Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Die Beförderung von Gegenständen kann – soweit sie in Deutschland steuerbar ist – unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 3 Buchst. a UStG steuerfrei sein. Notwendig ist dafür eine drittlandsgrenzüberschreitende Warenbewegung.
Die Beförderung muss sich entweder unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr beziehen oder auf Gegenstände der Einfuhr in das Gebiet eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, wenn die Kosten für diese Leistungen in die Bemessungsgrundlage für die Einfuhr mit einbezogen wurden.
Bisher war es in Deutschland unerheblich, ob die Beförderungsleistung unmittelbar an den Versender oder den Empfänger dieser Gegenstände erbracht wurde. So konnte auch die Beförderungsleistung eines sog. Unterfrachtführers gegenüber dem Hauptfrachtführer unter den weiteren Bedingungen steuerfrei sein.
Der EuGH hatte allerdings in einem aus Lettland vorgelegten Verfahren entschieden, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zu einer Aus- oder Einfuhr nicht nur voraussetzt, dass die betreffenden Leistungen zur tatsächlichen Durchführung einer Ausfuhr oder Einfuhr beitragen müssen, sondern dass diese Dienstleistungen auch unmittelbar an den Ausführer, den Einführer oder den Empfänger der Gegenstände erbracht werden müssen.
Die Finanzverwaltung nimmt jetzt dieses Urteil des EuGH auf und ändert entsprechend den UStAE. In Abschn. 4.3.2 Abs. 4 Satz 5 UStAE ist ergänzt worden, dass die Steuerbefreiung grundsätzlich nur für die Leistung des Hauptfrachtführers, nicht aber für die Leistungen der Unterfrachtführer in Betracht kommt, da dieser die Beförderungsleistungen nicht unmittelbar an den Versender oder den Empfänger der Gegenstände erbringt, sondern an den Hauptfrachtführer.
Unternehmer U aus Hamburg beauftragt den Hauptfrachtführer HF aus Hamburg, für ihn einen Gegenstand von Hamburg nach Zürich zu transportieren. HF, der den Gegenstand von Hamburg nach Singen (DE) transportiert, beauftragt den Unterfrachtführer UF aus Singen, den Gegenstand von Singen nach Zürich (CH) zu transportieren.
HF führt eine in Deutschland steuerbare Beförderungsleistung aus, die aber als drittlandsgrenzüberschreitende Beförderungsleistung nach § 4 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa UStG steuerfrei ist. HF schuldet gegenüber seinem Vertragspartner die grenzüberschreitende Beförderung des Gegenstands.
UF führt ebenfalls eine in Deutschland steuerbare Beförderungsleistung aus. Die Leistung unterliegt aber nicht der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UStG, weil die Beförderungsleistung nicht an den Absender oder Empfänger des Gegenstands erbracht wird. Die Leistung des UF ist steuerpflichtig.
Konsequenzen für die Praxis
Eine wichtige Änderung in der Transportbranche, die zu geänderten Abrechnungen und Abrechnungsformalitäten führt.
Es müssen nicht nur die leistenden Frachtführer (Unterfrachtführer) auf die geänderte Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift achten. Auch Leistungsempfänger (z. B. Hauptfrachtführer) müssen diese Veränderung beachten. So kann es sein, dass sich daraus für sie auch die Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG ergeben kann (z. B. wenn im oben angegebenen Beispiel der UF aus der Schweiz kommen würde; in diesem Fall würde die Leistung des UF auch steuerbar und steuerpflichtig in Deutschland sein, HF würde dann zum Steuerschuldner werden).
Die Grundsätze des Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber für alle vor dem 1.7.2020 ausgeführten Umsätze nicht, wenn noch nach den bisherigen Vorgaben des UStAE verfahren wird und die Leistungen des Unterfrachtführers unter den weiteren Bedingungen als steuerfreie Umsätze erfasst werden. Der Praxis bleibt damit eine moderate Umstellungsfrist, ihre Abrechnungen und Abrechnungswege entsprechend anzupassen.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 6.2.2020, III C 3 – S 7156/19/10002 :001, BStBl 2020 I S. 235.