Entscheidungsstichwort (Thema)
Im Rahmen eines Werkvertrags überlassene Betriebs- und Geschäftseinrichtung als inländische Betriebsstätte
Leitsatz (redaktionell)
Eine ungarische Kapitalgesellschaft, der aufgrund eines Werkvertrags für die gesamte Vertragsdauer von zwölf Monaten im Inland ein Anspruch auf unentgeltliche Nutzung der zur Durchführung ihrer Tätigkeit notwendigen Räumlichkeiten und Gerätschaften, mithin ein Anspruch auf die Geschäftseinrichtung zusteht, der ihr nicht ohne Weiteres genommen werden kann, unterhält im Inland eine Betriebsstätte im Sinne sowohl von § 12 AO als auch des DBA-Ungarn.
Normenkette
AO § 12 Sätze 1, 2 Nr. 8; KStG § 2 Nr. 1; EStG § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; DBA HUN Art. 5 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin im Streitjahr (2008) im Inland eine Betriebsstätte unterhalten hat und deshalb beschränkt steuerpflichtig ist.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft ungarischen Rechts (Kft), vergleichbar einer deutschen GmbH, mit Sitz in Ungarn. Geschäftsgegenstand ist die Fleischverarbeitung, der Name der Klägerin bedeutet übersetzt „XY GmbH”. Die Klägerin beschäftigte insgesamt knapp etwa 200 Mitarbeiter, davon 130 bis 140 in Ungarn.
Mit weiteren 40 bis 50 Beschäftigten führte die Klägerin in Deutschland Werkverträge durch, insbesondere zwei Werkverträge mit der Firma ABC GmbH & Co KG (ABC). In den Verträgen wurde die Klägerin als Auftragnehmerin (AN) und die ABC. als Auftraggeberin (AG) bezeichnet. Gegenstand des Vertrags vom April 2008 war die Fleischzerlegung (Herstellung von Fleischteilen) in der Zeit vom 01.06.2008 bis 31.05.2009. Gegenstand des Vertrags vom Juli 2008 war die Verpackung von Fleisch-Convenience-Produkten wie Hamburger in der Zeit vom 21.07.2008 bis 31.06.2009. Die zu zerlegenden Fleischteile bzw. zu bearbeitenden und zu verpackenden Lebensmittel wurden der Klägerin von der ABC. zur Verfügung gestellt. Die Tätigkeiten führte die Klägerin vereinbarungsgemäß in den Räumen der ABC. durch, nämlich in deren Betriebsstätte in X-Stadt. Hierzu heißt es im Werkvertrag vom April 2008 unter anderem:
Art. 1:
„Die Herstellung erfolgt in dem Betrieb der AG …, Produktionsbereich Zerlegung, abgegrenzt gemäß der Zeichnung, Anlage 2 zu diesem Vertrag, rot umrandete Räumlichkeiten. Diese werden der AN seitens der AG, einschließlich der zur Herstellung erforderlichen Maschinen und Geräte, Strom, Wasser und Sozialräumlichkeiten, sowie Kantine während der Vertragslaufzeit unentgeltlich zur Verfügung gestellt.”
Art. 4
„Die AG verpflichtet sich: …b) alle nötigen Betriebseinrichtungen und Gerätschaften, z. B. Bänder, Haken, Maschinen, in funktionsfähigem Zustand in der Betriebsstätte
unentgeltlich zur Verfügung der AN zu stellen und ständig funktionsfähig zu halten.
…
Die AG informiert die AN schriftlich über die geltenden Sicherheitsvorschriften …, die … die zur Verfügung gestellten Maschinen und sonstigen Einrichtungen betreffen.”
Art. 5
„Bei der Durchführung des Vertrages ist die AN in der Auswahl ihres Personals, der Anzahl der eingesetzten Mitarbeiter sowie über den konkreten Einsatz ihres Personals frei und unterliegt keinen Weisungen der AG. Die AG ist nicht berechtigt, gegenüber dem Personal der AN Weisungen zu erteilen.”
Organisatorische und fachgebundene Fragen während der Ausführungszeit der Werkleistung sind zwischen der AN und der AG zu beraten und zu klären. Die sich hieraus ergebenden Maßnahmen führt die AN in eigener Verantwortung durch.”
Die Regelungen im Werkvertrag vom Juli 2008 sind im Wesentlichen identisch. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beiden Werkverträge Bezug genommen.
Die in den Werkverträgen getroffenen Vereinbarungen wurden im Wesentlichen wie vereinbart umgesetzt. Lediglich die veterinäramtlichen und sonstigen Untersuchungen von Fleischteilen wurden entgegen Art. 2 Buchst. b Unterabs. 2 nicht auf Veranlassung der Klägerin, sondern auf Veranlassung der ABC. durchgeführt. Diese sorgte auch für sonstige Hygienemaßnahmen.
Die Klägerin unterhielt während ihrer vorbeschriebenen Tätigkeit in Deutschland kein Büro. Zahlungsverkehr, Schriftverkehr, Rechnungswesen usw. wurden vom Firmensitz in Ungarn erledigt. Die Tätigkeit der Klägerin in Deutschland dauerte mindestens bis zum Jahr 2011.
Trotz Aufforderung durch den Beklagten (das Finanzamt – FA –) hat die Klägerin in Deutschland – mit Ausnahme von Lohnsteueranmeldungen – keine Steuererklärungen abgegeben, da sie davon ausging, hierzu nicht verpflichtet zu sein, weil sie keine inländische Betriebsstätte unterhalte. Sie habe Steuererklärungen in Ungarn abgegeben, in die sämtliche Geschäftsvorfälle aus der Tätigkeit in X-Stadt eingeflossen seien. Demgegenüber ging das FA vom Unterhalten einer Betriebsstätte und damit von einer inländischen beschränkten Steuerpflicht der Klägerin aus...