FinMin Schleswig-Holstein, Erlaß v. 27.5.2010, VI 314 - S 2284 - 041
Der BFH hat mit Urteil vom 22.10.2009, VI R 7/09 (BStBl 2010 II S. 280) entschieden, dass Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG abziehbar sein können, wenn sie so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit stehen, dass die etwaige Erlangung eines Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalles in den Hintergrund tritt.
Sind die durch die Behinderung veranlassten reinen Umbaukosten eines Hauses als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, so sind die Aufwendungen sofort abziehbar. Der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach die Aufwendungen für die behindertengerechte Umrüstung eines PKW auf die Nutzungsdauer des Fahrzeugs zu verteilen sind, folgt der BFH nicht. Vielmehr sei es denkbar, dem Steuerpflichtigen im Wege der abweichenden Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) ein Wahlrecht auf Verteilung der Aufwendungen einzuräumen, wenn ein zu geringer Gesamtbetrag der Einkünfte dem vollen Abzug der Aufwendungen entgegenstünde.
In dem entschiedenen Fall erlitt der Kläger einen schweren Schlaganfall, der längere Rehabilitations- und Kurmaßnahmen zur Folge hatte und zum Ausweis eines Grades der Behinderung von 100 und den Merkzeichen G, aG, H, RF führte. Nach Auffassung des BFH war durch den nicht vorhersehbaren Schlaganfall und die dadurch eingetretene schwerwiegende Behinderung eine Zwangslage entstanden, die die behinderungsgerechten Umbaumaßnahmen unausweichlich machte. Die Umbaukosten waren für den Bau einer Rollstuhlrampe, die Errichtung eines behindertengerechten Bads in einem Teil der bisherigen Küche, die Errichtung einer neuen Küche sowie für die Umwandlung des bisherigen Arbeitszimmers in einen Schlafraum angefallen.
Die Entscheidung des BFH in diesem einzelfallbezogenen Sachverhalt lässt das Ausschlusselement des Gegenwerts zugunsten einer stärker ausgeprägten Zwangsläufigkeit in den Hintergrund treten. Die Zwangsläufigkeit soll sich nach Ansicht des BFH aus der konkreten Situation des Steuerpflichtigen, insbesondere einer zeitlichen Komponente, ergeben haben. Bei enger Auslegung des BFH-Urteils werden die vorgenannten Grundsätze voraussichtlich nur in wenigen Fällen mit vergleichbaren Sachverhalten zur Anwendung kommen.
Zu beachten ist auch, dass nur Aufwendungen für Maßnahmen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt werden können, die direkt der behindertengerechten Gestaltung dienen (z.B. Montage eines Waschbeckens in behindertengerechter Höhe). Die Kosten, die als Folge eines behindertengerechten Einbaus oder Umbaus entstehen (z.B. Erneuerung der Fliesen) können dagegen nicht berücksichtigt werden.
Des Weiteren kommt eine Verteilung der Aufwendungen auf mehrere Jahre wegen einer fehlenden rechtlichen Grundlage nicht in Betracht.
Normenkette
EStG § 33