mit dem Verwerfungsbeschluss des BFH eintritt.
Aus § 72 Abs. 1 S. 2 FGO ergibt sich, dass zur Wirksamkeit der Klagerücknahme in der Revisionsinstanz allerdings stets die Einwilligung des Beklagten notwendig ist. Ohne die Einwilligungserklärung ist die Klagerücknahme unwirksam. Die Einwilligung weiterer Verfahrensbeteiligter ist nicht erforderlich. Der Vertretungszwang gilt, unabhängig davon, ob der Kläger bei der Revisionseinlegung ordnungsgemäß vertreten war, für die Klagerücknahme nicht, oder ob er sich bereits bei der Revisionseinlegung nicht durch einen befugten Prozessbevollmächtigten hat vertreten lassen.
Die Rücknahme der Klage führt zur Beseitigung des erstinstanzlichen Urteils und damit zur Bestandskraft des angefochtenen Verwaltungsakts. Die Kosten des gesamten Verfahrens (Klage und Revision) fallen dem Kläger zur Last. Das Verfahren ist stets durch Beschluss entspr. § 72 Abs. 2 S. 2 FGO einzustellen, in dem die Unwirksamkeit des FG-Urteils festgestellt wird. Die Wirkungen der Rechtshängigkeit sind damit von Anfang an beseitigt. Der angefochtene Bescheid ist bestandskräftig und die Revision ist gegenstandslos. Dies stellt der BFH zur Klarstellung in dem Einstellungsbeschluss fest.
Die Klagerücknahme kann auch erklärt werden, wenn der Kläger vor dem FG obsiegt und das FA Revision eingelegt hat. Die Revision des FA wird dadurch mit der Verfahrenseinstellung gegenstandslos. Voraussetzung ist jedoch, dass das FA in die Klagerücknahme einwilligt. Die Klagerücknahme kann sinnvoll sein, wenn ein zwar in der Sache günstiges, aber in seinen Auswirkungen auf andere Bereiche nachteiliges FG-Urteil beseitigt werden soll.
Rz. 3
Auch die Revision kann von der Einlegung bis zur Rechtskraft zurückgenommen werden, unabhängig davon, ob der Revisionskläger im erstinstanzlichen Verfahren Kläger oder Beklagter war. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, bei Verzicht auf mündliche Verhandlung und nach Ergehen eines Gerichtsbescheids ist allerdings die Einwilligung (Rz. 15) des Revisionsbeklagten erforderlich. Die Revisionsrücknahme hat den Verlust des Rechtsmittels zur Folge. Das angefochtene FG-Urteil bleibt daher bestehen (Rz. 16).
Rz. 4
Die Klagerücknahme führt zur Beseitigung des erstinstanzlichen Urteils und ist daher weitergehend als die Revisionsrücknahme. Sie schließt daher die Zurücknahme der Revision aus. Gleichwohl kann es sinnvoll sein, Klagerücknahme und Revisionsrücknahme nebeneinander zu erklären, sofern unklar ist, ob der Beklagte in die Klagerücknahme einwilligen wird. Willigt der Beklagte nicht in die Klagerücknahme ein, wird die Rücknahme der Revision wirksam, sofern dafür nicht bereits nach § 125 Abs. 1 S. 2 FGO ebenfalls die Einwilligung des Revisionsbeklagten erforderlich ist. Wird mit der Klagerücknahme zugleich hilfsweise die Revisionsrücknahme erklärt, liegt darin keine unzulässige Bedingung der Revisionsrücknahme.
Klagerücknahme oder Revisionsrücknahme müssen eindeutig erklärt werden. Der BFH ist bei berufsmäßigen Prozessvertretern grundsätzlich nicht verpflichtet, sich bei einer missverständlichen Formulierung durch Rückfrage nach dem Gewollten zu erkundigen.
Werden gleichzeitig Klage und Revision zurückgenommen, ist, da weitergehend, in erster Linie die Klagerücknahme als gewollt anzunehmen. Bei getrennt abgegebener Klagerücknahme- und Revisionsrücknahmeerklärung ist die zuerst eingegangene Erklärung wirksam und entscheidend.
Die Grundsätze über eine teilweise Klagerücknahme gelten auch im Revisionsverfahren. Die teilweise Klagerücknahme setzt danach grundsätzlich einen teilbaren Streitgegenstand voraus. Die Klage kann dann insoweit zurückgenommen werden, als sie sich auf einen Streitgegenstand bezieht, über den ein Teilurteil ergehen könnte. Entsprechendes gilt für eine teilweise Rücknahme der Revision. Ausnahmsweise ist nach § 72 Abs. 1a FGO eine Teilrücknahme auch für bestimmte Besteuerungsgrundlagen, die für ein zwischenstaatliches Verständigungs- oder Schiedsverfahren von Bedeutung sein können, zulässig.