Entscheidungsstichwort (Thema)
Schiedsspruch der DGB-Schiedsstelle über Zuständigkeitsstreit
Leitsatz (redaktionell)
1. Streiten zwei DGB-Gewerkschaften um die ausschließliche Zuständigkeit für denselben Betrieb und verlangen sie eine Entscheidung der Schiedsstelle des DGB nach § 16 der DGB-Satzung, so hat der Schiedsspruch verbindliche Wirkung nicht nur für die streitenden Gewerkschaften, sondern auch für die Arbeitgeberseite.
2. Die Schiedsstelle ist allerdings nicht berechtigt, die Satzung der obsiegenden Gewerkschaft im Sinne einer Zuständigkeitserweiterung zu ergänzen. Ihr ist aber bei der Satzungsauslegung und bei der Begrenzung der Organisationsbereiche ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen.
3. Die Zuständigkeit einer Gewerkschaft zum Abschluß eines Firmentarifvertrages setzt nicht generell voraus, daß ihr Organisationsbereich den Schwerpunkt des in Anspruch genommenen Unternehmens erfaßt. Hat sie ihren Organisationsbereich betriebsbezogen gestaltet, kann sie auch mit überwiegend branchenfremden Unternehmen Firmentarifverträge für solche Betriebe abschließen, die in ihren Organisationsbereich fallen.
Normenkette
TVG § 2; GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
Gründe
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Industriegewerkschaft Metall (Antragstellerin) oder die Industriegewerkschaft Chemie-Papier-Keramik (Beteiligte zu 3) für drei in Bayern gelegene Betriebsstätten der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) tarifzuständig ist.
Die Arbeitgeberin, eine Tochter des B -Konzerns, ist nach ihrem Schwerpunkt ein Unternehmen der chemischen Industrie. Nach dem Handelsregistereintrag ist Gegenstand der Geschäftstätigkeit die Erzeugung und der Vertrieb von Produkten sowie die Leistung von Diensten auf dem Gebiet der Aufzeichnung, Speicherung, Auswertung und Wiedergabe bzw. Vervielfältigung von optischen, akustischen und elektronischen Informationen. Die Arbeitgeberin bietet die Produkte auf dem Markt als Systeme, aber auch einzeln an. Das Unternehmen ist in Geschäftsfelder gegliedert, je nach der Herstellung chemischer oder sonstiger Produkte einschließlich der Maschinen, mit denen diese Produkte verarbeitet werden können. 1990 beschäftigte die Arbeitgeberin ca. 7500 Arbeitnehmer.
Die Arbeitgeberin unterhält bundesweit 18 Betriebsstätten. In Bayern sind dies die Betriebsstätten in M , P , Pe , A und R . Ein Schwerpunkt der Tätigkeit der Betriebsstätte M ist die Forschung, Entwicklung und Anlauffertigung in bezug auf Geräte der Fachtechnik und Laborgeräte. Unter Laborgeräten versteht die Arbeitgeberin Fotofilmentwicklungsmaschinen und Großkopiergeräte. Zu den Geräten der Fachtechnik werden die Mikrografiegeräte und Röntgenfilmentwicklungsmaschinen gezählt. Weiterhin werden in M Filmpatronen gefertigt. Schließlich sind hier zentrale Dienste der Personalverwaltung, des Sozialwesens und der Logistik (Lagerhaltung der Produkte sowie der Bau- und Ersatzteile) angesiedelt. 1988 waren in M insgesamt 1278 Arbeitnehmer beschäftigt, darunter 415 im Bereich Fachtechnik, 262 im Bereich Laborgeräte sowie 225 im Bereich Patronenfertigung.
In der Betriebsstätte P werden Geräte der Fachtechnik produziert. 1988 waren dort 415 Arbeitnehmer beschäftigt, darunter 30 bis 35 % Facharbeiter wie Fein- bzw. Industriemechaniker, Werkzeugmacher, Elektromechaniker, Lagerfacharbeiter.
Pe ist Produktionsstätte für Laborgeräte. 1988 waren hier 321 Arbeitnehmer beschäftigt, darunter als Facharbeiter Industriemechaniker, Feinmechaniker, Industrieelektroniker und Werkzeugmacher. Beiden Betriebsstätten steht ein Werkleiter vor. Die Mehrzahl der Arbeitnehmer sowohl in P als auch in Pe ist in der IG Metall organisiert.
In der Betriebsstätte A werden Linsen für fototechnische Geräte hergestellt. Betriebszweck der Betriebsstätte R ist gleichfalls die Fototechnik, und zwar die Bereiche Formenbau, Kunststoffteilefertigung und Röntgenzubehör sowie Montageentwicklungsgeräte.
Bis zum 31. Dezember 1989 war die Arbeitgeberin im Hinblick auf ihre bayerischen Betriebsstätten Mitglied des Vereins der Bayerischen Metallindustrie. Sie wandte die zwischen diesem und der IG Metall abgeschlossenen Tarifverträge an. Zum 1. Januar 1990 wurde sie Mitglied des Vereins der Bayerischen Chemischen Industrie (Beteiligter zu 5). Bereits am 29. August 1989/7. November 1989 hatte sie mit dem Gesamtbetriebsrat eine "Überleitungsvereinbarung" getroffen, wonach in den bayerischen Betriebsstätten ab 1. Januar 1990 die Tarifverträge der chemischen Industrie gelten sollten.
Die Arbeitgeberin ist seit jeher in den anderen Regionen Mitglied der Arbeitgeberverbände der chemischen Industrie. Am 1. März 1991 schlossen der Bundesarbeitgeberverband Chemie (Beteiligter zu 4) und die IG Chemie einen Tarifvertrag ab, wonach rückwirkend ab 1. Januar 1990 die Tarifverträge der chemischen Industrie vollinhaltlich für alle Betriebsstätten der Arbeitgeberin gelten. Die Arbeitgeberin wendet seither unternehmenseinheitlich nur noch die Tarifverträge der chemischen Industrie an.
Die IG Metall hat demgegenüber die Auffassung vertreten, sie sei nach wie vor allein tarifzuständig für die bayerischen Betriebsstätten. Sie hat die Arbeitgeberin zu Verhandlungen über einen Firmentarifvertrag aufgefordert. Die Satzung der IG Metall enthielt in der bis zum 1. Januar 1996 geltenden Fassung u.a. folgende Regelungen:
§ 2 Abs. 3
Aufgaben und Ziele der IG Metall sind insbesonde-
re:
1. Zusammenschluß aller in der Metallindustrie,
im Metallhandwerk und in sonstigen Metallbe-
trieben Beschäftigten zum gemeinsamen Handeln;
...
§ 3 Nr. 1
Mitglied der IG Metall können die in den Wirt-
schaftszweigen der Metallindustrie, der Metallge-
winnung, der eisen- und stahlerzeugenden Indu-
strie, dem Metallhandwerk und sonstigen Metallbe-
trieben Beschäftigten werden.
Zu diesen Wirtschaftszweigen gehören im wesentli-
chen:
...
Maschinen-, Apparate- und Werkzeugbau;
...
Eisen-, Blech- und Metallwaren ...
...
und die zu den erwähnten Wirtschaftszweigen gehö-
renden Reparatur-, Zubehör- und Montagebetriebe
sowie anverwandte Handwerks- und Industriezweige
einschließlich der dem Geschäftszweck des Haupt-
unternehmens dienenden Hilfs- und Nebenbetriebe
und Zweigniederlassungen, auch soweit Teile der
ursprünglich verarbeiteten Materialien durch
Nicht-Metalle ersetzt werden.
Die Arbeitgeberin lehnte es ab, mit der IG Metall über einen Firmentarifvertrag zu verhandeln und berief sich auf die alleinige Tarifzuständigkeit der IG Chemie. Diese hat auf ihrem 13. Gewerkschaftstag im Jahre 1988 ihre Satzung u.a. dahingehend abgeändert, daß sie nicht mehr nur für Beschäftigte in "Betrieben der chemischen Industrie", sondern darüber hinaus für die "Beschäftigten ... in Unternehmen und Konzernen" der chemischen Industrie zuständig ist.
IG Metall und IG Chemie sind Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). § 59 der Satzung der IG Chemie sagt dazu:
Die IG Chemie-Papier-Keramik ist Mitglied des
Deutschen Gewerkschaftsbundes und hat dessen Sat-
zung einzuhalten und die Beschlüsse durchzufüh-
ren.
Die Satzung des DGB trifft in § 15 folgende Regelung:
Abgrenzung der Organisationsbereiche
1. Für die Abgrenzung der Organisationsbereiche
der Gewerkschaften werden vom Bundesausschuß
auf Vorschlag des Bundesvorstandes "Richtlini-
en für die Abgrenzung von Organisationsberei-
chen und eine Veränderung der Organisationsbe-
zeichnung" geschaffen, die ein Bestandteil
dieser Satzung sind. Der Bundesausschuß be-
schließt die Richtlinien und ihre Änderungen
mit Zweidrittelmehrheit seiner Mitglieder.
2. Die in den Satzungen der Gewerkschaften ange-
gebenen Organisationsbereiche und Organisati-
onsbezeichnungen können nur in Übereinstimmung
mit den betroffenen Gewerkschaften und nach
Zustimmung des Bundesausschusses geändert wer-
den.
Richtlinien gem. § 15 Abs. 1 der Satzung sind erst am 11. März 1992 beschlossen worden. Die IG Chemie hat zu der im Jahre 1988 beschlossenen Satzungsänderung nicht die Zustimmung anderer Mitgliedsgewerkschaften des DGB eingeholt, ebenso hat der Bundesausschuß des DGB der Änderung nicht zugestimmt. Die IG Metall hatte jedoch Einwendungen gegen die beabsichtigte Satzungsänderung erhoben.
Da eine Einigung der betroffenen Gewerkschaften über die Tarifzuständigkeit für die bayerischen Standorte der Arbeitgeberin nicht erzielt werden konnte, leitete die IG Metall gem. § 16 der Satzung des DGB ein Schiedsverfahren ein mit dem Antrag, ihre alleinige Tarifzuständigkeit festzustellen. Die IG Chemie beantragte ihrerseits (hilfsweise), ihre Tarifzuständigkeit für die umstrittenen Betriebsstätten festzustellen. § 16 hat folgenden Wortlaut:
Schiedsverfahren
1. Streitigkeiten zwischen den im Bund vereinig-
ten Gewerkschaften, die trotz Vermittlung des
Bundesvorstandes nicht geschlichtet werden
können, sind durch Schiedsverfahren zu ent-
scheiden.
2. Der Bundesausschuß beschließt Richtlinien über
Art und Durchführung des Verfahrens.
In den hierzu am 3. Dezember 1975 verabschiedeten Richtlinien heißt es u.a.:
...
3. Der Schiedsspruch hat unter den Parteien die
Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Er kann
innerhalb von vier Wochen nach Zustellung auf
Antrag vom Bundesvorstand des DGB aufgehoben
oder zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen
werden, wenn
a) ein Schiedsverfahren unzulässig war,
b) das Schiedsverfahren nicht ordnungsgemäß
durchgeführt worden ist, insbesondere einer
Partei das rechtliche Gehör nicht gewährt
war,
c) der Schiedsspruch gegen die Satzung des DGB
verstößt.
...
5. Die unterliegende Partei verpflichtet sich,
alle bis zum Schiedsspruch ergriffenen Maßnah-
men in der Sache einzustellen und ihre Mit-
glieder in dem umstrittenen Betrieb/-
Betriebsteil an die andere Partei zu über-
schreiben.
Die DGB-Schiedsstelle faßte unter dem Vorsitz des damaligen DGB-Vorsitzenden Breit am 2. Juli 1990 mit Stimmenmehrheit folgenden Beschluß:
a) Die Betriebe der A AG in M ,
P und Pe gehören zum Zuständig-
keitsbereich der IG Metall.
b) Die Betriebe der A AG in R
und A gehören zum Zuständigkeitsbe-
reich der IG Chemie-Papier-Keramik.
Der Vorsitzende begründete den Beschluß mit Schreiben vom 20. August 1990. Die IG Chemie beantragte vergeblich beim DGB-Bundesvorstand die Aufhebung des Spruchs. Mit Schreiben vom 26. März 1991 forderte der Bundesvorstand entsprechend einem Beschluß des Bundesausschusses die IG Chemie auf, den Schiedsspruch vom 2. Juli 1990 umzusetzen und alles zu unterlassen, was dem Inhalt des Schiedsspruchs zuwiderlaufe. Unter dem 27. März 1991 trat die IG Metall nochmals an die Arbeitgeberin heran, um Verhandlungen über einen Werkstarifvertrag für die Betriebe M , P und Pe aufzunehmen. Die Arbeitgeberin lehnte dies unter dem 15. April 1991 erneut ab. Daraufhin organisierte die IG Metall Warnstreiks mit dem Ziel, entsprechende Tarifverhandlungen zu erzwingen.
Die IG Metall hat die Feststellung begehrt, daß nur sie und nicht die IG Chemie für die Betriebe M , P und Pe tarifzuständig ist. Sie hat die Auffassung vertreten, die IG Chemie habe ihre Satzung nicht wirksam geändert, da die Zustimmung fehle, die nach § 15 Abs. 2 der Satzung des DGB erforderlich sei. Deshalb könne sich die IG Chemie nicht auf eine Zuständigkeit für Unternehmen der chemischen Industrie berufen. Die drei betroffenen Betriebe seien keine Betriebe der chemischen, sondern solche der Metallindustrie. Daran habe in der Vergangenheit auch kein Zweifel bestanden. Die Unzuständigkeit der IG Chemie ergebe sich ferner aus dem Spruch der DGB-Schiedsstelle. Diesem komme gegenüber allen Beteiligten verbindliche Außenwirkung zu.
Ihre eigene Tarifzuständigkeit für die drei benannten Betriebe ergebe sich aus ihrer Satzung. Danach organisiere sie Betriebe der Metallindustrie. Bei den umstrittenen Betriebsstätten handele es sich um Betriebe in diesem Sinne. Ihre Zuständigkeit folge außerdem aus dem Spruch der DGB-Schiedsstelle. Sie gelte auch für den Abschluß eines Firmentarifvertrages. Ihre Kompetenz setze nicht voraus, daß sie nach ihrem Organisationsbereich für das ganze Unternehmen oder zumindest dessen Schwerpunkt zuständig sei.
Die IG Metall hat beantragt,
1. festzustellen, daß die IG Metall für die Be-
triebe M , P und Pe der Ar-
beitgeberin tarifzuständig ist,
2. festzustellen, daß die IG Chemie-Papier-Kera-
mik für die Betriebe M , P und
Pe nicht tarifzuständig ist.
Die Arbeitgeberin, die IG Chemie-Papier-Keramik, der Bundesarbeitgeberverband Chemie und der Verein der Bayerischen Chemischen Industrie haben beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Sie haben die Auffassung vertreten, die IG Chemie sei nach ihrer Satzung für das Unternehmen der Arbeitgeberin zuständig, weil dieses der chemischen Industrie zugehöre. Die Satzung sei wirksam geändert worden. Dem Erfordernis der Zustimmung gem. § 15 Abs. 2 der DGB-Satzung komme nur innerverbandliche Bedeutung zu. Auch der Spruch der Schiedsstelle habe keine Außenwirkung. Er sei im übrigen schon allein deshalb unverbindlich, weil jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt noch keine Richtlinien zur Organisationsabgrenzung gem. § 15 Abs. 1 der Satzung vorgelegen hätten. Das Schiedsverfahren weise außerdem Verfahrensmängel auf.
Hingegen sei die IG Metall für den von ihr angestrebten Firmentarifvertrag nicht zuständig. Für die Beurteilung der Tarifzuständigkeit zum Abschluß eines Firmentarifvertrages sei auf den jeweiligen Schwerpunkt des Unternehmens abzustellen, nicht auf einzelne Betriebe. Das gelte auch dann, wenn die Gewerkschaft ihren Organisationsbereich betriebsbezogen gestaltet habe. Als ein Unternehmen mit Schwerpunkt im Bereich der chemischen Industrie müsse die Arbeitgeberin nicht mit der IG Metall über den Abschluß eines Firmentarifvertrages verhandeln.
Unabhängig davon sei die Zuständigkeit der IG Metall schon nach deren eigener Satzung nicht gegeben. Mangels anderer Anhaltspunkte sei davon auszugehen, daß die Satzung den verwendeten Begriff "Betrieb" im allgemeinen arbeitsrechtlichen Sinn verstehe. Bei den drei Betriebsstätten handele es sich aber nicht um Betriebe in diesem Sinne, sondern nur um organisatorisch unselbständige Betriebsteile eines Gesamtbetriebes, der schwerpunktmäßig der chemischen Industrie angehöre. Die Betriebsstätten hätten keine eigene betriebsorganisatorische Leitung. Alle wesentlichen personellen Entscheidungen würden zentral in L getroffen. Die betriebsverfassungsrechtlich fingierte Selbständigkeit der einzelnen Standorte gem. § 4 BetrVG sei für die Auslegung der Satzung nicht maßgeblich. Die Zuständigkeit der IG Metall lasse sich auch nicht aus dem Schiedsspruch der DGB-Schiedsstelle ableiten, weil diesem keine Außenwirkung zukomme.
In der Beschwerdeinstanz hat die Arbeitgeberin für den Fall, daß der Antrag der IG Metall auf Feststellung ihrer Tarifzuständigkeit als unzulässig angesehen werden sollte, hilfsweise beantragt
festzustellen, daß sie für den Abschluß eines
Firmentarifvertrages mit der IG Metall nicht ta-
rifzuständig ist.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge der IG Metall als unbegründet abgewiesen (in zwei getrennten Entscheidungen für den Standort M einerseits und die Standorte P und Pe andererseits). Das Landesarbeitsgericht hat (nach Verbindung der Verfahren) der Beschwerde der IG Metall teilweise stattgegeben und die Tarifzuständigkeit sowohl der IG Metall als auch der IG Chemie für die drei Standorte bejaht. Es hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß nach den Satzungen der beiden Gewerkschaften eine Doppelzuständigkeit anzunehmen sei. Bei den Betriebsstätten handele es sich um Betriebe im Sinne der Satzung der IG Metall. Die Zuständigkeit zum Abschluß eines Firmentarifvertrages setze auch nicht voraus, daß die tariffordernde Gewerkschaft für den Unternehmensschwerpunkt zuständig sei; ausreichend sei eine Zuständigkeit für einzelne Betriebe, auf die der Anwendungsbereich der angestrebten Firmentarifverträge beschränkt sein solle. Den Bestimmungen der DGB-Satzung über eine Änderung der Organisationsbereiche komme nur innerverbandliche Wirkung zu. Dies gelte auch für den Schiedsspruch.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die IG Metall ihren Antrag weiter, soweit er abgewiesen wurde (Feststellung der Nichtzuständigkeit der IG Chemie). Die Arbeitgeberin, der Bundesarbeitgeberverband Chemie sowie der Verein der Bayerischen Chemischen Industrie verfolgen hingegen mit den von ihnen eingelegten Rechtsbeschwerden die volle Wiederherstellung der erstinstanzlichen Beschlüsse.
B. Die Rechtsbeschwerden der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2), des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie e.V. (Beteiligter zu 4) sowie des Vereins der Bayerischen Chemischen Industrie e.V. (Beteiligter zu 5) waren zurückzuweisen, weil das Landesarbeitsgericht die Tarifzuständigkeit der IG Metall (Antragstellerin) zu Recht bejaht hat (II und III). Der Rechtsbeschwerde der IG Metall war hingegen stattzugeben: Die IG Chemie-Papier-Keramik (Beteiligte zu 3) ist für die streitbefangenen Betriebsstätten der Arbeitgeberin entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht tarifzuständig (IV).
I. Das Landesarbeitsgericht hat den Kreis der Beteiligten zutreffend bestimmt.
1. Beteiligte am Verfahren nach § 97 ArbGG über die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung sind neben dem Antragsteller (hier der IG Metall) alle diejenigen, deren materielle Rechtsstellung im Hinblick auf die Tarifzuständigkeit unmittelbar betroffen ist (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 97 Rz 21; GK-ArbGG/Leinemann, § 97 Rz 33; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 97 Rz 10). Das ist einmal die IG Chemie, da ihr die Zuständigkeit im Hinblick auf die streitbefangenen Betriebsstätten abgesprochen wird. Unmittelbar betroffen ist weiter die Arbeitgeberin als mögliche Tarifpartnerin der Antragstellerin und/oder der IG Chemie. Materiell betroffen sind schließlich die beiden beteiligten Arbeitgeberverbände, deren Mitglied die Arbeitgeberin ist. Eine Verneinung der Tarifzuständigkeit der IG Chemie wirkt sich unmittelbar auf die Frage aus, ob deren mit dieser Gewerkschaft abgeschlossene Tarifverträge - so vor allem der ausschließlich auf die Arbeitgeberin bezogene Tarifvertrag vom 1. März 1991 - die Betriebsstätten M , P und Pe erfassen.
2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend von der Beteiligung weiterer Stellen abgesehen. Nicht zu beteiligen waren das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit sowie der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung. Beide sind zwar grundsätzlich antragsbefugt gemäß § 97 Abs. 1 ArbGG. Sie haben aber (auch nach Anhörung) von ihrer Befugnis keinen Gebrauch gemacht und sind deshalb nicht als Antragsteller beteiligt.
Der Senat hat allerdings angenommen, die oberste Arbeitsbehörde des Bundes sei von Amts wegen zu beteiligen in einem Verfahren, in dem eine Arbeitnehmervereinigung selbst die Feststellung beantragt, sie sei tariffähig und damit eine Gewerkschaft im Sinne des § 2 TVG (Senatsbeschluß vom 25. November 1986 - 1 ABR 22/85 - BAGE 53, 347 = AP Nr. 36 zu § 2 TVG; zust. Germelmann/Matthes/Prütting, aaO, § 97 Rz 23; a.A. GK-ArbGG/Leinemann, § 97 Rz 34; Hauck, ArbGG, § 97 Rz 5). Vorliegend handelt es sich aber nicht um ein solches Verfahren. Es geht nicht um eine gegenüber jedermann wirkende Feststellung der Tariffähigkeit einer Vereinigung (s. dazu Senatsbeschluß vom 25. November 1986, aaO; Germelmann/Matthes/Prütting, aaO, § 97 Rz 28; kritisch zur entsprechenden Rechtskraftwirkung GK-ArbGG/Leinemann, § 97 Rz 68 f.). Gestritten wird nur über die Tarifzuständigkeit zweier Gewerkschaften für drei bestimmte Betriebsstätten der Arbeitgeberin. Das Verfahren kann bindende Rechtswirkungen daher auch nur hinsichtlich dieser drei Betriebe erzeugen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen - bezogen auf diese Betriebe - bzw. in Streitigkeiten über Ansprüche aus Tarifverträgen, die von den hier Beteiligten abgeschlossen werden (vgl. allgemein zur begrenzten Bindungswirkung bei Verfahren über Tarifzuständigkeit auch Germelmann/Matthes/Prütting, aaO, § 97 Rz 29). Jedenfalls bei dieser beschränkten Wirkung des Verfahrens ist eine Beteiligung der obersten Arbeitsbehörde von Amts wegen nicht geboten. Der Senat hat dementsprechend auch bisher in vergleichbaren Streitigkeiten über die Tarifzuständigkeit einer einzelnen Gewerkschaft die oberste Arbeitsbehörde nicht beteiligt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. Februar 1970 - 1 ABR 15/69 -, vom 19. November 1985 - 1 ABR 37/83 - und vom 22. November 1988 - 1 ABR 6/87 - BAGE 22, 295 = AP Nr. 3, BAGE 50, 179 = AP Nr. 4 und AP Nr. 5 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit).
3. Das Landesarbeitsgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, daß Spitzenorganisationen der Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite nicht zu beteiligen waren. Spitzenverbände sind hier nicht unmittelbar in einer rechtlichen Position nach § 2 TVG betroffen. Der Senat hat zwar auch insoweit eine Beteiligung verlangt, wenn über die Tariffähigkeit einer Vereinigung gestritten wird (Senatsbeschluß vom 25. November 1986, aaO), also in einem Verfahren, das Rechtswirkungen gegenüber jedermann erzeugt. Mit dem vorliegend auf die drei Betriebsstätten beschränkten Streit über die Tarifzuständigkeit der beiden Einzelgewerkschaften ist eine solche allgemeine Rechtswirkung jedoch nicht verbunden.
II. Der Antrag der IG Metall auf Feststellung ihrer Tarifzuständigkeit ist zulässig.
Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag dahin verstanden, daß er sich nicht nur auf die Tarifzuständigkeit für Firmentarifverträge, sondern generell auf die Tarifzuständigkeit und damit auch auf die Zuständigkeit für den Abschluß von Verbandstarifverträgen beziehe. Das ist überzeugend. Der Antrag enthält keine Beschränkung. Die Antragstellerin berühmt sich ihrer Tarifzuständigkeit für die Betriebsstätten der Arbeitgeberin ganz generell. Sie hat auch keine Einwendungen gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erhoben, das ihr ausdrücklich die uneingeschränkte Tarifzuständigkeit zugesprochen hat.
Die Antragstellerin hat an der begehrten Feststellung das erforderliche rechtliche Interesse. Ihre Tarifzuständigkeit wird von der Arbeitgeberin sowie den beteiligten Arbeitgeberverbänden und der IG Chemie bestritten. Sie möchte aber mit der Arbeitgeberin einen Tarifvertrag abschließen und hatte bereits Arbeitskampfmaßnahmen gegen diese eingeleitet.
Das rechtliche Interesse ist auch hinsichtlich der Tarifzuständigkeit für den Abschluß von Verbandstarifverträgen zu bejahen. Zwar ist die Arbeitgeberin derzeit nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes, der der Tarifzuständigkeit der Antragstellerin korrespondiert. Die Tarifzuständigkeit der IG Metall wird aber nicht nur für den Abschluß von Firmentarifverträgen bestritten, sondern generell auch deshalb, weil es sich bei den Betriebsstätten nicht um "Metallbetriebe" im Sinne ihrer Satzung handele. Außerdem hat der Spruch der Schiedsstelle des DGB ihr die Tarifzuständigkeit allgemein zugewiesen und nicht nur für den Abschluß von Firmentarifverträgen. Auch dagegen richten sich Einwendungen der Gegenseite. Dieser Streit reicht aus, um das Interesse der Antragstellerin an einer generellen Klärung ihrer Tarifzuständigkeit in bezug auf die umstrittenen drei Betriebsstätten zu begründen.
III. Der Antrag ist auch begründet. Die IG Metall ist tarifzuständig für die Betriebsstätten der Arbeitgeberin in M , P und Pe (1 bis 3). Für den Abschluß von entsprechenden Firmentarifverträgen gilt nichts anderes (4).
1. Die Tarifzuständigkeit bestimmt den Geschäftsbereich, innerhalb dessen ein Verband Tarifverträge abschließen kann. Sie richtet sich grundsätzlich nach dem in der Satzung des Verbandes festgelegten Organisationsbereich. Da kein Koalitionstypenzwang gilt, steht dessen Ausgestaltung dem Verband frei. Jede Gewerkschaft kann also für sich entscheiden, für welche Arbeitnehmer und in welchen Wirtschaftsbereichen sie tätig werden will. Sie kann ihren Organisationsbereich betriebsbezogen, unternehmensbezogen oder nach sonstigen Kriterien abgrenzen. Die Satzungsautonomie schließt das Recht ein, den Zuständigkeitsbereich zu ändern, wenn das dem Verband zweckmäßig erscheint (ständige Senatsrechtsprechung vgl. zuletzt nur Senatsbeschluß vom 12. Dezember 1995 - 1 ABR 27/95 - AP Nr. 8 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit; Senatsbeschluß vom 24. Juli 1990 - 1 ABR 46/89 - AP Nr. 7 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit - beide m.w.N.).
2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Zuständigkeit der Antragstellerin folge aus ihrer Satzung, weil es sich bei den streitbefangenen Betriebsstätten um Metallbetriebe im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 und § 3 Nr. 1 der Satzung handele. Die Antragstellerin habe ihren Organisationsbereich betriebsbezogen geregelt. Der in der Satzung verwandte Betriebsbegriff sei nicht im Sinne einer betriebsverfassungsrechtlichen oder kündigungsschutzrechtlichen Definition zu verstehen, sondern zweckentsprechend auszulegen; erfaßt werde - im Blick auf das Industrieverbandsprinzip - jede relativ selbständige Teilorganisation eines Unternehmens, die nach ihrem Gesamtbild und den Anschauungen der beteiligten Berufskreise als Betrieb anzusehen sei. Maßgebend sei danach insbesondere die Einheitlichkeit des arbeitstechnischen Zwecks, die Einheitlichkeit der technischen Leitung, die organisatorische und räumliche Einheitlichkeit sowie die Größe der Belegschaft. Dem genügten die drei Betriebsstätten auch dann, wenn man die Behauptung der Arbeitgeberin als zutreffend unterstelle, daß sie über keinen eigenen Leitungsapparat in bezug auf soziale und personelle Fragen entsprechend §§ 87, 92 ff. BetrVG verfügen, sondern insoweit vom Werk L aus zentral gesteuert würden.
Ob dem in allen Einzelheiten zu folgen ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Die Tarifzuständigkeit der Antragstellerin ergibt sich für die streitbefangenen Betriebsstätten jedenfalls aus der durch den Schiedsspruch der DGB-Schiedsstelle in zulässiger Weise interpretierten Satzung.
3. Die IG Metall und die IG Chemie sind Mitglieder im Deutschen Gewerkschaftsbund. Beide betonen in ihren Satzungen ausdrücklich, daß sie die Satzung des DGB einzuhalten und dessen Beschlüsse durchzuführen haben (§ 59 der Satzung der IG Chemie, § 32 der Satzung der IG Metall). Gem. § 16 der Satzung des DGB sind Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen den im DGB vereinigten Gewerkschaften durch Schiedsspruch zu entscheiden, wenn sie nicht durch Vermittlung des Bundesvorstandes geschlichtet werden können. Das ist im vorliegenden Zuständigkeitskonflikt geschehen.
a) Der Senat hat sich bereits mehrfach mit der Wirkung eines derartigen Schiedsspruchs auseinandergesetzt. Er hat mit Beschluß vom 17. Februar 1970 (- 1 ABR 15/69 - BAGE 22, 295 = AP Nr. 3 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit) angenommen, die Satzung einer DGB-Gewerkschaft werde durch einen Schiedsspruch, der im Verfahren nach den Vorschriften des DGB ergehe, authentisch interpretiert oder doch ergänzt. Ein solcher Schiedsspruch kläre die Frage der Tarifzuständigkeit bei DGB-Gewerkschaften auch für den tariflichen Gegenspieler (vgl. zuletzt Entscheidung vom 22. November 1988 - 1 ABR 6/87 - AP Nr. 5 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit, zu B II 2 der Gründe). Auch in der Entscheidung vom 19. November 1985 (1 ABR 37/83 - BAGE 50, 179 = AP Nr. 4 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit) ist er hiervon nicht abgewichen. Er hat lediglich klargestellt, daß sich die Tarifzuständigkeit aus der Satzung ergeben müsse, die durch den Schiedsspruch näher bestimmt und gegenüber der Zuständigkeitsregelung einer anderen DGB-Gewerkschaft begrenzt wird.
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest (zust. etwa Blank, Die Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften, 1996, S. 64 f. und S. 136 f.; Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 88 a; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, 2. Aufl., § 2 Rz 102; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 2 Rz 38; Wiedemann, RdA 1975, 78, 82; Zachert, AuR 1982, 181, 182). Die gegen sie erhobenen vereinsrechtlichen Bedenken sind nicht durchschlagend (vgl. insbesondere Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rz 97 ff.; MünchArbR/Löwisch, § 248 Rz 69 ff.; Martens, SAE 1987, 7, 8 f.; s. auch Weyand, SAE 1991, 323, 325). Der Grundsatz der Vereinsautonomie schließt eine satzungsförmige Selbstbeschränkung der Satzungskompetenz nicht von vornherein aus. Er garantiert Vereinen im Kern das Recht, sich die ihrem Zweck entsprechende Organisation selbst zu geben und den verfolgten Zweck frei zu bestimmen, soweit dem nicht zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen (vgl. nur BVerfG Beschluß vom 5. Februar 1991 - 2 BvR 263/86 - BVerfGE 83, 341, 359 = NJW 1991, 2623, 2625; Soergel/Hadding, BGB, 12. Aufl., Vor § 21 Rz 79; Staudinger/Weick, BGB, 13. Aufl., Vorbem. zu §§ 21 ff. Rz 38 f.). Dieses Selbstverwaltungsrecht kann auch in der Weise ausgeübt werden, daß es satzungsmäßig zugunsten Dritter beschränkt wird. So gilt es als zulässig, daß ein Verein Änderungen seiner Satzung von der Genehmigung außenstehender Stellen abhängig macht, wenn dafür ein legitimes Interesse besteht. Mit der Vereinsautonomie ist ferner vereinbar, gestufte Verbände zu schaffen, innerhalb derer die Unterverbände Einflüssen der Oberverbände unterliegen, ihren Vereinscharakter aber dadurch nicht verlieren, soweit sie eigenständige Aufgaben wahrnehmen. Die Grenze zur unzulässigen Fremdbestimmung ist erst dann überschritten, wenn der Unterverein nur als bloße Verwaltungsstelle oder als Sondervermögen anzusehen ist (BVerfG Beschluß vom 5. Februar 1991, aaO, zu C III 2 der Gründe; BGHZ 90, 331 = NJW 1984, 2223; MünchKomm/Reuter, 3. Aufl., § 33 Rz 7; Soergel/Hadding, aaO, § 33 Rz 7; Staudinger/Weick, aaO, § 33 Rz 8).
Die Selbstbeschränkung der DGB-Gewerkschaften durch Anerkennung eines satzungsinterpretierenden bzw. ergänzenden Schiedsverfahrens ist unbedenklich. Sie dient einem legitimen Interesse der beteiligten Einzelgewerkschaften. Dieses besteht in dem Ziel, durch den Zusammenschluß in einem Dachverband eine möglichst effektive Gewerkschaftsarbeit betreiben zu können. Der Zusammenschluß ist getragen von dem Organisationsgrundsatz des Industrieverbandsprinzips und dem Grundsatz: "Ein Betrieb, eine Gewerkschaft". Es geht darum zu verhindern, daß es zu Überschneidungen der Zuständigkeiten und damit zu einer Schwächung der Gewerkschaftsarbeit kommen kann (vgl. auch Däubler, aaO, Rz 88 a). Dieses Ziel ist auch tarifpolitisch legitim.
b) Formelle Bedenken gegen den Spruch der DGB-Schiedsstelle bestehen nicht.
(1) Die Schiedsstelle ist kein Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO. Schiedsgerichtsbarkeit ist materiell Rechtsprechung. Es gehört daher zu ihrem Wesen, daß sie von unbeteiligten Dritten ausgeübt wird, die dem Gebot der Distanz und Neutralität genügen müssen (vgl. nur Reichert/Dannecker, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 5. Aufl., Rz 2552). Diese Voraussetzungen sind nach den Richtlinien über die Durchführung des Schiedsverfahrens nicht gegeben (vgl. dazu im einzelnen Blank, aaO, S. 128 ff.). Es fehlt auch der Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges. Dieser kann nicht allein aus dem Hinweis entnommen werden, der Spruch der Schiedsstelle habe die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils.
Die Schiedsstelle ist als zusätzliches Vereinsorgan zu betrachten, dessen Einrichtung dem Verein grundsätzlich freisteht. Sie ist mit einem Vereinsgericht zu vergleichen (so Blank, aaO, S. 129 ff.; vgl. allgemein zum Vereinsgericht Reichert/Dannecker, aaO, Rz 1638 ff.). Es geht um die Befugnis zur Durchsetzung der vom Verband selbst gesetzten Grundsätze, hier der Abgrenzung von Organisationsbereichen unter Berücksichtigung des Industrieverbandsprinzips. Die Zuständigkeit der Schiedsstelle findet ihre Grundlage in der Satzung und den darin vorgesehenen und gesetzten Richtlinien.
(2) Der Wirksamkeit des Schiedsspruchs steht nicht entgegen, daß bei seiner Verkündung am 2. Juli 1990 noch keine Richtlinien über die Abgrenzung der Organisationsbereiche gem. § 15 Abs. 1 der Satzung des DGB erlassen waren (sie sind erst zum 11. März 1992 verabschiedet worden). § 16 der Satzung ist nicht unmittelbar mit § 15 Abs. 1 verknüpft. Daher spricht nichts für die Annahme, daß die Durchführung eines Schiedsverfahrens bei Streitigkeiten über Organisationsbereiche erst nach Verabschiedung der Richtlinien zulässig sein sollte. Dies verdeutlicht auch die langjährige praktische Handhabung.
Entgegen der Auffassung der IG Chemie fehlte es nicht an einer Entscheidungsgrundlage für die Schiedsstelle. Für ein Tätigwerden lagen auch ohne ergänzende Richtlinien hinreichende Anhaltspunkte vor. Maßgebend waren der allgemeine Organisationsgrundsatz des Industrieverbandsprinzips, der Grundsatz: "Ein Betrieb, eine Gewerkschaft" und die autonomen Satzungsentscheidungen der einzelnen Gewerkschaften. Sie bildeten den Rahmen, innerhalb dessen die Schiedsstelle sich bei ihrer Entscheidung halten mußte. Die Gefahr einer Willkürentscheidung war damit ausgeschlossen.
(3) Die IG Chemie rügt ferner ohne Erfolg einen konkreten Verfahrensfehler. Sie beanstandet, daß ihr vor der Schiedsstelle die Zuziehung eines externen Sachverständigen nicht gestattet worden sei. Allerdings sieht Ziff. 4 der Richtlinien in der zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Fassung vor, daß jede der streitenden Parteien bis zu drei Sachverständige hinzuziehen kann. Selbst wenn man zugunsten der IG Chemie davon ausgeht, daß auch externe Sachverständige gemeint sind, ein Verfahrensfehler also anzunehmen wäre, könnte dieser die Wirksamkeit des Schiedsspruchs nicht beeinträchtigen.
Die Verfahrensrichtlinien sehen vor, daß gegen die Entscheidung der Schiedsstelle der Bundesvorstand des DGB angerufen werden kann; dieser kann in den benannten Fällen den Spruch aufheben oder zur erneuten Entscheidung zurückverweisen, falls das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden war. Von dieser Möglichkeit hat die IG Chemie Gebrauch gemacht. Der Bundesvorstand hat aber dem Antrag, die Entscheidung aufzuheben, nicht stattgegeben. Er hat also entweder einen Verfahrensfehler nicht festgestellt oder aber diesen als unerheblich angesehen. Gegen die Annahme eines entsprechenden Beurteilungsspielraums im Rahmen der selbst gesetzten Verfahrensbestimmungen bestehen keine Bedenken. Rechtliches Gehör ist der IG Chemie gewährt worden. Die Hinzuziehung von Sachverständigen in der hier streitigen Form ist jedenfalls kein zwingender Bestandteil rechtlichen Gehörs.
c) Die Entscheidung der Schiedsstelle führt auch nicht zu einer Zuständigkeit der IG Metall, die durch die Satzung der Antragstellerin nicht mehr gedeckt wäre. Die Schiedsstelle kann allerdings eine Satzung nicht im Sinne einer echten Zuständigkeitserweiterung ergänzen (BAG Beschluß vom 19. November 1985 - 1 ABR 37/83 - BAGE 50, 179 = AP Nr. 4 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit; Blank, aaO, S. 136; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, aaO, § 2 Rz 102). Ausreichend ist jedoch, daß die getroffene Entscheidung noch im Bereich einer möglichen Satzungsauslegung bleibt. Dabei ist der Schiedsstelle ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen. Soweit das Ergebnis vertretbar ist, handelt es sich um eine interpretatorische Klarstellung, die ihre Satzungsgrundlage wahrt. Dies entspricht der streitschlichtenden Funktion des Schiedsverfahrens, nämlich eine abschließende Klärung der Organisationsbereiche in autonomer gewerkschaftlicher Entscheidung zu erreichen. Das hat die Schiedsstelle im vorliegenden Verfahren beachtet.
(1) Der Organisationsbereich der Antragstellerin ist betriebsbezogen gestaltet. Gem. § 2 Abs. 3 Nr. 1 der Satzung der Antragstellerin (in der ab 1. Januar 1990 und damit zum Zeitpunkt der Entscheidung der Schiedsstelle geltenden Fassung) gehört zu ihren Aufgaben und Zielen der Zusammenschluß aller in der Metallindustrie, im Metallhandwerk und in sonstigen Metallbetrieben Beschäftigten. Mitglied der Antragstellerin können gem. § 3 Nr. 1 Satz 1 ihrer Satzung die in den genannten Wirtschaftszweigen und in sonstigen Metallbetrieben Beschäftigten werden. Für die betriebsbezogene Gestaltung spricht danach schon der Wortlaut. Die Satzung stellt auf sonstige Metallbetriebe ab, nicht auf Metallunternehmen. Dies entspricht auch dem erkennbaren Zweck, möglichst alle Arbeitnehmer des Metallbereichs zu erfassen. Zu berücksichtigen ist weiter, daß der ungeschriebene Organisationsgrundsatz des Industrieverbandsprinzips vorrangig betriebsbezogen zu verstehen ist, wie auch das Schlagwort verdeutlicht: "Ein Betrieb, eine Gewerkschaft". Aus der betriebsbezogenen Organisation folgt, daß die Satzung auch Metallbetriebe in branchenfremden Unternehmen einbezieht.
(2) Die drei Betriebsstätten lassen sich als Metallbetriebe einordnen, und zwar selbst dann, wenn man mit dem Landesarbeitsgericht offenläßt, ob sie über einen eigenen Leitungsapparat hinsichtlich der betriebsverfassungsrechtlich relevanten Entscheidungen verfügten, was von der Arbeitgeberin bestritten wird. Der in der Satzung verwandte Begriff des Betriebes bzw. Metallbetriebes zwingt nicht zur Anwendung einer dem Betriebsverfassungsrecht entnommenen Definition.
Der Begriff des Betriebes ist in der Satzung der IG Metall nicht näher definiert. Grundsätzlich ist es einer Gewerkschaft freigestellt, wie sie Begriffe verstehen will, mit denen sie ihren Organisationsbereich bestimmt. Fehlt es an einer eigenen Definition, ist im Zweifel der allgemeine Sprachgebrauch zugrunde zu legen. Im Arbeitsrecht wird unter einem Betrieb die organisatorische Einheit verstanden, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen (vgl. nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Aufl., § 1 Rz 55; Kraft, GK-BetrVG, 5. Aufl., § 4 Rz 5; MünchArbR/Richardi, § 30 Rz 5 - alle mit umfangreichen Nachweisen).
(3) Die Entscheidung der Schiedsstelle steht danach mit einer möglichen Satzungsauslegung in Einklang. Das Landesarbeitsgericht hat auf der Grundlage einer entsprechenden Auslegung zu Recht festgestellt, daß es sich um Metallbetriebe in diesem Sinne handelt. Die dabei als entscheidend berücksichtigten Kriterien - Einheitlichkeit des arbeitstechnischen Zwecks, Einheitlichkeit der technischen Leitung, sonstige organisatorische Einheitlichkeit, räumliche Einheit, Belegschaftsgröße, Gesamtbild, Anschauung der beteiligten Berufskreise - sind ihrerseits anerkannte Abgrenzungskriterien für den allgemeinen Betriebsbegriff.
Ein Betrieb in diesem Sinne ist in P und Pe
anzunehmen, wo jeweils ein einheitlicher arbeitstechnischer Zweck besteht und die Einheitlichkeit der technischen Leitung durch einen Werksleiter personifiziert ist. Die räumlich abgegrenzten Betriebsstätten sind mit jeweils mehreren hundert Arbeitnehmern von erheblicher Größe. In M ist eine organisatorisch abgrenzbare Einheit erst recht anzunehmen. Dort sind über tausend Arbeitnehmer tätig, die allerdings unterschiedliche Arbeitszwecke verfolgen. Das Landesarbeitsgericht verweist hier zu Recht darauf, daß sich die Eigenständigkeit einer so großen Teilorganisation gegenüber dem Gesamtunternehmen geradezu aufdrängt.
Zum gleichen Ergebnis kommt man selbst dann, wenn man den Betriebsbegriff der Satzung mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Begriff gleichsetzen wollte. Es stellte sich dann nämlich die Frage, ob nicht auch solche Betriebsstätten erfaßt werden, die gem. § 4 BetrVG als selbständige Betriebe gelten (so zum Betriebsbegriff des KSchG KR-Etzel, 4. Aufl., § 1 KSchG Rz 145, jedenfalls für Betriebsstätten gemäß § 4 Satz 1 Nr. 2 BetrVG). Dies wäre mindestens möglich und bliebe damit innerhalb des Entscheidungsspielraums der Schiedsstelle. Wenn die Definition des Betriebsbegriffs grundsätzlich freisteht, spricht nichts dagegen, diejenigen Einheiten als "Betrieb" im Sinne der Satzung anzusehen, die betriebsverfassungsrechtlich als selbständige Betriebe gelten. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der drei umstrittenen Betriebsstätten erfüllt, da sie unstreitig alle eigene Betriebsräte haben.
Die drei Betriebsstätten sind auch "Metall-Betriebe", wie das Landesarbeitsgericht weiterhin zutreffend festgestellt hat. Die Produktion der Geräte für Fachtechnologie und der Laborgeräte in P und Pe ist als Maschinen- und Apparatebau gem. § 3 Nr. 1 der Satzung der Antragstellerin anzusehen. Dies rechtfertigt auch die entsprechende Einordnung der auf diese Geräte bezogenen Forschungs-, Entwicklungs- und Anlaufarbeiten in M . Sie bilden zusammen mit der gleichfalls als Metallarbeit zu wertenden Fertigung von Filmpatronen den betrieblichen Schwerpunkt in M .
d) Da sich die Entscheidung der Schiedsstelle innerhalb der Grenzen einer möglichen Satzungsauslegung hält, stellt sie die Tarifzuständigkeit der Antragstellerin für die drei umstrittenen Betriebsstätten verbindlich fest, und zwar auch für die Arbeitgeberin und die beteiligten Arbeitgeberverbände (Senatsbeschluß vom 17. Februar 1970 - 1 ABR 15/69 - BAGE 22, 295 = AP Nr. 3 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit). Hierin liegt kein unzulässiger Eingriff in deren Rechte als mögliche Vertragsparteien. Kein tariffähiger Verband bzw. Arbeitgeber hat Anspruch auf einen bestimmten Verhandlungspartner. Es steht im übrigen der Arbeitgeberin frei, sich ggf. einer Arbeitgebervereinigung (wieder) anzuschließen, deren Tarifzuständigkeit mit derjenigen der Antragstellerin korrespondiert (vgl. auch Senatsbeschluß vom 17. Februar 1970, aaO, zu II 2 der Gründe).
4. Die Tarifzuständigkeit der Antragstellerin umfaßt auch die Zuständigkeit, für die umstrittenen Betriebsstätten einen Firmentarifvertrag mit der Arbeitgeberin abzuschließen. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt. Die Zuständigkeit zum Abschluß eines Firmentarifvertrages setzt nicht voraus, daß die Gewerkschaft für das gesamte Unternehmen bzw. dessen unternehmerischen Schwerpunkt - hier also den der chemischen Industrie - zuständig ist.
a) Die Tarifzuständigkeit im Sinne der Fähigkeit, Tarifverträge mit einem bestimmten Geltungsbereich abzuschließen, beinhaltet grundsätzlich auch die Fähigkeit zum Abschluß eines Firmentarifvertrages. Hat eine Gewerkschaft ihren Zuständigkeitsbereich betriebsbezogen geregelt, ist sie zuständig zum Abschluß von Tarifverträgen mit jedem Partner, der seinerseits für diese Betriebe tarifzuständig ist. Dies kann ein Verband sein, aber gem. § 2 Abs. 1 TVG auch der einzelne Arbeitgeber, der die Tarifzuständigkeit für sein gesamtes Unternehmen kraft Gesetzes besitzt (vgl. etwa Löwisch/Rieble, aaO, § 2 Rz 101) und insoweit einem Arbeitgeberverband uneingeschränkt gleichgestellt ist.
b) Der Senat hat allerdings in seiner Entscheidung vom 22. November 1988 (1 ABR 6/87 - AP Nr. 5 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit) angenommen, bei einem Firmentarifvertrag richte sich die Tarifzuständigkeit im Bereich des Industrieverbandsprinzips nach dem überwiegenden Unternehmensgegenstand des Arbeitgebers. Es sei diejenige Gewerkschaft zuständig, deren satzungsgemäßer Organisationsbereich der Tätigkeit entspreche, die dem Unternehmen das Gepräge gebe. Maßgebend sei der Gegenstand des Unternehmens, nicht derjenige einzelner Betriebe, Betriebsabteilungen oder Nebenbetriebe, da diese Unterorganisationen nicht tariffähig seien (aaO, zu B II 3 der Gründe; so auch Wiedemann/Stumpf, aaO, § 2 Rz 31; Hanau, ZfA 1990, 115, 129; Buchner, ZfA 1995, 95, 106 ff.; als in der Regel maßgebend betrachten den Schwerpunkt auch Löwisch/Rieble, aaO, § 2 Rz 101; a.A. Däubler, aaO, Rz 93, 93 a). Streitgegenstand des damaligen Verfahrens war jedoch nur der Antrag, die Zuständigkeit der Gewerkschaft bei einem Firmentarifvertrag für alle Betriebe eines Unternehmens festzustellen. Insofern bestand kein unmittelbarer Anlaß, sich mit der Zuständigkeit nur für einzelne Betriebe des Unternehmens auseinanderzusetzen. Soweit die Entscheidung dennoch dahin verstanden werden könnte, daß sich die Tarifzuständigkeit auch bei Firmentarifverträgen mit betriebsbezogenem Geltungsbereich für beide Seiten nur nach dem Schwerpunkt des Unternehmensgegenstandes richtet, hält der Senat daran nicht fest.
Der Hinweis auf die fehlende Tariffähigkeit einer Unterorganisation des Unternehmens verfängt nicht. Der Firmentarifvertrag wird zwar auch bei betriebsbezogener Organisation nicht mit dem Betrieb oder einer sonstigen Einrichtung abgeschlossen, sondern mit dem Arbeitgeber, also mit dem Inhaber des Unternehmens (das betont zu Recht Däubler, aaO, Rz 93 a). Es besteht aber kein Streit darüber, daß dieser nicht gezwungen ist, einen einheitlichen Firmentarifvertrag für alle Betriebe seines Unternehmens abzuschließen. Er kann sich auf einzelne Betriebe beschränken. Deshalb ist nicht einzusehen, warum eine Gewerkschaft, die nach ihrem Organisationsstatut nur für Teile eines Unternehmens zuständig ist, keinen auf diese beschränkten Firmentarifvertrag soll abschließen können.
Eine entsprechende Einschränkung der Tarifzuständigkeit zum Abschluß von Firmentarifverträgen kann auch nicht mit der Überlegung begründet werden, andernfalls bestehe die Gefahr einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers durch verschiedene Gewerkschaften. Diese Gefahr läßt sich auf Unternehmensebene schon deshalb nicht ausschließen, weil verschiedene Gewerkschaften sich mit überschneidender Zuständigkeit organisieren können. Es gibt keinen tarifrechtlichen Grundsatz, der solche Überschneidungen verböte. Die im DGB verbundenen Gewerkschaften betrachten allerdings Überschneidungen im eigenen Interesse als unerwünscht und suchen sie aus verbandspolitischen Gründen zu vermeiden. Dem dient gerade auch das hier streitige Schiedsverfahren nach § 16 der Satzung des DGB. Gesetzliche Vorgaben bestehen jedoch insoweit nicht. Bei Doppelzuständigkeiten richtet sich das maßgebende Tarifrecht nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität (vgl. dazu nur BAG Urteil vom 20. März 1991 - 4 AZR 455/90 - BAGE 67, 330 = AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG Urteil vom 22. September 1993 - 10 AZR 207/92 - BAGE 74, 238 = AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz).
Dementsprechend ist auch der Arbeitgeber frei, sich mehreren Arbeitgeberverbänden anzuschließen. Das liegt nahe bei einer Betätigung in verschiedenen Branchen. Es ist daher kein Schutzbedürfnis erkennbar, das nur durch Beschränkung der Tarifzuständigkeit der Gewerkschaft auf den Unternehmensschwerpunkt befriedigt werden könnte.
Soweit Buchner (ZfA 1995, 95, 115 ff.) eine Beschränkung der Tarifzuständigkeit vor allem unter arbeitskampfrechtlichen Gesichtspunkten veranlaßt sieht, ist das aus den gleichen Gründen nicht überzeugend. Buchner hält für unerträglich, daß ein tariflich bereits gebundenes Unternehmen der Inanspruchnahme anderer Gewerkschaften ausgesetzt ist, ohne sich auf eine bestehende Friedenspflicht berufen zu können. Eine solche Situation ist aber auch bei Verbandstarifverträgen nicht auszuschließen, ohne daß dies bisher arbeitskampfrechtlich zu Unzuträglichkeiten geführt hätte (vgl. etwa HBV und DAG). Geht man bei den im DGB zusammengeschlossenen Gewerkschaften davon aus, daß betriebsbezogene Überschneidungen der Tarifzuständigkeiten grundsätzlich vermieden werden, kann es in der Regel kaum zu der von Buchner befürchteten Konstellation kommen. Einer unzumutbaren Belastung durch Kampfmaßnahmen konkurrierender Gewerkschaften wäre im übrigen vorrangig durch entsprechende Anpassung der arbeitskampfrechtlichen Grundsätze zu begegnen. Für eine Einschränkung der Tarifzuständigkeit läßt sich hieraus nichts ableiten.
c) Die Tarifzuständigkeit zum Abschluß von Firmentarifverträgen wird schließlich nicht dadurch berührt, daß die Arbeitgeberin Mitglied eines Arbeitgeberverbandes ist. Der Arbeitgeber verliert durch den Beitritt zu einem Arbeitgeberverband nicht seine Fähigkeit, Partei eines Firmentarifvertrages zu sein (allgemeine Meinung, vgl. nur Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, aaO, § 2 Rz 64; Wiedemann/Stumpf, aaO, § 2 Rz 67). Er bleibt nach § 2 Abs. 1 TVG uneingeschränkt tarifzuständig für sein gesamtes Unternehmen (Löwisch/Rieble, aaO, § 2 Rz 101). Hiervon zu trennen ist die Frage, ob - bei bejahter Tarifzuständigkeit - ein Arbeitgeber, der Mitglied eines Verbandes ist, auf Abschluß eines Firmentarifvertrages in Anspruch genommen werden kann, insbesondere, ob die kampfweise Durchsetzung eines solchen Tarifvertrages zulässig ist (vgl. dazu etwa Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, aaO, § 2 Rz 90; Wiedemann/Stumpf, aaO, § 2 Rz 82 ff., m.w.N.). Diese Frage ist von dem gestellten Antrag nicht erfaßt. Streitgegenstand ist allein die Frage, ob die IG Metall nach ihrer Satzung für die umstrittenen Betriebsstätten zuständig zum Abschluß von Tarifverträgen ist, und zwar auch mit der Arbeitgeberin.
5. Die Arbeitgeberin hat ihren zweitinstanzlich hilfsweise gestellten Antrag aufrechterhalten, wonach festgestellt werden soll, daß sie für den Abschluß eines Firmentarifvertrages mit der IG Metall nicht tarifzuständig sei. Das Landesarbeitsgericht hat diesen Antrag konsequent nicht beschieden, weil er nur unter der Bedingung gestellt worden war, daß der Antrag der IG Metall auf Feststellung ihrer Tarifzuständigkeit als unzulässig abgewiesen werde. Diese Bedingung ist nicht eingetreten, da das Landesarbeitsgericht dem Antrag stattgegeben hat. Auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz hat sich insoweit nichts geändert, so daß der Antrag nicht zur Entscheidung angefallen ist.
IV. Die IG Chemie ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht tarifzuständig für die Betriebsstätten der Arbeitgeberin in M , P und Pe .
1. Der negative Feststellungsantrag ist zulässig. Die IG Metall hat hieran ein rechtliches Interesse. Sie möchte mit der Arbeitgeberin einen Tarifvertrag für die streitbefangenen Betriebsstätten abschließen. Dies wird ihr u.a. mit dem Hinweis verweigert, die IG Chemie sei tarifzuständig; daraus ergebe sich die Bindung an Tarifverträge, die zwischen dieser und den beteiligten Arbeitgeberverbänden geschlossen wurden. Bei dieser Sachlage besteht ein hinreichendes Interesse der Antragstellerin, auch die Unzuständigkeit der "Konkurrenzgewerkschaft" geklärt zu wissen. Ihre Position als Tarifvertragspartei wird dadurch berührt. Die positive Feststellung ihrer eigenen Zuständigkeit beantwortet nicht alle Streitfragen, die sich aus einer Konkurrenzsituation ergeben können.
2. Der Antrag ist begründet. Dies folgt aus dem für die beteiligten Gewerkschaften und die Arbeitgeberseite verbindlichen Spruch der Schiedsstelle des DGB.
a) Nach ihrer 1988 geänderten Satzung erstreckt sich allerdings der Organisationsbereich der IG Chemie nicht mehr nur - wie bis dahin - auf Betriebe, sondern weitergehend auf Unternehmen der chemischen Industrie. Danach erfaßt er an sich auch die drei streitbefangenen Betriebsstätten, da sie zu einem Unternehmen der chemischen Industrie gehören. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, daß der Schwerpunkt der unternehmerischen Tätigkeit in diesem Wirtschaftsbereich und nicht im Bereich der Metallindustrie liegt. Eine solche Erstreckung des Organisationsbereichs auf alle Arbeitnehmer von Unternehmen einer Branche einschließlich derjenigen, die branchenfremde Arbeiten ausführen, ist tarifrechtlich zulässig. Dem Landesarbeitsgericht ist also darin zu folgen, daß die IG Chemie nach der geänderten Satzung die Tarifzuständigkeit für das gesamte Unternehmen der Arbeitgeberin und damit auch für die Betriebsstätten M , P und P beansprucht.
b) Das Landesarbeitsgericht hat aber verkannt, daß die Tarifzuständigkeit der IG Chemie durch den im Schiedsverfahren nach § 16 der Satzung des DGB ergangenen Schiedsspruch einschränkend bestimmt wird.
Wie bereits unter B III der Gründe im einzelnen dargelegt, hat die Schiedsstelle hinsichtlich der Betriebsstätten M , P und Pe die Tarifzuständigkeit der IG Metall bejaht. Diese Entscheidung schließt zugleich die Tarifzuständigkeit der IG Chemie aus. Dies entspricht dem Sinn des Schiedsverfahrens, das eine abschließende Klärung unter den streitigen Gewerkschaften herbeiführen und eine Doppelzuständigkeit ausschließen soll, wenn sie nicht ausnahmsweise angebracht erscheint. Davon ist der Senat auch schon in seiner Entscheidung vom 17. Februar 1970 (1 ABR 15/69 - BAGE 22, 295 = AP Nr. 3 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit) ausgegangen. Die unterlegene Gewerkschaft sei aufgrund der Treueverpflichtung, die ihr dem DGB gegenüber obliege, gehindert, künftig eine Zuständigkeit für den umstrittenen Betrieb in Anspruch zu nehmen (bestätigt im Senatsbeschluß vom 22. November 1988 - 1 ABR 6/87 - AP Nr. 5 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit).
Die Entscheidung der Schiedsstelle führt damit in bezug auf die jeweils streitbefangenen Betriebe zu einer Beschränkung des satzungsmäßigen Organisationsbereichs (so auch Blank, aaO, S. 138 ff.). Durchgreifende Bedenken gegen einen solchen Eingriff in die Satzungsautonomie der Mitgliedsgewerkschaft bestehen weder aus dem Gesichtspunkt der Vereinsautonomie noch aus dem Gesichtspunkt der Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG), die grundsätzlich auch die autonome Gestaltung des Organisationsbereichs einschließt. Es geht hier um eine Selbstbeschränkung, die in der Satzung der IG Chemie ihren Niederschlag gefunden hat (§ 59 der Satzung) und für die ein legitimes Interesse besteht (vgl. vorst. B III 3 a). Die Zulässigkeit einer solchen Satzungsbeschränkung entspricht gerade dem Grundsatz des Vorrangs einer autonomen Regelung der Organisationsbereiche durch die Verbände selbst.
Es ist zwar davon auszugehen, daß für den Inhalt des Schiedsspruchs die allgemeine Grenze der Willkür gilt. Sie ist hier aber nicht überschritten. In den Betriebsstätten werden schwerpunktmäßig Metallarbeiten ausgeführt. Sie waren schon bisher dem Zuständigkeitsbereich der Antragstellerin zugeordnet. Die Mehrzahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer ist Mitglied der IG Metall. Ausgehend von dem betriebsbezogen verstandenen Industrieverbandsprinzip lag es daher nahe, die betroffenen Belegschaften im Zuständigkeitsbereich der Antragstellerin zu belassen, zumal die IG Chemie erst durch eine Satzungsänderung die unerwünschte Überschneidung herbeigeführt hatte.
Damit ist die Unzuständigkeit der IG Chemie für diese selbst und für die Antragstellerin, aber auch für die Arbeitgeberseite verbindlich geklärt. Dem hierauf gerichteten Antrag der Antragstellerin ist unter Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen stattzugeben. Ob die Wirksamkeit der Satzungsänderung der IG Chemie auch im Hinblick auf § 15 Nr. 2 der DGB-Satzung auf Bedenken stößt, kann bei dieser Sachlage offenbleiben.
Dieterich Wißmann Rost
Wisskirchen Lappe
Fundstellen
BAGE 00, 00 |
BAGE, 166 |
BB 1997, 636 (L1-3) |
DB 1997, 731-734 (LT1-3) |
EBE/BAG Beilage 1997, Ls 64/97 (L1-3) |
EzB BetrVG § 99, Nr 17 (L1 |
WiB 1997, 706 (L) |
ASP 1996, Nr 11/12, 54 (K) |
NZA 1997, 613 |
NZA 1997, 613-619 (LT1-3) |
Quelle 1997, Nr 7/8, 24 (L1-3) |
RdA 1997, 188 (L1-3) |
ZTR 1997, 265-266 (L1-3) |
AP § 2 TVG Tarifzuständigkeit (LT1-3), Nr 10 |
AP, (L1-3) |
AR-Blattei, ES 1550.2.1 Nr 6 (LT1-3) |
ArbuR 1997, 168 (L1,3) |
AuA 1996, 394 |
EzA-SD 1997, Nr 6, 12 (L1-3) |
EzA § 2 TVG Tarifzuständigkeit, Nr 5 (LT1-3) |