Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckung im Beschlussverfahren
Orientierungssatz
1. Bei der in § 23 Abs. 3 BetrVG vorgesehenen Androhung und ggf. Festsetzung des Ordnungsgeldes handelt es sich um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung, nicht um einen Teil des Erkenntnisverfahrens.
2. Der arbeitsgerichtliche Beschluss über die Festsetzung des Ordnungsgeldes ergeht deshalb nach den allgemeinen Regeln des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Danach richtet sich auch, inwieweit ein Rechtsmittel zulässig ist oder nicht.
3. Die Zwangsvollstreckung aus im Beschlussverfahren ergangenen Titeln ist Teil des Beschlussverfahrens. Sie hat deshalb an der dafür angeordneten Gerichtskostenfreiheit ebenso Teil wie an der Unanwendbarkeit der Regeln der ZPO über die Erstattung außergerichtlicher Kosten. Die Kostentragungspflicht richtet sich nach materiellem Recht. Eine Kostenentscheidung im Rahmen von Entscheidungen im Zwangsvollstreckungsverfahren ist insoweit nicht veranlasst.
Normenkette
ArbGG § 80 Abs. 2, § 85 Abs. 1; GKG § 2 Abs. 2; ZPO § 91 ff., § 788; BetrVG § 23 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 25.01.2008; Aktenzeichen 13 Ta 2321/07) |
ArbG Berlin (Beschluss vom 14.11.2007; Aktenzeichen 78 BVGa 12897/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Schuldnerin gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Januar 2008 – 13 Ta 2321/07 – wird als unzulässig verworfen.
Tatbestand
I. Die Verfahrensbeteiligten streiten über die Festsetzung eines Ordnungsgeldes.
Der Arbeitgeberin wurde auf Antrag des bei ihr gebildeten Betriebsrats durch das Arbeitsgericht Berlin im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, es zu unterlassen, während des im Beschluss näher bestimmten zeitlichen Umfanges “Leiharbeitnehmer einzusetzen bzw. über den ursprünglich vorgesehenen Einsatzzeitraum hinaus zu beschäftigen, solange der Betriebsrat die Zustimmung nicht erteilt hat oder im Verweigerungsfall die fehlende Zustimmung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ersetzt worden ist, es sei denn, die Antragsgegnerin macht sachliche Gründe, die eine Einstellung dringend erforderlich machen, geltend und leitet, falls der Betriebsrat dies bestreitet, hiernach innerhalb von drei Tagen das arbeitsgerichtliche Verfahren nach § 100 BetrVG ein”. Gestützt auf § 23 BetrVG drohte das Arbeitsgericht der Arbeitgeberin gleichzeitig für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 Euro an.
Auf Antrag des Betriebsrats als Vollstreckungsgläubiger setzte das Arbeitsgericht gegen die Arbeitgeberin als Vollstreckungsschuldnerin ein Ordnungsgeld iHv. 25.000,00 Euro fest. Es ging dabei davon aus, es lägen 25 Verstöße gegen diese einstweilige Verfügung vor. Auf die sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht das Ordnungsgeld zwar auf 10.000,00 Euro herabgesetzt, die weitergehende sofortige Beschwerde aber zurückgewiesen. Es hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Arbeitgeberin.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.
1. Auch soweit auf Antrag des Betriebsrats gegen einen Arbeitgeber gestützt auf § 23 Abs. 3 BetrVG wegen grober Verstöße gegen die Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz Unterlassungsbeschlüsse ergehen und ihm nach Satz 2 dieser Bestimmung ein Ordnungsgeld angedroht wird, handelt es sich bei Androhung und gegebenenfalls Festsetzung des Ordnungsgeldes um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung, nicht um einen Teil des Erkenntnisverfahrens. Das ergibt sich aus § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, wonach für die Zwangsvollstreckung die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung entsprechend gelten und “in den Fällen des § 23 Abs. 3 … des Betriebsverfassungsgesetzes” bestimmte Maßgaben anzuwenden sind. Der arbeitsgerichtliche Beschluss über die Festsetzung des Ordnungsgeldes ergeht deshalb nach den allgemeinen Regeln des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Nach diesen Regeln richtet sich auch, inwieweit ein Rechtsmittel zulässig ist oder nicht (Kreft in Wlotzke/Preis BetrVG 3. Aufl. § 23 Rn. 75). Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein Vollstreckungstitel aus dem Beschlussverfahren oder dem arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren vollstreckt wird (vgl. BAG 28. Februar 2003 – 1 AZB 53/02 – BAGE 105, 195, zu B I 1 der Gründe).
2. Danach ist die Nichtzulassungsbeschwerde unstatthaft.
Nach § 78 ArbGG gelten insoweit die allgemeinen Regeln des Beschwerdeverfahrens mit der Maßgabe, dass § 72 Abs. 2 ArbGG, der die Gründe für die Zulassung der Revision regelt, entsprechend für die Zulassung der Rechtsbeschwerde anzuwenden ist.
Weder das Beschwerderecht der ZPO noch § 78 ArbGG sehen aber die Möglichkeit vor, die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde mit einer Nichtzulassungsbeschwerde anzugreifen. Insbesondere nimmt § 78 ArbGG auch nicht die Regelungen über die Nichtzulassungsbeschwerde in § 72a ArbGG in Bezug. Die Verweisung auf die Regeln über die Zulassung der Revision beschränkt sich für die Rechtsbeschwerde auf die Bezugnahme der Zulassungsgründe (§ 78 Satz 2 ArbGG). Damit findet gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 ZPO keine Nichtzulassungsbeschwerde statt (BAG 19. Dezember 2002 – 5 AZB 54/02 – BAGE 104, 239, zu II der Gründe). Das entspricht einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers (BTDrucks. 14/4722 S. 69).
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Das vorliegende Verfahren ist zwar ein Zwangsvollstreckungsverfahren, jedoch – wie die systematische Einordnung von § 85 ArbGG in den mit “Beschlussverfahren” überschriebenen zweiten Abschnitt des dritten Teils des ArbGG zeigt – als Teil des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens zu betrachten. Damit gilt auch die in § 2 Abs. 2 GKG angeordnete Gerichtskostenfreiheit (vgl. Matthes in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 6. Aufl. § 85 Rn. 25; GK-ArbGG/Vossen Stand März 2008 § 85 Rn. 30).
Auch die Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO über die Erstattung außergerichtlicher Kosten sind in § 80 Abs. 2 ArbGG für das Beschlussverfahren nicht in Bezug genommen worden. Sie sind auch nicht entsprechend anzuwenden. Die mangelnde Inbezugnahme beruht nicht auf einer gesetzlichen Regelungslücke, sondern auf dem besonderen Charakter des Beschlussverfahrens, bei dem die Rollen der Beteiligten nicht mit denjenigen der Parteien des Urteilsverfahrens übereinstimmen. So folgt die Beteiligtenstellung dem materiellen Recht, hängt also nicht vom Willen der Betroffenen ab. Es ist nicht immer feststellbar, ob Beteiligte obsiegen oder unterliegen, denn die bloße Beteiligung erfordert keine Antragstellung; insbesondere gibt es keinen Antragsgegner. Zudem geht es vielfach um Rechte und Pflichten des Betriebsrats, der vermögenslos ist (BAG 20. April 1999 – 1 ABR 13/98 – BAGE 91, 235, zu B II der Gründe).
Diese Gesichtspunkte gelten großenteils auch für die Zwangsvollstreckung aus Titeln, die im Beschlussverfahren entstanden sind. Die Verweisung auf das Achte Buch der Zivilprozessordnung in § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ist deshalb einschränkend dahingehend auszulegen, dass § 788 ZPO, wonach dem Schuldner die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung zur Last fallen, keine Anwendung findet (vgl. Schwab/Weth/Walker ArbGG 2. Aufl. § 85 Rn. 44). Die Kostentragungspflicht richtet sich nach materiellem Recht (vgl. dazu BAG 2. Oktober 2007 – 1 ABR 59/06 – NZA 2008, 372, zu B III der Gründe).
Unterschriften
Kremhelmer, Zwanziger, Schlewing
Fundstellen