Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsausschüsse. Erweiterung. Ausscheiden. Ausschüsse des Betriebsrats. Erweiterung um zusätzliche Mitglieder während der Amtszeit. Ausscheiden von Mitgliedern. Beteiligtenstellung des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
Beschließt der Betriebsrat während seiner Amtszeit, einen nach § 28 BetrVG gebildeteten Ausschuss, dessen Mitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt wurden, um ein zusätzliches Mitglied zu erweitern, sind sämtliche Ausschussmitglieder neu zu wählen.
Orientierungssatz
- Soll die Anzahl der Mitglieder des Personalauschusses während der Amtszeit des Betriebsrats um ein Mitglied erhöht werden, sind sämtliche Ausschussmitglieder neu zu wählen, wenn die ursprüngliche Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt wurde. Das Nachrücken von Ersatzmitgliedern in entsprechender Anwendung von § 25 BetrVG kommt in diesem Fall ebenso wenig in Betracht wie die isolierte Wahl des zusätzlichen Mitglieds nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl.
- Der Arbeitgeber ist an jedem seinen Betrieb betreffenden arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu beteiligen. Das gilt auch bei ausschließlich betriebsratsinternen Streitigkeiten.
Normenkette
BetrVG §§ 19, 25, 27-28, 38; ArbGG § 83
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller zu 1) und 2) gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 12. Mai 2004 – 15 TaBV 75/03 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Neuwahl des bei dem zu 3) beteiligten Betriebsrat gebildeten Personalausschusses sowie über dessen personelle Zusammensetzung.
Der aus 35 Mitgliedern bestehende Betriebsrat wurde im Jahr 2002 gewählt. Bei der Betriebsratswahl entfielen auf die Vorschlagsliste der IG Metall 32 Sitze, auf die Vorschlagsliste der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) zwei Sitze und auf eine unabhängige Vorschlagsliste ein Sitz. Die zu 1) und 2) beteiligten Antragsteller wurden über die Liste der CGM in den Betriebsrat gewählt. Bei der konstituierenden Sitzung des Betriebsrats am 29. April 2002 wurde neben dem Betriebsausschuss ua. ein aus fünf Mitgliedern bestehender Personalausschuss gewählt. Zur Wahl standen eine Liste der IG Metall mit fünf Kandidaten sowie eine Liste der CGM, auf der die Antragsteller zu 1) und 2) kandidierten. Auf die Liste der IG Metall entfielen 31 Stimmen, auf diejenige der CGM drei Stimmen. Damit waren die fünf Bewerber der IG Metall-Liste als Mitglieder des Personalausschusses gewählt.
Im März 2003 beabsichtigte der Betriebsrat, den Personalausschuss wegen der hohen Arbeitsbelastung von fünf Mitgliedern auf sechs Mitglieder zu erweitern. Die Einladung des Betriebsratsvorsitzenden zur Betriebsratssitzung am 24. März 2003 enthielt einen entsprechenden Tagesordnungspunkt. Nachdem die Antragsteller die Meinung geäußert hatten, im Falle der Vergrößerung des Personalausschusses auf sechs Mitglieder rücke der Antragsteller zu 1) in den Personalausschuss nach, wurde in der Betriebsratssitzung am 24. März 2003 die Beratung und Beschlussfassung zu diesem Tagesordnungspunkt mit 28 Stimmen abgelehnt. Anschließend erklärten die fünf Mitglieder des Personalausschusses jeweils mit Schreiben vom 24. März 2003 ihren Rücktritt als Ausschussmitglieder zum 26. März 2003. Am 26. März 2003 lud der Betriebsratsvorsitzende zu einer Betriebsratssitzung am 31. März 2003 ein. Die Einladung sah als Tagesordnungspunkt 3 die Beratung und Beschlussfassung über die Neuwahl des Personalausschusses vor. Dem widersprachen die Antragsteller. In der Betriebsratssitzung vom 31. März 2003 beschloss der Betriebsrat mit 32 Ja-Stimmen bei drei Enthaltungen die Neuwahl eines aus sechs Mitgliedern bestehenden Personalausschusses. Zur Wahl stand nur ein Wahlvorschlag der IG Metall, bestehend aus den fünf zurückgetretenen Ausschussmitgliedern und einer sechsten Bewerberin. Die Wahl erfolgte nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl. Dabei wurden drei Kandidaten mit 32 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung und drei weitere Kandidaten mit 31 Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen gewählt.
Die Antragsteller zu 1) und 2) haben mit der am 11. April 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift die Unwirksamkeit der Neuwahl des Personalausschusses sowie dessen fehlerhafte personelle Zusammensetzung geltend gemacht. Sie haben die Auffassung vertreten, sie seien infolge des Rücktritts sämtlicher Personalausschussmitglieder entsprechend § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG in den Personalausschuss nachgerückt, da die Liste der IG Metall erschöpft gewesen sei. Zumindest sei der Antragsteller zu 1) wegen der vom Betriebsrat beschlossenen Vergrößerung des Personalausschusses von fünf Mitgliedern auf sechs Mitglieder in den Personalausschuss nachgerückt. Der Rücktritt sämtlicher bisheriger Mitglieder des Personalausschusses sei rechtsmissbräuchlich gewesen und nur zum Schein erfolgt. Die Neuwahl des gesamten Personalausschusses sei daher nichtig. Die Vorgehensweise des Betriebsrats verletze die Antragsteller in ihren Rechten als Minderheit.
Die Antragsteller zu 1) und 2) haben zuletzt beantragt,
I.
1. festzustellen, dass sowohl der Beteiligte zu 1) als auch der Beteiligte zu 2) in den am 29. April 2002 gewählten Personalausschuss infolge des geschlossenen Rücktritts der bisherigen Mitglieder vom 31. März 2003 nachgerückt sind;
2. festzustellen, dass die Neuwahl des Personalausschusses in der Sitzung des Betriebsrats vom 31. März 2003 nichtig, respektive ungültig ist;
II. hilfsweise
1. festzustellen, dass auf Grund der Entscheidung des Betriebsrats, die Zahlen der Mitglieder von fünf auf sechs zu erweitern, der Beteiligte zu 1) in den Personalausschuss nachgerückt ist;
2. festzustellen, dass die Neuwahl des Personalausschusses in der Sitzung des Betriebsrats vom 31. März 2003 nichtig, respektive ungültig ist.
Der Betriebsrat hat die Zurückweisung der Anträge beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Antragsteller zu 1) und 2) zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragsteller zu 1) und 2) ihre zuletzt gestellten Anträge weiter. Der Betriebsrat beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Anträge zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Allerdings haben sie es versäumt, die Arbeitgeberin an dem Verfahren zu beteiligen. Das hat der Senat in der Rechtsbeschwerde nachgeholt.
I. Die Vorinstanzen haben die Arbeitgeberin zu Unrecht nicht am vorliegenden Beschlussverfahren beteiligt. Gegenstand des Verfahrens ist zwar eine betriebsratsinterne Auseinandersetzung. Dies steht der Beteiligung der Arbeitgeberin jedoch nicht entgegen. Der Arbeitgeber ist an einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren immer zu beteiligen, weil er durch die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung stets betroffen ist (BAG 19. Februar 1975 – 1 ABR 94/73 – BAGE 27, 46, 51 = AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 10, zu II 2 der Gründe). Das gilt auch bei ausschließlich betriebsratsinternen Streitigkeiten. Der Arbeitgeber wird durch jede in einem Beschlussverfahren ergehende Entscheidung in seinen kollektiven Rechten betroffen.
Die Beteiligung der Arbeitgeberin konnte im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen nachgeholt werden (BAG 27. Januar 1998 – 1 ABR 35/97 – AP BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr. 14 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 58, zu B I der Gründe). Da die in den Vorinstanzen unterbliebene Beteiligung der Arbeitgeberin nicht gerügt wurde, war der Verfahrensfehler für die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses ohne Bedeutung (BAG 15. Januar 2002 – 1 ABR 10/01 – BAGE 100, 157 = AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 23 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 19, zu B I der Gründe).
II. Die zulässigen Anträge sind nicht begründet. Der Rücktritt sämtlicher Mitglieder des Personalausschusses zum 26. März 2003 und die am 31. März 2003 beschlossene Erweiterung des Personalausschusses von fünf Mitgliedern auf sechs Mitglieder führte nicht zum Nachrücken beider Antragsteller oder des Antragstellers zu 1) in den Personalausschuss. § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist auf die Mitgliedschaft in betriebsratsinternen Ausschüssen nicht entsprechend anwendbar. Die am 31. März 2003 erfolgte Neuwahl sämtlicher Mitglieder des Personalausschusses ist wirksam. Dadurch wurden die Antragsteller in ihren Rechten als Minderheit nicht beeinträchtigt.
1. Die Anträge sind hinsichtlich ihres Verhältnisses zueinander dahingehend auszulegen, dass der Antrag zu II 1 ein Hilfsantrag zu dem Antrag I 1 ist und mit den identischen Anträgen zu I 2 und II 2 die Nichtigkeit der am 31. März 2003 erfolgten Neuwahl des Personalausschusses festgestellt, hilfsweise die Wahl für ungültig erklärt werden soll. Das ergibt sich aus der Antragsbegründung. Danach begehren die Antragsteller die Feststellung, dass sie beide in den Personalausschuss nachgerückt sind (Antrag zu I 1), zumindest aber der Antragsteller zu 1) (Hilfsantrag zu II 1). Außerdem soll die Nichtigkeit der Neuwahl des Personalausschusses vom 31. März 2003 festgestellt oder jedenfalls die Wahl für ungültig erklärt werden, weil die Wahl des gesamten Personalausschusses wegen des Nachrückens des Antragstellers zu 1) oder beider Antragsteller in den Ausschuss unzulässig gewesen sei. Mit dem Antrag zu I 2 und dem Hilfsantrag zu II 2 machen die Antragsteller lediglich unterschiedliche Fehler im Wahlverfahren geltend. Dazu bedarf es jedoch keiner unterschiedlichen Anträge.
2. Der Antrag zu I 1 ist unbegründet. Die Antragsteller zu 1) und 2) sind nicht auf Grund des zum 26. März 2003 erfolgten Rücktritts der bisherigen Mitglieder des Personalausschusses in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG in den Personalausschuss nachgerückt.
a) Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat in Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern Ausschüsse bilden und ihnen bestimmte Aufgaben übertragen. Für die Wahl und Abberufung der Ausschussmitglieder gelten nach § 28 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Regelungen des § 27 Abs. 1 Satz 3 bis 5 BetrVG über die Wahl und Abberufung der weiteren Mitglieder des Betriebsausschusses entsprechend. Für den Fall des Ausscheidens von Mitgliedern der nach § 28 Abs. 1 BetrVG gebildeten Ausschüsse ist im Betriebsverfassungsgesetz keine ausdrückliche Regelung vorgesehen. Das Gesetz enthält daher – ebenso wie beim Ausscheiden freigestellter Betriebsratsmitglieder aus der Freistellung – eine planwidrige Regelungslücke. Für den Fall des Ausscheidens eines im Wege der Verhältniswahl in die Freistellung gewählten Betriebsratsmitglieds hat der Senat die Gesetzeslücke dahingehend geschlossen, dass das ersatzweise freizustellende Mitglied in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG derjenigen Vorschlagsliste zu entnehmen ist, der das zu ersetzende Mitglied angehörte. Ist diese Vorschlagsliste erschöpft, ist das Ersatzmitglied nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl zu wählen (BAG 14. November 2001 – 7 ABR 31/00 – AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 24 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 19, zu B 2 der Gründe; 25. April 2001 – 7 ABR 26/00 – BAGE 97, 340 = AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 18, zu B I 2 der Gründe; 28. Oktober 1992 – 7 ABR 2/92 – BAGE 71, 286 = AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 16). Dies gilt beim Ausscheiden im Wege der Verhältniswahl gewählter Mitglieder betriebsratsinterner Ausschüsse gleichermaßen. Denn diese werden nach denselben Grundsätzen gewählt wie freizustellende Betriebsratsmitglieder. § 38 Abs. 2 Satz 8 BetrVG verweist für die Wahl und die Abberufung der freizustellenden Betriebsratsmitglieder ebenso auf § 27 Abs. 1 Satz 3 bis 5 BetrVG wie § 28 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für die Wahl von Ausschussmitgliedern.
b) Hiernach sind die Antragsteller zu 1) und 2) auf Grund des Rücktritts sämtlicher Mitglieder des Personalausschusses zum 26. März 2003 nicht in den Personalausschuss nachgerückt. Sie gehören weder der Liste der IG Metall an, auf der die Ausgeschiedenen bei der Wahl am 29. April 2002 kandidiert hatten, noch wurden sie im Wege der Mehrheitswahl in den Personalausschuss nachgewählt. Sie konnten auch nicht als bei der Wahl vom 29. April 2002 nicht zum Zuge gekommene Bewerber der Liste der CGM in den Personalausschuss nachrücken, weil die Liste der IG Metall erschöpft war. § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist auf das Nachrücken von Ersatzmitgliedern in betriebsratsinterne Ausschüsse nicht entsprechend anwendbar.
aa) Die Vorschrift des § 25 BetrVG regelt das Nachrücken von Ersatzmitgliedern in den Betriebsrat im Falle des Ausscheidens oder der zeitweiligen Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern. Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG werden die in den Betriebsrat nachrückenden Ersatzmitglieder der Reihe nach aus den nicht gewählten Bewerbern derjenigen Vorschlagslisten entnommen, denen die zu ersetzenden Mitglieder angehören. Ist eine Vorschlagsliste erschöpft, bestimmt § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, dass das Ersatzmitglied derjenigen Vorschlagsliste zu entnehmen ist, auf die nach den Grundsätzen der Verhältniswahl der nächste Betriebsratssitz entfallen würde.
bb) § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gilt unmittelbar nur für das Nachrücken von Ersatzmitgliedern in den Betriebsrat. Die Vorschrift ist auf das Nachrücken von Ersatzmitgliedern in betriebsratsinterne Ausschüsse nicht entsprechend anzuwenden. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist die analoge Anwendung der Vorschrift nicht aus Gründen des Minderheitenschutzes geboten. Die Regelung des § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG dient nicht dem Minderheitenschutz. Dieser wird vielmehr durch die für die Betriebsratswahl in § 14 Abs. 2 Satz 1 BetrVG und für die Wahl von Ausschussmitgliedern in § 28 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG angeordnete Verhältniswahl gewahrt. Die Verhältniswahl gewährleistet, dass die Sitzverteilung in dem zu wählenden Gremium in möglichst genauer Übereinstimmung mit dem bei der Wahl erzielten Stimmenverhältnis der um die Sitze kandierenden Koalitionen steht. Dadurch wird sichergestellt, dass auch Minderheiten entsprechend dem Stimmenverhältnis in dem zu wählenden Gremium vertreten sind. Dieser Minderheitenschutz wird durch die Regelung in § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG aufgegeben, weil durch das Nachrücken von Ersatzmitgliedern aus einer anderen Vorschlagsliste als derjenigen, der das zu ersetzende Mitglied angehörte, die durch die Verhältniswahl hergestellte, dem Stimmverhältnis entsprechende Sitzverteilung zwischen den Koalitionen verschoben wird. Im Einzelfall kann die Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zwar dazu führen, dass Angehörige einer Minderheitskoalition einen Vorteil erlangen, weil sie in den Betriebsrat nachrücken, obwohl ihnen nach dem bei der Wahl erzielten Stimmenverhältnis der Sitz nicht zustehen würde. Die Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG kann aber auch zur Benachteiligung von Minderheiten führen. Scheidet ein Mitglied einer Minderheitskoalition aus dem Betriebsrat aus und ist die Vorschlagsliste der Minderheitskoalition erschöpft, kann dies zur Folge haben, dass ein noch nicht zum Zuge gekommener Bewerber der Mehrheitskoalition in den Betriebsrat nachrückt und die Minderheitskoalition den an sich ihr zustehenden Betriebsratssitz verliert. Diese Beeinträchtigung des Minderheitenschutzes hat der Gesetzgeber für den Fall des Nachrückens von Ersatzmitgliedern in den Betriebsrat in Kauf genommen, um die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats sicherzustellen. Diese wäre gefährdet, wenn die gesetzlich vorgeschriebene Zahl von Betriebsratsmitgliedern wegen des Ausscheidens eines Mitglieds unterschritten würde, weil die Liste, der das ausgeschiedene Mitglied angehörte, erschöpft ist und aus einer anderen Liste ein Ersatzmitglied nicht nachrücken könnte. Vergleichbare Gründe, die es geboten erscheinen lassen könnten, den durch die Verhältniswahl geschaffenen Minderheitenschutz aufzugeben, bestehen beim Ausscheiden von Mitgliedern betriebsratsinterner Ausschüsse nicht. Die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats wird bei einem Absinken der festgelegten Anzahl von Ausschussmitgliedern nicht beeinträchtigt. Der Betriebsrat kann jederzeit die dem Ausschuss übertragenen Aufgaben ganz oder teilweise selbst übernehmen oder einem anderen Ausschuss übertragen. Er kann im Falle des Ausscheidens eines Ausschussmitglieds auch die übrigen Ausschussmitglieder nach § 28 Abs. 1 Satz 2, § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG abberufen und die Ausschussmitglieder insgesamt neu wählen. Es besteht daher keine Rechtfertigung dafür, den mit der Verhältniswahl bezweckten Minderheitenschutz durch eine analoge Anwendung von § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auf das Nachrücken von Ersatzmitgliedern in betriebsratsinterne Ausschüsse zu beeinträchtigen.
3. Der Hilfsantrag zu II 1 ist ebenfalls unbegründet. Durch die Entscheidung des Betriebsrats, den Personalausschuss von fünf Mitgliedern auf sechs Mitglieder zu erweitern, ist der Antragsteller zu 1) nicht Mitglied des Personalausschusses geworden.
a) Nach § 28 Abs. 1 Satz 2, § 27 Abs. 1 Satz 3 und 4 BetrVG werden die Mitglieder betriebsratsinterner Ausschüsse grundsätzlich gewählt. Bei Ausscheiden eines gewählten Mitglieds kann in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ein Ersatzmitglied in den Ausschuss nachrücken. Dies kommt bei der Erweiterung des Ausschusses um zusätzliche Mitglieder jedoch nicht in Betracht.
§ 25 BetrVG regelt ausschließlich das Nachrücken von Ersatzmitgliedern in den Betriebsrat im Falle des Ausscheidens oder der zeitweiligen Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern. Die analoge Anwendung der Vorschrift auf das Nachrücken von Ersatzmitgliedern in betriebsratsinterne Ausschüsse setzt daher voraus, dass ein Ausschussmitglied aus dem Ausschuss ausscheidet oder zeitweilig an der Amtsausübung als Ausschussmitglied verhindert ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der Ausschuss um ein zusätzliches Mitglied erweitert wird. Das zusätzliche Mitglied ist bislang noch nicht gewählt worden und kann daher auch nicht in entsprechender Anwendung von § 25 BetrVG ersetzt werden. Es ist vielmehr neu zu wählen. Dabei kommt eine isolierte Neuwahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl nicht in Betracht, wenn die bisherigen Ausschussmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt worden sind. In diesem Fall müssen alle Ausschussmitglieder neu gewählt werden, um eine Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu ermöglichen. Andernfalls würde der mit § 28 Abs. 1 Satz 2, § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG bezweckte Minderheitenschutz beeinträchtigt.
Der erkennende Senat hat zwar für den Fall des Ausscheidens eines freigestellten Betriebsratsmitglieds, das nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt worden war, entschieden, dass das ersatzweise freizustellende Betriebsratsmitglied bei Erschöpfung der Vorschlagsliste, der das ausgeschiedene Mitglied angehörte, im Wege der Mehrheitswahl nachzuwählen ist (14. November 2001 – 7 ABR 31/00 – AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 24 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 19, zu B 2 der Gründe; 25. April 2001 – 7 ABR 26/00 – BAGE 97, 340 = AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 18, zu B I 2 der Gründe; 28. Oktober 1992 – 7 ABR 2/92 – BAGE 71, 286 = AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 16). Dadurch wird der durch § 38 Abs. 2 Satz 8, § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG bezweckte Minderheitenschutz ebenfalls beeinträchtigt. Dies ist hinzunehmen, weil der Minderheitenschutz in diesem Fall nicht weiter reicht als der ursprüngliche Wahlvorschlag (BAG 25. April 2001 – 7 ABR 26/00 – aaO, zu B I 2c cc der Gründe). Das gilt aber nicht bei der Neuwahl eines zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen Ausschussmitglieds. Auf die Besetzung des weiteren Ausschusssitzes haben sich die ursprünglichen Wahlvorschläge nicht bezogen. Diese wurden für die Wahl einer bestimmten Anzahl von Ausschussmitgliedern aufgestellt. Da die Zusammensetzung der Wahlvorschläge uU entscheidend von der Anzahl der zu Wählenden abhängt, wird bei der späteren Vergrößerung des Ausschusses dem ursprünglichen Wahlvorschlag die Grundlage entzogen. Das gebietet es, bei der Erweiterung des Ausschusses um ein zusätzliches Mitglied eine Neuwahl aller Ausschussmitglieder durchzuführen, um eine Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu ermöglichen (vgl. BAG 16. März 2005 – 7 ABR 37/04 – zur Erhöhung der Anzahl der Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses). Für dieses Ergebnis spricht auch, dass die im Betriebsrat vertretenen Koalitionen für den Fall des Ausscheidens eines Betriebsratsmitglieds aus einem Ausschuss durch entsprechende Gestaltung der Vorschlagslisten Vorkehrungen dahingehend treffen können, dass Ersatzmitglieder vorhanden sind, die ggf. in den Ausschuss nachrücken können, um dadurch eine Nachwahl zu vermeiden. Diese Möglichkeit besteht für den Fall der Vergrößerung des Ausschusses nicht.
b) Der Antragsteller zu 1) ist daher auf Grund des Beschlusses des Betriebsrats, den Personalausschuss von fünf Mitgliedern auf sechs Mitglieder zu erweitern, nicht in den Personalausschuss nachgerückt. Vielmehr waren alle Mitglieder des Personalausschusses neu zu wählen, da diese im Wege der Verhältniswahl gewählt worden waren.
4. Die Anträge zu I 2 und zu II 2 sind zulässig, aber nicht begründet. Die am 31. März 2003 erfolgte Neuwahl aller Mitglieder des Personalausschusses ist weder nichtig noch anfechtbar.
a) Die Anträge sind zulässig.
aa) Mit den Anträgen zu I 2 und II 2 begehren die Antragsteller die Feststellung, dass die in der Sitzung des Betriebsrats am 31. März 2003 erfolgte Neuwahl der Mitglieder des Personalausschusses “nichtig, respektive ungültig ist”. Obwohl der Antragswortlaut wegen der Formulierung als Feststellungsantrag darauf schließen lassen könnte, dass ausschließlich die Nichtigkeit der Wahl geltend gemacht wird, enthalten die Anträge – zumindest auch – eine Anfechtung der Wahl iSv. § 19 BetrVG. Denn der Antragsbegründung ist zu entnehmen, dass die Ungültigkeit der Wahl unter allen denkbaren Gesichtspunkten geltend gemacht werden soll, ua. deswegen, weil durch die Wahl der den Antragstellern zustehende Minderheitenschutz verletzt worden sein soll. Dies ist ein Umstand, der zwar die Anfechtbarkeit, nicht aber die Nichtigkeit der Wahl zur Folge haben könnte, die nur ausnahmsweise bei schwerwiegenden, offensichtlichen Gesetzesverstößen anzunehmen ist, wenn nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl vorliegt (BAG 15. Januar 1992 – 7 ABR 24/91 – BAGE 69, 228 = AP BetrVG 1972 § 26 Nr. 10 = EzA BetrVG 1972 § 19 Nr. 37). Den Antragstellern geht es ersichtlich um die Beseitigung der Rechtsfolgen der Wahl, ggf. auch durch gerichtliche Gestaltungsentscheidung dahingehend, die Wahl für ungültig zu erklären. Sie machen daher – zumindest auch – eine Wahlanfechtung geltend (vgl. dazu BAG 21. Juli 2004 – 7 ABR 62/03 – NZA 2005, 173, auch zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B I 1 der Gründe mwN).
bb) Betriebsratsinterne Wahlen sind in entsprechender Anwendung von § 19 BetrVG anfechtbar (BAG 13. November 1991 – 7 ABR 18/91 – BAGE 69, 49 = AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 27 Nr. 7, zu B II 1b der Gründe). Die Antragsteller sind als wahlberechtigte Betriebsratsmitglieder anfechtungsberechtigt. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG sind zur Anfechtung einer Betriebsratswahl zwar nur mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft und der Arbeitgeber befugt. Bei einer entsprechenden Anwendung des § 19 BetrVG auf betriebsratsinterne Wahlen tritt aber anstelle der Anfechtungsbefugnis von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern die Anfechtungsbefugnis eines einzelnen Betriebsratsmitglieds (BAG 13. November 1991 – 7 ABR 8/91 – BAGE 69, 41 = AP BetrVG 1972 § 26 Nr. 9 = EzA BetrVG 1972 § 26 Nr. 5, zu B I der Gründe). Zur Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen ist jedes Betriebsratsmitglied befugt, das geltend macht, in seiner Rechtsstellung als Betriebsratsmitglied oder einer Schutz genießenden Minderheit verletzt zu sein (BAG 15. August 2001 – 7 ABR 2/99 – AP BetrVG 1972 § 47 Nr. 10 = EzA BetrVG 1972 § 47 Nr. 8, zu B I 2d der Gründe; 21. Juli 2004 – 7 ABR 62/03 – NZA 2005, 173, auch zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B I 2 der Gründe).
cc) Die Anträge wurden innerhalb der entsprechend geltenden Zwei-Wochen-Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gestellt. Die Wahl fand am 31. März 2003 statt. Die Antragsschrift ging am 11. April 2003 beim Arbeitsgericht ein.
b) Die Anträge sind nicht begründet. Die am 31. März 2003 erfolgte Neuwahl sämtlicher Mitglieder des Personalausschusses ist wirksam.
aa) Die Neuwahl war schon deshalb erforderlich, weil sämtliche am 29. April 2002 gewählten Personalausschussmitglieder am 24. März 2003 mit Wirkung vom 26. März 2003 ihren Rücktritt erklärt hatten. Dies führte nicht dazu, dass die Antragsteller in den Personalausschuss nachgerückt sind und deshalb nur die weiteren Mitglieder hätten nachgewählt werden müssen. Denn § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist, wie bereits ausgeführt, auf das Nachrücken von Ersatzmitgliedern in betriebsratsinterne Ausschüsse nicht entsprechend anwendbar. Der Rücktritt der Ausschussmitglieder ist entgegen der Auffassung der Antragsteller auch weder rechtsmissbräuchlich noch nur zum Schein erfolgt. Die zu Ausschussmitgliedern gewählten Betriebsratsmitglieder sind zur Übernahme des Amtes nicht verpflichtet. Sie können das Amt daher jederzeit niederlegen oder vom Betriebsrat aus dem Amt abberufen werden (allgemeine Meinung im Schrifttum, zB Fitting BetrVG 22. Aufl. § 28 Rn. 31; Richardi/Thüsing BetrVG 9. Aufl. § 28 Rn. 23, § 27 Rn. 30; DKK/Wedde BetrVG 9. Aufl. § 27 Rn. 18). Dazu sind keine besonderen Gründe erforderlich. Entgegen der Auffassung der Antragsteller war der Rücktritt nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die Ausschussmitglieder damit eine Neuwahl des gesamten Personalausschusses ermöglichen wollten. Dieses Verhalten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere hatte dies keine Nachteile für die Antragsteller zur Folge. Ihre Auffassung, dass ohne den Rücktritt zumindest der Antragsteller zu 1) in den Personalausschuss nachgerückt wäre, ist aus den bereits dargelegten Gründen unzutreffend. Der Rücktritt ist auch nicht nur zum Schein erfolgt. Die Zurückgetretenen blieben nicht trotz ihrer Rücktrittserklärung über den 26. März 2003 hinaus im Amt, sondern schieden zunächst aus ihrer Funktion als Personalausschussmitglieder aus und wurden in der Betriebsratssitzung am 31. März 2003 erneut zu Mitgliedern des Personalausschusses gewählt.
bb) Selbst wenn der Rücktritt der Ausschussmitglieder unwirksam gewesen wäre, hätte eine Neuwahl aller Mitglieder des Personalausschusses erfolgen müssen, weil der Betriebsrat die Erweiterung des Personalausschusses von fünf Mitgliedern auf sechs Mitglieder beschlossen hatte.
cc) Sonstige Verstöße gegen wesentliche Wahlgrundsätze sind nicht ersichtlich und von den Antragstellern nicht vorgetragen. Die Neuwahl wurde zwar nicht nach den Grundsätzen der Verhältniswahl, sondern nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchgeführt. Das entsprach jedoch der gesetzlichen Regelung in § 28 Abs. 1 Satz 2, § 27 Abs. 1 Satz 4 BetrVG, da nur ein Wahlvorschlag zur Wahl stand.
Unterschriften
Dörner, Gräfl, Krasshöfer, Coulin, Zumpe
Fundstellen
Haufe-Index 1384444 |
BAGE 2006, 136 |
BB 2005, 1800 |
EBE/BAG 2005, 122 |
FA 2005, 319 |
NZA 2005, 1072 |
SAE 2005, 345 |
AP 2007 |
EzA-SD 2005, 11 |
EzA |
AUR 2005, 385 |
ArbRB 2005, 270 |
RdW 2005, 665 |
BAGReport 2005, 374 |
SPA 2005, 6 |