Entscheidungsstichwort (Thema)
Heranziehung eines Sachverständigen durch den Betriebsrat
Leitsatz (redaktionell)
1. Rechtsgrundlage für die Heranziehung sachkundiger Personen durch den Betriebsrat ist in den Fällen, in denen es nicht um die rechtliche Vertretung des Betriebsrats im Verfahren vor der Einigungsstelle bzw vor den Arbeitsgerichten geht, allein § 80 Abs 3 Satz 1 BetrVG.
2. Die Hinzuziehung eines externen Sachverständigen nach § 80 Abs 3 Satz 1 BetrVG zur Beratung des Betriebsrats anläßlich der Einführung oder Änderung EDV-gestützter technischer Einrichtungen im Sinne des § 87 Abs 1 Nr 6 BetrVG setzt voraus, daß dem Betriebsrat die erforderliche Sachkunde fehlt und er sie sich auch nicht kostengünstiger etwa durch den Besuch einschlägiger Schulungen oder durch Inanspruchnahme sachkundiger Betriebs- oder Unternehmensangehöriger verschaffen kann.
Normenkette
BetrVG § 40 Abs. 1, § 80 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Gründe
A.Die Beteiligten streiten darüber, ob der antragstellende Betriebsrat auf Kosten der beteiligten Arbeitgeberin den Leiter der Technologieberatungsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Landesbezirk Hessen, Herrn Dr. K. W , im Rahmen des Verfahrens der betrieblichen Mitbestimmung anläßlich der Umstellung der elektronischen Datenverarbeitung im Betrieb der Arbeitgeberin hinzuziehen darf.
Die Arbeitgeberin befaßt sich mit der Herstellung von Fotoapparaten und beschäftigt etwa 500 Arbeitnehmer. Sie ist im Jahre 1987 aus der W GmbH ausgegliedert worden, blieb jedoch deren elektronischer Datenverarbeitung (Großrechenanlage) angeschlossen. Im Jahre 1988 ließ sich die Arbeitgeberin von der Firma Nixdorf eine etwa 400 Seiten umfassende Studie über die Strukturierung eines eigenen, von der Großrechenanlage der W GmbH abgekoppelten und auf ihre Bedürfnisse als mittelständisches Unternehmen zugeschnittenen Datenverarbeitungssystems erstellen. Der verbesserte Einsatz der CAD ist Gegenstand einer weiteren Projektstudie, die die Arbeitgeberin von der Firma Hewlett-Packard eingeholt hat.
Im Laufe des Jahres 1989 und Anfang 1990 informierte die Arbeitgeberin den antragstellenden Betriebsrat im Hinblick auf dessen Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG über die beabsichtigte Einführung der unternehmenseigenen elektronischen Datenverarbeitung entsprechend den Planungsständen. Die Beteiligten haben in allen Instanzen des vorliegenden Beschlußverfahrens diese Unterrichtung als rechtzeitig, vollständig und umfassend bezeichnet und hierüber nicht gestritten. Die Arbeitgeberin legte dem Betriebsrat am 30. Januar 1990 den Entwurf einer Rahmenbetriebsvereinbarung über EDV-gestützte Verfahren in ihrem Betrieb vor.
In der Zeit vom 16. bis 21. April 1989 nahmen der Betriebsratsvorsitzende und ein weiteres Betriebsratsmitglied an der Schulungsveranstaltung "EDV-Systeme am Arbeitsplatz 91/170" teil. Sie befaßte sich unter anderem mit folgenden Themen:
"Ein Datenverarbeitungssystem wird eingeführt
- welche Einflußmöglichkeiten hat der Betriebs-
rat, wann kann er eingreifen, welche Informatio-
nen benötigt er dazu, welche Hintergrundinforma-
tionen sind notwendig?
...
Grundsätze zum innerbetrieblichen Schutz vor Miß-
brauch von personenbezogenen Daten.
Rechtliche Möglichkeiten, technische und organi-
satorische Schutzvorkehrungen gegen Mißbrauch.
Konsequenzen für die Arbeit des Betriebsrates:
wie muß eine Betriebsrahmenvereinbarung aussehen,
die die Interessen der Arbeitnehmer (bei techno-
logischen Veränderungen im Betrieb) beinhaltet."
Acht der neun Mitglieder des Betriebsrats besuchten zudem eine von der Technologieberatungsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Landesverband Hessen, in Zusammenarbeit mit der IG Metall, Verwaltungsstelle W , am 4. Juli 1989 ganztägig unter der Leitung des Herrn J. D veranstaltete Schulung zum Thema "Informationsbedarf von Betriebsräten im Planungsprozeß technisch-organisatorischer Änderungen". In der Ankündigung der für elf Teilnehmer kalkulierten Schulung hieß es:
"Die Erarbeitung des Themas erfolgt so weit als
möglich exemplarisch bezogen auf Verfahren, die
derzeit in Unternehmen zur Anwendung kommen bzw.
in Vorbereitung sind."
Mit seinem am 20. September 1989 eingereichten Antrag hat der Betriebsrat die Verpflichtung der Arbeitgeberin begehrt, der Hinzuziehung zunächst des Herrn J. D , an dessen Stelle später des Herrn Dr. K. W als Sachverständigen zur Beantwortung der im Antrag näher bezeichneten Fragen gegen ein Honorar von 150,-- DM je Arbeitsstunde zuzustimmen. Herr J. D leitete im Zeitpunkt der Antragstellung die Technologieberatungsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Landesverband Hessen. In dieser Funktion wurde während des vorliegenden Verfahrens Herr Dr. K. W sein Nachfolger.
Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die von der Arbeitgeberin beabsichtigte Umstrukturierung könne auch Rechte nach den §§ 111 ff. BetrVG auslösen. Im vorliegenden Verfahren beschränke sich der Betriebsrat zunächst auf einen Sachverständigen bzw. Berater im Hinblick auf sein Beteiligungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Trotz der Information durch die Arbeitgeberin reiche ihm eine Beantwortung seiner Fragen durch die von der Arbeitgeberin benannten beiden innerbetrieblichen Sachverständigen nicht aus. Ohne Hilfe des im Antrag benannten externen Sachverständigen könne der Betriebsrat nicht beurteilen, ob er die Interessen der Arbeitnehmer bei der Ausübung seines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sachgerecht vertrete, weil er die im Antrag bezeichneten Fragen nicht ohne diese Hilfe beantworten könne. Im von der Arbeitgeberin vorgelegten Entwurf der Rahmenbetriebsvereinbarung sei zum Einsatz von Personalcomputern und von CAD-Systemen nichts enthalten, zudem sei darin die flexible Austauschbarkeit für die Hard- und für die Software vorgesehen. Deshalb habe der Betriebsrat Zweifel, ob diese Rahmenbetriebsvereinbarung die vom Betriebsrat zu vertretenden Interessen der Arbeitnehmer hinreichend berücksichtige.
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Arbeitgeberin zu verpflichten, die Zustimmung
zur Hinzuziehung des Sachverständigen Dr. Klaus
W zu einem Honorar von 150,-- DM je Ar-
beitsstunde zur Beantwortung folgender Fragen zu
erteilen:
1. Welche Informationen sind noch erforderlich,
um sämtliche Möglichkeiten der Verhaltens- und
Leistungskontrolle im Sinne des § 87 Abs. 1
Nr. 6 BetrVG abschätzen zu können?
2. Wie kann eine Betriebsvereinbarung aussehen,
welche die durch die EDV-Umstellung gegebenen
Möglichkeiten einer Leistungs- und Verhaltens-
kontrolle in dem Sinne regelt, daß die Arbeit-
nehmerinteressen weitestgehend berücksichtigt
sind?
3. Welche arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse
über die menschengerechte Gestaltung der Ar-
beit, die durch die EDV-Umstellung betroffen
sein können, bestehen?
Hilfsweise hat er im zweiten Rechtszug noch beantragt
festzustellen, daß der Betriebsrat ohne Zustim-
mung des Arbeitgebers berechtigt ist, den Sach-
verständigen als Berater im Umfang des Hauptan-
trages auf Kosten des Arbeitgebers tätig werden
zu lassen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag und den Hilfsantrag zurückzuweisen.
Sie hat erwidert: Der Hilfsantrag sei unzulässig, da er verspätet gestellt worden sei. Angesichts des Umfangs und der Intensität der Informationen, die sie dem Betriebsrat erteilt habe, bedürfe der Betriebsrat der Hilfe eines betriebsfremden Sachverständigen nicht, zumal ihm betriebsangehörige Sachverständige zur Verfügung stünden. Dem Betriebsrat komme es nicht auf die Einholung sachverständigen Rates von einem neutralen Sachverständigen an, sondern auf eine interessengerichtete Beratung durch den Leiter der Technologieberatungsstelle des DGB. Dies zeige die Umstellung seines Antrags auf Herrn Dr. K. W , nachdem Herr J. D als Leiter der Technologieberatungsstelle ausgeschieden sei. Der Betriebsrat habe keinen Anspruch darauf, sich auf ihre Kosten einen Gegenentwurf zu dem von ihr vorgelegten Entwurf der Rahmenbetriebsvereinbarung unterschriftsreif anfertigen zu lassen. Dies sei vielmehr Aufgabe des Betriebsrats selbst, der sich im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Unterstützungsfunktion der unentgeltlichen Beratung durch die den Betriebsrat betreuende Gewerkschaft bedienen könne. Keineswegs sei sie, die Arbeitgeberin, bereit, die gewerkschaftliche Technologieberatungsstelle indirekt mitzufinanzieren.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Hauptantrag zurückgewiesen. Auf den in der Beschwerdeinstanz erstmals gestellten Hilfsantrag des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß der Betriebsrat berechtigt ist, ohne Zustimmung der Arbeitgeberin einen Berater zur Erledigung der im Hauptantrag bezeichneten Fragen zu 1) und zu 2) auf Kosten der Arbeitgeberin tätig werden zu lassen. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht auch den Hilfsantrag des Betriebsrats zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde insgesamt zugelassen.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Arbeitgeberin die völlige Zurückweisung aller Anträge des Betriebsrats erreichen. Der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. Er hat gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts seinerseits Anschlußrechtsbeschwerde eingelegt. Mit ihr verfolgt er seinen bisherigen Hilfsantrag, Herrn Dr. W als Berater im Umfang des Hauptantrages auf Kosten der Arbeitgeberin tätig werden lassen zu dürfen, in vollem Umfang, jedoch nunmehr als seinen Hauptantrag weiter. Den bisherigen Hauptantrag auf Ersetzung der Zustimmung zur Heranziehung des Herrn Dr. W als Sachverständigen verfolgt er nur noch hilfsweise weiter. Die Arbeitgeberin beantragt, die Anschlußrechtsbeschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.
B.Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet, die Anschlußrechtsbeschwerde des Betriebsrats ist dagegen unbegründet. Insgesamt waren alle Anträge des Betriebsrats als unbegründet zurückzuweisen. Ihm steht weder ein Anspruch darauf zu, sich ohne Zustimmung der Arbeitgeberin auf deren Kosten des Herrn Dr. W als Berater zur Beantwortung der im Antrag bezeichneten Fragen zu bedienen noch kann er von der Arbeitgeberin deren Zustimmung zur Heranziehung des Herrn Dr. W als Sachverständigen verlangen.
I.Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: Der auf die Erteilung der Zustimmung der Arbeitgeberin zur Hinzuziehung des Herrn Dr. K. W als Sachverständigen gerichtete Antrag sei unbegründet. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG setze voraus, daß der Sachverständige kein Interessenvertreter sei, sondern eine keiner Seite verpflichtete Person, die ihren Sachverstand gleichsam wertneutral dem Betriebsrat zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben zur Verfügung stelle. Mit seinem Hauptantrag begehre der Betriebsrat aber gerade nicht die Bestellung eines neutralen Sachverständigen, sondern einer den Arbeitnehmerinteressen verpflichteten Person. Der Hilfsantrag des Betriebsrats sei nur teilweise begründet. Unbegründet sei er, soweit es um die Beantwortung der zu 3) gestellten Frage gehe. Der Betriebsrat habe sein Begehren ausdrücklich auf die Hinzuziehung eines Sachverständigen bzw. eines Beraters zur Regelung des Gegenstandsbereichs des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG beschränkt. Die Frage zu 3) betreffe dagegen Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus § 91 BetrVG. Unbegründet sei der Hilfsantrag zu einem weiteren Teil auch deshalb, weil das Beschwerdegericht sich nicht in der Lage sehe, die fachliche Kompetenz des mit dem Hilfsantrag als Berater beanspruchten Dr. W zur Beantwortung der zulässigen Fragen zu 1) und 2) ausreichend zu beurteilen. Insoweit fehle es an einem hinreichenden Vortrag des Betriebsrats. Ein hierauf gerichteter richterlicher Hinweis sei im vorliegenden Fall nicht angezeigt gewesen.
Jedoch sei der Betriebsrat berechtigt, auf Kosten der Arbeitgeberin einen anderen sachkundigen Berater zur Beantwortung der zu 1) und 2) im Hauptantrag bezeichneten Fragen ohne vorherige Zustimmung der Arbeitgeberin hinzuziehen. Dies folge aus § 40 Abs. 1 BetrVG. Bei der Hinzuziehung eines solchen Beraters handele es sich rechtlich - wie auch beim Bevollmächtigten des Betriebsrats vor der Einigungsstelle - um eine ausgesprochene Hilfsfunktion für die Tätigkeit des Betriebsrats im Sinne dieser Bestimmung. Es gebe keine Abgrenzung, wonach Berater in einem Einigungsstellenverfahren für den Betriebsrat auftreten könnten, nicht jedoch bereits in dem Stadium unmittelbarer Verhandlungen des Betriebsrats mit dem Arbeitgeber über die Herbeiführung einer Betriebsvereinbarung. Die Hinzuziehung eines Beraters sei für den Betriebsrat im vorliegenden Fall auch erforderlich.
II.Zu Recht wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer Rechtsbeschwerde dagegen, daß das Landesarbeitsgericht dem Hilfsantrag, den der Betriebsrat jetzt als Hauptantrag weiterverfolgt, teilweise stattgegeben hat. Zwar ist der Übergang vom Hilfs- zum Hauptantrag auch in dritter Instanz noch möglich (BAG Beschluß vom 23. April 1985 - 1 ABR 39/81 - AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; BAG Beschluß vom 11. Februar 1992 - 1 ABR 49/91 -, zu B I der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Der Antrag ist jedoch insgesamt unbegründet.
1.Die Tätigkeit, die der Berater nach der Vorstellung des Betriebsrats wie auch nach der Darstellung im angefochtenen Beschluß ausüben soll, ist die Tätigkeit eines Sachverständigen. Zieht der Betriebsrat eine betriebsfremde Person zur Beratung über eine vom Arbeitgeber vorgeschlagene Betriebsvereinbarung hinzu, so soll diese Person für den Betriebsrat in der Funktion eines Sachverständigen tätig werden, der seine Sachkunde indessen nicht neutral, sondern an den Interessen des Betriebsrats ausgerichtet zur Verfügung stellt. In der Sache handelt es sich aber auch insoweit - unbeschadet der Frage des Vorhandenseins entsprechender Sachkunde - um die Tätigkeit eines Sachverständigen im Sinne einer sachkundigen Interessenvertretung. Dementsprechend hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden, daß ein Rechtsanwalt, der vom Betriebsrat zur Beratung über eine vom Arbeitgeber vorgeschlagene Betriebsvereinbarung hinzugezogen wird, für den Betriebsrat als Sachverständiger im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG tätig sein soll (BAG Beschluß vom 25. April 1978 - 6 ABR 9/75 - AP Nr. 11 zu § 80 BetrVG 1972, zu II 5 a der Gründe).
Die Hinzuziehung eines Sachkundigen als Berater läßt sich aber im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht auf § 40 Abs. 1 BetrVG stützen, wonach der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstandenen Kosten zu tragen hat. Soweit es um die Hinzuziehung von Sachverständigen durch den Betriebsrat geht, stellt die Vorschrift des § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gegenüber § 40 Abs. 1 BetrVG eine inhaltliche Konkretisierung und Spezialisierung dar. Nur wenn die Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vorliegen, insbesondere also wenn die nach dieser Bestimmung erforderliche nähere Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über den Gegenstand der gutachterlichen Tätigkeit, über die Person des Sachverständigen und über dessen Vergütung getroffen ist oder die dazu notwendige Willenserklärung des Arbeitgebers durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung als erteilt gilt, sind die Kosten für die Hinzuziehung einer sachkundigen Person als Sachverständigen vom Arbeitgeber zu tragen (vgl. Senatsbeschluß BAGE 61, 333, 337 = AP Nr. 35 zu § 80 BetrVG 1972, zu B I 2 der Gründe = SAE 1990, 8 f., mit Anm. Rieble). Entspricht die Hinzuziehung einer sachkundigen Person nicht den Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, so kann eine Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für die Hinzuziehung einer interessengebundenen sachkundigen Person auch nicht auf § 40 Abs. 1 BetrVG gestützt werden.
2.Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, aus der Rechtsprechung des Senats zur Kostentragung für die Heranziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Betriebsrat im Verfahren vor der Einigungsstelle ableiten zu können, der Betriebsrat dürfe sich auch außerhalb eines solchen Einigungsstellenverfahrens eines sogenannten Beraters auf Kosten des Arbeitgebers bedienen, ohne daß die Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vorlägen.
Der Senat hat in seinem Beschluß vom 21. Juni 1989 (BAGE 62, 139 = AP Nr. 34 zu § 76 BetrVG 1972 mit Anm. Berger-Delhey = SAE 1990, 105 ff. mit Anm. Eich) erkannt, daß sich im Rahmen des Erforderlichen der Betriebsrat eines Rechtsanwaltes als sachkundigen Verfahrensbevollmächtigten in einem Verfahren vor einer Einigungsstelle bedienen darf und der Arbeitgeber die dadurch entstehenden Kosten nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragen hat. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Auseinandersetzung mit der insbesondere von Eich (aaO, S. 111 ff.) verneinten Frage, ob sich der Betriebsrat im Verfahren vor der Einigungsstelle überhaupt eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigten bedienen darf oder ob, wie Berger-Delhey meint (aaO), dies zumindest dann fraglich ist, wenn der Betriebsrat es versäumt hat, selbst für seine rechtskundige Vertretung in der Einigungsstelle, das heißt durch ein von ihm benanntes Mitglied der Einigungsstelle, zu sorgen. Keineswegs kann der Rechtsprechung des Senats entnommen werden, aus § 40 Abs. 1 BetrVG folge die Pflicht des Arbeitgebers zur Kostentragung bei der Heranziehung sachkundiger Personen auch für jene Fälle, in denen es nicht um die Vertretung des Betriebsrats in einem Verfahren vor der Einigungsstelle oder vor Gericht durch einen Rechtsbeistand geht, sondern um die Beratung des Betriebsrats durch sachkundige Personen außerhalb solcher Verfahren. Vielmehr ist alleinige Rechtsgrundlage für die Heranziehung sachkundiger Personen durch den Betriebsrat zum Zweck seiner Beratung in den Fällen, in denen es nicht um seine rechtliche Vertretung in Verfahren vor der Einigungsstelle bzw. vor den Arbeitsgerichten geht, die Vorschrift des § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Diese verlangt aber eine nähere Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, wenn der Betriebsrat zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben die Hinzuziehung eines Sachverständigen für erforderlich hält. Verweigert der Arbeitgeber eine solche Vereinbarung trotz der Erforderlichkeit der Hinzuziehung des Sachverständigen, so kann der Betriebsrat die fehlende Zustimmung des Arbeitgebers durch eine arbeitsgerichtliche Entscheidung herbeiführen (ständige Rechtsprechung, vgl. statt vieler: BAGE 61, 333, 338 = AP Nr. 35 zu § 80 BetrVG 1972, zu B I 2 c der Gründe, m.w.N. = SAE 1990, 8 ff. mit Anm. Rieble). Hierauf ist das früher als Hilfsantrag, nunmehr als Hauptantrag verfolgte Begehren des Betriebsrats jedoch nicht gerichtet. Vielmehr will der Betriebsrat mit diesem Antrag die gerichtliche Feststellung erreichen, daß er zur Heranziehung eines Beraters auf Kosten der Arbeitgeberin berechtigt ist, ohne daß hierfür eine Vereinbarung mit der Arbeitgeberin vorliegt oder durch die arbeitsgerichtliche Entscheidung ersetzt worden ist. Damit kann der Betriebsrat nicht durchdringen.
III.Im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den jetzt nur noch hilfsweise gestellten Antrag des Betriebsrats auf Verpflichtung der Arbeitgeberin, die Zustimmung zur Hinzuziehung des Sachverständigen Dr. W zu einem Honorar von 150,-- DM je Arbeitsstunde zur Beantwortung bestimmter Fragen zu erteilen, zurückgewiesen. Der Antrag ist unbegründet, weil nicht festgestellt werden kann, daß die Heranziehung eines Sachverständigen zur Beantwortung der vom Betriebsrat in seinem Antrag bezeichneten Fragen im derzeitigen Stadium der Verhandlungen zwischen den Beteiligten erforderlich ist.
1.Zum Abschluß einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat über die Heranziehung eines Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG darf der Arbeitgeber durch das Arbeitsgericht nur verpflichtet werden, wenn die Heranziehung des Sachverständigen in der konkreten Situation, in der der Betriebsrat seine Aufgaben zu erfüllen hat, als erforderlich anzusehen ist (vgl. BAGE 54, 278, 295 f. = AP Nr. 29 zu § 80 BetrVG 1972, zu B IV der Gründe; BAG Beschluß vom 4. Juni 1987 - 6 ABR 63/85 - AP Nr. 30, aaO; auch schon BAG Beschluß vom 25. April 1978 - 6 ABR 9/75 - AP Nr. 11, aaO sowie BAG Beschluß vom 18. Juli 1978 - 1 ABR 34/75 - AP Nr. 1 zu § 108 BetrVG 1972).
a)Bei der Einführung, Anwendung oder Änderung elektronischer Datenverarbeitungssysteme kann der Betriebsrat zur Erfüllung der ihm insbesondere auch im Rahmen von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG obliegenden Aufgabe genötigt sein, die Hilfe eines Sachverständigen in Anspruch zu nehmen, um sich die fehlenden fachlichen Kenntnisse vermitteln zu lassen. Dies setzt voraus, daß der Betriebsrat im Einzelfall ohne einen solchen fachlichen Rat nicht in der Lage ist, seine betriebsverfassungsrechtliche Aufgabe ordnungsgemäß zu erfüllen. Die Inanspruchnahme eines Sachverständigen kommt jedoch erst in Betracht, wenn der Betriebsrat vom Arbeitgeber umfassend darüber unterrichtet worden ist, welche EDV-Systeme mit welchen Anwendungs- und Betriebsprogrammen eingeführt oder geändert werden sollen. Dabei sind dem Betriebsrat konkret die datenverarbeitungstechnischen Funktions- und Arbeitsweisen sowie die jeweilige betrieblich bestimmte Arbeitsaufgabe darzustellen. Hierzu gehört die Information darüber, welche Daten und deren Verknüpfungen eine Kontrolle des Verhaltens oder der Leistung von Arbeitnehmern oder Gruppen von Arbeitnehmern ermöglichen bzw. welche personenbezogenen oder auf Personen beziehbaren Daten im Sinne des Datenschutzrechts durch Programme zu welchem Zweck erfaßt, gespeichert und verarbeitet werden sollen oder können (BAG Beschluß vom 4. Juni 1987 - 6 ABR 63/85 - AP Nr. 30 zu § 80 BetrVG 1972, zu B II 1 a der Gründe, m.w.N.; BAGE 54, 278, 296 f. = AP Nr. 29, aaO, zu B VI der Gründe).
b)Hat der Arbeitgeber seine Unterrichtungspflicht gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG erfüllt, so gebieten es die Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Verhältnismäßigkeit, daß der Betriebsrat, wenn er trotz der vom Arbeitgeber erhaltenen Informationen meint, ohne zusätzliche sachkundige Unterstützung seine betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben nicht ordnungsgemäß wahrnehmen zu können, zunächst weitere, ihm vom Arbeitgeber gebotene Möglichkeiten der Unterrichtung durch Fachkräfte des Betriebes oder Unternehmens oder durch Vertreter des Systemherstellers oder des Systemverkäufers nutzt, ehe die kostenaufwendige Beiziehung eines Sachverständigen als erforderlich angesehen werden kann (vgl. BAG Beschluß vom 4. Juni 1987, aaO, zu B II 3 b der Gründe). Dies darf der Betriebsrat nicht von vornherein mit der pauschalen Begründung ablehnen, diese Personen besäßen nicht das Vertrauen des Betriebsrats, weil sie im Dienste des Arbeitgebers stünden und deshalb nicht als neutral oder objektiv angesehen werden könnten.
2.Dem vom Landesarbeitsgericht mangels Verfahrensrügen für den Senat bindend festgestellten Sachverhalt läßt sich nicht entnehmen, daß die Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Beantwortung der vom Betriebsrat im Antrag bezeichneten Fragen im derzeitigen Stadium der Verhandlungen zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erforderlich ist.
Über die vom Betriebsrat wie von der Arbeitgeberin als umfassend und vollständig bezeichneten Informationen hinaus befinden sich die Verhandlungen derzeit im dem Stadium, daß dem Betriebsrat von der Arbeitgeberin der Entwurf einer Rahmenbetriebsvereinbarung vorgelegt worden ist. Es ist schon nicht ersichtlich, inwieweit der Betriebsrat gegenwärtig weiterer, bei ihm nicht vorhandener Sachkunde bedarf, um seine ihm obliegenden Aufgaben erfüllen zu können. Der Betriebsrat ist über die in Frage kommenden Sachverhalte und Möglichkeiten keineswegs ohne jede Kenntnis. Vielmehr haben der Betriebsratsvorsitzende und ein weiteres Betriebsratsmitglied in der Zeit vom 16. bis 21. April 1989, also während fünf Arbeitstagen, an der Schulungsveranstaltung "EDV-Systeme am Arbeitsplatz 91/170" teilgenommen. Diese Schulungsveranstaltung befaßte sich ausdrücklich mit den Fragen der Einflußmöglichkeiten des Betriebsrats bei der Einführung einer Datenverarbeitung, mit den Grundsätzen zum innerbetrieblichen Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten, mit den rechtlichen Möglichkeiten und den technischen und organisatorischen Schutzvorkehrungen gegen Mißbrauch und mit Konsequenzen für die Arbeit des Betriebsrats unter dem Gesichtspunkt, wie eine Betriebsrahmenvereinbarung aussehen müsse, die die Interessen der Arbeitnehmer bei technologischen Veränderungen im Betrieb berücksichtigt. Zudem haben acht der neun Mitglieder des Betriebsrats eine von der Technologieberatungsstelle des DGB in Zusammenarbeit mit der IG Metall am 4. Juli 1989 ganztägig unter Leitung des Herrn J. D veranstaltete Schulung zum Thema "Informationsbedarf von Betriebsräten im Planungsprozeß technisch-organisatorischer Änderungen" besucht. Diese Schulungsmaßnahme war ohnehin nur für elf Teilnehmer insgesamt vorgesehen. Acht Teilnehmer an der Schulungsmaßnahme waren Mitglieder des antragstellenden Betriebsrats. Nach der Schulungsankündigung "erfolgte die Erarbeitung des Themas soweit als möglich exemplarisch bezogen auf Verfahren, die derzeit in Unternehmen zur Anwendung kommen bzw. in Vorbereitung sind". Insgesamt ist das Themenfeld der elektronischen Datenverarbeitung innerhalb des Betriebes für den Betriebsrat und die Arbeitnehmer des Betriebes der Arbeitgeberin nicht neu, denn es wird mit Hilfe des IBM-Großrechners elektronische Datenverarbeitung weiter praktiziert, wie es sie vor der Ausgliederung der Arbeitgeberin aus der W GmbH in demselben Betrieb gegeben hat. Die Datenverarbeitung soll lediglich auf die Größe der ausgegliederten Arbeitgeberin und deren Bedürfnisse zugeschnitten werden. Bei dieser Sachlage ist nicht zu erkennen, weshalb der Betriebsrat derzeit der Hilfe eines Sachverständigen für die Beantwortung der vom Betriebsrat im Antrag bezeichneten Fragen bedarf. Es fehlt jeder Hinweis, wo konkrete Informationsdefizite bestehen, deren Behebung derzeit erforderlich wäre. Überdies hat der Betriebsrat auch von der Möglichkeit, konkrete weitere Fragen an die von der Arbeitgeberin zu seiner Information benannten Datenverarbeitungsfachleute des Betriebes zu stellen, keinen Gebrauch gemacht. Auch dies wäre erst noch nachzuholen, bevor über die Frage entschieden werden kann, ob die Hinzuziehung eines Sachverständigen trotz der erheblichen Vorkenntnisse des Betriebsrats und der gegebenenfalls möglichen Beantwortung weiterer Fragen durch die betriebsinternen Sachkenner noch erforderlich ist.
3.Da mithin der Antrag des Betriebsrats schon mangels Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Sachverständigen unbegründet ist, kann im Streitfalle offenbleiben, ob Sachverständige im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nur solche sachkundigen Personen sein können, die interessenungebunden sind und ihre Sachkunde gleichsam wie ein neutraler Dritter zur Verfügung stellen, oder ob sie auch von ihrer beruflichen Tätigkeit her dem Interesse einer Seite - hier dem Arbeitnehmerinteresse - verpflichtet sein dürfen. Ebenso kann dahinstehen, ob der vom Betriebsrat benannte Herr Dr. W eine hinreichende Sachkunde zur Beantwortung der vom Betriebsrat bezeichneten Fragen besitzt.
IV.Insgesamt waren daher beide Anträge des Betriebsrats zurückzuweisen.
Dr. Seidensticker Dr. Steckhan Schliemann
Ruppert Metzinger
Fundstellen
BAGE 70, 1-12 (LT1-2) |
BAGE, 1 |
DB 1992, 2245-2247 (LT1-2) |
EBE/BAG 1992, 160-163 (LT1-2) |
BetrR 1993, Nr 1, 11-12 (LT1-2) |
BetrVG, (3) (LT1-2) |
CR 1993, 98-101 (ST1-3) |
JR 1993, 88 |
JR 1993, 88 (S) |
NZA 1993, 86 |
NZA 1993, 86-89 (LT1-2) |
RdA 1992, 399 |
SAE 1993, 120-123 (LT1-2) |
AP § 80 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 48 |
AR-Blattei, ES 530.14.2 Nr 133 (LT1-2) |
ArbuR 1993, 93-95 (LT1-2) |
EzA § 80 BetrVG 1972, Nr 40 (LT1-2) |
MDR 1993, 249 (LT1-2) |
NJW-CoR 1993, Nr 4, 26 (S) |
ZfPR 1993, 134 (L) |