Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratstätigkeit des Lehrers außerhalb der Arbeitszeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Lehrer, der Betriebsratsaufgaben außerhalb der Schulzeit und der Zeit für Verwaltungsaufgaben erfüllt, übt seine Betriebsratstätigkeit regelmäßig außerhalb der Arbeitszeit aus, wenn er nach einzelvertraglicher Vereinbarung berechtigt ist, einen Teil seiner Arbeit nach Zeit, Umfang und Ort selbst zu bestimmen.
2. Betriebsbedingte Gründe für die Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit (§ 37 Abs 3 Satz 1 BetrVG) liegen vor, wenn das Betriebsratsmitglied die beabsichtigte Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit anzeigt, der Arbeitgeber aber keine Möglichkeit zur Ausübung der Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit gegeben hat.
3. Betriebsbedingte Gründe können auch ohne Anzeige des Betriebsratsmitglieds dann angenommen werden, wenn sich der Arbeitgeber eindeutig und endgültig auch für zukünftige Fälle geweigert hat, die Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit zu ermöglichen.
4. Der Schulträger kann gegenüber einem Lehrer mit den im Leitsatz 1 beschriebenen vertraglichen Rechten nicht anordnen, er habe die Betriebsratstätigkeit anstelle der häuslichen Arbeit zu leisten.
5. Die Feststellung der betriebsbedingten Gründe für die Zahlung der Mehrarbeitsvergütung anstelle der Erfüllung des Arbeitsbefreiungsanspruches (§ 37 Abs 3 Satz 2. Halbsatz BetrVG) kann entsprechend der in den Leitsätzen 2 - 4 beschriebenen Grundsätze erfolgen.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 19.06.1985; Aktenzeichen 5 Sa 341/85) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 14.01.1985; Aktenzeichen 6 Ca 6808/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um Mehrarbeitsvergütung für angeblich außerhalb der Arbeitszeit erbrachte Betriebsratstätigkeit des Klägers.
Der Beklagte betreibt in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins eine Fachschule. Dabei handelt es sich um eine Ersatzschule (Privatschule) im Sinne der §§ 36, 37 Schulordnungsgesetz NRW (GV NW 1952 S. 64).
Der 1926 geborene Kläger ist an dieser Schule seit dem 1. April 1965 als Lehrer mit der Berufsbezeichnung Studienrat, seit 1972 nach Erweiterung seines Aufgabenbereiches mit der Bezeichnung "Studiendirektor als pädagogischer Fachleiter an einer berufsbildenden Schule im Ersatzschuldienst" tätig. Der schriftliche Anstellungsvertrag der Parteien vom 29. Juli 1965 bestimmt u.a.:
§ 2
...
Herr S hat alle die den entsprechenden
Lehrern an vergleichbaren öffentlichen Schulen
obliegenden Pflichten zu übernehmen und wird
seine Tätigkeit nach den Weisungen der Schulleitung
und in kollegialer Zusammenarbeit mit
den anderen Lehrern der Schule ausüben.
Im übrigen gelten für die Rechte und Pflichten
des Herrn S sinngemäß die Grundsätze, die
allgemein für entsprechende hauptamtliche Lehrer
an vergleichbaren öffentlichen Schulen maßgebend
sind, soweit diese Grundsätze nicht auf der
Eigenart des öffentlichen Dienstes beruhen.
§ 6
Der Umfang der Beschäftigung wird nach den für
entsprechende hauptamtliche Lehrer an vergleichbaren
öffentlichen Schulen geltenden Bestimmungen
festgesetzt. Dasselbe gilt für den Urlaub.
...
Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers ist unterteilt in 21 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten einerseits und unterrichtsfreie Arbeitszeit für Fachbereichsaufgaben, andere Verwaltungsarbeiten, Teilnahme an Konferenzen und häusliche Vor- und Nacharbeit des Unterrichts andererseits.
Der Kläger ist seit Anfang 1983 Vorsitzender des 3-köpfigen Betriebsrats, dem ein weiterer Lehrer und ein Verwaltungsangestellter angehören. Die Betriebsratsmitglieder übten ihre Tätigkeit seit Beginn der Amtszeit während der unterrichtsfreien Zeit aus. Der Beklagte stellte den Verwaltungsangestellten dafür von der Arbeit frei oder erteilte ihm nachträgliche Arbeitsbefreiung, wenn Betriebsratsaufgaben außerhalb seiner Arbeitszeit zu erledigen waren. Dem Kläger und seinem Kollegen gewährte der Beklagte für die außerhalb der Unterrichtszeit geleistete Betriebsratstätigkeit keine Freistellung von Pflichtunterrichtsstunden. Deshalb begehrte der Kläger nach erfolgloser vorprozessualer Geltendmachung für die Zeit ab Januar 1983 Vergütung für die aufgewendeten Stunden unter Einschluß der Mehrarbeitsvergütung mit mehrfach erweiterter Klage. Daneben leitete der Betriebsrat gegen den Arbeitgeber ein Beschlußverfahren ein mit dem Antrag, die als Lehrer tätigen Betriebsratsmitglieder für zwei Pflichtstunden pro Woche von der Arbeit freizustellen. Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück. Das Landesarbeitsgericht hat über die Beschwerde des Betriebsrats noch nicht entschieden.
Der Kläger hat seine für Betriebsratsarbeit aufgewendeten Stunden im einzelnen vorgetragen und dazu gemeint, sie hätten außerhalb seiner Arbeitszeit gelegen, so daß ihm eine Vergütung wie für Mehrarbeit zustehe. Er komme als Lehrer seiner Arbeitspflicht durch das Ableisten von 21 Pflichtstunden wöchentlich einschließlich der dazu notwendigen Vor- und Nachbereitung und daneben anfallender Aufgaben wie Verwaltungstätigkeit, Lehrerkonferenzen und anderem nach. Das folge aus seiner arbeitsvertraglichen Gleichstellung mit entsprechenden hauptamtlichen Lehrern an vergleichbaren öffentlichen Schulen. Der Beklagte habe ihn nicht von der Arbeitsleistung eines Teils seiner Pflichtstunden befreien wollen. Vor- und Nachbearbeitungszeiten sowie Zeiten für administrative Aufgaben habe er für seine berufliche Arbeit in dem vorgesehenen Umfang verwandt. Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn
6.636,96 DM brutto nebst 4 % Zinsen
seit dem 28. Juni 1984 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und bestritten, daß der Kläger außerhalb der normalen Arbeitszeit von 40 Stunden Betriebsratstätigkeit geleistet habe. Da der Kläger nur 21 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten pro Woche leiste und nicht kontrollierbar sei, ob er in der übrigen Zeit seiner Verpflichtung zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts nachkomme, sei davon auszugehen, daß er seine Betriebsratstätigkeit innerhalb der Zeit erledigt habe, die ihm zur Unterrichtsvorbereitung zur Verfügung gestanden habe. Dem Kläger obliege der konkrete Nachweis, daß er aufgrund im einzelnen aufzuführender Unterrichtsvorbereitungen daran gehindert gewesen sei, Betriebsratstätigkeit in der jeweiligen Woche während der Arbeitszeit außerhalb des eigentlichen Unterrichts zu entfalten. Zumindest könne der Kläger nicht die Zahlung des Überstundenzuschlags verlangen. Selbst wenn er Betriebsratstätigkeiten außerhalb seiner Arbeitszeit durchgeführt haben sollte, stehe ihm dafür lediglich ein Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgeltes zu.
Das Arbeitsgericht hat für die Zeit vom 14. Januar 1983 bis 22. Mai 1984 121,5 Stunden für erforderliche Betriebsratstätigkeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit des Klägers anerkannt und den Beklagten zur Zahlung von 2.718,65 DM verurteilt. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte weiter seinen klageabweisenden Antrag, während der Kläger um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat sich den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts angeschlossen und gemeint, der Kläger habe trotz der Besonderheiten des Lehrerberufs ebenso Anspruch auf Arbeitsbefreiung wie Arbeitnehmer anderer Berufsgruppen. Die vom Beklagten abgelehnte Befreiung sei aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich gewesen. Der Arbeitgeber, der eine Schule betreibe, habe ein besonderes Interesse an der vollständigen Erteilung der Unterrichtsstunden durch seine Lehrer. Unterrichtsausfall oder auch nur zeitweiliger Wegfall einer Lehrperson stelle im laufenden Schulbetrieb ein erhebliches Problem dar, weil weder nicht aufholbare Defizite am vorgesehenen Lehrstoff für die Schüler hingenommen noch Lehrer aus fachlichen und zeitlichen Gründen ohne weiteres durch andere Kollegen ersetzt werden könnten. So sei ihm die für Betriebsratstätigkeit aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten. Der Kläger komme mit der Erfüllung der ihm obliegenden 21 Pflichtstunden zuzüglich Vor- und Nachbereitung seiner Arbeitspflicht zur Gänze nach. Eine darüber hinausgehende Tätigkeit sei Mehrarbeit und als solche zu vergüten. Der Kläger erhalte im Rahmen der Ableistung der ihm obliegenden Pflichtstundenzahl eine Pauschalvergütung, die eben die Ableistung der Pflichtstundenzahl, die Verwaltungstätigkeit, die Teilnahme an Lehrerkonferenzen usw. abdecke. Einer solchen Pauschalvereinbarung würde es widersprechen, wenn der Kläger nunmehr aufgrund der ehrenamtlichen Betriebsratstätigkeit gehalten wäre, im einzelnen darzulegen, wann und in welchem Umfang er seine Pflichtstunden ableiste, Vor- und Nacharbeiten hierzu erfülle, Verwaltungstätigkeiten und der Teilnahme an Lehrerkonferenzen nachgehe, um damit im Rahmen einer 40-Stunden-Woche nachzuweisen, daß die außerdem von ihm abgeleistete Betriebsratstätigkeit außerhalb der 40-stündigen Arbeitszeit eines normalen Arbeitnehmers liege.
II. Dem vermag der Senat nicht zuzustimmen. Zu Recht rügt die Revision, daß die Vorinstanzen die Voraussetzungen des den Zahlungsanspruch des Klägers allein rechtfertigenden § 37 Abs. 3 Satz 1 und 2 BetrVG nicht hinreichend getrennt beurteilt haben.
Die Vorschrift des § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gewährt dem Betriebsratsmitglied zum Ausgleich für (erforderliche) Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, einen Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Kann der Arbeitgeber dem Betriebsratsmitglied wiederum aus betriebsbedingten Gründen keine Freizeit gewähren, so hat er die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten (§ 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG).
1. Der Kläger hat in dem vom Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht festgestellten Umfang erforderliche Betriebsratstätigkeit im Sinne von § 37 Abs. 2 BetrVG geleistet. Die Revision hat insoweit keinerlei Rügen erhoben.
2. Der Kläger hat die Betriebsratstätigkeiten außerhalb seiner Arbeitszeit erbracht.
a) § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG geht von der individuellen Arbeitszeit des anspruchsberechtigten Betriebsratsmitglieds aus (BAG Urteil vom 31. Oktober 1985 - 6 AZR 175/83 - BAGE 50, 76 = AP Nr. 52 zu § 37 BetrVG; BAG Urteil vom 31. Juli 1986 - 6 AZR 146/85 - nicht veröffentlicht; Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 37 Rz 65; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 37 Rz 50; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 37 Rz 15; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 37 Rz 43). Sie ergibt sich regelmäßig aus Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung und Tarifvertrag und läßt sich dort leicht ermitteln.
b) Die Bestimmung der persönlichen Arbeitszeit kann dann Schwierigkeiten bereiten, wenn die Arbeitsleistung hinsichtlich der zeitlichen Lage, des zeitlichen Umfangs und zum Teil auch des Ortes ganz oder teilweise selbst bestimmbar und nicht innerhalb eines Betriebs zu erbringen ist, wie das bei Lehrern der Fall ist. Mitarbeiter dieser Berufsgruppe haben in der Regel nicht die Pflicht, ihre gesamte vertraglich geschuldete Arbeit im Betrieb "Schule" zu erbringen. Vielmehr bestimmen die Parteien eines Lehrerarbeitsverhältnisses ausgehend von einer rechnerisch zugrunde gelegten Wochenarbeitszeit Unterrichtseinheiten, die in der Schule zu erbringen sind, und unterrichtsfreie Zeit, die der angestellte Lehrer teilweise für Aufgaben in der Schule wie Konferenzen und Verwaltungstätigkeiten verwenden muß, die er aber auch für Vor- und Nacharbeiten der Unterrichtseinheiten zu Hause für schulische Arbeiten verbringen kann. Davon gehen auch die entsprechenden Gesetze und Verordnungen der Länder aus (vgl. Schulfinanzgesetz Nordrhein-Westfalen vom 17. April 1970, GV NW 1970 S. 288 und die Verordnung zur Ausführung des § 5 Schulfinanzgesetz vom 28. August 1979, GV NW 1979 S. 548; vgl. auch die Verordnung über die Pflichtstunden der Lehrer, über die Anrechnung dienstlicher Tätigkeiten und über Pflichtstundenermäßigungen aus sozialen Gründen vom 15. Juli 1976 für das Land Hessen, GVBl HE 1, 1976 S. 301). Eine genaue Bestimmung über zeitliche Lage und täglichen Umfang der häuslichen Arbeit fehlt in den Arbeitsverträgen daher regelmäßig. So sind auch die Parteien des Streitfalls verfahren. Sie haben die ursprüngliche Pflichtstundenzahl des Klägers von 25 Unterrichtsstunden (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 der Verordnung zu § 5 Schulfinanzgesetz, aaO, in Verb. mit § 6 Abs. 1 des Arbeitsvertrages) pro Woche unter Berücksichtigung der Belastungen durch die Fachbereichsleitung und des Alters auf 21 Unterrichtsstunden festgelegt, so daß dem Kläger der andere Teil seiner Arbeitszeit für Fachbereichsarbeiten, andere Verwaltungsarbeiten, Konferenzen und häusliche Vor- und Nachbearbeitung der Unterrichtseinheiten zur Verfügung steht. Seine Arbeitszeit gliedert sich demnach in Unterricht, unterrichtsfreie Arbeiten in der Schule und häusliche Arbeiten.
c) Wird ein angestellter Lehrer als Betriebsrat außerhalb der Unterrichtszeit und außerhalb der Zeit tätig, in der er zu Konferenzen, Verwaltungstätigkeiten u.ä. in der Schule herangezogen wird, so erbringt er diese Tätigkeit entgegen der Auffassung der Revision regelmäßig außerhalb der Arbeitszeit im Sinne des § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Einer näheren Darlegung und eines Nachweises bedarf es nicht. Diese vom Senat bisher nicht ausgesprochene, in der Entscheidung vom 31. Oktober 1985 - 6 AZR 175/83 - (aaO unter 3. der Gründe) noch offen gelassene Feststellung folgt zunächst aus dem sich historisch entwickelten, von den gesetzgebenden Körperschaften und ihren Verwaltungsbehörden akzeptierten (siehe die oben angegebenen Gesetze und Verordnungen) Selbstbestimmungsrecht des Lehrers, wann und in welchem zeitlichen Umfang er seiner Arbeitsverpflichtung außerhalb der Schule nachkommt und die für den ordnungsgemäßen Ablauf der Unterrichtseinheiten notwendigen häuslichen Arbeiten (Vor- und Nachbereitung, Korrekturaufgaben, Studium der Fachliteratur u.ä.) erledigt. Der Kläger kann kraft arbeitsvertraglicher Verweisung ebensowenig wie der Lehrer an öffentlichen Schulen im einzelnen angewiesen werden, wann er welche häusliche Arbeit zu erledigen hat. Er kann nach Erfüllung der täglichen Verpflichtungen im Betrieb "Schule" ohne Einwirkungsmöglichkeit des Schulträgers darüber entscheiden, ob er zunächst Freizeit verbringen oder sogleich seinen weiteren Arbeitspflichten nachgehen will oder umgekehrt, und ob er an diesem Tag mehrere Stunden vorbereiten oder nur eine kurze Zeit weiterarbeiten will, um am nächsten Tag entsprechend mehr zu arbeiten, oder umgekehrt.
d) Hat der Lehrer zusätzlich Betriebsratsaufgaben zu erfüllen, so lassen sich diese zeitlich keinem der beiden jederzeit austauschbaren Tageszeitblöcke (Arbeit und Freizeit) ohne weiteres zuordnen. Im Ergebnis allerdings verkürzt die außerhalb der Schulzeiten vorgenommene Betriebsratstätigkeit die Freizeit des Lehrers. Denn es ist davon auszugehen, daß der verantwortungsvolle Pädagoge weiterhin seine als notwendig erachteten häuslichen Aufgaben erledigt, sei es im unmittelbaren Anschluß an seine Unterrichtsverpflichtungen, sei es nach Freizeit und Betriebsratstätigkeit am späteren Abend, sei es durch verlängertes Arbeiten am nächsten Tag. In allen Fallvarianten verkürzt sich die Freizeit des Lehrers um den Zeitanteil, den er für die Betriebsratstätigkeit aufwendet. Er erbringt ein Freizeitopfer, für dessen Ausgleich § 37 Abs. 3 BetrVG geschaffen worden ist. Daß gilt jedenfalls so lange, als der Arbeitgeber nicht die Qualität der Arbeitsleistung bestimmende Tatsachen aus dem Unterricht des Lehrers vortragen kann, die den Schluß darauf zulassen, er habe seine häuslichen Arbeiten eingestellt oder reduziert, um an deren Stelle Betriebsratstätigkeit auszuführen und dementsprechend kein Freizeitopfer zu bringen. In einem solchen Fall könnte der Arbeitnehmer verpflichtet sein, näher darzulegen und ggf. zu beweisen, daß er neben der häuslichen Arbeit ein ausgleichspflichtiges Freizeitopfer durch Betriebsratstätigkeit erbracht hat. Da der Beklagte im Streitfall derartige Tatsachen jedoch nicht vorgetragen hat, bedarf das keiner weiteren Erörterung.
3. Der Senat vermag jedoch nicht zu beurteilen, ob die Betriebsratstätigkeit des Klägers aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit stattgefunden hat oder nicht. Zu Recht rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht habe insoweit keine ausreichenden Feststellungen getroffen*
a) Das Bundesarbeitsgericht hat mehrfach ausgesprochen, nach § 37 Abs. 2 BetrVG sei Betriebsratstätigkeit grundsätzlich während der Arbeitszeit durchzuführen (BAGE 29, 242 = AP Nr. 29 zu § 37 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 19. Januar 1984 - 6 AZR 301/81 - unveröffentlicht; BAG Urteil vom 31. Oktober 1985 - 6 AZR 175/83 - aaO). Insbesondere sind auch Betriebsratssitzungen in der Regel während der Arbeitszeit abzuhalten. Demgemäß stellt § 37 Abs. 3 BetrVG darauf ab, daß eine Arbeitsbefreiung bzw. eine Mehrarbeitsvergütung zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit nur dann in Betracht kommt, wenn diese Tätigkeit aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt werden muß. Betriebsbedingte Gründe im Sinne von § 37 Abs. 3 BetrVG liegen nur dann vor, wenn bestimmte Gegebenheiten und Sachzwänge des Betriebes die Undurchführbarkeit der Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit bedingen (BAG Urteil vom 11. Juli 1978 - 6 AZR 387/75 - AP Nr. 57 zu § 37 BetrVG 1972 = DB 1978, 2177; BAG Urteil vom 31. Oktober 1985 - 6 AZR 175/83 - aaO; BAG Urteil vom 31. Juli 1986 - 6 AZR 146/85-). Die Entscheidung darüber, ob betriebsbedingte Gründe vorliegen, die eine Betriebsratstätigkeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit geboten erscheinen lassen, obliegt nicht dem Betriebsrat. Dieser hat eigenverantwortlich die Entscheidung über die Ausübung der Tätigkeit, nicht über die zeitliche Lage zu treffen. Darüber hat der Arbeitgeber, ggf. im Einvernehmen mit dem Betriebsrat zu befinden. Um diese Entscheidung zu ermöglichen, muß das Betriebsratsmitglied nach Auffassung des Senats die außerhalb der Arbeitszeit geplante Betriebsratstätigkeit rechtzeitig anzeigen (Senatsurteil vom 31. Oktober 1985 - 6 AZR 175/83 - aaO). Nur dann ist der Arbeitgeber in der Lage, die Entscheidung darüber zu treffen, ob betriebsbedingte Gründe vorliegen oder entsprechend der Grundwertung des Gesetzes Arbeitsbefreiung für die Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit gewährt werden soll (BAG Urteil vom 31. Juli 1986 - 6 AZR 146/85 - zu B I der Gründe).
b) Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. In seiner nichtveröffentlichten Entscheidung vom 31. Juli 1986 - 6 AZR 146/85 - hat der Senat im Zusammenhang mit der Anzeigepflicht eines Orchestermusikers über geplante Betriebsratstätigkeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit unter anderem gemeint, der Arbeitnehmer müsse darlegen und ggf. beweisen, daß der Arbeitgeber auch bei rechtzeitiger vorheriger Verständigung der während der Freizeit festgesetzten Betriebsratssitzung keine entsprechenden Dispositionen hätte treffen können, um eine Betriebsratssitzung während der Arbeitszeit zu ermöglichen, die unterlassene Mitteilung also folgenlos geblieben wäre. Der Senat hat dazu weiter ausgeführt (zu C der Gründe), "der Kläger habe einen Anspruch auf Abgeltung der nicht gewährten Freizeit wie Mehrarbeit, wenn das Landesarbeitsgericht nach erneuter Verhandlung feststelle, daß auch bei rechtzeitiger vorheriger Mitteilung an die Beklagte von den Betriebsratssitzungen, diese aus betriebsbedingten Gründen gleichwohl nicht während der Arbeitszeit hätten stattfinden können". Hat der Senat damit zu erkennen gegeben, das Tatbestandsmerkmal der betriebsbedingten Gründe in § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG liege nicht nur dann vor, wenn der Arbeitgeber sie nach rechtzeitiger Meldung des Arbeitnehmers bejaht, sondern auch dann, wenn eine Verlegung der Tätigkeit in die Arbeitszeit objektiv nicht möglich ist, so gilt das gleichermaßen in den Fällen, in denen der Arbeitgeber eine Befreiung von der Arbeitspflicht eindeutig und endgültig auch für zukünftige Fälle verweigert hat. In diesem Fall wäre eine entsprechende Anmeldung des Betriebsratsmitglieds in jedem Einzelfall mit dem Ziel, Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit zu vermeiden und statt dessen Arbeitsbefreiung zu verlangen, sinnentleert. Unter diesen Voraussetzungen kann auch ohne ständig wiederholte vorherige Anzeigen vom Vorliegen betriebsbedingter Gründe im Sinne des § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ausgegangen werden.
c) Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob und ggf. wann der Kläger der Beklagten seine geplanten Betriebsratstätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit angezeigt hat. Das wird es nach entsprechender Ergänzung des Parteivorbringens nachzuholen haben. Sollte sich herausstellen, daß der Kläger derartige Anzeigen unterlassen hat, wäre seine Klage unbegründet (BAG Urteil vom 31. Oktober 1985 - 6 AZR 175/83 - aaO, zu 2 c der Gründe), es sei denn, der Beklagte habe sich auch ohne entsprechende Anzeige von einem bestimmten Zeitpunkt an eindeutig und endgültig dauerhaft geweigert, dem Kläger Betriebsratstätigkeiten während der in der Schule zu verbringenden Arbeitszeit zu gestatten. Auch insoweit wird das Landesarbeitsgericht nach weiterem Vorbringen der Parteien Feststellungen zu treffen haben. Dabei ist zu beachten, daß der Beklagte entgegen der Auffassung der Revision nicht berechtigt ist zu bestimmen, der Kläger möge die Betriebsratstätigkeit während der häuslichen Arbeitszeit verrichten und statt dessen auf die häusliche Vor- und Nacharbeit zum Unterricht verzichten. Der Beklagte hat sich durch die Vertragsgestaltung, wonach der Kläger einen Teil seiner Arbeit selbstverantwortlich und selbstbestimmt erledigen darf, insoweit eines Bestimmungsrechts begeben. Er kann darauf allenfalls im Einverständnis des Klägers zurückgreifen, nicht jedoch einseitig. Ihm bleibt nur die Möglichkeit, die Betriebsratsmitglieder auf die Ausübung ihrer Tätigkeit während der schulischen Arbeitszeit zu verweisen und sie infolgedessen von Unterrichtsstunden, Verwaltungstätigkeiten oder der Teilnahme an Konferenzen freizustellen. Hat er sich dazu eindeutig und endgültig nicht bereit erklärt, so wird für die Zukunft auch ohne Anzeige von betriebsbedingten Gründen auszugehen sein.
4. Sollte das Landesarbeitsgericht nach erneuter Verhandlung die Erfüllung der Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG seitens des Klägers feststellen, so wird es weiter zu überprüfen haben, ob der Beklagte aus betriebsbedingten Gründen nicht in der Lage war, den nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG entstandenen Anspruch auf Arbeitsbefreiung zu erfüllen und deshalb zur Zahlung von Mehrarbeitsvergütung verpflichtet ist (§ 37 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz BetrVG). Dabei wird das Landesarbeitsgericht vergleichbare Überprüfungsmaßstäbe wie zu § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG anwenden können. Es hat zu untersuchen, ob und wann der Kläger Arbeitsbefreiung verlangt hat. Sollte das nicht der Fall sein, so wird es zu überprüfen haben, ob und wann sich der Beklagte endgültig und eindeutig dauerhaft geweigert hat, den Kläger von seinen Arbeiten innerhalb der Schule freizustellen. Denn eine Arbeitsbefreiung von den häuslichen Pflichten ist aus den oben genannten Gründen jedenfalls unmittelbar nicht möglich. Der Umfang der häuslichen Arbeit reduziert sich nur mittelbar, wenn der Kläger von einem weiteren Teil des Unterrichts entlastet worden wäre.
Wenn das Landesarbeitsgericht auch insoweit eine eindeutige und endgültig dauerhafte Weigerung des Beklagten feststellen sollte, sind sämtliche Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG für einen Zahlungsanspruch des Betriebsratsmitglieds auf Mehrarbeitsvergütung gegeben.
Dr. Röhsler Dr. Jobs Dörner
Dr. Sponer Buschmann
Fundstellen
BAGE 57, 96-106 (LT1-5) |
BAGE, 96 |
NZA 1988, 437-439 (LT1-5) |
RdA 1988, 188 |
AP § 37 BetrVG 1972 (LT1-5), Nr 62 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung X Entsch 57 (LT1-5) |
AR-Blattei, ES 530.10 Nr 57 (LT1-5) |
EzA § 37 BetrVG 1972, Nr 89 (LT1-5) |