Leitsatz (redaktionell)
1. Eine tarifvertragliche Bestimmung, die den unter den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Angestellten eine günstige Position gibt, ist ein "zugunsten der Arbeitnehmer geltender Tarifvertrag" im Sinne des BetrVG § 80 Abs 1 Nr 1. Es kommt nicht darauf an, ob es sich dabei um Tarifbestimmungen normativer oder schuldrechtlicher Art handelt.
2. Zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der dem Betriebsrat nach BetrVG § 80 Abs 1 Nr 1 obliegenden Aufgaben gewähren BetrVG § 80 Abs 2 S 1 und S 2 erster Halbsatz dem Betriebsrat ein ausgedehntes Informationsrecht. Das in BetrVG § 80 Abs 2 S 2 erster Halbsatz eingefügte Wort "jederzeit" besagt, daß der Betriebsrat bei Durchführung seiner ihm obliegenden Aufgaben auch dann tätig werden kann, wenn keine bestimmten Verdachtsmomente hinsichtlich eines erfolgten oder drohenden Verstoßes gegen die zugunsten der Arbeitnehmer ergangene Regelung vorliegen; die in BAG 1957-07-12 1 ABR 6/56 = BAGE 4, 217 (220, 221) = AP Nr 1 zu § 54 BetrVG für BetrVG 1952 § 54 Abs 2 gemachte Einschränkung ist für BetrVG § 80 Abs 2 S 2 erster Halbsatz entfallen. Wegen der Verwendung des Wortes "umfassend" in BetrVG § 80 Abs 2 S 1 steht dem Betriebsrat ein erschöpfendes Recht auf Unterrichtung zu. Dieses Recht greift nicht nur Platz, wenn der Arbeitgeber von sich aus unterrichtet.
Die Regelung nach BetrVG § 80 Abs 2 S 1 und S 2 erster Halbsatz findet ihre Schranke an dem Verbot des Rechtsmißbrauchs.
3. Bestimmt ein Tarifvertrag, nach dem die durchschnittliche Tarifgehaltssumme durch den Arbeitgeber auf die Angestellten verteilt werden muß, nicht, wie diese Verteilung erfolgen soll, so hat der Betriebsrat die Befugnis zu prüfen, ob die Gewährung der Zulage nach billigem Ermessen getroffen und der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet worden ist.
Eine solche Prüfung ist nur möglich, wenn der Betriebsrat auch die Verteilung der durchschnittlichen Tarifgehaltssumme auf die Angestellten kennt.
4. Der in die Zukunft gerichtete Antrag eines Verfahrens muß nach dem im Laufe des Verfahrens in Kraft getretenen neuen Gesetz beurteilt werden.
Orientierungssatz
Auslegung des Abschnittes A Ziffer 3 des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung des Gehaltstarifvertrages für die Angestellten in der Berliner Metallindustrie vom 1959-02-20/1969-09-20/1970-11-16 und des Urlaubstarifvertrages für die Angestellten in der Berliner Metallindustrie vom 1970-01-23 vom 1971-04-29.
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 24.02.1972; Aktenzeichen 7 TaBV 1/71) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 05.10.1971; Aktenzeichen 8 BV 3/71) |
Fundstellen
BAGE 24, 349-354 (LT1-4) |
BAGE, 349 |
DB 1972, 2020 |
BetrR 1972, 555 |
SAE 1974, 97 |
AP § 80 BetrVG 1972 (LT1-4), Nr 1 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung XIVA Entsch 4 |
AR-Blattei, ES 530.14.1 Nr 4 |
ArbuR 1972, 279 |
EzA § 80 BetrVG 1972, Nr 1 |