Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang; Übertragung einer Depotverwaltung
Leitsatz (redaktionell)
1. Von der Eigenart des jeweiligen Betriebes hängt es ab, welche Betriebsmittel für seine Fortführung wesentlich sind. Die rein begriffliche Einordnung als Dienstleistungs-, Produktions- oder Mischbetrieb ist nicht entscheidend. Eine schematisch einheitliche Behandlung aller Dienstleistungsbetriebe ist nicht möglich (Fortführung der bisherigen Rechtsprechung; vgl ua BAG Urteil vom 9. Februar 1994 - 2 AZR 781/93 - DB 1994, 1144 ff = EzA § 613a BGB Nr 115 = NZA 1994, 612 = ZIP 1994, 901 ff, mwN).
2. Wird nach einer Ausschreibung die Führung eines Militärdepots, in dem zahlreiche, verschiedenartigste Ersatzteile eingelagert, gebrauchsfähig gehalten und auf Anforderung der Streitkräfte ausgeliefert werden, einem anderen Unternehmer übertragen und überlassen ihm die Streitkräfte nahezu alle erforderlichen sächlichen und immateriellen Betriebsmittel (insbesondere Grundstück, mehrere Lagerhallen, Lagereinrichtung, Fördertechnik, EDV-Anlage, Computersoftware), so liegt ein Betriebsübergang iS des § 613a BGB vor.
3. Aus § 613a Abs 1 Satz 2 BGB läßt sich nicht ableiten, daß Betriebsvereinbarungen nach einem Betriebsübergang nicht normativ fortwirken. Der Betriebserwerber tritt vielmehr in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des früheren Betriebsinhabers ein und ist an die im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen jedenfalls so lange gebunden, bis sie ihr Ende finden, etwa dadurch, daß der Betrieb seine Identität verliert und deshalb aufhört zu bestehen (im Anschluß an BAG Beschluß vom 5. Februar 1991 - 1 ABR 32/90 - BAGE 67, 168, 188 f = AP Nr 89 zu § 613a BGB, zu B IV 2c cc der Gründe).
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 4; BGB § 613a Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 23.03.1993; Aktenzeichen 9 TaBV 2/93) |
ArbG Mainz (Entscheidung vom 16.11.1992; Aktenzeichen 5 BV 19/92) |
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die O GmbH (Arbeitgeberin) in die betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung der PAE GmbH eingetreten ist.
Der antragstellende Betriebsrat wurde für ein Material- und Ersatzteillager gebildet, das in einem abgegrenzten Teil des Kasernengeländes der US-Streitkräfte in N gelegen ist. Das Depot wurde vom 1. Oktober 1987 bis 30. September 1992 von der PAE GmbH verwaltet. Als der Vertrag mit der PAE GmbH ablief und sie von den US-Streitkräften nicht mehr den Zuschlag erhielt, kündigte sie die Arbeitsverhältnisse aller Arbeitnehmer des Depots zum 30. September 1992 und schloß mit dem Betriebsrat einen Sozialplan. Die O GmbH, die den Zuschlag erhielt und das Depot ab 1. Oktober 1992 betrieb, übernahm die Mehrzahl der bisher dort tätigen Arbeitnehmer. Die Lagerhallen, die Regale, die Fördertechnik, die EDV für die Lagerverwaltung sowie ein Teil der Fahrzeuge und Gabelstapler sind Eigentum der US-Streitkräfte und der O GmbH zum Gebrauch überlassen worden. Einen Teil der im Depot genutzten Betriebsmittel hat die O GmbH selbst eingebracht.
Das Depot besteht aus 14 Lagerhallen. Dort wird von der US-Armee benötigtes Material - von Panzermotoren, Kanonenrohren und Flugzeugtragflächen bis zu Unterlegscheiben - eingelagert. Das von der US-Armee angelieferte Material wird anhand der für die Streitkräfte geltenden Gebrauchstauglichkeitsgrade ("neuwertig", "gebraucht und gebrauchsfähig", "reparaturbedürftig", "nicht mehr verwendungsfähig") klassifiziert. Soweit das angelieferte Material als Schrott anzusehen ist, wird es sofort ausgemustert. Das reparaturbedürftige Material wird zu Instandsetzungsstellen der US-Streitkräfte versandt. Um sicherzustellen, daß die eingelagerten Teile gebrauchsfähig sind und keinen Schaden nehmen, werden sie erforderlichenfalls entrostet, eingefettet, gestrichen und lackiert. Die Konservierung erfolgt in der Abteilung "Präservation" des Depots. Die für die Einlagerung größerer Materialien benötigten Kisten werden im sogenannten Box-Shop des Depots hergestellt. Die Einlagerung in die vorhandenen Regale und sonstigen Lagereinrichtungen erfolgt mit dem von der US-Armee überlassenen Fördersystem. Das Lager wird mit dem von den US-Streitkräften zur Verfügung gestellten Computersystem verwaltet. Das von den US-Dienststellen angeforderte Material wird im Depot herausgesucht und versandfertig gemacht, wobei die US-Armee das Verpackungsmaterial liefert.
Der Betriebsrat, nach dessen Auffassung ein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB vorliegt, hat, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung, beantragt
festzustellen, daß die O GmbH
ab dem 1. Oktober 1992 in die betriebsverfas-
sungsrechtliche Stellung der PAE GmbH und damit
auch in die bestehenden Betriebsvereinbarungen
eingetreten ist.
Die O GmbH hat beantragt, diesen Antrag abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs i.S. des § 613 a BGB seien nicht erfüllt. Da die Bearbeitung des eingelagerten Materials ebenso wie die Herstellung der Kisten Nebenleistungen von völlig untergeordneter Bedeutung seien, handele es sich bei dem Depot weder um einen Produktions- noch um einen Mischbetrieb, sondern um einen reinen Dienstleistungsbetrieb. Bei derartigen Betrieben seien die immateriellen Betriebsmittel Kundenstamm, Kundenlisten, Geschäftsbeziehungen zu Dritten, "know-how" und "good will" entscheidend. Eine rechtsgeschäftliche Übernahme der immateriellen Betriebsmittel habe im vorliegenden Fall nicht stattgefunden. Im Rahmen der Depotverwaltung habe die O GmbH nicht auf eigene Rechnung am Markt tätig werden und nicht in freie Kundenbeziehungen eintreten können. Sie habe in den Räumlichkeiten des Auftraggebers an Gegenständen des Auftraggebers und unter Verwendung von Betriebsmitteln des Auftraggebers Dienstleistungen erbracht. Von der PAE GmbH habe sie keine Betriebsmittel übernommen und sei auch in keine Verträge der PAE GmbH eingetreten. Die Verwendung der im Eigentum der US-Streitkräfte stehenden Betriebsmittel beruhe nicht auf einem erkauften Nutzungsrecht, sondern sei Teil der dienstvertraglichen Vorgaben des Auftraggebers. Nach einem Ausschreibungsverfahren habe sie den Zuschlag erhalten und mit den US-Streitkräften einen neuen selbständigen Dienstvertrag geschlossen, dessen Leistungsverzeichnis von dem der PAE GmbH abweiche. Da eine bloße Funktionsnachfolge nicht unter den Anwendungsbereich des § 613 a BGB falle, sei die Identität des Betriebszwecks unerheblich.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Auf die Beschwerde der O GmbH hat das Landesarbeitsgericht den Beschluß des Arbeitsgerichts abgeändert und den Antrag abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Betriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Die O GmbH beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Der noch rechtshängige Antrag des Betriebsrats ist nicht nur zulässig, sondern auch begründet.
I. Die O GmbH ist in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung der PAE GmbH eingetreten, denn nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen liegt keine Betriebsstillegung, sondern ein Betriebsübergang i.S. des § 613 a BGB vor.
1. Betriebsstillegung und Betriebsübergang schließen einander aus (vgl. u.a. BAGE 33, 94, 101 = AP Nr. 8 zu § 15 KSchG 1969, zu A III 1 der Gründe; BAGE 54, 215, 231 = AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu IV 1 der Gründe; BAG Urteil vom 28. April 1988 - 2 AZR 623/87 - AP Nr. 74 zu § 613 a BGB, zu II der Gründe; BAG Urteil vom 18. Februar 1993 - 2 AZR 518/92 - n.v., zu B II 2 c bb der Gründe). Eine Betriebsstillegung setzt neben der vollständigen Aufgabe des Betriebszwecks die Einstellung der Betriebstätigkeit und die Auflösung der Betriebseinheit von materiellen, immateriellen und personellen Mitteln voraus (BAG Urteil vom 19. Juni 1991 - 2 AZR 127/91 - AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 1 der Gründe). Bleibt jedoch die Identität des Betriebs gewahrt und findet lediglich ein rechtsgeschäftlicher Betriebsinhaberwechsel statt, so wird der Betrieb nicht stillgelegt (vgl. u.a. BAGE 47, 13, 22 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB, zu B III 2 der Gründe; BAG Urteil vom 28. April 1988 - 2 AZR 623/87 - AP Nr. 74 zu § 613 a BGB, zu II der Gründe).
Im vorliegenden Fall haben die US-Streitkräfte seit 1. Oktober 1987 private Rechtsträger mit der Verwaltung des Ersatzteillagers betraut. Mit der Beendigung des Vertrags zwischen der PAE GmbH und den US-Streitkräften sollte das Depot nicht aufgelöst werden. Die US-Streitkräfte konnten ab diesem Zeitpunkt entweder das Depot wie früher selbst betreiben oder erneut die PAE GmbH oder einen anderen privaten Rechtsträger mit der Führung des Depots beauftragen.
2. Wie bereits der Zweite Senat in seinen Urteilen vom 14. Juli 1994 (- 2 AZR 55/94 -, n. v. und - 2 AZR 86/94 -, n. v.) ausgeführt hat, stellt die Beauftragung der O GmbH einen Betriebsübergang i.S. des § 613 a BGB dar. Der Siebte Senat teilt diese Auffassung, mit der die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fortgeführt wird.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verwendet § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB den allgemeinen Betriebsbegriff. Danach machen die übernommenen sächlichen und immateriellen Betriebsmittel schon dann einen Betrieb aus, wenn der neue Inhaber mit ihnen und mit Hilfe der Arbeitnehmer bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgen kann (vgl. u.a. BAGE 35, 104, 106 = AP Nr. 24 zu § 613 a BGB, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 4. März 1993 - 2 AZR 507/92 - AP Nr. 101 zu § 613 a BGB, zu C II 1 der Gründe, m.w.N.). Dabei ist es nicht erforderlich, daß alle Wirtschaftsgüter, die zu dem Betrieb des alten Inhabers gehörten, auf den neuen Betriebsinhaber übergehen. Unwesentliche Teile des Betriebsvermögens bleiben außer Betracht (vgl. u.a. BAGE 48, 365, 371 = AP Nr. 42 zu § 613 a BGB, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 29. September 1988 - 2 AZR 107/88 - AP Nr. 76 zu § 613 a BGB, zu II 1 a der Gründe; BAG Urteil vom 9. Februar 1994 - 2 AZR 781/93 - DB 1994, 1144 f. = EzA § 613 a BGB Nr. 115 = ZIP 1994, 901 ff. = NZA 1994, 612, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu III 1 der Gründe). Nach diesen Grundsätzen liegt ein Betriebsübergang vor.
b) Die O GmbH unterhält ebenso wie vorher die PAE GmbH auf dem Kasernengelände in N einen Betrieb. Das auf einem abgegrenzten Teil des Kasernengeländes errichtete Depot, in dem über 200 Arbeitnehmer beschäftigt werden, ist eine organisatorische Einheit und dient dem arbeitstechnischen Zweck, das für die US-Armee aufbewahrte Material zu ordnen, aufzubereiten, zu lagern und auf Anforderung auszuliefern. Dieser Betriebszweck wird mit Hilfe zahlreicher, aufwendiger sächlicher (Lagerhallen, Regale, Fördereinrichtungen, EDV-Anlagen, Gabelstapler, Fahrzeuge etc.) und immaterieller Betriebsmittel (insbesondere Computersoftware) verfolgt. Selbst wenn das Depot nicht als Betrieb, sondern lediglich als selbständiger Betriebsteil anzusehen wäre, würde sich im Ergebnis nichts ändern, weil § 613 a BGB auch für den Übergang von Betriebsteilen gilt.
c) Die O GmbH hat die für den Betrieb bzw. Betriebsteil wesentlichen Betriebsmittel übernommen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Depot mehr als Dienstleistungs- oder mehr als Produktionsbetrieb anzusehen ist.
aa) Während bei Produktionsbetrieben in der Regel die Übernahme der sächlichen Betriebsmittel entscheidend ist, sind bei Handels- und Dienstleistungsbetrieben meist die immateriellen Betriebsmittel wie Kundenstamm, Kundenlisten, die Geschäftsbeziehungen zu Dritten, das "know-how" und der "good will" sowie die Einführung des Unternehmens auf dem Markt ausschlaggebend (vgl. u.a. BAGE 49, 102, 105 = AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG, zu I 1 b der Gründe; BAG Urteil vom 18. Oktober 1990 - 2 AZR 172/90 - AP Nr. 88 zu § 613 a BGB, zu B II 2 b aa der Gründe; BAG Urteil vom 9. Februar 1994 - 2 AZR 781/93 - DB 1994, 1144 f. = EzA § 613 a BGB Nr. 115 = ZIP 1994, 901 ff. = NZA 1994, 612 ff., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu III 1 a der Gründe). Vor allem wenn persönliche Dienstleistungen im Vordergrund stehen, können die sächlichen Betriebsmittel von völlig untergeordneter Bedeutung sein. Die Frage, welche Bedeutung den einzelnen sächlichen und immateriellen Betriebsmitteln beizumessen ist, läßt sich jedoch auch bei Dienstleistungsbetrieben nur nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände beantworten. Insbesondere kommt es auf den Inhalt und den Umfang der zu erbringenden Dienstleistungen an. Für die Bedeutung der Betriebsmittel können der Investitionsaufwand sowie die Austauschbarkeit und Häufigkeit einer Ersatzbeschaffung wichtige Anhaltspunkte liefern.
Demnach ist die rein begriffliche Einordnung des Betriebs nicht entscheidend. Vielmehr hängt es von der Eigenart des jeweiligen Betriebs ab, welche Betriebsmittel für seine Fortführung wesentlich sind (vgl. BAG Urteil vom 29. September 1988 - 2 AZR 107/88 - AP Nr. 76 zu § 613 a BGB, zu II 1 b der Gründe; BAG Urteil vom 25. April 1991 - 2 AZR 452/90 - n.v.; BAG Urteil vom 20. Januar 1994 - 2 AZR 489/93 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, zu B III 2 b (1) der Gründe; BAG Urteil vom 9. Februar 1994 - 2 AZR 781/93 - DB 1994, 1144 f. = EzA § 613 a BGB Nr. 115 = ZIP 1994, 901 ff. = NZA 1994, 612 ff., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu III 1 a der Gründe). Eine schematisch einheitliche Behandlung aller Dienstleistungsbetriebe ist nicht möglich.
bb) Beim Depotbetrieb in N steht das Lagern, Auffinden und Ausliefern der zahlreichen, verschiedenartigen Ersatzteile im Vordergrund. Zutreffend hat die O GmbH in ihren Formulararbeitsverträgen und Zeitungsannoncen von einem "Lagerungs- und Versandbetrieb" gesprochen. Sie kann die ihr übertragenen umfangreichen Aufgaben nur erledigen, wenn sie über große Lagerkapazitäten und eine ausgefeilte Logistik verfügt. Vor allem werden ein entsprechendes Grundstück, Lagerhallen, Lagereinrichtungen, Fördertechnik und eine EDV-Anlage mit einer leistungsfähigen, bedarfsgerechten Software benötigt. Die US-Streitkräfte sind Eigentümer dieser wesentlichen Betriebsmittel und stellen sie dem jeweiligen Betreiber des Depots zur Verfügung. Die O GmbH hat nur einen Teil der eingesetzten Fahrzeuge und Gabelstapler eingebracht. Ihre eigenen Betriebsmittel sind für den Depotbetrieb lediglich von untergeordneter Bedeutung.
Das Landesarbeitsgericht hat die Bedeutung der von den US-Streitkräften zur Verfügung gestellten Betriebsmittel für die Fortführung des Depots unterschätzt. Die US-Streitkräfte haben der O GmbH einen funktionsfähigen Betrieb überlassen. Sie konnte mit den übernommenen Betriebsmitteln die bisherigen arbeitstechnischen Zwecke weiterverfolgen und das Depot im wesentlichen unverändert fortführen.
cc) Die O GmbH beschäftigt zudem den Großteil der früher bei der PAE GmbH tätigen Arbeitnehmer weiter und betreibt das Ersatzteillager weitestgehend mit dem gleichen Personal. Die Arbeitnehmer selbst gehören zwar nicht zum Betrieb i.S. des § 613 a BGB. Im Einzelfall können jedoch die Fachkenntnisse eingearbeiteter Mitarbeiter für eine erfolgreiche Fortführung des alten Betriebs ausschlaggebend sein (vgl. BAGE 49, 102, 105 f. = AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG, zu I 1 b der Gründe). Jedenfalls kann die im allseitigen Einverständnis erfolgte Übernahme des oder der Know-how-Träger ein zusätzliches, starkes Indiz für eine Betriebsübernahme nach § 613 a BGB sein (BAG Urteil vom 9. Februar 1994 - 2 AZR 781/93 - DB 1994, 1144 f. = EzA § 613 a BGB Nr. 115 = ZIP 1994, 901 ff. = NZA 1994, 612 ff., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu III 1 b der Gründe, m.w.N.).
Die O GmbH mußte in dem Depot die Ersatzteile nach detaillierten Vorschriften der US-Streitkräfte so vorhalten, daß sie, notfalls auch bei einem Kriegseinsatz rasch und zuverlässig gebrauchsfähiges Material ausliefern konnte. Mit Schreiben vom 4. September 1992 wandte sie sich an alle Arbeitnehmer der PAE GmbH und teilte ihnen mit, sie beabsichtige, so viele der gegenwärtigen Mitarbeiter der PAE GmbH wie möglich einzustellen, um das im Vertrag mit der US-Armee verlangte qualifizierte Personal zu bekommen. Dieses Schreiben deutet darauf hin, daß den Erfahrungen der bisher bei der PAE GmbH beschäftigten Arbeitnehmer für die Fortführung des Depotbetriebes erhebliche Bedeutung zukam.
Den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts läßt sich zwar nicht im einzelnen entnehmen, über welche Fachkenntnisse die übernommenen Arbeitnehmer verfügten und wie leicht oder schwer die Arbeitskräfte austauschbar waren. Diese Frage kann jedoch offenbleiben. Im vorliegenden Fall kommt es nicht darauf an, inwieweit das für die Betriebsführung notwendige know-how in einer eingespielten Belegschaft oder in den für die Lagerverwaltung benötigten Computerprogrammen verkörpert war. Die O GmbH hat sowohl den Großteil der bisher bei der PAE GmbH beschäftigten Arbeitnehmer als auch die für die Lagerverwaltung entwickelten Computerprogramme übernommen.
b) Die Urteile des Zweiten Senats vom 29. September 1988 (- 2 AZR 107/88 - AP Nr. 76 zu § 613 a BGB), vom 18. Oktober 1990 (- 2 AZR 172/90 - AP Nr. 88 zu § 613 a BGB) und vom 27. März 1991 (- 2 AZR 353/90 (A) - n.v.) führen zu keiner anderen Beurteilung. Das Urteil vom 29. September 1988 befaßte sich mit der Beauftragung eines anderen Bewachungsunternehmens aufgrund einer Neuausschreibung nach Ablauf des früheren Bewachungsvertrages, das Urteil vom 18. Oktober 1990 mit der Neuvergabe von Reinigungsarbeiten in der Spülküche eines Zentralkrankenhauses und das Urteil vom 27. März 1991 mit der Neuvergabe eines Auftrags zur Flughafenreinigung. In diesen Fällen bildete allein die Vertragsbeziehung zum Kunden das wesentliche Betriebsmittel. Die den Auftragnehmern zur Verfügung gestellten Gegenstände waren von völlig untergeordneter Bedeutung und stellten nicht das für die Fortführung dieser Betriebe notwendige Substrat dar. Wenn bei einem reinen Dienstleistungsbetrieb ohne wesentliche sächliche Betriebsmittel der einzige Kundenauftrag wegfiel, hat das Bundesarbeitsgericht bislang eine Betriebsschließung und eine anschließende Neueröffnung des Betriebs durch den neuen Vertragspartner des Kunden angenommen. Inwieweit diese Rechtsprechung mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14. April 1994 (- RS C 392/92 - Christel Schmidt ./. Spar- und Leihkasse der früheren Ämter Bordesholm, Kiel und Cronshagen, EuGHE I 1994, S. 1311 ff.) zu vereinbaren ist, einer Korrektur bedarf oder eine erneute Vorlage an den Europäischen Gerichtshof angebracht ist, kann offenbleiben. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um einfache Reinigungsarbeiten oder Bewachungstätigkeiten, für deren Durchführung nur der Kundenauftrag wesentlich ist. Für den vorliegenden Depotbetrieb, der den vielfältigen wehrtechnischen Leistungsanforderungen der US-Armee Rechnung tragen mußte, waren zahlreiche sächliche und immaterielle Betriebsmittel nötig, die der O GmbH von den US-Streitkräften überlassen wurden.
c) Das von der O GmbH betriebene Depot ist nicht anders zu behandeln wie ein Auslieferungslager, in dem Ware gelagert, durch entsprechendes Zusammenstellen zur Auslieferung vorbereitet und versandfertig gemacht wird. Im Urteil vom 9. Februar 1989 (2 AZR 405/88, n.v.) hat der Zweite Senat entschieden, daß ein derartiges Auslieferungslager ein nach § 613 a BGB übergangsfähiger Betriebsteil sein kann.
d) Zwar ist es richtig, daß der Betreiber des Depots nur das von den US-Streitkräften angelieferte Material lagern darf, den Betrieb auf die Bedürfnisse der Armee ausrichten muß und sich nicht auf dem freien Markt als Lagerunternehmer selbst Kunden suchen kann. Dies ändert aber am Betriebsübergang nichts. Wie der Zweite Senat im Urteil vom 9. Februar 1994 (- 2 AZR 666/93 -, DB 1994, 1731 = EzA § 613 a BGB Nr. 116 = NZA 1994, 686 = ZIP 1994, 1041, zu II 3 e der Gründe) ausgeführt hat, scheitert ein Betriebsübergang nicht daran, daß im übernommenen Betrieb keine Fremdaufträge ausgeführt werden dürfen. Ein Tatbestandsmerkmal, das den Anwendungsbereich des § 613 a BGB für derartige Fallgestaltungen einschränkt, fehlt.
e) Die Tätigkeit ausschließlich für einen Auftraggeber beruht im vorliegenden Fall darauf, daß die US-Armee die Führung ihres Depots ohne Veränderung des Betriebszwecks einem privaten Unternehmer übertrug. Die Identität des Betriebs blieb erhalten. Lediglich der Betriebsinhaber wechselte. Der bisherige Betriebszweck wurde nicht dadurch aufgegeben, daß die US-Armee im Vertrag mit der O GmbH das früher mit der PAE GmbH vereinbarte Leistungsverzeichnis erweiterte.
3. Die Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel erfolgte auch durch Rechtsgeschäft.
a) Das in § 613 a BGB verwandte Tatbestandsmerkmal "Rechtsgeschäft" ist weit auszulegen. Ausgeklammert werden sollen Betriebsübergänge kraft Gesetzes oder kraft Hoheitsakts (BAG Urteil vom 4. März 1993 - 2 AZR 507/92 - AP Nr. 101 zu § 613 a BGB, zu C II 4 a der Gründe, m.w.N.). § 613 a BGB setzt keine rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen der PAE GmbH als früherem und der O GmbH als neuem Betriebsinhaber voraus (vgl. u.a. BAGE 48, 365, 373 = AP Nr. 42 zu § 613 a BGB, zu II 3 b der Gründe; BAGE 48, 376, 383 = AP Nr. 43 zu § 613 a BGB, zu B II 3 der Gründe; BAG Urteil vom 4. März 1993, aaO, zu C II 4 c der Gründe). Einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang steht nicht entgegen, daß er durch Zwischenschaltung weiterer Personen und damit durch eine Kette von Rechtsgeschäften erfolgt.
b) Die PAE GmbH konnte die den US-Streitkräften gehörenden Betriebsmittel aufgrund des zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnisses nur vorübergehend nutzen. Mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses war die PAE GmbH zur Rückgabe der ihr überlassenen Betriebsmittel verpflichtet. Die US-Streitkräfte, die einen funktionsfähigen Betrieb zurückerhielten, räumten der O GmbH vertraglich das Recht ein, die wesentlichen Betriebsmittel zu nutzen. Der Übergang des Betriebs von der PAE GmbH über die US-Streitkräfte an die O GmbH beruht damit auf hintereinander geschalteten Rechtsgeschäften. Dies reicht ebenso aus wie die Weiterverpachtung an einen neuen Pächter nach Beendigung des Pachtvertrages mit dem früheren Pächter (vgl. BAG Urteil vom 25. Februar 1981 - 5 AZR 991/78 - BAGE 35, 104, 107 ff. = AP Nr. 24 zu § 613 a BGB, zu 2 der Gründe).
II. Die O GmbH als Betriebserwerber ist in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des bisherigen Betriebsinhabers eingetreten. Dies gilt auch für die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Betriebsvereinbarungen, die der bisherige Betriebsinhaber mit dem Betriebsrat abgeschlossen hat. Zwar bestimmt § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB, daß Rechte und Pflichten, die durch eine Betriebsvereinbarung geregelt sind, Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Betriebsinhaber und dem Arbeitnehmer werden und grundsätzlich nicht vor Ablauf eines Jahres zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden dürfen. Daraus läßt sich aber nicht ableiten, daß die Betriebsvereinbarungen nach einem Betriebsinhaberwechsel nicht normativ fortwirken, sondern lediglich Inhalt der Arbeitsverträge werden und nur einen gewissen Schutz gegenüber individualrechtlichen Abänderungen zum Nachteil des Arbeitnehmers genießen (so aber Thiele, GK-BetrVG, 3. Aufl., § 77 Rz 210; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 65; KR-M.Wolf, 3. Aufl., § 613 a BGB Rz 90; Gaul, ZTR 1989, 432, 436 f.; Wank, NZA 1987, 505, 507 f.; Wiesner, BB 1986, 1636, 1637). Vielmehr können die Betriebsvereinbarungen auch bei einem Betriebsinhaberwechsel normativ weitergelten (BAG Beschluß vom 5. Februar 1991 - 1 ABR 32/90 - BAGE 67, 168, 188 f. = AP Nr. 89 zu § 613 a BGB, zu B IV 2 c cc der Gründe; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 77 Rz 59; Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 327 ff.; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 77 Rz 226; Stege/Weinspach, BetrVG, 7. Aufl., § 77 Rz 34; Erman/Hanau, BGB, 9. Aufl., § 613 a Rz 79; MünchKomm-Schaub, BGB, 2. Aufl., § 613 a Rz 90 und 103 f.; RGRK-Ascheid, BGB, 12. Aufl., § 613 a Rz 182; Soergel/Kraft, BGB, 12. Aufl., § 613 a Rz 23; Staudinger/Richardi, BGB, 12. Aufl., § 613 a Rz 165 f.; Hanau/Vossen in Festschrift für Hilger/Stumpf, 1983, S. 271, 274 f.; Jung, RdA 1981, 360, 362; Knigge, BB 1980, 1272, 1276). Da der Betriebserwerber in die Rechtsstellung des bisherigen Betriebsinhabers eintritt, ist er an die im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen jedenfalls so lange gebunden, bis sie ihr Ende finden, etwa dadurch, daß der Betrieb seine Identität verliert und deshalb aufhört zu bestehen. Mit der Identität des Betriebs bleibt die entscheidende Grundlage für die Fortgeltung der Betriebsvereinbarungen aufrechterhalten. § 613 a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB ist ein Auffangtatbestand, der Lücken im Betriebsverfassungs- und Tarifrecht schließen soll. § 613 a BGB dient nicht dazu, die Rechtsstellung des Betriebsrats und der Arbeitnehmer einzuschränken. Diese Vorschrift sollte eine zusätzliche Sicherung bieten, nicht aber die ohnehin bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Bindungen lockern.
Weller Schliemann Kremhelmer
Kordus Dr. Sponer
Fundstellen
BB 1995, 570 |
BB 1995, 570-573 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
DB 1995, 431-432 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
NJW 1995, 3270 (Leitsatz) |
BetrVG, (21) (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
WiB 1995, 338-339 (Leitsatz und Gründe) |
BetrAV 1995, 86 (Leitsatz 1,3 und Gründe) |
EWiR 1995, 237 (Leitsatz) |
NZA 1995, 222-225 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
ZAP, EN-Nr 162/95 (red. Leitsatz) |
ZIP 1995, 235 |
ZIP 1995, 235-239 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
AP § 613a BGB (Leitsatz 1-3 und Gründe), Nr 118 |
AR-Blattei, ES 500 Nr 106 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
ArbuR 1995, 156-158 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
EzA § 613a BGB, Nr 123 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |