Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz nach Druckkündigung
Leitsatz (amtlich)
Es bleibt unentschieden, ob das „Recht am Arbeitsplatz” im Sinne eines räumlich-gegenständlichen Bereichs oder das „Recht am Arbeitsverhältnis” im Sinne eines alleinigen Verfügungsrechts des Arbeitnehmers als absolutes Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anzuerkennen ist. In jedem Falle würde die tatbestandsmäßige Verletzung eines solchen Rechts nicht die Rechtswidrigkeit indizieren. Vielmehr bedürfte diese wie beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Feststellung anhand der zu mißbilligenden Art der Schädigung.
Normenkette
BGB §§ 823-824, 826; StGB §§ 185, 240
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. Juni 1996 – 12 Sa 21/95 – wird, soweit über sie nicht bereits durch Beschluß vom 10. März 1997 – 8 AZR 786/96 – entschieden ist, zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz wegen entgangenen Erwerbseinkommens in Anspruch.
Der am 24. März 1939 geborene Kläger war seit dem 1. Januar 1964, zunächst als Rendant, zuletzt langjährig als Verwaltungsdirektor des B.-Hospitals in L. beschäftigt. Trägerin des B.-Hospitals ist die Katholische Kirchengemeinde …. Der Kläger bezog zuletzt eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 13.376,06 DM und konnte einen PKW privat nutzen. Die Beklagten zu 1) bis 6) sind am B.-Hospital beschäftigte Chefärzte. Die frühere Beklagte zu 7) ist die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung.
Mit Schreiben vom 25. März 1992 teilten die Chefärzte des B.-Hospitals dem Vorsitzenden des Kuratoriums der Katholischen Kirchengemeinde … mit:
„Sehr geehrter Herr Pastor D.!
Ihnen ist aus der Vergangenheit bekannt, daß wir, die leitenden Ärzte des B.-Hospitals, viele Fehlleistungen des Verwaltungsleiters kritisieren mußten. Es haben uns persönlich teilweise diffamierende Äußerungen und Betrugsvorwürfe, die vor Gericht keinen Bestand hatten, schwer belastet.
Wir haben das Vertrauen zu Herrn K. endgültig verloren und sehen daher keine Möglichkeit für eine gedeihliche Zusammenarbeit in der Zukunft.
Dies wird für das Krankenhaus, falls Herr K. weiter ohne Rückhalt im Krankenhaus tätig ist, Probleme bringen, für die wir dann nicht verantwortlich sind.”
In der Kuratoriumssitzung am 2. September 1992 hielt der Beklagte zu 1) ein Referat, das sich mit der Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und Verwaltungsdirektor befaßte. Er führte unter anderem aus, in der Vergangenheit habe genügend Veranlassung bestanden, dem Kläger zu kündigen. Er zitierte aus dem Schreiben des Kuratoriumsvorsitzenden an den Kläger vom 2. November 1987:
„Das Kuratorium des B.-Hospitals hat in der Sondersitzung am Mittwoch, dem 28. Oktober 1987 folgenden Beschluß gefaßt:
Das Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen, Herr K. und dem Kuratorium ist schwer belastet und gestört worden. Wir legen Ihnen daher eine Trennung mit beiderseitigem Einverständnis nahe.
Auf jeden Fall erwarten wir von Ihnen, daß Sie Ihren Personal-Führungsstil und Ihr Verhalten gegenüber den Vorgesetzten und Mitarbeitern ändern.
Wir werden uns regelmäßig über das Arbeitsklima zwischen Ihnen und den Mitarbeitern informieren und behalten uns vor, Sie ebenso regelmäßig darüber zu befragen.
Sollte sich die gemeinsam von uns besprochene Angelegenheit nicht ändern, dann müßte eine Kündigung von unserer Seite in Betracht gezogen werden.”
Der Beklagte zu 1) verwies auf die Urheberschaft des Klägers für die „Dienstverpflichtung der Abteilungsleiter vom 26. Juni 1986”, deren Wortlaut er zitierte:
„Ich verspreche hiermit ausdrücklich:
- Dem B.-Hospital zu dienen;
- Meine Arbeiten unbedingt gewissenhaft und motiviert auszuführen, wobei ich den christlichen Charakter des Hauses voll und ganz respektiere;
- Schaden vom B.-Hospital abzuwenden und den Nutzen zu mehren;
- Im Rahmen der auf mich deligierten Kompetenzen eigenverantwortlich und eigeninitiativ und kreativ zu arbeiten und mich entsprechend weiterzubilden;
- Dem Verwaltungsdirektor als meinen unmittelbaren dienstlichen Vorgesetzten integer im Teamgeist zur Seite zu stehen;
- Die Anordnungen des Verwaltungsdirektors in dienstlichen Belangen unter Wahrung gesetzlicher und tarifrechtlicher Bestimmungen uneingeschränkt zu befolgen, und die mir unmittelbar und mittelbar unterstellten Mitarbeiter entsprechend zu motivieren;
- Unverzüglich Bericht zu erstatten, wenn Gegenläufigkeiten bei unmittelbar und mittelbar unterstellten Mitarbeitern des Hauses festgestellt werden;
- Absolute Verschwiegenheit in dienstlichen und sonstigen Belangen zu wahren.
- Den nötigen Abstand zu den unterstellten Mitarbeitern und den anderen Mitarbeitern des Hauses zu halten;
- Äußerst kollegial mit den anderen Abteilungsleitern umzugehen und zusammenzuarbeiten, soweit die Arbeiten gemeinsam zu bewältigen sind und sich dabei evtl. kompetenzmäßig auch überschneiden;
- Mit den Ordensschwestern und Ltd. Mitarbeitern und Mitarbeitern des Hauses klimatisch in Arbeitsteiligkeit ohne große Vorurteile zusammenzuarbeiten.”
Der Beklagte zu 1) kritisierte, daß diese Dienstverpflichtung maßgebliche Mitarbeiter zu Kadavergehorsam und zur Bespitzelung unmittelbar und mittelbar unterstellter Mitarbeiter des Hauses verpflichtete. Er äußerte weiter, der Kläger sei in ganz besonders perfider Weise mit Frau F., der Beklagten zu 7), umgegangen, auch noch nachdem diese mit großer Mehrheit zur Vorsitzenden der Mitarbeitevertretung gewählt worden war. Der Kläger habe versucht, den Beklagten zu 1) im ersten Jahr seiner Tätigkeit als ärztlicher Direktor immer wieder gegen Frau F. aufzuhetzen. Der Kläger habe sich bemüht, Frau F. strafzuversetzen, weil die Mitarbeitervertretung die im Eilverfahren durchgeführte Einstellung des Sohnes des Klägers ablehnte. Der Kläger habe den Beklagten zu 3) gegenüber dem Beklagten zu 1) als Betrüger dargestellt. Der Beklagte zu 1) führte weiter aus:
„Nach meinen eigenen Erfahrungen mit Herrn K., dessen Eigenlob mir ebenfalls immer wieder auf die Nerven ging, und nachdem auch erste Attacken gegen Herrn A. kamen, gab ich Ende 1991 die Zusammenarbeit auf bzw. beschränkte sie auf das Nötigste. In meiner Weihnachtsansprache 1991 sprach ich vom Frieden, der auch mit einer bestimmten Abteilung des Hauses sein müsse, wo die Mitarbeiter nur mit Angst hingingen. Ich hatte in das berühmte Wespennest gestochen, die Verwaltung des Herrn K. wußte sofort, daß sie gemeint war, mit entsprechenden Vorwürfen von dieser Seite. Im Krankenhaus war jedoch das Echo auf meine Rede so positiv, daß ich in meinem Entschluß, die Zusammenarbeit nicht mehr verantworten zu können, bestärkt wurde.
Erst Anfang 1992 erhielten wir die Dokumentation aus der Vergangenheit, die uns Klarheit brachte, und es kam zur bislang im B. erstmaligen Solidarisierung aller Chefärzte. Ich mußte dann noch erleben, daß Herr K. unberechtigt, wie schon früher Herrn L. so auch Herrn A. und schließlich auch mir Honorargelder zurückhielt, nur durch Intervention des Herrn Pastor D. wurde dieser widerrechtliche Vorgang revidiert.
Von Herrn M. erfuhr ich, daß Herr K. auch ihn jahrelang um die offizielle Anerkennung seiner Abteilung betrogen hat. Trotz stets anderslautender Beteuerungen erfuhr Herr M., daß in Hannover bis vor kurzem überhaupt noch kein Antrag vorlag.
Auch möchte ich noch auf die schändliche Art der Vertragserpressung eingehen, mit der Herr K. Herrn Mö., den lange Jahre verdienten Oberarzt gefügig machte, weil man es ausnutzte, daß Herr Mö. wohl schlecht mehr von L. weggehen konnte.
…
Sie können sich nach allem auch vorstellen, daß ich, falls Herr K. weiter Verwaltungsleiter bleibt, meinen Rücktritt als ärztlicher Direktor erklären werde in Solidarität mit allen Chefärzten und der Mehrheit aller Mitarbeiter unseres Krankenhauses.”
Das Kuratorium wies die Kritik der Chefärzte in der Sitzung am 2. September 1992 zunächst zurück und erklärte, daß es nicht angebracht erscheine, den Kläger rundherum negativ darzustellen. Ihm müsse auch Gelegenheit gegeben werden, sich auf die neue Situation nach dem Ausscheiden des ehemaligen ärztlichen Direktors Dr. Lo. einzustellen.
Am 12. Dezember 1992 beschloß das Kuratorium, eine ganztägige Arbeitstagung am 19. Januar 1993 unter Einschluß aller Chefärzte, des Direktoriums und des Kuratoriums sowie von Vertretern des Generalvikariats durchzuführen, um eine Verständigung zwischen den Ärzten und dem Kläger wiederherzustellen. Auf dieser Tagung wurden auch mehrere personalrechtliche Vorgänge besprochen. Der genaue Verlauf des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. In der Folgezeit erklärten die Chefärzte erneut, sie sähen keine Möglichkeit zu einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Kläger. In einer Stellungnahme vom 2. Februar 1993 teilten sie der Katholischen Kirchengemeinde … folgendes mit:
„Wir hatten, nachdem uns das Kuratorium die Unkündbarkeit von Herrn K. erklärt hatte, mit großen Bedenken ab Herbst 92 eine gewisse Zusammenarbeit mit Herrn K. wieder aufgenommen im Interesse des Krankenhauses. Mir ist dieses sehr schwer gefallen, da ich vorher meine grundlegende Ablehnung des Verwaltungsleiters immer wieder erklärt hatte. Nur die Chefkollegen haben mich daran gehindert, vor einigen Monaten meinen Rücktritt als ärztlicher Direktor wahr zu machen.
Inzwischen sind neue schwere Vorwürfe gegen den Verwaltungsleiter bekannt geworden. In der Angelegenheit der Kündigung der 3 Verwaltungsangestellten hat Herr K. zunächst den Auftrag des Kuratoriums zur Kündigung der betroffenen Angestellten nicht erfüllt. Als dann das Kuratorium die Kündigung vollzogen hatte, wurde dennoch Frau M. zeitweise von Herrn K. in der Verwaltung beschäftigt. Danach hat Herr K. alles getan, um die Kündigung wieder rückgängig zu machen und die Kündigung vor Gericht zu Fall zu bringen. Damit hat er sich klar gegen das Kuratorium und die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses gestellt und dem Krankenhaus, speziell dem Kuratorium in der Öffentlichkeit einen schweren Schaden zugefügt. Er hat z.B. auch verhindert, daß Frau F. und ich als Zeugen vor Gericht geladen wurden.
Außerdem ist jetzt bewiesen, daß Herr K. das Kuratorium und uns Chefärzte in Bad Z. mehrmals belogen hat. Er hatte auf Fragen, ob er denn gewußt habe, daß Dr. J. von Frau Ja. aufgefordert gewesen sei, unter die Ärztebeurteilung durch Dr. B. auch noch eine zweite Beurteilung hinzuzufügen, dieses unter unserem lauten und ungläubigen Lachen mehrmals bestritten. Auch bestritt er, davon gewußt zu haben, daß Frau Ja. zu einem Gespräch der Ärzte mit Dr. J. gehen mußte, wobei es die Ärzte waren, die gegen Dr. J. im Kuratorium sich ausgesprochen hatten und die von Dr. J. mit einer Klage bedroht wurden.
Durch Aussagen von Frau Ja. wissen wir, daß Herr K. von den Aktionen von Frau Ja. gewußt hat entgegen seinen Aussagen vor dem Kuratorium. Demnach ist uns klar, daß Herr K. uns mehrmals eindeutig belogen hat.
Nach diesen schweren neuen Verfehlungen des Verwaltungsleiters sehen wir uns gezwungen, erneut unsere Zusammenarbeit mit Herrn K. und jetzt endgültig abzulehnen, das betrifft auch mich in meiner Funktion als ärztlicher Direktor.
Wir Chefärzte gehen davon aus, daß im Krankenhaus nur die sofortige Kündigung des Verwaltungsleiters das Arbeitsklima wiederherstellen kann. Mit einem Lügner, der in der Vergangenheit schon so viel schwere Schuld auf sich geladen hat, kann ein Krankenhaus nur in die Katastrophe schliddern. Gegenüber ca. 500 Angestellten des Hauses besteht Handlungsbedarf für das Kuratorium und den Kirchenvorstand. Unsere Unterstützung in dieser Angelegenheit und in der Zukunft sichern wir Ihnen zu.”
Unter dem 3. Februar 1993 richteten die Mitglieder der Mitarbeitervertretung folgende Erklärung an den Vorsitzenden des Kuratoriums:
„Sehr geehrter Herr Pastor D.
das Schreiben der Chefärzte vom 2.2. d.J. an Sie wurde uns zur Kenntnisnahme und Stellungnahme vorgelegt.
Wir haben uns in unserer heutigen Sitzung mit den Ausführungen beschäftigt und stellen fest, daß wir diese auch voll so vertreten können.
Auch wir sehen keine Möglichkeit mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Herrn Verwaltungsdirektor K.
Die Katholische Kirchengemeinde … erklärte mit Schreiben vom 10. Februar 1993 die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Sie begründete die Kündigung unter anderem damit, die Chefärzte des Krankenhauses hätten mitgeteilt, daß für sie und auch für die ihnen nachgeordneten Ärzte eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kläger in Zukunft nicht mehr in Frage komme und die Mitarbeitervertretung sich dem angeschlossen habe. Im Kündigungsschreiben heißt es weiter, die Weigerung der Chefärzte, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, sei nicht grundlos, sondern beruhe auf beachtenswerten Umständen. Darüber hinaus wurde die Kündigung auf im einzelnen aufgeführte (streitige) Vertragsverstöße des Klägers gestützt.
Die Kirchengemeinde wiederholte ihre Kündigung mit Schreiben vom 29. April 1993. Gegen beide Kündigungen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Nach Verbindung beider Rechtsstreite wies das Arbeitsgericht E. die Kündigungsschutzklage als unbegründet ab. Im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung des Klägers vordem Landesarbeitsgericht Niedersachsen am 28. Januar 1994 schlossen die Parteien auf Vorschlag des Gerichts folgenden Vergleich:
„1) Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird aus betrieblichen Gründen aufgrund der Kündigung vom 10./11.2.93 mit Ablauf des 15.8.1994 seine Beendigung finden.
2) Der Kläger wird unter Fortzahlung seiner Bezüge bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.
3) Auf die vom Zeitpunkt der Kündigung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses an den Kläger noch zu zahlenden Bezüge werden Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit angerechnet.
4) Durch die Freistellung ist auch der Urlaubsanspruch des Klägers abgegolten.
5) Als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an den Kläger gemäß §§ 9, 10 KSchG, 3 Nr. 9 EStG den Betrag von 246.000,– DM (i. W.: Zweihundertsechsundvierzigtausend Deutsche Mark).
6) Der halbe Betrag der Abfindung ist zahlbar und fällig am 25. Februar 1994, die andere Hälfte per 15. August 1994.
7) Mit Erfüllung dieses Vergleiches sind sämtliche gegenseitigen Zahlungsansprüche der Parteien erledigt.”
Der Kläger bewarb sich bei anderen Arbeitgebern um Anstellung, blieb aber arbeitslos.
Mit der am 12. Juli 1994 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, der von den Beklagten auf die Katholische Kirchengemeinde … ausgeübte Druck sei völlig grundlos gewesen. Den Beklagten zu 1) bis 6) sei es bei ihrer Druckausübung lediglich um ihre eigenen finanziellen Interessen gegangen. Durch die Druckausübung und die dadurch verursachte Kündigung werde ihm ein erheblicher Erwerbsschaden zugefügt. Er hat die Ansicht vertreten, Schadensersatzanspüche gebührten ihm sowohl aus § 823 Abs. 1 BGB als auch aus § 826 BGB und insbesondere aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185, 240 StGB. Der Zurechnungszusammenhang zwischen dem von den Beklagten ausgeübten Druck auf die Kirchengemeinde und dem durch den Prozeßvergleich eingetretenen Verlust des Arbeitsplatzes sei gegeben, denn seine Reaktion stehe in einem angemessenen Verhältnis zu der Herausforderung seitens der Beklagten. Die Modalitäten des Vergleiches drängten geradezu den Schluß herauf, daß der Vergleich nur und ausschließlich aufgrund der Druckkündigung zustande gekommen sei.
Der Kläger hat, soweit in der Revisionsinstanz noch erheblich, beantragt
festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner dem Grunde nach verpflichtet sind, dem Kläger den ihm aus der Kündigung seines Anstellungsverhältnisses mit dem B.-Hospital in L. vom 10. Februar 1993, wiederholt am 29. April 1993 (rechtshängig gewesene Verfahren – 2 Ca 193/93 – des Arbeitsgerichts in E.), entstehenden Erwerbsschaden zu ersetzen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, das wiederholte vertragswidrige Verhalten des Klägers sei Anlaß gewesen, auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinzuwirken. Der Kläger habe die Chefärzte wiederholt belogen. Er habe immer wieder Mitarbeiter gegeneinander ausgespielt, wobei er nicht davor zurückgeschreckt habe, mit einer „Abhöranlage” Gespräche mitanzuhören und aufzuzeichnen.
Sie haben die Ansicht vertreten, der Kläger habe mit der Annahme des Vergleiches zum Ausdruck gebracht, daß er die Beendigung des Dienstverhältnisses mit allen sich daraus ergebenden finanziellen Konsequenzen akzeptiert habe. Aus dem Vergleich folge nicht, daß der Kläger aufgrund einer Druckkündigung ausgeschieden sei, vielmehr belege der Vergleich die Beendigung aufgrund einer „betriebsbedingten Kündigung”.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit Beschluß vom 10. März 1997 hat der erkennende Senat die Revision, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 7) gerichtet hat, als unzulässig verworfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch wegen seiner Erwerbsschäden zu. Die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB lägen nicht vor, denn das Recht am Arbeitsplatz gehöre nicht zu den absolut geschützten Rechten im Sinne dieser Norm. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB scheide aus, weil die Beklagten keine den Rechtskreis des Klägers schützenden Gesetze verletzt hätten. Nach § 826 BGB schuldeten die Beklagten keinen Schadensersatz, denn ihnen falle kein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last. Die unstreitigen jahrelangen Querelen zwischen dem Kläger und den Chefärzten erlaubten es nicht, eine besondere Verwerflichkeit des Vorgehens der Beklagten anzunehmen.
B. Das Landesarbeitsgericht hat die auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichtete Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.
I. Der Schadensersatzanspruch des Klägers folgt nicht aus § 826 BGB. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß den Beklagten aufgrund der Vorgeschichte der zur Entlassung des Klägers führenden Kündigungen kein Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens gemacht werden kann. Insofern bringt die Revision auch keine Rüge vor. Ebensowenig folgt der Schadensersatzanspruch aus § 824 BGB, denn der Kläger hat schon nicht dargelegt, daß die Beklagten durch unwahre Tatsachenbehauptungen den Arbeitgeber zur Kündigung bestimmt hätten.
II. Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 185 StGB zu. Selbst wenn die Beklagten dieses Schutzgesetz zum Nachteil des Klägers verletzt haben sollten, gehörte der im vorliegenden Rechtsstreit beanspruchte Schadensersatz wegen Verlustes des Arbeitsplatzes und der dadurch hervorgerufenen Minderung seines Erwerbseinkommens nicht zum Schutzbereich dieses Ehrschutzdelikts. Ebensowenig folgt der Schadensersatzanspruch aus der Verletzung des § 240 StGB (Nötigung), weil insofern allenfalls die Kirchengemeinde … als geschützte Person in Betracht käme.
III. Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu.
1. Als verletztes Rechtsgut oder Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB käme allenfalls ein „Recht am Arbeitsplatz” in Betracht, dessen Anerkennung höchst umstritten ist.
a) Während das angefochtene Urteil in Übereinstimmung mit einem Teil des Schrifttums (u.a. Zöllner, Festschrift Bundesarbeitsgericht, 1979, S. 745, 749; Palandt/Thomas, BGB, 57. Aufl., § 823 Rz. 27) ein solches absolutes Recht oder Rechtsgut ablehnt, wird von anderen Autoren (u.a. Fitting/Kaiser/Heither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz, 18. Aufl., § 104 Rz 9; KR-Hillebrecht, 4. Aufl., § 626 BGB Rz 152; KR-Etzel, 4. Aufl., § 104 Betriebsverfassungsgesetz Rz 74; Hess/Schlochauer/Glaubitz, Betriebsverfassungsgesetz, 5. Aufl., § 104 Rz 16; Däubler/Kittner/Klebe, Betriebsverfassungsgesetz, 6. Aufl., § 104 Rz 10; Gamillscheg, AcP 164, 385, 391) die Annähme eines solchen absoluten Rechts befürwortet. Das Bundesarbeitsgericht hat zu dieser Problematik lediglich in einem obiter dictum geäußert (Urteil vom 30. September 1970 – 1 AZR 535/69 – AP Nr. 2 zu § 70 BAT), es spreche zum mindesten einiges dafür, daß das Recht des Arbeitnehmers auf den Arbeitsplatz ein absolutes Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB sei.
b) Der Senat neigt der Auffassung zu, weder das „Recht am Arbeitsplatz” im Sinne eines räumlich-gegenständlichen Bereichs noch das „Recht am Arbeitsverhältnis” im Sinne eines alleinigen Verfügungsrechts des Arbeitnehmers als absolutes Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anzuerkennen.
aa) Ein absolutes Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB wird dadurch gekennzeichnet, daß es nicht nur relativ in bezug auf einzelne andere, sondern im Verhältnis zu allen anderen Personen existiert und von diesen zu beachten ist. Mit Recht werden deshalb absolute Rechte auch als Ausschließungsrechte bezeichnet (vgl. nur Staudinger/Schäfer, BGB, § 823 Rz 72 f.).
bb) Eine derartige Ausschlußfunktion kann dem „Recht am Arbeitsplatz”, als Bündelung schuldrechtlicher Beziehungen der Arbeitsvertragsparteien nicht beigemessen werden (vgl. dazu die eingehende Untersuchung von Ebert, Das „Recht am Arbeitsplatz”, Diss. 1990, S. 152). Die rechtlichen Schutzwirkungen des Arbeitsverhältnisses beziehen sich ausschließlich auf die Beziehung zum Arbeitgeber und sind damit nicht „absolut”. Dies trifft auch auf § 613 a BGB zu, allerdings in der besonderen Konstellation des Wechsels in der Person des Arbeitgebers. Durch die Übertragung des Betriebes oder Betriebsteiles auf einen anderen kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig von seinem Arbeitsplatz trennen, statt dessen wird auf Arbeitgeberseite die Vertragspartei kraft Gesetzes ausgetauscht.
2. Im Streitfall kann es dahingestellt bleiben, ob die Notwendigkeit, das Vermögen des Arbeitnehmers vor gezielten Eingriffen Dritter zu schützen, eine Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB erfordert, weil insofern § 826 BGB und § 824 BGB keinen ausreichenden Schutz zu vermitteln vermögen (vgl. MünchKomm-Mertens, 3. Aufl., § 823 Rz 517; Ebert, aaO, S. 111, 152; Lämmerhirdt, Die auf Druck am Arbeitsverhältnis nicht beteiligter Dritter erfolgende Kündigung seitens des Arbeitgebers, Diss. 1973, S. 134 f.). Denn würde das „Recht am Arbeitsplatz” als sonstiges absolutes Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anerkannt, könnte allein die Verletzung dieses Rechts die Rechtswidrigkeit nicht begründen. Die Rechtswidrigkeit wird nicht durch den Verletzungserfolg indiziert. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat hinsichtlich der durch die Rechtsprechung entwickelten sonstigen Rechte im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB, nämlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, entschieden und überzeugend begründet (vgl. Urteil vom 21. Juni 1966 – VI ZR 261/64 – BGHZ 45, 296, 306 ff.; Urteil vom 13. März 1979 – VI ZR 117/77 – BGHZ 74, 9, 14 ff.), daß die Rechtswidrigkeit erst „aus der zu mißbilligenden Art der Schädigung abzuleiten” ist.
a) Da das „Recht am Arbeitsverhältnis” ähnlich dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und auch ähnlich dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht tatbestandsmäßig offen wäre, bedürfte die Rechtswidrigkeit der besonderen Begründung anhand der Verletzungshandlung.
Dabei kommt der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) besondere Bedeutung zu. Diese Freiheit kann sogar das Recht umfassen, Dritte zum Boykott aufzurufen (vgl. Bundesverfassungsgericht Urteil vom 15. Januar 1958 – 1 BvR 400/51 – BVerfGE 7, 198; Urteil vom 15. November 1982 – 1 BvR 108/80 – u.a., BVerfGE 62, 230). Die an den Arbeitgeber gerichtete Aufforderung, ein bestimmtes Arbeitsverhältnis zu beenden, ist mit dem Aufruf zum Boykott durchaus vergleichbar. Deshalb wird aufgrund der Wechselwirkung von Meinungsäußerungsfreiheit und Rechtsgüterschutz des Betroffenen abzuleiten sein, daß in der Regel keine Rechtswidrigkeit festzustellen ist, wenn die Aufforderung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus Gründen eines berechtigten Interesses erhoben wird.
Diese Wertung wird durch die besondere gesetzliche Regelung in § 824 Abs. 2 BGB bestätigt. Danach rechtfertigt die Wahrnehmung berechtigter Interessen sogar die durch eine fahrlässige Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen verursachte Kreditgefährdung.
Dementsprechend darf nicht jedes Entlassungsverlangen als rechtswidrig beurteilt werden, das nicht auf Gründe gestützt ist, die ihrerseits eine tatsächlich ausgesprochene Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB oder § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz rechtfertigen könnten. Ein so hoher Maßstab würde den Mitarbeitervertretungen und Kollegen ungerechtfertigte Fesseln anlegen, zumal eine Differenzierung hinsichtlich der Berechtigung des Kündigungsverlangens nach kündigungsgeschützten und nicht kündigungsgeschützten Arbeitnehmern willkürlich erschiene.
Ein Kündigungsverlangen kann erst dann als rechtswidrig beurteilt werden, wenn die Kollegen oder die Mitarbeitervertretung nicht mehr aus objektiv begründeten berechtigten Interessen handeln.
b) Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten ist nicht dargelegt worden. Vielmehr ergibt sich bereits aus dem unstreitigen Tatbestand, daß die Beklagten nicht ohne jeden rechtfertigenden Grund das Entlassungsverlangen gestellt, sondern sich auf vom Kläger veranlaßte Umstände stützen konnten. Insofern tragen die überzeugenden Ausführungen des Berufungsgerichts zur mangelnden Verwerflichkeit im Sinne von § 826 BGB auch die Annahme berechtigten Interesses der Beklagten. Damit scheidet ein auf § 823 Abs. 1 BGB gestützter Schadensersatzanspruch des Klägers zumindest mangels Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten aus.
C. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, Brückmann, Morsch
Fundstellen
Haufe-Index 441731 |
BAGE, 80 |
BB 1998, 1956 |
BB 1999, 746 |
DB 1998, 2617 |
NJW 1999, 164 |
ARST 1998, 284 |
FA 1998, 329 |
JR 1999, 308 |
NZA 1998, 1113 |
RdA 1998, 382 |
SAE 1999, 116 |
ZAP 1998, 901 |
ZTR 1998, 521 |
AP, 0 |
JA 1999, 270 |
JZ 1999, 733 |
ZMV 1999, 47 |