Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Liefert ein Unternehmer im Binnenmarkt grenzüberschreitend regelmäßig an eine Vielzahl von unternehmerischen Abnehmern, konnte aus Vereinfachungsgründen bisher unter bestimmten Voraussetzungen anstelle individueller innergemeinschaftlicher Lieferungen ein innergemeinschaftliches Verbringen nach § 1a Abs. 2 und § 3 Abs. 1a UStG angenommen werden. Die Finanzverwaltung hebt diese Vereinfachungsregelung jetzt auf.
Die rechtliche Problematik
Liefert ein Unternehmer an einen anderen Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat Gegenstände, führt dies bei dem liefernden Unternehmer zu einer in seinem Heimatstaat steuerbaren Lieferung, die aber unter den weiteren Voraussetzungen des § 6a UStG als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei ist. Der Erwerber hat damit korrespondierend im Bestimmungsstaat einen steuerbaren und i. d. R. steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb zu besteuern.
Wenn der liefernde Unternehmer regelmäßig an eine größere Anzahl an unternehmerischen Kunden in anderen Mitgliedstaaten Lieferungen ausführte, konnte er auf Antrag die Vereinfachungsregelung nach Abschn. 1a.2 Abs. 14 UStAE in Anspruch nehmen und die Gegenstände im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Verbringens (innergemeinschaftliche Lieferung an sich selbst in den anderen Mitgliedstaat und innergemeinschaftlicher Erwerb der gesamten Waren in dem Bestimmungsland bei dem liefernden Unternehmer) erfassen und dann die Gegenstände im Rahmen einer fiktiv unterstellten Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat dort als steuerbare und steuerpflichtige Inlandslieferung erfassen.
In diesem Fall musste der liefernde Unternehmer die Umsatzsteuer für die Lieferungen im Bestimmungsmitgliedstat gesondert in den Rechnungen gegenüber seinen Kunden ausweisen und seine USt-IdNr. des Bestimmungslands mit in der Rechnung angeben.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Das BMF-Schreiben hebt Abschn. 1a.2 Abs. 14 UStAE auf.
Die Finanzverwaltung hat jetzt die Vereinfachungsregelung zur Annahme eines innergemeinschaftlichen Verbringens in diesen Fällen aufgehoben. Begründet wird dies mit der Vermeidung des Risikos eines Steuerausfalls.
Werden EU-grenzüberschreitend Waren an einen Unternehmer für dessen Unternehmen verkauft und steht bei Beginn der Warenbewegung schon fest, wer der Abnehmer dieser Gegenstände ist, kann – auch nicht aus Vereinfachungsgründen – nicht mehr von einem innergemeinschaftlichen Verbringen und einer daran anschließenden steuerbaren und steuerpflichtigen Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat ausgegangen werden.
Pommes-Produzent P produziert in Deutschland Pommes Frites und verkauft diese regelmäßig auch an Unternehmer im grenznahen Bereich nach Österreich. Wenn die Bestellungen seiner Stammkunden eingegangen sind, fährt er regelmäßig – mehrmals in der Woche – die Pommes zu seinen Kunden nach Österreich.
Da im Moment des Beginns der Beförderung die Kunden feststehen, sind die Lieferungen nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG in Deutschland ausgeführt. Soweit die Voraussetzungen für die innergemeinschaftliche Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b und § 6a UStG vorliegen, sind die Lieferungen in Deutschland steuerfrei. Korrespondierend damit müssen seine Kunden in Österreich innergemeinschaftliche Erwerbe besteuern. Die Warenlieferungen sind von P unter den USt-IdNrn. der Kunden in der Zusammenfassenden Meldung anzugeben.
Bisher konnte P – bei Zustimmung der deutschen und österreichischen Finanzverwaltungen – beantragen, die gesamte Warenmenge im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Verbringens zu erfassen und dann die Pommes wie eine inländische österreichische Lieferung mit österreichischer Umsatzsteuer abzurechnen. In diesem Falle wurde auch das innergemeinschaftliche Meldeverfahren entlastet, da anstelle der Vielzahl von innergemeinschaftlichen Lieferungen nur der eine Umsatz aus dem innergemeinschaftlichen Verbringen zu melden war.
Konsequenzen für die Praxis
Mit Hinweis auf die Gefahr eines Steuerausfalls hebt die Finanzverwaltung eine für die Praxis ganz sinnvolle Vereinfachungsregelung auf. Zwar war der Anwendungsbereich aufgrund der einschränkenden Voraussetzungen nicht besonders groß, in bestimmten Fällen war es aber für die beteiligten Unternehmer schon eine Vereinfachung, nur ein innergemeinschaftliches Verbringen zu erfassen.
Die Grundsätze sind auf alle offenen Fälle anzuwenden. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber für alle vor dem 1.1.2019 ausgeführten Lieferungen nicht, wenn die Unternehmer noch die Vereinfachungsregelung des jetzt aufgehobenen Abschn. 1a.2 Abs. 14 UStAE anwenden. Dies gilt auch für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers.
Deshalb müssen sich auch Käufer mit dem Wegfall der Vereinfachungsregelung auseinandersetzen. Wenn ab dem 1.1.2019 ein deutscher Unternehmer für Warenlieferungen, bei denen die Beförderung in einem anderen Mitgliedstaat der EU beginnt, Rechnungen mit ausgewiesener deutscher Umsatzsteuer erhält, ist dies ein unrichtig ausgewi...