Entscheidungsstichwort (Thema)
Unselbständige Anschlußbeschwerde im Beschlußverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren ist die unselbständige Anschlußbeschwerde zulässig (Aufgabe der Rechtsprechung des BAG im Beschluß vom 27. Mai 1960, 1 ABR 10/59 = AP Nr 3 zu § 89 ArbGG 1953).
Normenkette
ZPO § 318; ArbGG §§ 81, 89; BRAGO § 10; BetrVG § 40 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 14.11.1984; Aktenzeichen 2 TaBV 10/83) |
ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 09.11.1983; Aktenzeichen 8 BV 4/83) |
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin (Arbeitgeber) verpflichtet ist, die Anwaltskosten einschließlich Fahrtkosten des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers (Betriebsrat) zu tragen bzw. den Antragsteller von diesen Kosten freizustellen.
Die Arbeitgeberin betrieb vor dem Arbeitsgericht Freiburg - Kammern Villingen-Schwenningen - zwei Beschlußverfahren mit dem Ziel, die Zustimmung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Umgruppierung von zwei Setzern zu ersetzen. In diesen Verfahren ließ sich der Betriebsrat, da die IG-Druck die Gewährung von Rechtsschutz abgelehnt hatte, nach vorheriger Mitteilung gemäß Schreiben vom 9. Juli 1982 an die Arbeitgeberin, durch das in Stuttgart ansässige Anwaltsbüro seiner damaligen und jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vertreten. Die Arbeitgeberin lehnte die Kostenübernahme mit Schreiben vom 2. August 1982 ab, weil nach ihrer Ansicht eine Vertretung des Betriebsrats durch einen Rechtsanwalt nach der Sachlage nicht erforderlich sei. Mit dem vorliegenden Beschlußverfahren verlangt der Betriebsrat die Freistellung von den Anwaltskosten, die der Rechtsanwalt auf der Grundlage eines von ihm angenommenen Streitwerts von 15.552,-- DM für jedes der beiden Verfahren einschließlich Reisekosten in Höhe von insgesamt 5.308,87 DM errechnet hat.
Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin in den beiden ursprünglichen Beschlußverfahren setzte das Arbeitsgericht durch Beschluß vom 11. Mai 1983 nach deren Anhörung in beiden Verfahren den Gegenstandswert auf je 4.000,-- DM fest. Den Beschluß, der keine Rechtsmittelbelehrung enthält, übersandte das Arbeitsgericht formlos der Arbeitgeberin bzw. deren Verfahrensbevollmächtigten. Den Betriebsrat und den von ihm beauftragten Rechtsanwalt hörte das Arbeitsgericht weder zu der beabsichtigten Festsetzung des Gegenstandswertes noch übersandte es ihnen den Beschluß vom 11. Mai 1983.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, die entstandenen Rechtsanwaltskosten einschließlich der Fahrtkosten zu tragen, denn auch insoweit handele es sich um Betriebsratskosten. Beide Verfahren seien sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht besonders schwierig gewesen. Er habe das Stuttgarter Anwaltsbüro wegen dessen Sachkompetenz beauftragt. Die Belastung mit den Fahrtkosten sei für den Arbeitgeber auch zumutbar. Der Gegenstandswert zur Berechnung der Anwaltsgebühren ergebe sich aus einer analogen Anwendung von § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG. Der ihm unbekannte Verfahrenswertfestsetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts binde ihn nicht.
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die
Anwaltskosten von DM 5.308,87 zu übernehmen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Beauftragung eines Rechtsanwalts sei zur ordnungsgemäßen Rechtsverfolgung in beiden Verfahren nach den gegebenen Umständen nicht erforderlich gewesen und unverhältnismäßig. Der Betriebsrat hätte die Verfahren vor dem Arbeitsgericht selbst führen können und müssen, wenn er dem von der IG Druck und Papier verweigerten Rechtsschutz richtig gewürdigt hätte. Im übrigen seien die Anwaltskosten zu hoch angesetzt. Das Arbeitsgericht habe den Gegenstandswert in beiden Verfahren auf lediglich je 4.000,-- DM festgesetzt. Fahrtkosten von 158,20 DM wären nicht entstanden, wenn der beauftragte Rechtsanwalt einen am Verhandlungsort ansässigen Rechtsanwalt mit der Terminswahrnehmung beauftragt hätte.
Durch Beschluß vom 9. November 1983 hat das Arbeitsgericht den Arbeitgeber verpflichtet, auf der Grundlage eines Verfahrenswertes von je 8.000,-- DM Anwaltskosten in Höhe von 3.397,91 DM zu übernehmen. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat das Landesarbeitsgericht unter teilweiser Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die von dem Arbeitgeber zu tragenden Anwaltskosten auf der Basis eines Verfahrenswertes von 4.000,-- DM auf 2.150,39 DM, in denen 158,20 DM Reisekosten enthalten sind, herabgesetzt. Das Landesarbeitsgericht hat ferner die bei ihm am 29. Dezember 1983 eingegangene Anschlußbeschwerde des Betriebsrats gegen den ihm am 24. November 1983 zugestellten Beschluß des Arbeitsgerichts vom 9. November 1983 als unzulässig zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat im Umfang seines ursprünglichen Antrages die Übernahme weiterer Anwaltskosten in Höhe von 3.158,48 DM durch die Arbeitgeberin. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
I. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß der Streit zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat über den Umfang der Freistellungspflicht von Rechtsanwaltskosten im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren auszutragen ist (BAGE 31, 93, 95 = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972 = EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 37). Es ist auch zu Recht vom Vorliegen des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses ausgegangen.
II. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht jedoch die Anschlußbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts vom 9. November 1983 als unzulässig zurückgewiesen.
1. Der Beschluß des Arbeitsgerichts ist den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 24. November 1983 zugestellt worden, die Beschwerdefrist lief also am 27. Dezember 1983 ab (§§ 516, 222 Abs. 1 und 2 ZPO; §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die erst am 29. Dezember 1983 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene Anschlußbeschwerde des Betriebsrats ist jedoch als sogenannte unselbständige Anschlußbeschwerde zulässig, da diese auch noch nach Ablauf der Beschwerdefrist eingelegt werden kann.
Die Zulässigkeit einer unselbständigen Anschlußbeschwerde im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren ist umstritten.
a) Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat im Anschluß vor allem an Dersch/Volkmar (ArbGG, 6. Aufl., § 89 Anm. 5 a; anderer Ansicht aber Dietz/Nikisch, ArbGG, § 87 Anm. 17) sowohl die Anschlußrechtsbeschwerde (Beschluß vom 15. Mai 1957 - 1 ABR 8/55 - AP Nr. 5 zu § 56 BetrVG) als auch die unselbständige Anschlußbeschwerde (Beschluß vom 27. Mai 1960 - 1 ABR 10/59 - AP Nr. 3 zu § 89 ArbGG 1953; Beschluß vom 6. November 1973 - 1 ABR 15/73 - AP Nr. 8 zu § 89 ArbGG 1953) für unzulässig gehalten. Diese Rechtsauffassung wird mit dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises im Gesetz, insbesondere aber mit dem das Beschlußverfahren beherrschenden Beschleunigungsprinzip begründet. Diesem Grundsatz könne nicht Rechnung getragen werden, wenn ein Anschlußrechtsmittel im zweiten Rechtszug, das noch unmittelbar vor der zu verkündenden Entscheidung des Beschwerdegerichts eingelegt werden könnte, zugelassen würde. Anders als im Urteilsverfahren, das den nicht Erschienenen nur mit einem in derselben Instanz änderbaren Risiko einer Versäumnisentscheidung belaste, ergehe im Beschlußverfahren nämlich auch beim Ausbleiben eines Beteiligten im Termin zur mündlichen Anhörung grundsätzlich eine instanzbeendende, sachliche Entscheidung. Die Zulassung einer unselbständigen Anschlußbeschwerde in Anlehnung an die Möglichkeit einer unselbständigen Anschlußberufung würde daher beim Ausbleiben des ordnungsgemäß geladenen Beschwerdeführers eine Vertagung und einen neuen Termin zur mündlichen Anhörung erfordern, weil nicht ohne Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs gegen den ausgebliebenen Beschwerdeführer instanzbeendend entschieden werden könne. Diese dann eintretende Verzögerung solle im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren vermieden werden. Aus den gleichen Gründen hat das Bundesarbeitsgericht in anderen Entscheidungen (BAGE 16, 8, 13 = AP Nr. 4 zu § 4 BetrVG; Beschlüsse vom 15. September 1965 - 1 ABR 3/65 - AP Nr. 4 zu § 94 ArbGG 1953 und vom 6. November 1973 - 1 ABR 15/73 - AP Nr. 8 zu § 89 ArbGG 1953) auch eine Änderung des Antrags in der zweiten Instanz nach Ablauf der Beschwerdefrist für unzulässig erklärt und ausgesprochen, daß auch ein bislang zu Unrecht am Verfahren nicht Beteiligter sich nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht mit neuen Anträgen dem Beschwerdeverfahren anschließen könne.
b) Diese Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat Zustimmung gefunden (vgl. Küchenhoff, Anm. zu AP Nr. 5 zu § 56 BetrVG; Rohlfing/Rewolle/Bader, ArbGG, Stand Juli 1986, § 87 Anm. II), aber auch Kritik hervorgerufen (vgl. Bötticher, Anm. zu AP Nr. 3 zu § 89 ArbGG 1953, mit vielen weiteren Nachweisen). Zunehmend wird vor allem in der neueren Literatur (vgl. vor allem Fenn, Anm. zu AP Nr. 10 zu § 89 ArbGG 1953; derselbe, Festschrift 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, S. 91, 109 ff.; Zöllner, Anm. zu AP Nr. 4 zu § 94 ArbGG 1953; Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 87 Rz 4; Stahlhacke, ArbGG, 2. Aufl., § 87 Rz 3; Wlotzke/Schwedes/Lorenz, Das neue Arbeitsgerichtsgesetz 1979, § 87 Rz 10; Dütz, RdA 1980, 81, 100), aber auch in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte (vgl. LAG Düsseldorf Beschluß vom 10. Juli 1980 - 14 Ta BV 35/80 - BB 1980, 1586 f.; LAG Hamm Beschluß vom 8. Februar 1984 - 12 Ta BV 92/83 - NZA 1984, 59) die unselbständige Anschlußbeschwerde jedoch als zulässig erachtet.
2. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Die bisherige gegenteilige Rechtsprechung wird aufgegeben. Auch im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren ist die unselbständige Anschlußbeschwerde zulässig.
TEXTJedenfalls seit der durch die Novellierung des ArbGG mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung und Bereinigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens vom 21. Mai 1979 in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1979 (BGBl. I S. 853, ber. S. 1036, kurz ArbGG 1979) veränderten Rechtslage trägt der Hinweis auf den Beschleunigungsgrundsatz im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren nicht mehr. Der Gesetzgeber hat mit dieser Novellierung entgegen der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (aaO) in § 81 Abs. 3 Satz 1 ArbGG 1979 die Antragsänderung ohne zeitliche Begrenzung während des gesamten Verfahrens in der Tatsacheninstanz (§ 87 Abs. 2 Satz 3 letzter Halbsatz ArbGG 1979) zugelassen und damit die Möglichkeit einer Verfahrensverzögerung in Kauf genommen. Die Antragsänderung durch den Beschwerdeführer kann aber ebenso zu Verzögerungen führen wie eine unselbständige Anschlußbeschwerde. Auch das Gebot der "Waffengleichheit" zwingt dazu, dieses Rechtsmittel als zulässig anzusehen. Kann nämlich der Beschwerdeführer seinen Antrag noch in der Beschwerdeinstanz ändern, so muß dem Beschwerdegegner ebenfalls die Möglichkeit eingeräumt werden, hierauf gegebenenfalls auch mit einer Antragsänderung zu reagieren. Das gleiche ergibt sich aus dem Umstand, daß nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der zu Unrecht im erstinstanzlichen Verfahren nicht Beteiligte zur Einlegung eines Rechtsmittels befugt ist, weil er in der Vorinstanz rechtsfehlerhaft nicht angehört wurde (BAG Beschluß vom 15. Juli 1960 - 1 ABR 3/59 - AP Nr. 10 zu § 76 BetrVG) und dieser dann fristenunabhängig durch Antragsänderung den Streitstoff erweitern kann. Diese Möglichkeit muß erst recht dem im Verfahren von Anfang an möglicherweise als Antragsgegner in Anspruch genommenen Beteiligten zustehen, weil kein Grund ersichtlich ist, ihn schlechter zu stellen als die übrigen Beteiligten. Dem kann nicht die fehlende Bezugnahme in § 87 Abs. 2 ArbGG auf die Vorschriften über die Anschlußberufung und die vom Gesetzgeber unterlassene Regelung in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Unzulässigkeit der unselbständigen Anschlußbeschwerde entgegengehalten werden. Die Materialien zum Gesetz zur Beschleunigung und Bereinigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens vom 21. Mai 1979 machen deutlich, daß zwar die Frage der Zulässigkeit einer Antragsänderung in den Erörterungen breiten Raum eingenommen hat, eine Auseinandersetzung mit dem damit eng verwandten Detailproblem der unselbständigen Anschließung an ein Rechtsmittel des Gegners trotz divergierender Auffassungen der Rechtsprechung einerseits und des überwiegenden Schrifttums andererseits aber unterblieb. Gerade weil es sich hier um ein Einzelproblem handelt, ist keine bewußte, vom Gesetzgeber gewollte Regelungslücke anzunehmen, die sachgerecht auszufüllen den Gerichten für Arbeitssachen verwehrt wäre. Je detaillierter sich ein Sachproblem darstellt, um so weniger ist mit einer wie auch immer gearteten positiven oder negativen Regelung durch den Gesetzgeber im Rahmen einer das gesamte arbeitsgerichtliche Verfahrensrecht umfassenden Novellierung zu rechnen. Jedenfalls läßt sich aus dem Schweigen des Gesetzgebers zu dieser Frage kein tragfähiges Argument für oder gegen die Zulässigkeit der unselbständigen Anschlußbeschwerde herleiten.
3. Einer Vorlage der Sache an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 Abs. 2 ArbGG bedarf es nicht. Die frühere Rechtsprechung des Ersten Senats ist zu §§ 80 ff. ArbGG 1953 ergangen; nach der Neuregelung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens durch das Arbeitsgerichtsgesetz 1979, insbesondere des § 81 ArbGG, ist bisher keine den Senat bindende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der Zulässigkeit einer unselbständigen Anschlußbeschwerde ergangen. Auch der Beschluß des ersten Senats vom 31. Mai 1983 - 1 ABR 64/80 - (unveröffentlicht) befaßt sich noch mit der Rechtslage vor Inkrafttreten des ArbGG 1979.
III. Danach war der Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil die festgestellten Tatsachen für eine Endentscheidung noch nicht ausreichen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG in Verbindung mit § 565 Abs. 3 Ziff. 1 ZPO).
1. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, daß es - entgegen seiner Ansicht - nicht gemäß § 318 ZPO an den Wertfestsetzungsbeschluß des Arbeitsgerichts vom 11. Mai 1983 gebunden ist.
Gemäß § 318 ZPO ist das Gericht an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden. Zwar gilt diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht für Beschlüsse (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 14. Aufl., § 318 Anm. 1 c; Zöller/Vollkommer, ZPO, 15. Aufl., § 318 Rz 8; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 60 II 2). Gleichwohl ist § 318 ZPO auf Beschlüsse entsprechend anwendbar, die unabänderbar sind (BAGE 45, 298, 301 ff. = AP Nr. 6 zu § 5 KSchG 1969; BAGE 42, 294, 300 = AP Nr. 4 zu § 5 KSchG 1969; BAGE 23, 276, 279 = AP Nr. 7 zu § 519 b ZPO; BAG Urteil vom 18. Mai 1972 - 3 AZR 27/72 - AP Nr. 1 zu § 238 ZPO; BPatG Beschluß vom 17. September 1985 - 3 ZA (pat) 11/85 - GRUR 1986, 54 f.; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 318 Anm. C I; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 45. Aufl., § 329 Anm. 3 B "§ 318"; Zöller/Vollkommer, aaO, § 318 Rz 9). Dies gilt auch für Beschlüsse, gegen die die befristete Beschwerde zulässig ist (Zöller/Vollkommer, aaO, § 318 Rz 9; Wieczorek, aaO, § 318 Anm. C I; Rosenberg/Schwab, aaO, § 60 II 1 b), zumindest dann, wenn dem Rechtsmittel oder Rechtsbehelf ein automatischer Devolutiveffekt zukommt (Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO, 19. Aufl., § 329 Anm. II). Unabänderbar sind Beschlüsse, die der formellen Rechtskraft fähig sind (BAG Urteil vom 18. Mai 1972; BAGE 42, 294, 300; 45, 298, 302 f. jeweils AP, aa0). Dazu gehören auch die Wertfestsetzungsbeschlüsse der Gerichte nach § 10 Abs. 1 BRAGO. Dies folgt aus Abs. 3 Satz 3 der Vorschrift, wonach die nach Abs. 3 Satz 1 statthafte Beschwerde - als sogenannte befristete - nur binnen zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt werden kann. Daraus folgt jedoch, daß nach Fristablauf eine Beschwerde unzulässig und demnach die in Beschlußform zugrunde gelegte Entscheidung (formell) rechtskräftig wird.
Gleichwohl bindet der im Verfahren über die Zustimmungsersetzung zur Umgruppierung von zwei Setzern ergangene Beschluß des Arbeitsgerichts vom 11. Mai 1983 nicht im vorliegenden Erstattungsverfahren nach § 40 Abs. 1 BetrVG 1972, da es sich insoweit um ein anderes Verfahren mit anderem Streitgegenstand handelt und § 318 ZPO sich nur auf Entscheidungen innerhalb des jeweiligen Verfahrens bezieht (BAGE 42, 294, 300, aa0, mit weiteren Nachweisen).
2. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb erneut zur prüfen haben, ob der von dem Arbeitsgericht im Beschluß vom 9. November 1983 angenommene Streitwert von 8.000,-- DM angemessen ist. Dabei ist von § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO auszugehen, weil es im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren an für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wertvorschriften fehlt (§ 12 Abs. 5, § 2 a Abs. 1 ArbGG). Danach ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen. Zwar sind Ermessensentscheidungen der ersten Instanz auch für das Beschwerdegericht maßgeblich, solange keine neuen Tatsachen zu beurteilen sind (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aa0, § 3 Anm. 2 B; Teubner, DRiZ 1973, 389 f.). Vorliegend hat das Arbeitsgericht das ihm zustehende Ermessen jedoch nicht ausgeübt, jedenfalls keinerlei Begründung dafür gegeben, warum es in seinem Beschluß vom 9. November 1983 von der Wertfestsetzung im Beschluß vom 11. Mai 1983 abgewichen ist und einen doppelt so hohen Streitwert angenommen hat, wie in dem voraufgegangenen Beschluß in dem Ersetzungsverfahren. Denn auch bei Ermessensentscheidungen kann und muß überprüft werden, ob das Ermessen durch sachfremde oder willkürliche Erwägungen überschritten wurde (BAGE 9, 131, 136 = AP Nr. 7 zu § 7 KSchG), wobei dem Außerachtlassen wesentlicher, für die Entscheidung erheblicher Umstände Bedeutung zukommen kann. Deshalb sind die der Ermessensausübung zugrunde liegenden tatsächlichen Grundlagen mitzuteilen und deren Bewertung in den Entscheidungsgründen darzustellen (BAG Urteil vom 14. Dezember 1962 - 1 AZR 188/61 - AP Nr. 1 zu § 287 ZPO).
3. Im Rahmen dieser Überprüfung wird das Landesarbeitsgericht erneut in Rechnung stellen und berücksichtigen müssen, daß eine Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 40 Abs. 1 BetrVG zur Übernahme bzw. Freistellung des Betriebsrates von den durch die Beauftragung gerade eines auswärtigen Rechtsanwalts entstehenden Kosten grundsätzlich nur dann besteht, wenn der Betriebsrat bei pflichtgemäßer Berücksichtigung der objektiven Gegebenheiten und Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Rechtslage, die Inanspruchnahme des auswärtigen Rechtsanwalts für erforderlich halten durfte. Der Betriebsrat, dem insoweit ein gewisser Beurteilungsspielraum zusteht, muß als Folge des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG, der auch eine angemessene Berücksichtigung der finanziellen Belange des Arbeitgebers erfordert, demnach ernsthaft prüfen, ob die durch die Inanspruchnahme eines auswärtigen Anwaltsbüros unvermeidbar entstehenden Mehrkosten wirklich vertretbar und sachlich gerechtfertigt sind. In der Regel wird dies dann angenommen werden können, wenn es sich um eine tatsächlich und rechtlich schwierige Sache handelt, für dessen Beurteilung gerade der auswärtige Anwalt aufgrund seiner speziellen Sach- und Rechtskunde besonders geeignet erscheint (vgl. hierzu BAGE 26, 376, 382 = AP Nr. 6 zu § 20 BetrVG 1972; BAGE 31, 93, 97 = AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 16. Oktober 1986 - 6 ABR 2/85 - unveröffentlicht).
Dr. Röhsler Schneider
zugleich für den durch Urlaub
an der Unterschriftsleistung
verhinderten Richter Dr. Jobs
Dr. Kukies Buschmann
Fundstellen
BAGE 55, 202-206 (LT1) |
BAGE, 202 |
DB 1988, 187-188 (LT) |
NZA 1988, 217-218 (LT) |
RdA 1987, 382 |
RdA 1988, 187 |
AP § 87 ArbGG 1979, Nr 3 |
EzA § 89 ArbGG 1979, Nr 2 (LT1) |