Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigungen. Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes
Orientierungssatz
1. Für das Überschreiten des Schwellenwertes gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 bzw. Satz 3 KSchG trägt der Arbeitnehmer die Beweislast. Einer größeren Sachnähe des Arbeitgebers und etwaigen Beweisschwierigkeiten des Arbeitnehmers ist durch eine abgestufte Darlegungslast Rechnung zu tragen.
2. Die einen Betrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG konstituierende Leitungsmacht wird dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbstständig ausgeübt wird. Entscheidend ist, wo schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden. Entsprechend der Unterscheidung zwischen „Betrieb” und „Unternehmen” in § 1 Abs. 1 KSchG ist der Betriebsbegriff auch in § 23 Abs. 1 KSchG nicht mit dem des Unternehmens gleichzusetzen.
3. Der Betriebsbezug des § 23 Abs. 1 KSchG ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange dadurch nicht angesichts der vom Arbeitgeber geschaffenen konkreten Organisation die gesetzgeberischen Erwägungen für die Privilegierung von Kleinbetrieben bei verständiger Betrachtung ins Leere gehen und die Bestimmung des Betriebsbegriffs nach herkömmlicher Definition zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung betroffener Arbeitnehmer führt. Die Durchbrechung des Betriebsbezugs des Schwellenwerts ist demnach nicht schon immer dann geboten, wenn sich das Unternehmen zwar in mehrere kleine, organisatorisch verselbständigte Einheiten gliedert, insgesamt aber mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt.
Normenkette
KSchG § 23 Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 2-3
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Schlussurteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. April 2016 – 10 Sa 887/15, 10 Sa 2231/15 – aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 23. April 2015 – 7 Ca 300/14 – wird auch insoweit zurückgewiesen, wie über sie nicht durch das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts BerlinBrandenburg vom 22. Oktober 2015 – 10 Sa 887/15, 10 Sa 932/15 – entschieden ist.
3. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Beklagte zu 61 % und der Kläger zu 39 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer ordentlicher Kündigungen.
Die Beklagte ist eine konzernunabhängige Fondsgesellschaft. Sie unterhält zwei Betriebsstätten in H und M. Der Kläger war bei ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit Juli 2011 als Vertriebsleiter beschäftigt.
Bei der Beklagten waren im Februar/März 2014 neben dem Kläger insgesamt acht Mitarbeiter in Vollzeit sowie ein Mitarbeiter mit neun Arbeitsstunden wöchentlich beschäftigt. Darüber hinaus war im H Büro eine Mitarbeiterin als Leiterin Fondsmanagement tätig, deren Beschäftigungsumfang zwischen den Parteien streitig gewesen ist. Arbeitsvertraglich war zwischen ihr und der Beklagten eine Arbeitszeit von 15 Stunden wöchentlich, mit Wirkung ab März 2014 von 18 Stunden wöchentlich vereinbart. Mit ihrem Gehalt sollten monatlich bis zu acht Überstunden abgegolten sein.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 6. Februar, 21. Februar und 4. März 2014 jeweils außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. September 2014.
Gegen diese Kündigungen hat sich der Kläger mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt und weitere Ansprüche erhoben. Durch mittlerweile rechtskräftig gewordenes Teilurteil des Landesarbeitsgerichts steht ua. fest, dass die außerordentlichen Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst haben. Bezogen auf die von der Beklagten hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen hat der Kläger geltend gemacht, sie seien sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung. Die Beklagte betreibe einen einheitlichen Betrieb mit regelmäßig mehr als zehn Beschäftigten. Die Leiterin Fondsmanagement arbeite tatsächlich mehr als 20 Stunden wöchentlich.
Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 6. Februar 2014, 21. Februar 2014 und 4. März 2014 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Sie hat gemeint, der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes sei nicht eröffnet. Bei den beiden Betriebsstätten in H und M handele es sich um eigenständige Betriebe, in denen jeweils deutlich weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigt seien.
Das Arbeitsgericht hat die Klage in Bezug auf die ordentlichen Kündigungen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben und den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Diese ist unbegründet. Das kann der Senat selbst abschließend entscheiden.
I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Rechtswirksamkeit der von der Beklagten hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen vom 6. Februar 2014, 21. Februar 2014 und 4. März 2014 sowie der darauf bezogene Auflösungsantrag der Beklagten. Die Revision ist insoweit vom Landesarbeitsgericht, entgegen der Auffassung des Klägers, ohne Beschränkung auf einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes zugelassen worden.
II. Der Kündigungsschutzantrag ist unbegründet. Bereits die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 6. Februar 2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2014 aufgelöst. Der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes fand gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Andere Gründe für eine Unwirksamkeit der Kündigung als ihre mangelnde soziale Rechtfertigung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG hat der Kläger nicht geltend gemacht. Auf die Wirksamkeit der weiteren Kündigungen zum 30. September 2014 kommt es demnach nicht mehr an.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Mitarbeiterin B sei bei der Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer gem. § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG mit einem Wert von mehr als 0,5 zu zählen. Das Berufungsgericht ist dabei von unzutreffenden Grundsätzen für die Verteilung der Beweislast ausgegangen. Es hat dahinstehen lassen, wie viele Stunden wöchentlich Frau B tatsächlich für die Beklagte erbracht hat und es für ausreichend gehalten, dass die Beklagte nicht bewiesen habe, dies seien regelmäßig nur 20 oder weniger Stunden gewesen. Bereits dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Berufungsurteils. Für das Überschreiten des Schwellenwertes gem. § 23 Abs. 1 Satz 2 bzw. Satz 3 KSchG trägt der Arbeitnehmer die Beweislast. Einer größeren Sachnähe des Arbeitgebers und etwaigen Beweisschwierigkeiten des Arbeitnehmers ist durch eine abgestufte Darlegungslast Rechnung zu tragen (im Einzelnen BAG 23. Oktober 2008 – 2 AZR 131/07 – Rn. 29 f.; 26. Juni 2008 – 2 AZR 264/07 – Rn. 15 ff., BAGE 127, 102). An dieser Auffassung hält der Senat fest. Das angefochtene Urteil enthält keine Argumente, mit denen sich der Senat nicht bereits auseinandergesetzt hat.
2. Es kann dahinstehen, ob der Senat selbst abschließend entscheiden könnte, dass der Kläger auch nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast keine hinreichenden Anhaltspunkte vorgetragen hat, die entgegen dem Vorbringen der Beklagten für einen regelmäßigen Beschäftigungsumfang von Frau B von mehr als 20 Stunden wöchentlich sprachen. Der Kläger hat jedenfalls nicht in der erforderlichen Weise dargelegt, dass die Betriebsstätten der Beklagten in H und M einen einheitlichen Betrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG bildeten. Der Schwellenwert gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG war in den Betriebsstätten für sich genommen selbst bei voller Berücksichtigung der Mitarbeiterin B unstreitig jeweils nicht erreicht. Mit dem von ihm nicht in ausreichender Weise bestrittenen und damit gem. § 138 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO als zugestanden geltenden Vorbringen der Beklagten ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich bei den Betriebsstätten in H und M um eigenständige Betriebe iSd. § 23 Abs. 1 KSchG handelte. Besondere Umstände, die in verfassungskonformer Auslegung von § 23 Abs. 1 KSchG ausnahmsweise ein Abstellen auf die Unternehmensgröße erforderten, sind weder vorgetragen noch objektiv ersichtlich.
a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gelten in Betrieben, in denen in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden, die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes mit Ausnahme von dessen §§ 4 bis 7, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis – wie hier – nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat.
b) § 23 Abs. 1 KSchG enthält ebenso wie das gesamte Kündigungsschutzgesetz keine eigene Definition des Betriebsbegriffs. Es gilt daher im Wesentlichen derjenige des § 1 BetrVG. Danach ist der Betrieb die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt (zuletzt BAG 19. Juli 2016 – 2 AZR 468/15 – Rn. 12). Dies setzt einen einheitlichen organisatorischen Einsatz der Sachmittel und Personalressourcen voraus. Die einen Betrieb konstituierende Leitungsmacht wird dabei dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbstständig ausgeübt wird. Entscheidend ist, wo schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden (BAG 7. Juli 2011 – 2 AZR 476/10 – Rn. 36; 28. Oktober 2010 – 2 AZR 392/08 – Rn. 16). Entsprechend der Unterscheidung zwischen „Betrieb” und „Unternehmen” in § 1 Abs. 1 KSchG ist der Betriebsbegriff auch in § 23 Abs. 1 KSchG nicht mit dem des Unternehmens gleichzusetzen (BAG 19. Juli 2016 – 2 AZR 468/15 – Rn. 12; 17. Januar 2008 – 2 AZR 902/06 – Rn. 15 f., BAGE 125, 274). Dies ist verfassungsrechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden (BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – zu B II 4 b bb der Gründe, BVerfGE 97, 169).
c) Der Betriebsbegriff ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Bei der Beurteilung, ob eine Organisationseinheit ein Betrieb, ein selbständiger oder ein unselbständiger Betriebsteil ist, steht dem Gericht der Tatsacheninstanz ein Beurteilungsspielraum zu. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nur daraufhin überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelassen hat (BAG 13. Februar 2013 – 7 ABR 36/11 – Rn. 31; 18. Januar 2012 – 7 ABR 72/10 – Rn. 28).
d) Die angefochtene Entscheidung hält selbst diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat dem Erfordernis einer einheitlichen Leitungsmacht als Voraussetzung einer betrieblichen Einheit nicht die zutreffende Bedeutung beigemessen. Die von ihm gewürdigten Tatsachen rechtfertigen nicht die Annahme, die beiden Betriebsstätten der Beklagten in H und M hätten im Zeitpunkt der Kündigung unter einer einheitlichen institutionalisierten Leitung in Bezug auf den Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten gestanden.
aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lassen weder eine „gemeinsame Telefonanlage” noch die in einem Fragebogen dargestellte enge Verbindung zwischen dem Fondsmanagement in H und dem Fondsrechnungswesen in M oder das Abhalten einer regelmäßigen montäglichen Telefonkonferenz zwischen beiden Standorten darauf schließen, die wesentlichen Entscheidungen in personellen oder sozialen Angelegenheiten würden von einer einheitlichen Leitung getroffen.
bb) Soweit das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt hat, die „internen Angelegenheiten des Klägers” wie Urlaubsanträge, Reisekostenabrechnungen und Mobilfunkrechnungen seien unmittelbar in M „bearbeitet” worden, ist nicht festgestellt, worin diese „Bearbeitung” bestanden haben soll. Insbesondere hat das Landesarbeitsgericht nicht etwa angenommen, über die Urlaubsanträge sei von einer einheitlichen Leitung in M entschieden worden.
cc) Das Landesarbeitsgericht hat auch sonst keine solchen „Verzahnungen” der beiden Betriebsstätten festgestellt, die auf die Ausübung des Kerns der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten durch eine einheitliche Leitung schließen ließen.
e) Einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht bedarf es nicht. Der Senat kann selbst abschließend entscheiden, dass das Vorbringen der Parteien nicht die Annahme gestattet, die Betriebsstätten der Beklagten in H und M bildeten einen einheitlichen Betrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG.
aa) Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast (dazu Rn. 12) dürfen an die Darlegungslast des Arbeitnehmers zur betrieblichen Organisation keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es reicht in der Regel aus, wenn dieser die äußeren Umstände schlüssig darlegt, die für die Annahme sprechen, dass die Betriebsstätte, in der er beschäftigt ist, über keinen eigenständigen Leitungsapparat verfügt, diese vielmehr zentral gelenkt wird. Hat der Arbeitnehmer schlüssig derartige Umstände behauptet, hat der Arbeitgeber hierauf gem. § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu erklären, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Annahme eines einheitlichen Leitungsapparates für mehrere Betriebsstätten sprechen. Nach dem Prinzip der Sachnähe ist regelmäßig nur der Arbeitgeber in der Lage, nähere Auskunft über die betrieblichen Führungsstrukturen zu geben (BAG 15. März 2001 – 2 AZR 151/00 – zu II 1 c der Gründe).
bb) Selbst unterstellt, der Kläger sei auf der ersten Stufe seiner Darlegungslast für einen einheitlichen Betrieb noch nachgekommen, ist die Beklagte dem in erheblicher Weise entgegengetreten. Sie hat im Einzelnen Umstände vorgetragen, aus denen sich eine organisatorisch eigenständige Leitung der beiden Betriebsstätten in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten ergibt. Die von der Beklagten behaupteten Tatsachen hat der Kläger weder konkret bestritten noch hat er substantiierten Gegenvortrag zur Darlegung einer einheitlichen Leitungsmacht gehalten. Er hat sich auch nicht darauf berufen, ihm habe insofern die eigene Kenntnis gefehlt. Sein demnach gem. § 138 Abs. 2 ZPO nicht hinreichend substantiiertes Bestreiten führt dazu, dass das Vorbringen der Beklagten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Diese Würdigung kann der Senat selbst vornehmen. Ob ein Bestreiten ausreichend ist, unterliegt selbst ohne Rüge der Überprüfung durch das Revisionsgericht (zu § 138 Abs. 4 ZPO vgl. BGH 10. Oktober 1994 – II ZR 95/93 – zu 3 d der Gründe).
(1) Die Beklagte hat mit dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Schriftsatz vom 14. Dezember 2015 behauptet, die Entscheidungen über Einstellungen, Entlassungen, Versetzungen und Urlaubsgewährung treffe für die Betriebsstätte in H der für diese zuständige Geschäftsführer V und für den Standort M der dortige Geschäftsführer H. Auch Personalgespräche und Personalbeurteilungen führe der jeweils zuständige Geschäftsführer durch. Ebenso werde über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen am jeweiligen Standort entschieden.
(2) Der Kläger ist diesem Vorbringen nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Er hat die von der Beklagten behaupteten Zuständigkeiten der Geschäftsführer in den personellen und sozialen Angelegenheiten des jeweiligen Standorts nicht konkret bestritten. Soweit er geltend gemacht hat, es gebe nicht zwei Betriebe, es existierten auch nicht zwei klar getrennte Aufgabenbereiche, der Vortrag über die „gekünstelt dargestellte” vorgebliche Aufgabenverteilung werde als unzutreffend in Abrede gestellt, liegt darin kein substantiiertes Bestreiten. Dies gilt auch, soweit der Kläger behauptet hat, der Geschäftsführer H habe sich ebenso für Vertriebsaktivitäten verantwortlich gefühlt und beide Geschäftsführer hätten „auch parallele Aktionen” durchgeführt, entsprechend hätten in der Vergangenheit seine Ansprechpartner in der Geschäftsführung gewechselt. Dies spricht zwar möglicherweise für eine unternehmerische Befassung auch des Geschäftsführers H mit Vertriebsaktivitäten, nicht aber gegen die von der Beklagten behauptete eigenständige Leitungsmacht der beiden Geschäftsführer in den jeweiligen personellen und sozialen Angelegenheiten „ihres” Standorts. Der Kläger hat sich auch nicht darauf berufen, er könne sich hierzu mangels eigener Kenntnis nicht näher einlassen. Soweit er seine eigene organisatorische Anbindung an die H Betriebsstätte bestreitet, fehlt es an ausreichendem Tatsachenvortrag, woraus sich stattdessen seine Zuordnung zur M Betriebsstätte ergeben soll. Aus der Formulierung im Arbeitsvertrag, dass er am Sitz der Gesellschaft an zwei Tagen im Monat persönlich verfügbar sein müsse, folgt dies jedenfalls nicht. Unerheblich ist auch sein Vorbringen zum Firmensitz der Beklagten sowie ihrer Eintragung im Handelsregister. Weshalb sich schließlich aus den gesetzlichen Vorgaben des Investmentgesetzes ergeben soll, dass die von der Beklagten behauptete Struktur mit zwei eigenständigen Betrieben unzulässig sei, wird weder aus dem Vortrag des Klägers deutlich, noch ist dies objektiv ersichtlich.
f) Für eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Berechnung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl iSd. § 23 Abs. 1 KSchG besteht im Streitfall kein Anlass. Es ist nicht ausnahmsweise geboten, auf die Unternehmensgröße der Beklagten abzustellen, weil anderenfalls eine mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr zu vereinbarende Ungleichbehandlung der Mitarbeiter ihrer Betriebe mit den Arbeitnehmern in einem nicht in mehrere betriebliche Einheiten gegliederten Unternehmen vorläge.
aa) Der Betriebsbezug des § 23 Abs. 1 KSchG ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange dadurch nicht angesichts der vom Arbeitgeber geschaffenen konkreten Organisation die gesetzgeberischen Erwägungen für die Privilegierung von Kleinbetrieben bei verständiger Betrachtung ins Leere gehen und die Bestimmung des Betriebsbegriffs nach herkömmlicher Definition zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung betroffener Arbeitnehmer führt (BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – zu B II 4 b bb der Gründe, BVerfGE 97, 169; BAG 19. Juli 2016 – 2 AZR 468/15 – Rn. 20; 28. Oktober 2010 – 2 AZR 392/08 – Rn. 25). Die Durchbrechung des Betriebsbezugs des Schwellenwerts ist demnach nicht schon immer dann geboten, wenn sich das Unternehmen zwar in mehrere kleine, organisatorisch verselbständigte Einheiten gliedert, insgesamt aber mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Das liefe auf eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte generelle Gleichsetzung von Betrieb und Unternehmen hinaus und berücksichtigte nicht, dass auch das Bundesverfassungsgericht lediglich von Einzelfällen ausgegangen ist, die dem gesetzgeberischen Leitbild nicht entsprächen (BAG 19. Juli 2016 – 2 AZR 468/15 – aaO; 28. Oktober 2010 – 2 AZR 392/08 – Rn. 24). Die Anwendung der Kleinbetriebsklausel ist auch nicht schon dann ausgeschlossen, wenn die als „Betrieb” im kündigungsschutzrechtlichen Sinne zu verstehende Einheit nicht sämtliche vom Bundesverfassungsgericht als charakteristisch benannten Merkmale eines Kleinbetriebs erfüllt. Dieses hat lediglich typologisch Gesichtspunkte angeführt, die für einen Kleinbetrieb bezeichnend sind (BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – zu B I 3 b bb der Gründe, BVerfGE 97, 169), ohne dass diese wie tatbestandliche Voraussetzungen einer Norm zu behandeln wären. Maßgeblich ist vielmehr eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende, wertende Gesamtbetrachtung dahingehend, ob die Anwendung der Kleinbetriebsklausel nach Maßgabe des allgemeinen Betriebsbegriffs unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse dem mit ihr verbundenen Sinn und Zweck (noch) gerecht wird (BAG 19. Juli 2016 – 2 AZR 468/15 – aaO; 28. Oktober 2010 – 2 AZR 392/08 – aaO).
bb) Danach sind Umstände weder vorgetragen noch objektiv ersichtlich, die die Annahme rechtfertigten, dass sich die enge Zusammenarbeit der am jeweiligen Standort beschäftigten Arbeitnehmer wesentlich von der in einem typischen Kleinbetrieb unterschiede, dass sich also etwa die Persönlichkeit und der Leistungsbeitrag eines jeden einzelnen Beschäftigten nicht in einer solchen Weise unmittelbar auf das Betriebsklima und die Funktionsfähigkeit der jeweils in H und M gelegenen betrieblichen Einheiten auswirkte, wie dies für einen Kleinbetrieb typischerweise anzunehmen ist. Auch für eine missbräuchliche, allein auf die Verhinderung des Entstehens allgemeinen Kündigungsschutzes der Beschäftigten gerichtete willkürliche Zersplitterung des Unternehmens der Beklagten in mehrere eigenständige Einheiten gibt es keine Anhaltspunkte.
III. Der Auflösungsantrag der Beklagten fällt nicht zur Entscheidung an. Er ist nur hilfsweise für den Fall des Unterliegens der Beklagten mit dem Klageabweisungsantrag gestellt.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 ZPO.
Unterschriften
Koch, Berger, Rachor, Alex, Sieg
Fundstellen
Haufe-Index 10869042 |
BB 2017, 1461 |