Entscheidungsstichwort (Thema)
Tariflicher Urlaubsanspruch. Berechnung der Urlaubsdauer
Leitsatz (amtlich)
Ist die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers in der nordrhein-westfälischen Metallindustrie nicht auf 5 Kalendertage in der Woche verteilt, so ist sein tariflicher Urlaubsanspruch entsprechend der Arbeitsverpflichtung für die Woche umzurechnen.
Ist in einem Schichtplan bestimmt, daß die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt erst nach 20 Wochen erreicht wird, so ist für die Umrechnung des nach Arbeitstagen bemessenen Urlaubsanspruches auf diesen Zeitraum abzustellen.
Normenkette
Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 29. Februar 1988 (MTV) § 12 Nr. 7, § 13 Nrn. 1, 4; BUrlG § 13 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 02.10.1990; Aktenzeichen 11 Sa 202/90) |
ArbG Bochum (Urteil vom 17.10.1989; Aktenzeichen 4 Ca 750/89) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 2. Oktober 1990 – 11 Sa 202/90 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 17. Oktober 1989 – 4 Ca 750/89 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe des Jahresurlaubs.
Der Kläger ist bei dem beklagten Automobilunternehmen als gewerblicher Arbeitnehmer in dessen Werk Bochum beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 29. Februar 1988 (MTV) anzuwenden. Darin ist u. a. bestimmt:
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Allgemeine Urlaubsbestimmungen
- …
- Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, daß er erfolglos geltend gemacht wurde oder daß Urlaub aus betrieblichen Gründen oder wegen Krankheit nicht genommen werden konnte.
§ 13
Urlaubsdauer
- Der Urlaub beträgt für Arbeitnehmer/Auszubildende 30 Arbeitstage/Ausbildungstage.
- …
- …
Arbeitstage/Ausbildungstage sind alle Kalendertage, an denen der Arbeitnehmer/Auszubildende in regelmäßiger Arbeitszeit zu arbeiten hat/in regelmäßiger Ausbildung steht.
Auch wenn die regelmäßige Arbeitszeit/Ausbildungszeit auf mehr oder weniger als fünf Tage in der Woche – ggf. auch im Durchschnitt mehrerer Wochen – verteilt ist, gelten fünf Tage je Woche als Arbeitstage/Ausbildungstage.
…
Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in regelmäßiger Wechselschicht oder vollkontinuierlich gearbeitet wird, sowie Teilzeitbeschäftigte haben unter Beachtung der jeweiligen Schichtpläne einen Urlaubsanspruch, der dem Urlaub eines Arbeitnehmers entspricht, der im Einschichtbetrieb an fünf Tagen in der Woche regelmäßig beschäftigt wird.
- …”
Seit 15. August 1988 wird im Bereich Energieanlagen, in dem der Kläger beschäftigt war, in fünf Schichten vollkontinuierlich gearbeitet. Nach dem Schichtplan ist die Arbeitszeit der Mitarbeiter in der Weise verteilt, daß eine Arbeitsverpflichtung nicht an allen Tagen der Woche besteht sondern unterschiedlich an zwei bis sechs Tagen pro Woche. Nach Ablauf von 20 Wochen wird die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von zuletzt 37 Stunden an 90 Arbeitstagen erreicht.
Die Beklagte teilte den Arbeitnehmern am 29. Juli 1988 und am 5. September 1988 mit, daß sich aufgrund der Ermäßigung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von fünf auf durchschnittlich 4,5 Tage der Tarifurlaubsanspruch entsprechend reduziere. Für das Jahr 1988 bestehe für alle Mitarbeiter ein Urlaubsanspruch von 29 Tagen und für 1989 ein Anspruch von 27 Tagen.
Dem hat der Kläger im Oktober 1988 schriftlich widersprochen. Mit seiner am 28. April 1989 erhobenen Klage hat er beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für das Urlaubsjahr 1988 einen weiteren Tag Urlaub zu gewähren,
- festzustellen, daß dem Kläger für das Urlaubsjahr 1989 nicht 27, sondern 30 Arbeitstage Urlaub zustehen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Danach hat die Beklagte dem Kläger die geltend gemachten Urlaubstage gewährt und im Januar 1990 dazu u. a. folgendes erklärt:
Bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens werden jedoch zunächst 30 Urlaubstage jährlich angesetzt; eine spätere Berichtigung bleibt vorbehalten.
Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Beklagte weiterhin ihr erstinstanzliches Ziel der Klageabweisung. Sie rügt Verletzung der tariflichen Urlaubsbestimmungen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Abänderung der vorinstanzlichen Urteile. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung eines weiteren Tages Urlaub für das Jahr 1988. Sein Antrag auf Feststellung, daß ihm für das Urlaubsjahr 1989 30 Arbeitstage Urlaub zustehen, ist nicht begründet.
I. Es kann dahinstehen, ob der Kläger im Jahr 1988 einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen erworben hat. Der Anspruch ist, soweit er nicht erfüllt worden ist, zwischenzeitlich erloschen.
Nach § 12 Nr. 7 MTV erlischt der Urlaubsanspruch drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, daß er erfolglos geltend gemacht wurde oder daß Urlaub aus betrieblichen Gründen oder wegen Krankheit nicht genommen werden konnte. Der Kläger hat lediglich vorgetragen, der Umrechnung des Urlaubs durch die Beklagte im Oktober 1988 schriftlich widersprochen zu haben. Das genügt für den Erhalt des befristeten Urlaubsanspruchs nicht. Ein Anspruch wird i. S. der Tarifvorschrift geltend gemacht, wenn der Arbeitgeber eindeutig zur Erfüllung seiner Schuld aufgefordert wird. Der Widerspruch zur Umrechnung der Beklagten ist keine eindeutige Aufforderung zur Leistung. Als der Kläger den Urlaubsanspruch gegenüber der Beklagten erstmals mit seiner am 28. April 1989 zugestellten Klage geltend gemacht hat, war der Anspruch bereits erloschen.
II. Die Feststellungsklage ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Nach dem Wortlaut des Antrags will der Kläger lediglich den Umfang seines Urlaubsanspruchs für das Jahr 1989 geklärt wissen. Insoweit bestehen Bedenken, ob die Feststellungsklage zulässig ist, weil vom Gericht die Begutachtung eines abgeschlossenen Sachverhalts in der Vergangenheit verlangt wird, zumal der Anspruch für das Jahr 1989 zwischenzeitlich von der Beklagten erfüllt sein könnte. Da sich die Beklagte aber in ihrem Schreiben vom Januar 1990 einer Berichtigungsberechtigung berühmt und der Antrag des Klägers dahin zu verstehen ist, daß er auch für die Folgejahre den Umfang seines Urlaubs während seiner Arbeit in vollkontinuierlicher Wechselschicht geklärt wissen will, hat der Kläger ein Rechtsschutzinteresse i. S. des § 256 ZPO an der alsbaldigen Feststellung dieses Rechtsverhältnisses.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat für das Jahr 1989 ledigich einen Urlaubsanspruch von 27 Arbeitstagen.
a) Nach § 13 Nr. 1 MTV beträgt der Urlaub für Arbeitnehmer 30 Arbeitstage. Dieser Anspruch setzt allerdings eine Arbeitspflicht an fünf Arbeitstagen in der Woche voraus. Das folgt aus § 13 Nr. 4 Abs. 4 MTV, wonach Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in regelmäßiger Wechselschicht oder vollkontinuierlich gearbeitet wird, sowie Teilzeitbeschäftigte unter Beachtung der jeweiligen Schichtpläne einen Urlaubsanspruch haben, der dem Urlaub eines Arbeitnehmers entspricht, der im Ein-Schicht-Betrieb an fünf Tagen in der Woche regelmäßig beschäftigt wird. Das bedeutet, daß zur Bestimmung der Urlaubsdauer die tarifvertraglich maßgebliche Verteilung der Arbeitszeit auf eine Woche (fünf Arbeitstage in der Woche) zur individuell geschuldeten Arbeitszeit des Arbeitnehmers rechnerisch in Beziehung gesetzt werden muß, wenn die Arbeitszeit bei einem anderen Arbeitnehmer regelmäßig auf mehr oder weniger Tage einer Woche verteilt ist. Ist die regelmäßige Arbeitszeit dabei nicht auf eine Kalenderwoche verteilt, muß für die Umrechnung eines nach Arbeitstagen bemessenen Urlaubs auf den längeren Zeitabschnitt abgestellt werden, in dem im Durchschnitt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit erreicht ist. Ggf. muß auf das Kalenderjahr abgestellt werden (BAGE 68, 377 = AP Nr. 6 zu § 3 BUrlG).
b) Davon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Es hat jedoch dem Vorbringen der Beklagten, der Kläger sei im Durchschnitt in jeder Woche 4,5 Tage beschäftigt, zu Unrecht entnommen, die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers sei auf fünf Tage in der Woche verteilt. Die Beklagte hat aber nicht vorgetragen, daß der Kläger an vier Tagen voll und an einem fünften Tag nur halbtags beschäftigt wird; sie hat damit lediglich einen Berechnungsfaktor angegeben. Vielmehr ergibt sich aus den überreichten Schichtplänen, daß der Kläger unstreitig in manchen Wochen sechs Tage, in anderen Wochen fünf Tage und in wieder anderen Wochen an drei oder zwei Tagen zur Arbeit verpflichtet ist. Unter diesen Umständen ist eine auf eine Woche bezogene Umrechnung des Urlaubsanspruchs nicht möglich, weil der Schichtrythmus einen über eine Woche hinausgehenden Zeitraum umfaßt. Er wiederholt sich hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Tage einer Woche alle zehn Wochen, unter Berücksichtigung der Lage der Arbeitszeit in Frühschicht und Spätschicht alle 20 Wochen. Deshalb muß bei der Umrechnung auf einen Zeitraum von 20 Wochen abgestellt werden.
3. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Klägers sind unzutreffend.
a) Aus § 13 Nr. 4 Abs. 2 MTV läßt sich nicht der Grundsatz entnehmen, daß die Urlaubsdauer ein Gesamtvolumen von sechs Wochen haben muß. Bei einem Schichtrythmus, der sich erst nach zehn Wochen wiederholt und eine unregelmäßige Anzahl von Arbeitstagen je Woche vorsieht, kann nicht in allen Fällen mit der gleichen Anzahl von Urlaubstagen die gleiche zusammenhängende Dauer des Urlaubs erreicht werden. Je nach Beginn des Urlaubs verbraucht der eine Arbeitnehmer in sechs Zeitwochen 29 Arbeitstage (der Arbeitnehmer tritt seinen Urlaub im Schichtzyklus A am Montag der 1. Woche an) und der andere in sechs Zeitwochen 25 Arbeitstage (der Arbeitnehmer tritt seinen Urlaub im Schichtzyklus A am Montag der 5. Woche an).
b) Entgegen der Auffassung des Klägers erfordert die Umrechnung keine Änderung der Vorschriften des Manteltarifvertrags über die Urlaubsberechnung. Die veränderte Dauer des Urlaubsanspruchs ergibt sich aufgrund einer Änderung der geschuldeten Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers in den einzelnen Wochen.
c) Der Kläger macht weiter geltend, der vollkontinuierlich in Wechselschicht an verschiedenen Tagen der Woche arbeitende Arbeitnehmer erhalte eine geringere Urlaubsvergütung als ein Arbeitnehmer, der regelmäßig an fünf Tagen in der Woche arbeite, und deshalb verbiete sich die Umrechnung. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Behauptung zutrifft oder nicht. Für die Berechnung des Urlaubsanspruchs ist die Höhe der Urlaubsvergütung nicht maßgeblich. Die Fortzahlung der Vergütung ist nicht Bestandteil des Urlaubsanspruchs. Die Vorschriften des MTV für die Urlaubsvergütung können daher bei der Berechnung der Urlaubsdauer nicht berücksichtigt werden. Ggf. kommt in einem solchen Fall ein Anspruch auf die entsprechende Vergütung in Betracht, die ein regelmäßig an fünf Tagen in der Woche beschäftigter Arbeitnehmer erhält (BAGE 63, 181 = AP Nr. 29 zu § 11 BUrlG).
4. Im Streitfall ergibt die Umrechnung, daß dem Kläger ab 1989 nur ein Anspruch von 27 Arbeitstagen zusteht. Als maßgeblicher Zeitraum ist der Rythmus von 20 Wochen zugrundezulegen. Während dieser Zeit hat der regelmäßig an fünf Tagen in der Woche beschäftigte Arbeitnehmer eine Arbeitspflicht an 100 Arbeitstagen, während der Kläger nur an 90 Arbeitstagen zur Arbeit verpflichtet ist. Das Verhältnis von 100 Arbeitstagen zu 90 Arbeitstagen entspricht dem Verhältnis von 30 Urlaubstagen zu 27 Urlaubstagen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Leinemann, Düwell, Dörner, Dr. Klosterkemper, U. Tirre
Fundstellen
Haufe-Index 856737 |
BAGE, 359 |
BB 1995, 311 |
NZA 1995, 477 |