rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Verzicht eines Kindes auf eigene Einkünfte oder Bezüge i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 8 EStG (seit 22.12.1999: Satz 7) bei Zahlung untertariflicher Lehrlingsvergütung in den neuen Bundesländern; Zweitbescheid oder Wiederholungsverfügung
Leitsatz (redaktionell)
1. Kürzt ein Ausbildungsbetrieb mit Sitz in den neuen Bundesländern wegen Zahlungsschwierigkeiten eigenmächtig das im Ausbildungsvertrag vereinbarte tarifliche Lehrlingsentgelt eines volljährigen Kindes, ohne dass eine Abrede über die Verwendung der nicht ausbezahlten Ausbildungsvergütung getroffen wird, begründet dies keinen kindergeldschädlichen Verzicht des Kindes auf eigene Einkünfte oder Bezüge i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 8 EStG (Satz 7 i.d.F. ab 22.12.1999). Das gilt auch, wenn das Kind von vornherein eine Ausbildungsvergütung vereinbart, obwohl es hätte eine darüberliegende Vergütung fordern können.
2. Weder das bloße Schweigen, Untätigsein, das mehrfache Verstreichenlassen von Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen noch das Unterlassen einer gerichtlichen Vorgehensweise begründen einen Verzicht des Kindes auf das ihm zustehende aber nicht gezahlte Lehrlingsentgelt.
3. Wird das Kindergeld für einen bestimmten Zeitraum nach erfolgter Ablehnung eines Kindergeldantrages für diesen Zeitraum nochmals beantragt, so ist das Schreiben, mit dem die Kindergeldzahlung erneut abgelehnt wird, keine bloße wiederholende Verfügung des ersten Ablehnungsbescheides, sondern ein selbständig anfechtbarer Zweitbescheid, wenn die Familienkasse eine erneute Sachprüfung vornimmt und die Ablehnung weitergehender als im ersten Ablehnungsschreiben begründet.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 Sätze 8, 2; AO 1977 § 118 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob das Kind des Klägers Torsten auf einen Teil seiner Ausbildungsvergütung verzichtet hat.
Der Kläger hat einen am 21. März 1979 geborenen Sohn namens Torsten, der im August 1995 eine Berufsausbildung als Zimmerer im Baubetrieb Holzwurm begonnen hatte. Die Ausbildung sollte planmässig nach 3 Jahren im August 1998 enden. Da Torsten die Prüfung nicht bestand, wurde der Lehrvertrag um ein Jahr verlängert, das Ausbildungsverhältnis endete im Juli 1999.
Torsten befand sich bis zum August 1997 im 2., bis August 1998 im 3. Ausbildungsjahr. Laut Ausbildungsvertrag betrugen die tariflichen Vergütungen im 2. Ausbildungsjahr 1.355,20 DM, im 3. Ausbildungsjahr 1.710,20 DM (jeweils brutto). Im Vertrag war vereinbart, dass als angemessene Vergütung die jeweils gültigen tariflichen Sätze gelten. Diese betrugen ab dem 1. April 1997 im 2. Ausbildungsjahr 1.367,10 DM, im 3. Ausbildungsjahr 1.726,80 DM, im 4. Ausbildungsjahr 1.942,70 DM. Ab dem 1. Oktober 1998 betrugen die Sätze im 2. Ausbildungsjahr 1.387,70 DM, im 3. Ausbildungsjahr 1.752,80 DM, im 4. Ausbildungsjahr 1.971,80 DM. Für das Verlängerungsjahr (4. Ausbildungsjahr) vereinbarte Torsten mit Vertrag vom 1. Sept. 1998 eine geänderte Vergütung von 1.210 DM brutto. Der Ausbildungsvertrag und der Vertrag über die Verlängerung wurden durch die Handwerkskammer XY in B-Stadt genehmigt. Während seiner Ausbildung erhielt Torsten im Wesentlichen eine geringere als die vereinbarte Vergütung. Er bekam in 1997 14.036,00 DM, in 1998 14.126,80 DM und in 1999 7.380,00 DM. Die Differenz zu den vereinbarten Beträgen machte er nicht klageweise geltend. In der Zeit von April 1997 bis Dezember 1997 hatte er Werbungskosten in Höhe von 2070,60 DM.
Der Kläger erhielt bis zu Torstens 18. Geburtstag, d.h. bis einschliesslich März 1997 Kindergeld. Am 18. Februar 1997 legte er eine Ausbildungsbescheinigung vom 6. Februar 1997 vor. Mit Bescheid vom 20. Februar 1997 versagte die Beklagte das Kindergeld ab April 1997, da nach der vorgelegten Ausbildungsbescheinigung die Einkunftsgrenze voraussichtlich überschritten wurde. Ein Einspruch hiergegen befindet sich nicht in den Akten. Der Ausbildungsbetrieb teilte im März 1997 mit, dass die tariflichen Leistungen nicht gezahlt würden. Er fügte eine Aufstellung der Zahlungen bis Februar 1997 bei. Mit Schreiben vom 9. April 1999, eingegangen am 13. April 1999, begehrte der Kläger erneut Kindergeld für 1997 und 1998. Er behauptet, er habe gegen den Bescheid vom Februar 1997 schriftlich und telefonisch Einspruch eingelegt. Dieser Antrag wurde mit Verfügung vom 15. April 1999 abgelehnt. Ein schriftlicher Einspruch hiergegen erging nicht. Mit Schreiben vom 11. Nov. 1999, eingegangen am 15. Nov. 1999 begehrte er Kindergeld für die Zeit von 1997 bis 31. Juli 1999. Die Beklagte lehnte das Kindergeld mit drei Verfügungen jeweils vom 17. Nov. 1999 ab. In der ersten Ablehnung für 1997 bezog sie sich auf den Antrag vom 13. April 1999. Dabei berechnete sie im Unterschied zu der Verfügung vom 15. April 1999 erstmalig den anteiligen Grenzbetrag und machte Ausführungen zur anteiligen Berücksichtigung des Arbeitnehmerpauschbetrages. In der zweiten und dritten Verfügung für 1998 und Jan. bis Juli 1999 vom 17. Nov. 1999 bezog sie sich auf den Antrag vom 15. Novembe...