Entscheidungsstichwort (Thema)
Patt-Situation bei Wahl des Gruppenvertreters für Gesamtbetriebsrat Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen;. Anfechtungsberechtigung. Patt-Situation. Losentscheid. Gruppenschutz
Leitsatz (amtlich)
Das bei betriebsratsinternen Wahlen einer Gruppe zustehende Bestimmungsrecht geht im Fall einer Patt-Situation jedenfalls ohne einen Mehrheitsbeschluß der Gruppe nicht auf das Betriebsratsplenum über. Dieses darf die Entscheidung nicht an sich ziehen. Vielmehr ist die Patt-Situation durch Losentscheid aufzulösen.
Orientierungssatz
1. Wenn bei der Wahl des in den Gesamtbetriebsrat zu entsendenden Gruppenvertreters nach § 47 Abs. 2 Satz 3 BetrVG (aF) in der Gruppe eine Patt-Situation eintritt, darf das Plenum des Betriebsrats die Entscheidung nicht an sich ziehen. Sofern die Gruppe nicht mehrheitlich eine andere Lösung findet, ist die Patt-Situation durch Losentscheid aufzulösen.
2. Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten im BetrVG in der bis 27. Juli 2001 geltenden Fassung verstieß nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
3. Zur Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen ist jedes Betriebsratsmitglied befugt, das geltend macht, in seiner Rechtsstellung als Betriebsratsmitglied oder als Mitglied einer Gruppe oder einer Minderheitenschutz genießenden Minderheit verletzt zu sein. Die Antragsbefugnis erlischt mit dem Ausscheiden aus dem Betriebsrat.
Normenkette
BetrVG § 47 Abs. 2 S. 3 in der bis 27. Juli 2001 geltenden Fassung
Verfahrensgang
Tenor
1. Das Verfahren wird hinsichtlich der Beteiligten zu 2) und 6) eingestellt.
2. Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4), 5) und 7) gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 1998 – 9 TaBV 78/98 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl des Angestelltenvertreters für den bei der Beteiligten zu 8) gebildeten Gesamtbetriebsrat sowie für einen sog. Unterkonzernbetriebsrat.
Die Beteiligten zu 1) bis 3), 5) bis 7) sowie 11) und 12) sind als Angestellte der Beteiligten zu 8) in deren Werk in N. beschäftigt. Mit Ausnahme der Beteiligten zu 2) und zu 6) sind sie derzeit Mitglieder des im Werk N. gebildeten Betriebsrats, des Beteiligten zu 4). Der Beteiligte zu 2) hat sein Betriebsratsmandat während des Rechtsbeschwerdeverfahrens niedergelegt. Der Beteiligte zu 6) ist während des Rechtsbeschwerdeverfahrens aus Betrieb und Betriebsrat ausgeschieden. Der Senat hat im Rechtsbeschwerdeverfahren die Arbeitgeberin als Beteiligte zu 8), den für die Werke N., Ne. und B. gebildeten Gesamtbetriebsrat als Beteiligten zu 9), den auf Grund einer Vereinbarung mit der Arbeitgeberin gebildeten sog. Unterkonzernbetriebsrat als Beteiligten zu 10) sowie die für die Beteiligten zu 2) und 6) als Ersatzmitglieder in den Betriebsrat nachgerückten Arbeitnehmer als Beteiligte zu 11) und 12) am Verfahren beteiligt.
Am 12. März 1998 fand im Werk N. im Wege der Gruppenwahl die regelmäßige Betriebsratswahl statt. Der hierbei gewählte 15-köpfige Betriebsrat setzt sich aus neun Vertretern der Arbeiter und sechs Vertretern der Angestellten zusammen. In der Gruppe der Angestellten hatten zwei Listen kandidiert. Auf die Liste 1 – 2002 D./E. – entfielen 260, auf die Liste 2 – IG-Metall S./K. – 205 Stimmen. Nach dem d'Hondtschen Höchstzahlverfahren waren damit als Angestelltenvertreter von der Liste 1 die Beteiligten zu 1) bis 3), von der Liste 2 die Beteiligten zu 5) bis 7) in den Betriebsrat gewählt. Bei den Arbeitern errangen die Liste der IG Metall sieben Betriebsratssitze sowie zwei weitere Listen jeweils einen Sitz.
In der Betriebsratssitzung vom 6. Mai 1998 wurden die vom Betriebsrat in den Gesamtbetriebsrat sowie in den sog. Unterkonzernbetriebsrat zu entsendenden Gruppenvertreter gewählt. Für beide Gremien wurden bei der Gruppe der Angestellten jeweils der Beteiligte zu 2) sowie der Beteiligte zu 5) vorgeschlagen. Die Abstimmungen der sechs damals im Betriebsrat vertretenen Angestellten, der Beteiligten zu 1) bis 3) sowie zu 5) bis 7), ergaben jeweils sowohl für den Beteiligten zu 2) als auch für den Beteiligten zu 5) drei Stimmen. Der Betriebsrat beschloß daraufhin für beide Wahlen jeweils mit 11 zu 4 Stimmen, die Patt-Situation durch Abstimmungen des gesamten Betriebsratsgremiums aufzulösen. Die sodann für die beiden Gremien offen durchgeführten Abstimmungen ergaben für den Beteiligten zu 5) jeweils 10 Stimmen, für den Beteiligten zu 2) jeweils drei Stimmen bei jeweils zwei Enthaltungen. Der Betriebsrat stellte anschließend fest, daß der Beteiligte zu 5) sowohl als Angestelltenvertreter für den Gesamtbetriebsrat als auch für den sog. Unterkonzernbetriebsrat gewählt sei.
Mit am 20. Mai 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz haben die Beteiligten 1) bis 3) die Wahl des Angestelltenvertreters für den Gesamtbetriebsrat und den sog. Unterkonzernbetriebsrat angegriffen. Das Recht, die Angestelltenvertreter zu wählen, habe allein der Gruppe der Angestellten zugestanden. Das Plenum des Betriebsrats habe diese Entscheidung nicht an sich ziehen dürfen. Die in der Gruppe der Angestellten entstandene Patt-Situation hätte durch einen Losentscheid aufgelöst werden müssen.
Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben beantragt,
die in der Betriebsratssitzung am 6. Mai 1998 durchgeführte Wahl des Angestelltenvertreters für den Gesamtbetriebsrat der P. AG und die am 6. Mai 1998 durchgeführte Wahl des Angestelltenvertreters für den Unterkonzernbetriebsrat der P. AG für unwirksam zu erklären.
Die Beteiligten zu 4) bis 7) haben beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Es sei nicht zu beanstanden, daß die in der Gruppe der Angestellten entstandene Patt-Situation durch eine Entscheidung des gesamten Betriebsrats und nicht durch einen Losentscheid aufgelöst worden sei. Die entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei überholt, beruhe auf sachwidrigen Erwägungen und lasse sich auch verfassungsrechtlich nicht mehr begründen.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 4) bis 7) zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehren diese weiterhin die Abweisung der Anträge. Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben nach dem Ausscheiden des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat zunächst mitgeteilt, das Verfahren nicht weiter betreiben zu wollen. Die Beteiligten zu 4) bis 7) haben mitgeteilt, sie würden einer Erledigung nicht zustimmen. Der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) bis 3) hat daraufhin die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt. Der Beteiligte zu 6) hat nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb seine Rechtsbeschwerde zurückgenommen. Die Beteiligten zu 8) bis 12) haben keine Anträge gestellt.
B. Das Verfahren war hinsichtlich der Beteiligten zu 2) und 6) einzustellen. Im übrigen war die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4), 5) und 7) als unbegründet zurückzuweisen.
I. Hinsichtlich des Beteiligten zu 2) war das Verfahren einzustellen, da Umstände eingetreten sind, die den Beteiligten zu 2) hindern, seinen Antrag mit Aussicht auf Erfolg weiter zu verfolgen.
1. Ein arbeitsgerichtliches Beschlußverfahren ist auf Grund einer einseitigen Erledigungserklärung des Antragstellers auch ohne Zustimmung der weiteren Beteiligten in entsprechender Anwendung des § 83 a Abs. 2 ArbGG einzustellen, wenn ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Ein erledigendes Ereignis liegt vor, wenn nach Rechtshängigkeit des Antrags tatsächliche Umstände eingetreten sind, auf Grund derer der Antrag jedenfalls jetzt als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müßte. Darauf, ob der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war, kommt es nicht an(BAG 10. Februar 1999 – 10 ABR 42/98 – AP ArbGG 1979 § 83 a Nr. 5 = EzA ArbGG 1979 § 83 a Nr. 6, zu II 2 der Gründe mwN; 26. April 1990 – 1 ABR 79/89 – BAGE 65, 105 ff. = AP ArbGG 1979 § 83 a Nr. 3, zu B I der Gründe unter Aufgabe der entgegengesetzten früheren Rechtsprechung). Voraussetzung für eine wirksame Erledigungserklärung in den Rechtsmittelinstanzen ist, daß das eingelegte Rechtsmittel zulässig war(BAG 10. Februar 1999 – 10 ABR 42/98 – aaO, zu II 2 der Gründe mwN).
2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend hinsichtlich des Beteiligten zu 2) gegeben. Er hat das Verfahren wirksam für erledigt erklärt.
a) Die Mitteilung des Beteiligten zu 2), im Hinblick auf sein Ausscheiden aus dem Betriebsrat das Verfahren nicht weiterbetreiben zu wollen, war nach ihrem objektiven Erklärungswert eine einseitige Erledigungserklärung. Gegen den Hinweis des Senatsvorsitzenden, er gehe davon aus, daß damit das Verfahren für erledigt erklärt worden sei, haben sich auch keine Einwendungen erhoben.
b) Der Beteiligte zu 2) konnte die Erledigungserklärung selbst abgeben. Im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren können sich die Beteiligten auch im dritten Rechtszug selbst vertreten. Lediglich die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
c) Die Erledigterklärung des Beteiligten zu 2) ist durch den Antrag des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) bis 3) auf Zurückweisung der Rechtsbeschwerde nicht beseitigt worden. Zum einen soll dieser Antrag angesichts des Ausscheidens des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat und seiner Erledigungserklärung erkennbar nur für die Beteiligten zu 1) und 3) gestellt sein. Zum andern ist eine Erledigungserklärung als Prozeßhandlung unwiderruflich.
d) Hinsichtlich des Beteiligten zu 2) ist durch sein Ausscheiden aus dem Betriebsrat ein erledigendes Ereignis eingetreten. Er kann das Verfahren nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterbetreiben, denn er hat seine Antragsbefugnis verloren. Die auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfende Antragsbefugnis des Antragstellers ist Voraussetzung für eine Sachentscheidung im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren. Antragsbefugt im Beschlußverfahren ist jede natürliche oder juristische Person oder jede nach § 10 ArbGG beteiligtenfähige Stelle, die eigene materielle betriebsverfassungsrechtliche Rechte oder ein im Betriebsverfassungsgesetz normiertes Antragsrecht geltend macht(vgl. BAG 23. Februar 1988 – 1 ABR 75/86 – AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 9 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 13, zu B I 1 der Gründe). Für die Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen fehlt es – anders als bei der Anfechtung der Betriebsratswahl – an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung der Anfechtungsberechtigung. Der Senat wendet zwar auf die Anfechtung derartiger Wahlen grundsätzlich § 19 BetrVG entsprechend an(BAG 15. Januar 1992 – 7 ABR 24/91 – BAGE 69, 228 ff. = AP BetrVG 1972 § 26 Nr. 10, zu B II 2 der Gründe). Für die Regelung der Anfechtungsberechtigung in § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kann dies aber nicht ohne Einschränkung gelten. Insbesondere ist es bei der Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen nicht sachgerecht, auf die Wahlberechtigung zur Betriebsratswahl abzustellen. Anders als nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG muß es sich aber auch nicht um mindestens drei bei der Wahl oder Abstimmung wahl- oder abstimmungsberechtigte Betriebsratsmitglieder handeln. Vielmehr ist zur Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen jedes Betriebsratsmitglied befugt, das geltend macht, in seiner Rechtsstellung als Betriebsratsmitglied oder als Mitglied einer Gruppe oder einer Minderheitenschutz genießenden Minderheit verletzt zu sein. Die Antragsbefugnis erlischt, wenn ein Betriebsratsmitglied durch sein Ausscheiden aus dem Betriebsrat diese Rechtsstellung verliert. Dies war beim Beteiligten zu 2) während des Rechtsbeschwerdeverfahrens der Fall.
II. Hinsichtlich des Beteiligten zu 6) war das Verfahren auf Grund der Rücknahme der Rechtsbeschwerde gemäß § 94 Abs. 3 Satz 2 ArbGG einzustellen.
III. Im übrigen ist die Rechtsbeschwerde unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Anträgen der Beteiligten zu 1) bis 3) zu Recht entsprochen.
1. Die Anfechtung der Wahl des Angestelltenvertreters für den Gesamtbetriebsrat ist zulässig und begründet.
a) Der Antrag ist zulässig. Die Wahl der nach § 47 Abs. 2 BetrVG (in der vorliegend maßgeblichen, am 6. Mai 1998 geltenden Fassung – aF) in den Gesamtbetriebsrat zu entsendenden Gruppenvertreter ist als betriebsratsinterne Wahl in entsprechender Anwendung des § 19 BetrVG einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich(vgl. BAG 15. Januar 1992 – 7 ABR 24/91 – BAGE 69, 228 ff. = AP BetrVG 1972 § 26 Nr. 10, zu B II 2 der Gründe). Die Beteiligten zu 1) und 3) sind antragsbefugt. Sie machen geltend, durch die Wahl des Beteiligten zu 5) seien die Rechte der Angestelltengruppe im Betriebsrat verletzt. Als Mitglieder dieser Gruppe können sie diese Gruppenrechte gerichtlich geltend machen. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er ist nicht etwa auf die rückwirkende Feststellung der Nichtigkeit der Wahl, sondern in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 1 BetrVG auf die für die Zukunft wirkende Ungültigerklärung der Wahl gerichtet. Die Zwei-Wochen-Frist des entsprechend anwendbaren § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist gewahrt. Das Verfahren war hinsichtlich der Beteiligten zu 1) und 3) nicht etwa einzustellen. Für eine unmittelbare Anwendung von § 95 Satz 4, § 83 a Abs. 2 Satz 1 ArbGG war schon deshalb kein Raum, weil nicht alle Beteiligten das Verfahren für erledigt erklärt haben. Die Beteiligten zu 4) bis 7) haben vielmehr innerhalb der durch den Vorsitzenden gemäß § 83 a Abs. 3 Satz 1 ArbGG gesetzten Frist ihre Zustimmung verweigert. Eine Einstellung auf Grund einseitiger Erledigterklärung in entsprechender Anwendung des § 83 a Abs. 2 Satz 1 ArbGG kam nicht in Betracht, da hinsichtlich der Beteiligten zu 1) und 3) kein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Diese beiden Beteiligten haben durch das Ausscheiden des Beteiligten zu 2) aus dem Betriebsrat ihre Antragsbefugnis nicht verloren.
b) Das Landesarbeitsgericht hat die Wahlanfechtung zu Recht für begründet erachtet. Die Wahl der Gruppenvertreter in den Gesamtbetriebsrat kann als betriebsratsinterne Wahl in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 1 BetrVG angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht und das Wahlverfahren verstoßen wurde, eine Berichtigung nicht erfolgt ist und der Verstoß geeignet war, das Wahlergebnis zu ändern oder zu beeinflussen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Das Plenum des Betriebsrats durfte die Bestimmung des Vertreters der Gruppe der Angestellten im Gesamtbetriebsrat nicht an sich ziehen.
aa) Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BetrVG (aF) entsendet jeder Betriebsrat, wenn ihm Vertreter beider Gruppen angehören, zwei seiner Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat. Diese dürfen nach § 47 Abs. 2 Satz 2 BetrVG (aF) nicht derselben Gruppe angehören. Ist der Betriebsrat nach § 14 Abs. 2 BetrVG (aF) in getrennten Wahlgängen gewählt worden und gehören jeder Gruppe mehr als ein Zehntel der Mitglieder des Betriebsrats, jedoch mindestens drei Mitglieder an, so wählt nach § 47 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BetrVG (aF) jede Gruppe den auf sie entfallenden Gruppenvertreter. Dieses Recht zur Wahl des Gruppenvertreters steht nur den Mitgliedern der Gruppe zu. Die anderen Mitglieder des Betriebsrats sind insoweit nicht wahlberechtigt. Dies folgt aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und der Gesetzessystematik, welche die Bestimmung des Gruppenvertreters nicht generell, sondern nur unter den in § 47 Abs. 2 Satz 3 BetrVG (aF) genannten Voraussetzungen der Gruppe zuweist. Auch Sinn und Zweck der Regelung gehen erkennbar dahin, von der im Gesetz genannten Gruppengröße ab die Bestimmung der Gruppenvertreter im Gesamtbetriebsrat eigenverantwortlich der Gruppe zu übertragen.
Nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist die Frage, wie zu verfahren ist, wenn bei der gruppeninternen Wahl des Gruppenvertreters zwei Kandidaten die gleiche Stimmenzahl erreichen. Der Sechste und Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts haben aber wiederholt entschieden, daß bei betriebsratsinternen Wahlen eine Patt-Situation durch Losentscheid aufzulösen ist und das einer Gruppe zustehende Bestimmungsrecht nicht auf das Betriebsratsplenum übergeht. Dies gilt sowohl für Freistellungsentscheidungen nach § 38 Abs. 2 Satz 4 BetrVG (aF)(vgl. BAG 15. Januar 1992 – 7 ABR 24/91 – BAGE 69, 228 ff. = AP BetrVG 1972 § 26 Nr. 10, zu B III 3 b der Gründe; ferner zu § 38 Abs. 2 Satz 3 BetrVG in der bis 31. Dezember 1988 geltenden Fassung BAG 26. Februar 1987 – 6 ABR 54/85 – BAGE 55, 90 ff. = AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 7, zu B II 3 der Gründe), als auch für das Vorschlagsrecht nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG (aF)(vgl. BAG 26. Februar 1987 – 6 ABR 55/85 – AP BetrVG 1972 § 26 Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 26 Nr. 4, zu B II 4 der Gründe; 15. Januar 1992 – 7 ABR 24/91 – aaO, zu B III 1 b der Gründe) als auch für die Entsendung von Betriebsratsvertretern in Ausschüsse, die nicht im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehen sind, sondern auf einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber beruhen(BAG 15. Januar 1992 – 7 ABR 24/91 – aaO, zu B III 4 der Gründe). An dieser Rechtsprechung hält der Senat für die Zeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVerf-Reformgesetz) vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S 1852) am 28. Juli 2001 (vgl. aber auch Art. 14 Satz 1 iVm. Art. 1 Nr. 35 Buchstabe a BetrVerf-Reformgesetz) fest und wendet sie auch auf die nach § 47 Abs. 2 Satz 3 BetrVG (aF) durchzuführenden Wahlen an. Wenn nach der Entscheidung des Gesetzgebers das Recht zur Bestimmung des Gruppenvertreters bei der Gruppe liegt, kann das Plenum des Betriebsrats diese Bestimmung jedenfalls ohne einen entsprechenden Mehrheitsbeschluß der Gruppe nicht an sich ziehen. Zumindest dann, wenn sich die Gruppe nicht mehrheitlich auf eine andere Lösung verständigt, verbleibt zur Auflösung der Patt-Situation nur der Losentscheid. Hierbei handelt es sich um das demokratisch übliche, vielfach gesetzlich ausdrücklich legitimierte Mittel(vgl. nur § 23 Abs. 1 und 2, § 25 Abs. 4 WO BetrVG 1972), um Patt-Situationen bei Wahlen aufzulösen(BAG 26. Februar 1987 – 6 ABR 54/85 – BAGE 55, 90 ff. = AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 7, zu B II 3 d der Gründe; 26. Februar 1987 – 6 ABR 55/85 – AP BetrVG 1972 § 26 Nr. 5, zu B II 4 d der Gründe; 15. Januar 1992 – 7 ABR 24/91 – BAGE 69, 228 ff. = AP BetrVG 1972 § 26 Nr. 10, zu B III 1 b der Gründe).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeführer gebieten auch verfassungsrechtliche Erwägungen nicht, eine Patt-Situation bei der innerhalb einer Gruppe erfolgenden Wahl durch Übertragung der Entscheidung auf das Plenum aufzulösen. Die in § 47 Abs. 2 Satz 3 BetrVG (aF) vorgesehene Gruppenwahl verletzt nicht etwa den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser wird dann verletzt, wenn eine Gruppe im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obgleich zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten(BVerfG 16. November 1982 – 1 BvL 16/75 – BVerfGE 62, 256 ff. = AP BGB § 622 Nr. 16, zu B I der Gründe; 30. Mai 1990 –1 BvL 2/83 – BVerfGE 82, 126 ff. = AP BGB § 622 Nr. 28, zu C I 1 der Gründe). Durch § 47 Abs. 2 Satz 3 BetrVG (aF) werden zwar die Gruppe der von den Arbeitern gewählten Betriebsratsmitglieder einerseits und die Gruppe der von den Angestellten gewählten Betriebsratsmitglieder andererseits voneinander unterschieden. Sie werden aber weder ungleich behandelt, noch wird eine Gruppe gegenüber der anderen benachteiligt. Vielmehr haben die Mitglieder beider Personengruppen gleichermaßen das Recht, einen Gruppenvertreter für den Gesamtbetriebsrat zu wählen.
Auch die § 47 Abs. 2 BetrVG (aF) zugrunde liegende generelle Gruppenbildung im Betriebsverfassungsgesetz in der bis zum 27. Juli 2001 geltenden Fassung von Arbeitern einerseits und Angestellten andererseits war nicht verfassungswidrig. Denn zwar unterschied der Gesetzgeber auch insoweit zwischen zwei Personengruppen. Er behandelte sie aber ebenfalls nicht ungleich, sondern stattete sie mit denselben Rechten aus. Ob dieser vom Gesetzgeber ausdrücklich als ein Unterfall des „Minderheitenschutzes” verstandene – vgl. § 38 Abs. 2 Satz 8 iVm. Satz 3 BetrVG (aF) – Gruppenschutz, der durch das am 1. Januar 1989 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung (BGBl. I 1988 S 2312) letztmals bestätigt und noch verfestigt wurde, zum Zeitpunkt der vorliegend streitbefangenen Wahl noch „zeitgemäß” oder, wie die Rechtsbeschwerdeführer meinen, „überholt” war, kann dahinstehen. Jedenfalls war er in der bis zum 27. Juli 2001 maßgeblichen Ausgestaltung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
bb) Hiernach waren vorliegend vom Betriebsrat zwei Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat zu entsenden, die nicht derselben Gruppe angehören durften. Da der Betriebsrat in Gruppenwahl gewählt worden war und jeder Gruppe mehr als ein Zehntel der Betriebsratsmitglieder sowie zugleich mindestens drei Mitglieder angehörten, hatte jede Gruppe den auf sie entfallenden Gruppenvertreter zu wählen. Den Gruppenvertreter der Angestellten mußte somit die aus sechs Betriebsratsmitgliedern bestehende Gruppe der Angestellten wählen. Die bei dieser Wahl eingetretene Patt-Situation durfte das Betriebsratsplenum nicht in der Weise auflösen, daß es mehrheitlich beschloß, die Wahl des Gruppenvertreters der Angestelltengruppe an sich zu ziehen. Die Gruppe der Angestellten hat diese Verfahrensweise weder mehrheitlich beschlossen, noch ihr zugestimmt. Die vom Plenum des Betriebsrats durchgeführte Wahl der Gruppenvertreter der Angestellten verstieß daher gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht und das Wahlverfahren. Eine Berichtigung ist nicht erfolgt. Durch den Verstoß konnte das Wahlergebnis beeinflußt werden. Es ist möglich, daß bei einem Losentscheid – oder auch bei einer anderen von der Gruppe vorgenommenen Auflösung der Patt-Situation – nicht der Beteiligte zu 5), sondern der Beteiligte zu 2) als Gruppenvertreter für den Gesamtbetriebsrat gewählt worden wäre.
2. Die Anfechtung der Wahl des Angestelltenvertreters für den sog. Unterkonzernbetriebsrat ist ebenfalls zulässig und begründet. Das Plenum des Betriebsrats durfte auch diese Wahl nicht an sich ziehen.
Dabei erscheint bereits zweifelhaft, ob es überhaupt Sache des Betriebsrats war, zwei seiner Mitglieder in den sog. Unterkonzernbetriebsrat zu entsenden. Nach § 55 Abs. 1 BetrVG (aF) steht nämlich das Recht, Mitglieder in den Konzernbetriebsrat zu entsenden, grundsätzlich den Gesamtbetriebsräten zu. Allerdings ist ein sog. Unterkonzernbetriebsrat ohnehin im Betriebsverfassungsgesetz nicht vorgesehen. Er wurde vielmehr vorliegend auf Grund einer mit der Arbeitgeberin getroffenen Absprache gebildet. Dabei mag in dieser Absprache vorgesehen sein, daß die Betriebsräte Gruppenvertreter in den sog. Unterkonzernbetriebsrat entsenden. Dies kann aber letztlich dahinstehen. Denn auch wenn hiervon ausgegangen wird und die Vereinbarung keine ausdrückliche § 47 Abs. 2 BetrVG (aF) entsprechende Regelung enthalten sollte, so mußte die Bildung des sog. Unterkonzernbetriebsrats den Grundprinzipien des Betriebsverfassungsgesetzes genügen(vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung eines im Betriebsverfassungsgesetz nicht vorgesehenen, auf Grund einer Vereinbarung mit der Arbeitgeberin eingerichteten Koordinationsausschusses BAG 15. Januar 1992 – 7 ABR 24/91 – BAGE 69, 228 ff. = AP BetrVG 1972 § 26 Nr. 10, zu B III 4 der Gründe). Zu diesen Grundprinzipien gehörte bis zum 27. Juli 2001 der Gruppenschutz. Dies zeigen die Regelungen in § 26 Abs. 2, § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 2, § 38 Abs. 2, § 47 Abs. 2, § 55 Abs. 1 BetrVG (aF). Dieses Gruppenschutzprinzip mußte daher gewahrt bleiben, selbst wenn das Organisationsstatut des sog. Unterkonzernbetriebsrats insoweit keine Regelungen enthalten sollte. Dies hat zur Folge, daß bei der vorliegenden Gruppengröße die Gruppe der Angestellten im Betriebsrat ihren Vertreter für den sog. Unterkonzernbetriebsrat selbst wählen mußte und das Plenum des Betriebsrats die Wahl nicht an sich ziehen durfte, sondern die Patt-Situation durch einen Losentscheid auflösen mußte.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Linsenmaier, Günther Metzinger, Nottelmann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.08.2001 durch Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 651436 |
DB 2002, 330 |
ARST 2002, 49 |
FA 2002, 25 |
NZA 2002, 569 |
SAE 2002, 160 |
AP, 0 |
EzA |