Rz. 1
§ 55 FGO regelt die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung über den jeweils einzulegenden (gerichtlichen) Rechtsbehelf gegen eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren und trifft eine abschließende Sonderregelung über die Folgen einer unzureichenden Rechtsbehelfsbelehrung. Die Vorschrift begründet selbst aber keine Verpflichtung zur Erteilung einer solchen Belehrung. Gesetzlich vorgeschrieben ist die Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung z. B. für den Erlass einer Einspruchsentscheidung nach § 366 AO sowie für Urteile, Gerichtsbescheide und anfechtbare Beschlüsse im gerichtlichen Verfahren nach §§ 105 Abs. 2 Nr. 6, 106, 113 Abs. 1 FGO. Die gerichtliche Rechtsbehelfsbelehrung stellt insoweit einen notwendigen Urteilsbestandteil dar, gehört jedoch nicht zu den Entscheidungsgründen i. S. d. § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO. Die Erteilung einer Rechtsschutzbelehrung ist Teil der finanzbehördlichen und gerichtlichen Fürsorgepflicht. Ihr Fehlen oder ihre inhaltliche Unrichtigkeit führt indes nicht zur Anfechtbarkeit oder Unwirksamkeit der Entscheidung, sondern nur zu der in § 55 FGO vorgesehenen Modifikation der regulären Rechtsbehelfsfrist.
Rz. 2
Die Regelung des § 55 FGO ist Ausfluss des verfassungsrechtlichen Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes sowie der hieraus abzuleitenden Gebote der prozessualen Fürsorgepflicht und der Rechtsmittelklarheit. Sie dient dem Zweck, den Bürger alsbald und zuverlässig darüber zu unterrichten, dass die ihm zugegangene Entscheidung nur innerhalb einer bestimmen Frist angefochten und wie diese Frist gewahrt werden kann. Sie soll letztlich sicherstellen, dass der Rechtssuchende nicht aus prozessualer Unkenntnis sein Recht auf Erhebung einer Klage oder Einlegung eines Rechtsmittels verliert. Unabhängig davon, ob eine gesetzliche Verpflichtung zur Rechtsbehelfsbelehrung besteht, beginnen Klage- und Rechtsmittelfristen daher grundsätzlich nur zu laufen, wenn dem Verwaltungsakt oder der Gerichtsentscheidung eine ordnungsgemäße Belehrung über den einzulegenden Rechtsbehelf beigefügt war. Fehlt es hieran, kann der Rechtsbehelf nach Abs. 2 der Vorschrift innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts oder der Gerichtsentscheidung eingelegt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Frist für das unrichtig angegebene Rechtsmittel genauso lange läuft wie die Frist für das zutreffende Rechtsmittel. Nach Ablauf der Jahresfrist (Ausschlussfrist) ist der Rechtsbehelf nur zulässig, wenn die Einlegung vor ihrem Ablauf infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung erteilt worden ist, nach der ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei.
Zur Entstehungsgeschichte der Regelung eingehend Leipold, in HHSp, AO/FGO, § 55 FGO Rz 1ff.