Entscheidungsstichwort (Thema)
Geldeinwurfautomat an Videokabine eines Erotikmarkts als Kasse im Sinne des § 146 AO. Betriebsveräußerung. Firmenname und einheitliche Bezeichnung einer Kette von Erotikmärkten als wesentliche Betriebsgrundlagen
Leitsatz (redaktionell)
1. In bargeldintensiven Betrieben kann bereits eine formell nicht ordnungsgemäße Kassenaufzeichnung den Schluss zulassen, dass nicht alle Bareinnahmen verbucht wurden.
2. Die Rechtsprechung zu Mängeln in der Kassenbuchführung (z. B. Erfordernis der Kassensturzfähigkeit) ist auch auf die streitigen Geldeinwurfautomaten an Videokabinenkassen eines Erotikmarkts anwendbar.
3. Eine begünstigte Betriebsveräußerung im Ganzen liegt nicht vor, wenn von dem Verkauf eines Erotikmarkts die Übertragung des Firmennamens sowie die – dem Erwerber seither mittels eines Frachisevertrags überlassene – einheitliche Bezeichnung ausgenommen ist, unter der der Veräußerer mehrere gleichartige Märkte betrieben hat, und ein Weiterbetrieb ohne die Bezeichnung dem Erotikmarkt die Unverwechselbarkeit und damit eine wichtige Grundlage für das Auftreten am Markt genommen hätte.
Normenkette
AO § 146 Abs. 1 S. 2, §§ 158, 162; EStG § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind die Gewinnerhöhung aufgrund vorgenommener Zuschätzungen wegen nicht ordnungsgemäßer Kassenführung und die Versagung eines steuerbegünstigten Veräußerungsgewinns.
Der Kläger betreibt mehrere Erotikmärkte im Bundesgebiet unter dem einheitlichen Namen „AAA”. Die einzelnen Märkte werden organisatorisch getrennt voneinander geführt und stellen jeweils einen eigenen Gewerbebetrieb der. Einer dieser Märkte wurde in BBB betrieben. Der Markt ist untergliedert in eine Shop-Bereich (Handel mit Erotikartikeln) und einen zweiten Bereich mit Videokabinen und Erotikkino.
Dieser Markt wurde mit Kaufvertrag vom 23.09.2004 mit Wirkung zum 01.10.2004 an CCC unter zeitgleichem Abschluss eines Franchise-Vertrages verkauft. Der Kaufpreis betrug 800.000 EUR.
In § 1 des Franchisevertrages ist geregelt, dass der Kläger als Franchisegeber auf die Vermarktung von Erotikartikeln spezialisiert sei. Der Franchisegeber räume dem Franchisenehmer für den „AAA” Markt BBB das Recht der Nutzung des Franchisesystems einschließlich des gesamten Know How's und des Erfahrungswissens sowie der sonstigen Kennzeichnungen des Franchisesystems zum Vertrieb der Erotikprodukte in diesem Markt ein. Das Geschäftslokal und der Geschäftsbetrieb des Franchisenehmers würden unter dem Namen „AAA” Markt BBB geführt.
Als Pflicht des Franchisenehmers aus diesem Vertrag ist u. a. festgelegt, dass der Franchisenehmer dem Franchisegeber über die Geschäftsentwicklung, die regionale Marktsituation und die Tätigkeit von Konkurrenzunternehmen im Vertragsgebiet mindestens halbjährlich sachgerecht berichte. Das Geschäftslokal sei entsprechend der vom Franchisegeber gegebenen Anweisungen hinsichtlich des Gebrauchs des Namens, der Wortzeichen, Werbesätze, Bilder usw. einzurichten, auszustatten und zu erhalten und zwar mit dem Ziel, das Markenbild des Franchisegebers am günstigsten in Erscheinung treten zu lassen. Insbesondere seien im Rahmen der Außenwerbung mindestens die derzeit angebrachten neonhinterleuchteten Tafeln mit dem Markenzeichen „Kussmund” beizubehalten.
Der Franchisevertrag wurde auf die Dauer von 10 Jahren abgeschlossen. Als monatliches Honorar wurden 3.000 EUR zzgl. gesetzliche Umsatzsteuer vereinbart.
In der Erklärung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2004 erklärte der Kläger einen Gewinn aus Gewerbebetrieb i.H.v. 43.269 EUR, welcher mit Bescheid vom 04.01.2006 gesondert festgestellt wurde. Ein Veräußerungsgewinn wurde nicht erklärt. Der Gewerbesteuermessbetrag 2004 wurde mit Bescheid vom 13.01.2006 in entsprechender Höhe festgesetzt. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO.
Auf Antrag des Klägers wurde mit geänderten Bescheiden vom 12.02.2007 der Gewinn aus Gewerbebetrieb 2004 auf 38.054,16 EUR gemindert. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde beibehalten.
In der Zeit vom 06.10.2008 bis 29.09.2009 wurde bei dem Kläger eine Betriebsprüfung (Bp) durchgeführt. Die Bp umfasste die gesonderte Feststellung der Einkünfte und die Gewerbesteuer 2004. Im Prüfungsbericht vom 04.11.2009 fasste der Betriebsprüfer seine Prüfungsfeststellungen wie folgt zusammen:
Im Erotikmarkt seien drei Einnahmebereiche vorhanden: der Verkauf von Filmen, ehehygienischen Artikeln, etc. und die Bereiche Kinokasse sowie Videokabinenkasse, die Einnahmen aus dem Verkaufsbereich würden von Fremdpersonal in eine Registrierkasse eingegeben und die Tageseinnahmen mittels Tagesendsummenbons festgehalten. Die Bereiche Kino und Videokabinen würden zusammengefasst. Diese Kassen würden von dem Kläger in unregelmäß...