Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlussverfahren. Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde. Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Anforderungen an die Rechtsbeschwerdebegründung. Doppelbegründung der Beschwerdeentscheidung. Prozessrecht
Orientierungssatz
- Hat das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende Erwägungen gestützt, muss sich die Rechtsbeschwerdebegründung mit beiden Erwägungen argumentativ auseinandersetzen und darlegen, weshalb diese rechtsfehlerhaft sein sollen. Befasst sich die Rechtsbeschwerdebegründung nur mit einer der beiden Erwägungen, ist die Rechtsbeschwerde insgesamt unzulässig.
- Die Bezugnahme auf vorinstanzliche Schriftsätze reicht zur Begründung der Rechtsbeschwerde nicht aus.
Normenkette
ArbGG § 94 Abs. 2; ZPO § 551 Abs. 3 Nr. 2a
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 4. März 2003 – 2 TaBV 22/02 – wird als unzulässig verworfen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl freizustellender Betriebsratsmitglieder.
Die zu 1) und 2) beteiligten Antragsteller sind bei der zu 4) beteiligten Arbeitgeberin mit 20 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt. Sie wurden bei der Betriebsratswahl am 8. Mai 2002 in den zu 3) beteiligten Betriebsrat gewählt. Dieser besteht aus 17 Mitgliedern, von denen 14 auf der Liste “ver.di” und drei auf der Liste “Unabhängige Arbeitnehmervertreter” kandidiert hatten. Nach Anlage 7 des im Betrieb anzuwendenden Tarifvertrags Nr. 4 sind in dem Betrieb fünf Betriebsratsmitglieder freizustellen. Der Tarifvertrag bestimmt außerdem, dass eine Freistellung durch die Vollfreistellung von zwei Teilkräften realisiert werden kann, sofern dem nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen.
Nach einer Beratung mit der Arbeitgeberin fand bei der Betriebsratssitzung am 28. Mai 2002 die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder statt. Zur Vorbereitung der Wahl waren zwei Vorschlagslisten eingereicht worden. Dabei handelte es sich um eine Liste “Unabhängige Arbeitnehmervertreter” mit den beiden Antragstellern und um eine Liste “ver.di” mit fünf vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern als Kandidaten. Von den 17 abgegebenen gültigen Stimmen entfielen 14 auf die Liste “ver.di” und drei auf die Liste “Unabhängige Arbeitnehmervertreter”. Nach dem d'Hondtschen Höchstzahlverfahren wurden die ersten vier Vollfreistellungen der Liste “ver.di” zugeordnet, eine fünfte Freistellung dem zu 1) beteiligten Antragsteller der Liste “Unabhängige Arbeitnehmervertreter”, und eine sechste Freistellung im Umfang von 18,5 Wochenstunden einer vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerin, die auf Platz fünf der Liste “ver.di” kandidiert hatte.
Die Antragsteller haben die Wahl angefochten und beantragt
festzustellen, dass der Beschluss des Beteiligten zu 3) vom 28. Mai 2002 über die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder unwirksam ist.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat weiterhin die Zurückweisung des Antrags. Die Antragsteller beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, da sie nicht ordnungsgemäß begründet wurde. Die Rechtsbeschwerdebegründung entspricht nicht den Anforderungen des § 94 Abs. 2 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Nr. 2a ZPO.
Die Rechtsbeschwerdebegründung muss nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG angeben, inwieweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll. Nach § 551 Abs. 3 Nr. 2a ZPO müssen die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Rechtsbeschwerdeführer muss darlegen, warum er die Begründung des Beschwerdegerichts für unrichtig hält. Er darf sich nicht darauf beschränken, seine Rechtsausführungen aus den Vorinstanzen zu wiederholen (BAG 10. April 1984 – 1 ABR 62/82 – AP ArbGG 1979 § 94 Nr. 1 = EzA ArbGG 1979 § 94 Nr. 2; 27. Oktober 1987 – 1 ABR 9/86 – BAGE 56, 270 = AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 41 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 41).
Hat das Gericht die angefochtene Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbständig tragende Erwägungen gestützt, muss die Rechtsmittelbegründung beide Erwägungen angreifen. Setzt sich die Begründung nur mit einer der beiden Erwägungen auseinander, ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig. Denn die Rechtsmittelbegründung muss – im Falle ihrer Berechtigung – geeignet sein, die gesamte Entscheidung in Frage zu stellen (vgl. zur Berufungsbegründung BAG 11. März 1998 – 2 AZR 497/97 – BAGE 88, 171 = AP ZPO § 519 Nr. 49 = EzA ZPO § 519 Nr. 10, zu I der Gründe; BGH 25. Januar 1990 – IX ZB 89/89 – NJW 1990, 1184 mwN; 15. Juni 1993 – XI ZR 111/92 – NJW 1993, 3073, zu I 2c der Gründe; 10. Januar 1996 – IV ZB 29/95 – NJW-RR 1996, 572).
Diesen Anforderungen genügt die Rechtsbeschwerdebegründung nicht.
Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung auf zwei Erwägungen gestützt. Es hat zum einen die Zuweisung der zweiten Teilfreistellung an die Liste “ver.di” für tarifwidrig gehalten und gemeint, diese hätte nach dem Tarifvertrag Nr. 4 – ebenso wie die erste Teilfreistellung – der Liste “Unabhängige Arbeitnehmervertreter” zugeordnet werden müssen. Zum anderen sei die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder unwirksam, weil der Betriebsrat vor Durchführung der Wahl keinen Beschluss über die Aufteilung der Freistellungen in Vollfreistellungen und Teilfreistellungen gefasst habe. Dabei handelt es sich um zwei voneinander unabhängige Begründungen, die die angefochtene Entscheidung jeweils für sich genommen tragen. Die Rechtsbeschwerdebegründung setzt sich jedoch nur mit der ersten Begründung des Landesarbeitsgerichts, die Zuweisung der zweiten Teilfreistellung an die Liste “ver.di” sei tarifwidrig, auseinander. Hinsichtlich der zweiten Begründung führt die Rechtsbeschwerdebegründung nur aus, die Bedenken des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich einer vorherigen Beschlussfassung gemäß § 33 BetrVG seien unberechtigt, insoweit könne auf die Ausführungen in den Vorinstanzen verwiesen werden, die ausdrücklich zum Gegenstand der Rechtsbeschwerde gemacht würden. Das reicht als Rechtsbeschwerdebegründung nicht aus. Die Bezugnahme auf Ausführungen in den Vorinstanzen genügt nach ständiger Rechtsprechung zur Begründung eines Rechtsmittels nicht (BGH 25. Januar 1990 – IX ZB 89/89 – NJW 1990, 1184, zu II der Gründe; 18. Februar 1981 – IVb ZB 505/81 – NJW 1981, 1620, zu II 2a der Gründe).
Unterschriften
Dörner, Gräfl, Brühler, U. Zachert, Wilke
Fundstellen
Haufe-Index 1131256 |
NZA 2005, 712 |
AP, 0 |
EzA-SD 2004, 13 |
EzA |
BAGReport 2004, 212 |