Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Feststellungsklage
Orientierungssatz
Wirkt sich eine höhere tarifliche Mindestvergütung auf Grund eines angeblichen Anspruchs auf Höhergruppierung infolge weit übertariflicher Entlohnung nicht auf das Arbeitsverhältnis aus, ist eine Höhergruppierungsfeststellungsklage mangels Feststellungsinteresses unzulässig (Vergleiche BAG vom 20. Februar 1959 1 AZR 472/56 = AP Nr 19 zu § 256 ZPO, vom 12. November 1959 2 AZR 650/57 = AP Nr 24 zu § 256 ZPO, vom 8. Februar 1963 1 AZR 511/61 = AP Nr 42 zu § 256 ZPO, vom 27. Oktober 1970 4 AZR 485/69 = AP Nr 46 zu § 256 ZPO).
Normenkette
ZPO § 256
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 15.08.1986; Aktenzeichen 1 Sa 10/86) |
ArbG Ulm (Entscheidung vom 25.02.1986; Aktenzeichen 3 Ca 331/85 R) |
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten zum Steinmetz ausgebildet worden und arbeitet nach erfolgreich abgelegter Gesellenprüfung ab 22. Juni 1977 als Steinmetz in der Schrifthauerei der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Steine- und Erden-Industrie in Baden-Württemberg Anwendung. Der Kläger erhielt nach dem bis zum 31. März 1985 geltenden Rahmentarifvertrag Lohn nach Lohngruppe 5. Ab 1. April 1985 ist ein neuer Rahmentarifvertrag in Kraft getreten, der eine weitere Lohngruppe 6 vorsieht. Der Kläger wurde nach vorangegangenen Beratungen mit dem Betriebsrat und Vertretern der tarifschließenden Parteien weiterhin in Lohngruppe 5 eingestuft und erhielt danach einen Tariflohn von 2.440,-- DM, eine übertarifliche Zulage in Höhe von 340,-- DM und demgemäß ein monatliches Fixum in Höhe eines Gesamtlohnes von 2.789,-- DM. Dabei wurde zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart, daß die übertarifliche Zulage eine freiwillige Leistung der Firma ist, die jederzeit nach freiem Ermessen widerrufen und angerechnet werden kann.
Der Kläger vertritt die Auffassung, daß ihm ab 1. April 1985 Lohn nach der neuen Lohngruppe 6 zustehe, da er entsprechend den Merkmalen dieser Lohngruppe mit seiner überwiegenden Tätigkeit auf Anweisung selbständig arbeite.
Der Kläger hat demgemäß beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,
dem Kläger mit Wirkung ab 1. April 1985 Tarifvergütung
nach Lohngruppe 6 des seit 1. April 1985
gültigen Rahmentarifvertrages für die gewerblichen
Arbeitnehmer der Steine- und Erden-Industrie in
Baden-Württemberg zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß der Kläger tarifgerecht vergütet werde. Einen automatischen Übergang von der alten Lohngruppe 5 in die neue Spitzenlohngruppe 6 gebe es nicht. Die Fähigkeit, Steinmetzarbeiten selbständig zu verrichten, gehöre zum Berufsbild des Steinmetzen und sei daher auch für die neue Lohngruppe 5 zutreffend. Die neue Lohngruppe 6 sei nur solchen Steinmetzen vorbehalten, die nach allgemeiner Anweisung des Auftrags ohne jede Rückfrage beim Meister oder Betriebsinhaber selbständig arbeiteten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision mit der Maßgabe, daß die Klage des Klägers als unzulässig abgewiesen werde. Sie erklärt ausdrücklich, daß sie einen eventuell höheren tariflichen Lohnanspruch des Klägers auf die übertarifliche Zulage anrechnen wolle.
Entscheidungsgründe
Die Revision war mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Klage als unzulässig abzuweisen war. Der Klage fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
Wenn das Landesarbeitsgericht ausführt, dem Feststellungsantrag fehle es nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse, weil das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis prozeßökonomisch sinnvoll durch das Feststellungsbegehren geklärt werde und davon auszugehen sei, daß die Beklagte einem rechtskräftigen Feststellungsurteil in gleicher Weise nachkommen werde wie einem entsprechenden auf Zahlung der rückständigen und künftigen Leistungen gerichteten Leistungsurteil, so verkennt das Landesarbeitsgericht dabei, daß eine solche Zahlungsklage und Klage auf künftige Leistung im vorliegenden Falle dem Kläger gar nicht möglich ist. Es ist zwar richtig, daß auch gegenüber der Beklagten ein Feststellungsinteresse dann gegeben ist, wenn das Feststellungsurteil nicht nur bestehende Ansprüche auf Zahlung eines höheren Lohnes erfaßt, sondern auch zukünftige Ansprüche des Klägers auf höhere Löhne klären würde, zumal der Kläger für diese einen bezifferten Leistungsantrag wegen künftiger Lohnänderungen noch gar nicht stellen kann. Ein solcher Leistungsantrag und ein Antrag auf Zahlung von Rückständen oder künftige Leistung ist aber im vorliegenden Falle, was das Landesarbeitsgericht offensichtlich übersehen hat, deshalb nicht möglich, weil der Kläger ohnehin bereits einen übertariflichen Lohn erhält, der den Tariflohn der Lohngruppe 6 übersteigt, also faktisch so gestellt ist, wie er mit seiner Feststellungsklage rechtlich und wirtschaftlich gestellt zu werden begehrt.
Nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen steht dem Kläger ein Gesamtlohn von 2.789,-- DM zu. Dieser Lohn enthält eine übertarifliche Zulage in Höhe von 340,-- DM, die auf jede Erhöhung des tariflichen Lohnes angerechnet werden kann. Damit wirkt sich aber die Höhergruppierung des Klägers von Lohngruppe 5 nach Lohngruppe 6 überhaupt nicht aus. Die monatliche Lohndifferenz betrug zunächst ab 1. April 1985 nur 89,96 DM. Auch unter Berücksichtigung zwischenzeitlich in den Jahren 1986 und 1987 eingetretener Tariflohnerhöhungen wird der tatsächlich gezahlte Gesamtlohn des Klägers in Höhe von 2.789,-- DM monatlich durch Eingruppierung in die Lohngruppe 6 nicht berührt. Das gilt sogar noch für die nächsten Jahrzehnte, selbst wenn man von einer jährlichen Lohnerhöhung von 10 % ausgeht, so daß es auch an dem gesetzlichen Erfordernis eines Interesses an "alsbaldiger" gerichtlicher Feststellung gemäß § 256 Abs. 1 ZPO fehlt.
Wirkt sich aber damit die Höhergruppierung auf den Lohn des Klägers überhaupt nicht aus, und konnten auch die Parteien in der Revisionsinstanz nicht erklären, daß eine Lohnerhöhung Platz greifen würde, bestand vielmehr die Beklagte ausdrücklich auf der Anrechnungsmöglichkeit, so fehlt für den vorliegenden Rechtsstreit das Feststellungsinteresse. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß ein Feststellungsinteresse dann nicht besteht, wenn die verlangte Feststellung den Lohnanspruch nicht verändert und eine Änderung der tariflichen Mindestentlohnung gegenwärtig und in naher Zukunft für das Arbeitsverhältnis belanglos ist (BAG vom 20. Februar 1959 - 1 AZR 472/56 -, AP Nr. 19 zu § 256 ZPO, vom 12. November 1959 - 2 AZR 650/57 -, AP Nr. 24 zu § 256 ZPO, vom 8. Februar 1963 - 1 AZR 511/61 -, AP Nr. 42 zu § 256 ZPO, vom 27. Oktober 1970 - 4 AZR 485/69 -, AP Nr. 46 zu § 256 ZPO). Das gilt nach der Rechtsprechung des Senats sogar dann, wenn die Eingruppierung und tarifliche Mindestvergütung sich in Zukunft nach dem Bewährungsaufstieg auf das Arbeitsverhältnis auswirken könnte (vgl. BAGE 34, 57, 58 = AP Nr. 14 zu § 23 a BAT). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Es würde zu einer mit § 256 ZPO nicht zu vereinbarenden Inanspruchnahme der Gerichte mit Feststellungsklagen führen, wenn ein Arbeitnehmer wegen möglicherweise einmal eintretender Veränderungen Feststellungsklage über die tarifliche Mindestentlohnung schon zu einem Zeitpunkt erheben könnte, zu dem diese Frage gegenwärtig und in naher Zukunft für das Arbeitsverhältnis rechtlich und wirtschaftlich belanglos ist. Die Gerichte für Arbeitssachen würden dadurch gezwungen, ihrer Funktion widersprechend Rechtsgutachten über die tariflichen Voraussetzungen einer sich auf das Arbeitsverhältnis nicht auswirkenden tariflichen Mindestentlohnung zu erstatten. Ein solches Rechtsgutachten kann von den Gerichten nicht verlangt werden.
Ist aber damit die Klage unzulässig, war die Revision mit dieser Maßgabe und der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Feller
Dr. Koffka Prieschl
Fundstellen