Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertretung einer Aktiengesellschaft im Arbeitsgerichtsprozeß. Vertretung einer Aktiengesellschaft im Kündigungsschutzprozeß mit einem früheren Vorstandsmitglied
Leitsatz (amtlich)
Wendet sich ein ausgeschiedenes Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft gegen die Kündigung seines für die Dauer der Vorstandstätigkeit angeblich ruhenden Arbeitsverhältnisses, ist seine Kündigungsschutzklage gemäß § 112 AktG gegen die Aktiengesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat zu richten, wenn die Kündigungsgründe in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Mitglied des Vertretungsorgans stehen.
Orientierungssatz
1. Die ausschließliche Vertretungsmacht des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft (AG) gegenüber seinen Vorstandsmitgliedern nach § 112 AktG beschränkt sich nicht auf die jeweils im Amt befindlichen Vorstandsmitglieder.
2. Die AG muß durch den Aufsichtsrat im Prozeß auch dann vertreten werden, wenn mit der Rückkehr des Vorstandsmitgliedes in den Vorstand nicht mehr gerechnet werden muß, aber Streitigkeiten betroffen sind, die den Fortbestand oder die Entwicklung von Rechten und Pflichten des Vorstandsmitgliedes betreffen oder in der Vorstandsbestellung und Vorstandstätigkeit ihren Ursprung haben.
3. Kündigt die AG nach Abberufung des Vorstandsmitgliedes von seinem Vorstandsposten sein Anstellungsverhältnis aus Gründen, die mit seiner Tätigkeit als Mitglied des Vertretungsorgans in unmittelbarem Zusammenhang stehen, so wird die AG durch ihren Aufsichtsrat gesetzlich vertreten. Deshalb ist die Klage einen ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedes einer AG, mit der er sich gegen die Kündigung seines für die Dauer der Vorstandstätigkeit angeblich ruhenden Arbeitsverhältnisses wendet, gegen die AG, vertreten durch den Aufsichtsrat, zu richten.
Normenkette
AktG § 78 Abs. 1, § 112; BGB § 626 Abs. 1; ZPO § 51 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 30. November 1999 – 13 Sa 917/99 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen.
Der Kläger war seit dem 1. April 1991 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der R. Bank AG, als Leiter der Abwicklungsabteilung beschäftigt. Ab 1. Mai 1993 übernahm er zusätzlich die Leitung der Abteilung „Gewerbliche Kredite”. Zum 1. August 1993 wurde ihm Prokura erteilt. Auf der Basis des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 19. Oktober 1993 erhielt er ab Januar 1994 eine monatliche Vergütung in Höhe von 7.500,00 DM brutto.
Auf Grund einer Unternehmensumstrukturierung ging das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die Beklagte über. Seit Anfang 1996 erhielt er eine monatliche Vergütung in Höhe von 8.400,00 DM brutto.
Mit Beschluß vom 19. November 1996 bestellte der Aufsichtsrat der Beklagten den Kläger befristet für drei Jahre zum Mitglied ihres Vorstands. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt erhielt der Kläger eine monatliche Vergütung in Höhe von 10.400,00 DM brutto. Zwischen den Parteien ist streitig, ob eine Erhöhung der Vergütung um 2.000,00 DM brutto bereits ab März 1996 oder aus Anlaß der Bestellung des Klägers zum Vorstand vereinbart worden war. Einen vom Kläger erstellten Entwurf eines Dienstvertrages für seine Vorstandstätigkeit unterzeichnete die Beklagte nicht.
Im Dezember 1996 wies der Kläger den damaligen Prokuristen (jetzt Vorstandsmitglied) K. an, weiterhin für ihn die monatlichen Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Diese Anweisung bestätigte er im März 1997. Die Beklagte führte für den Kläger Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 13.041,09 DM für die Zeit seiner Vorstandsbestellung ab.
Der Kläger setzte im Dezember 1996 das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen und den Aufsichtsrat davon in Kenntnis, daß der im Vorstand vertretene Mehrheitsaktionär H. auf die Geschäftspolitik unzulässigerweise Einfluß nehme. Ohne vorherige Information des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung trat der Kläger am 5. Mai 1997 das gesamte Forderungsvermögen der Beklagten im Wert von ca. 55 Mio. DM an Rechtsanwalt V. ab. Hiervon erfuhr der Aufsichtsrat erstmalig im Dezember 1997.
Am 6. August 1997 beschloß der Personalausschuß der Beklagten den Kläger von seinem Amt als Vorstandsmitglied zu entbinden, ihm seine Prokura zu entziehen und das „Arbeits-/Dienstverhältnis mit sofortiger Wirkung” zu kündigen.
Mit Schreiben vom 6. August 1997, unterzeichnet vom Vorstandsmitglied K., teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß
„der Aufsichtsrat am 6. Aug. 97 beschlossen (hat), Ihre Bestellung zum Vorstandsmitglied mit sofortiger Wirkung zu widerrufen.
Zugleich hat er mich zur Kündigung Ihres Anstellungsverhältnisses und dem Entzug der Ihnen erteilten Prokura bevollmächtigt.
Diese Kündigung spreche ich hiermit aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung aus.”
Mit einem weiteren Schreiben ihres Aufsichtsrats vom 12. August 1997, unterschrieben vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats G., kündigte die Beklagte vorsorglich erneut das Vertragsverhältnis des Klägers fristlos aus wichtigem Grund.
Mit seiner beim Arbeitsgericht am 26. August 1997 eingegangenen und gegen die Beklagte – vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstand K. – gerichteten Klage hat sich der Kläger gegen die Unwirksamkeit der beiden außerordentlichen Kündigungen gewandt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß er seine Kündigungsschutzklage zutreffend gegen die Beklagte, vertreten durch den Vorstand, gerichtet habe, weil er sich gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses wende. Er hat weiter vorgetragen: Sein ursprüngliches Arbeitsverhältnis sei nach seiner Abberufung als Vorstandsmitglied der Beklagten wieder aufgelebt. Es sei nicht durch die Bestellung zum Vorstand der Beklagten beendet worden, sondern habe geruht. Seine organschaftliche Bestellung zum Vorstandsmitglied der Beklagten sei nicht durch einen entsprechenden Dienstvertrag unterlegt worden. Insbesondere sei auch seine Vergütung unverändert geblieben. Die Erhöhung um monatlich 2.000,00 DM sei ihm nämlich bereits ab März 1996 zugesagt gewesen. Den Erhöhungsbetrag habe er erst nach Aufnahme der Vorstandstätigkeit durch eine Nachzahlung von 10.000,00 DM erhalten. Zwischenzeitlich habe am 23. Februar 1999 das Oberlandesgericht Köln – 22 U 124/98 – die Beklagte verurteilt, ihm für seine Vorstandstätigkeit einen Differenzbetrag in Höhe von 18.611,78 DM – unter Anrechnung geleisteter Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 13.041,09 DM – auf der Basis einer Jahresvergütung von 169.000,00 DM bzw. 14.083,83 DM monatlich für das Jahr 1997 zu zahlen. Im übrigen seien die außerordentlichen Kündigungen materiell-rechtlich unwirksam, da für sie keine wichtigen Gründe iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorlägen.
Auf Grund der fehlenden Basisvereinbarung zur Vorstandsbestellung habe er davon ausgehen müssen, daß sein ursprüngliches Arbeitsverhältnis weiter bestanden habe und deshalb Sozialabgaben abzuführen gewesen seien. Um Schaden von der Beklagten abzuwenden, habe er das gesamte Forderungsvermögen der Beklagten an Rechtsanwalt V. treuhänderisch abgetreten. Dieser habe zugesagt, hierfür keine Rechnung zu erstellen bzw. nur ein geringes Honorar zu verlangen. Im übrigen könnten die Vorgänge um die Forderungsabtretung die Kündigung vom August 1997 nicht rechtfertigen, weil die Beklagte den Sachverhalt erst nach dem Ausspruch der Kündigung im Dezember 1997 erfahren habe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 25. Februar 1999 – 6 (11) Ca 7651/97 ,–,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 6. August 1997 nicht aufgelöst worden ist,
- festzustellen, daß das Anstellungsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 12. August 1997 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die gegen ihren Vorstand gerichtete Klage wegen der besonderen gesetzlichen Vertretungsregelung des § 112 AktG für unzulässig. Neben der allgemeinen, abstrakten Gefahr einer fehlenden Unabhängigkeit des sonst die Gesellschaft vertretenden Vorstandes bestehe hier die konkrete Gefahr einer Interessenkollision, da das dem Kläger nachfolgende, allein vertretungsberechtigte Vorstandsmitglied K. gleichfalls aus einem Anstellungsverhältnis heraus zum Vorstandsmitglied bestellt worden sei. Eine Rubrumsberichtigung komme nicht in Betracht.
Das ursprüngliche Arbeitsverhältnis des Klägers habe nicht mehr ruhend fortbestanden. Es sei mit Bestellung des Klägers zum Mitglied ihres Vorstandes in ein dienstvertragliches Anstellungsverhältnis umgewandelt worden. Anläßlich der Vorstandsbestellung sei die Vergütung des Klägers um 2.000,00 DM brutto monatlich erhöht und an ihn außerdem eine einmalige Zahlung in Höhe von 20.000,00 DM als Ausgleich für seinen Besitzstandsverlust geleistet worden. Der Kläger sei mit diesen vereinbarten Konditionen einverstanden gewesen. Die Kündigungen seien aus wichtigem Grund zu Recht erfolgt. Insbesondere stelle die Abtretung des gesamten Forderungsvermögens ohne Information des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung eine erhebliche Pflichtverletzung des Klägers dar. Der vom Kläger beauftragte Treuhänder V. habe von ihr, der Beklagten, zur Rückabtretung der Forderung die Zahlung einer Summe von 193.504,75 DM verlangt. Ferner habe sie im August 1997 erfahren, daß der Kläger zu ihren Lasten eine Kostenrechnung seines Rechtsanwalts über 15.995,00 DM abgerechnet habe, aus der nicht erkennbar sei, inwieweit die Kosten dienstlich veranlaßt gewesen seien. Schließlich habe er das von der Hauptversammlung beschlossene Umstrukturierungskonzept vom 30. August 1996 nicht umgesetzt.
Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß die Beklagte nicht ordnungsgemäß nach den gesetzlichen Vorschriften gemäß § 51 Abs. 1 ZPO iVm. § 112 AktG durch ihren Vorstand vertreten worden ist. Nach § 112 AktG vertrete der Aufsichtsrat die beklagte Gesellschaft im Rechtsstreit gegenüber amtierenden und ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich. Die gesetzliche Regelung wolle Interessenkollisionen vermeiden und eine sachgerechte Vertretung der Gesellschaft sicherstellen. Dies sei nicht ausreichend gewährleistet, wenn die Gesellschaft bei Vertragsschlüssen oder gerichtlichen Auseinandersetzungen mit gegenwärtigen oder ehemaligen Vorstandsmitgliedern durch ihren amtierenden Vorstand und damit durch deren Kollegen oder Nachfolger im Amt vertreten würden. Nicht notwendig sei eine konkrete Gefährdung der Interessen der Gesellschaft. Ausreichend sei die abstrakte Gefahr einer nicht unbefangenen Vertretung. Da im vorliegenden Rechtsstreit die Parteien über mögliches Fehlverhalten des Klägers als Vorstandsmitglied stritten und damit der Rechtsstreit seinen Ursprung in der Vorstandstätigkeit habe, bestehe die hinreichende Gefahr von möglichen Interessenkollisionen, die eine Vertretung der Beklagten durch ihren Aufsichtsrat notwendig machten. Da der Aufsichtsrat der Beklagten weder in den Rechtsstreit eingetreten sei noch die Prozeßführung des Vorstands genehmigt habe, sei der vom Kläger verursachte Vertretungsmangel nicht nachträglich geheilt worden. Auch scheide eine Zurückverweisung des Rechtsstreits wegen eines möglichen erstinstanzlichen Verfahrensfehlers gemäß § 68 ArbGG aus.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung.
Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zutreffend als unzulässig abgewiesen. Die beklagte Aktiengesellschaft ist nicht nach den gesetzlichen Vorschriften vertreten (§ 51 Abs. 1 ZPO iVm. § 112 AktG).
1. Ausweislich des Rubrums seiner Klageschrift und der Urteile beider Vorinstanzen richtet sich die Klage des Klägers gegen die beklagte Aktiengesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstand K. Dies steht nicht in Einklang mit der gesetzlichen Vertretungsregelung des § 112 AktG, nach dem zur Vertretung der beklagten Aktiengesellschaft im Rechtsstreit mit dem Kläger als ehemaligen Vorstandsmitglied der Beklagten der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich vertritt.
a) Allerdings vertritt nach § 78 Abs. 1 AktG der Vorstand die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. § 112 AktG macht hiervon eine gesetzliche Ausnahme. Danach nimmt der Aufsichtsrat die Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern wahr. Zwar ist der Kläger durch den sofort wirksam werdenden Widerruf (§ 84 Abs. 3 Satz 4 AktG) schon bei Erhebung seiner Klage nicht mehr Vorstandsmitglied gewesen. Die ausschließliche Vertretungsmacht des Aufsichtsrats ist aber nicht auf die jeweils im Amt befindlichen Vorstandsmitglieder beschränkt. Auch wenn der Wortlaut des § 112 AktG diese einschränkende Auslegung zuläßt(Behr/Kindl DStR 1999, 119 ff.) ist ein solches Verständnis der Norm zu eng. § 112 AktG will eine sachgerechte und unbefangene, von möglichen Interessenkollisionen und darauf beruhenden sachfremden Erwägungen freibleibende Vertretung der Gesellschaft sicherstellen(vgl. BGH 11. Mai 1981 – II ZR 126/80 – AP BGB § 622 Nr. 15; 8. Februar 1988 – II ZR 159/87 – BGHZ 103, 213, 216; 13. Februar 1989 – II ZR 209/88 – NJW 1989, 2055, 2056; 5. März 1990 – II ZR 86/89 – WM 1990, 630, 631; 22. April 1991 – II ZR 151/90 – WM 1991, 941; 26. Juni 1995 – II ZR 122/94 – BGHZ 130, 108, 111; 28. April 1997 – II ZR 282/95 – NJW 1997, 2324; 14. Juli 1997 – II ZR 168/96 – WM 1997, 1657 1658; ErfK/Oetker 2. Aufl. § 112 AktG Rn. 2; Hüffer AktG 4. Aufl. § 112 Rn. 1; Mertens in Kölner Kommentar zum AktG 2. Aufl. § 112 Rn. 2). Die gesetzliche Regelung beruht auf der Besorgnis, daß der Vorstand als regelmäßiges gesetzliches Vertretungsorgan nicht die erforderliche Unabhängigkeit aufbringt, wenn einzelne seiner Mitglieder an dem streitigen Rechtsverhältnis selbst beteiligt sind. Im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit kann es deshalb nicht darauf ankommen, ob die Besorgnis der Befangenheit im konkreten Fall tatsächlich berechtigt ist, was auch im Einzelfall regelmäßig nur schwer feststellbar wäre. Ausreichend ist in solchen Fällen, daß auf Grund einer gebotenen und typisierenden Betrachtung regelmäßig die abstrakte Gefahr einer nicht unbefangenen Vertretung der Gesellschaft besteht(BGH 26. Juni 1995 aaO; 23. September 1996 – II ZR 126/95 – NJW 1997, 318 und 28. April 1997 aaO). Eine abstrakte Gefährdung kann aber auch dann bestehen, wenn ausgeschiedene Vorstandsmitglieder betroffen sind. Denn eine unbefangene Vertretung der Gesellschaft kann in Frage stehen, wenn Vorstandsmitglieder im Namen der Gesellschaft mit ihren bisherigen Vorstandskollegen verhandeln oder sich mit ihnen auseinandersetzen müssen. Dieser gesetzgeberische Zweck erfordert auch eine Anwendung der Norm in Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gesellschaft und ihrem ausgeschiedenen Vorstandsmitglied(ständige Rechtsprechung des BGH 11. Mai 1981 aaO; 9. Oktober 1986 – II ZR 284/85 – NJW 1987, 254; 8. Februar 1988 aaO; 13. Februar 1989 aaO; 5. März 1990 aaO; 22. April 1991 aaO; 23. September 1996 aaO; 28. April 1997 aaO; 21. Juni 1999 – II ZR 27/98 – ZIP 1999, 1669, 1670; ihm folgend das Bundesarbeitsgericht BAG 20. August 1998 – 2 AZR 12/98 – nv. ErfK/Oetker aaO § 112 AktG Rn. 3; Mertens aaO § 112 Rn. 10; Hüffer aaO § 112 Rn. 2; Nirk/Reuter/Bächle Handbuch der Aktiengesellschaft I Rn. 1026; Brandner Festschrift für Karl Heinz Quack zum 65. Geburtstag Berlin 1991, S 201, 209; Geßler AktG Stand Juli 2001 § 112 Rn. 3 f.; Schmits AG 1992, 149, 150; Rellermeyer ZGR 1993, 77, 81; Werner ZGR 1989, 369, 377 ff.).
b) Dies gilt selbst dann, wenn mit der Rückkehr dieses Vorstandsmitgliedes in den Vorstand nicht mehr gerechnet werden muß oder wenn wegen Veränderungen im Vorstand persönliche Kontakte des ausgeschiedenen Vorstandsmitglieds zu dem jetzt amtierenden Vorstand weniger von Bedeutung sind. Auch dann kann nämlich die Gefahr bestehen, daß bei einer Vertretung der Gesellschaft im Rechtsstreit durch den Vorstand Gesellschaftsbelange nicht hinreichend gewahrt werden. Ausreichend ist, daß nur die abstrakte Gefahr fehlender Unabhängigkeit der Vertretungsorgane besteht, was im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auf Grund typisierender Betrachtung festzustellen ist(BGH 5. März 1990 aaO; 22. April 1991 aaO; 14. Juli 1997 aaO; Hüffer aaO § 112 AktG Rn. 2; Werner ZGR 1989, 369, 380). Ob sich die Gefahr einer Beeinträchtigung von gesellschaftlichen Belangen konkret realisiert, ist – im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit – unerheblich(vgl. insbesondere BGH 26. Juni 1995, 28. April 1997 und 14. Juli 1997 alle aaO; Mertens aaO § 112 AktG Rn. 2).
Die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats bestimmt sich deshalb allein nach einer abstrakten Befangenheit des Vorstands. Eine abstrakte Gefahr der Beeinträchtigung von Gesellschaftsbelangen wird immer dann typisierend anzunehmen sein, wenn das Verhalten der amtierenden Vorstandsmitglieder von der Vorstellung beeinflußt werden kann, eines Tages in eine ähnliche Situation zu geraten wie das jetzt klagende Vorstandsmitglied(vgl. insbesondere BGH 14. Juli 1997 aaO). Davon ist auszugehen, wenn Fragen streitig sind, die mit der – ehemaligen – Bestellung oder Anstellung des Vorstandsmitglieds im Zusammenhang stehen, dh. wenn Fragen betroffen sind, die den Fortbestand oder die Fortwirkung von Rechten und Pflichten aus der Vorstandsmitgliedschaft selbst betreffen oder dort ihren Ursprung haben(vgl. insbesondere ErfK/Oetker aaO § 112 AktG Rn. 3; Mertens aaO § 112 AktG Rn. 10; Schmits AG 1992, 153; Semler Festschrift für Rowedder München 1994 S 441, 447; Rellermeyer ZGR 1993, 77, 81; Gravenhorst Anm. zu OLG Bamberg 23. November 1994 – 8 U 76/94 – EzA AktG § 112 Nr. 1). Hierzu gehören insbesondere Fragen nach der Gültigkeit der Abberufung, der Kündigung und der Rechte und Pflichten aus dem Anstellungsverhältnis. Von einer abstrakten Gefährdung der gesellschaftlichen Belange der Aktiengesellschaft mit der Folge einer Zuständigkeit des Aufsichtsrats ist also dann auszugehen, wenn nachträglich eine Streitigkeit mit dem Vorstandsmitglied aus Vorgängen entsteht, die ihren Ursprung in seiner Vorstandstätigkeit haben(vgl. Werner ZGR 1998, 369, 381; Lutter/Krieger Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats 2. Aufl. § 4 Rn. 44). Nur wenn Fragen streitig sind, die in keinem Zusammenhang zur früheren Organstellung oder deren Beendigung stehen, ist eine entsprechende abstrakte Gefahr der Befangenheit des Vorstands zu verneinen und seine Vertretungszuständigkeit gemäß § 78 Abs. 1 AktG gegeben(Rellermeyer ZGR 1993, 77, 81; Schmits AG 1992, 153; Lutter/Krieger aaO § 4 Rn. 44).
c) Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat – davon auszugehen, daß im vorliegenden Rechtsstreit die Vertretungsmacht beim Aufsichtsrat der Beklagten liegt.
Die Beklagte hat den Kläger von seinem Vorstandsposten abberufen und die Kündigung des Anstellungsvertrags mit Vorwürfen begründet, die alle aus seiner – früheren – Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Beklagten herrühren. Dies gilt für den Vorwurf der nicht hinreichenden Umsetzung des Umstrukturierungskonzepts und der Anweisung zur Weiterzahlung der Sozialversicherungsbeiträge ebenso wie für die von ihm zu verantwortende Untersuchung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen und die Forderungsabtretung an V. Alle diese Vorgänge begründen dementsprechend die abstrakte Gefahr einer nicht unbefangenen Vertretung der Beklagten durch ihren Vorstand im oben genannten Sinne. Soweit der Kläger weiter meint, mit der Abberufung als Vorstandsmitglied sei sein ursprüngliches Anstellungsverhältnis wieder aufgelebt, weshalb hinsichtlich der Überprüfung der Kündigung der Vorstand vertretungsrechtlich befugt sei, steht auch diese Auffassung im Gegensatz zu der gesetzlichen Regelung des § 112 AktG. Ob die Parteien vor oder bei Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied der Beklagten ein Ruhen ihres Arbeitsverhältnisses vereinbart haben, bedarf insoweit keiner Entscheidung (vgl. dazu Senat 8. Juni 2000 – 2 AZR 207/99 – AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 49 mit Anm. Neu = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 35). Diese Frage ändert nichts an der Vertretungszuständigkeit des Aufsichtsrats im vorliegenden Fall. Denn auch insoweit steht der Rechtsstreit im unmittelbaren Zusammenhang mit Fragen, die im Zusammenhang mit der Organbestellung des Klägers stehen. Es ist gerade zwischen den Parteien streitig, ob zwischen dem Kläger und dem Aufsichtsrat eine entsprechende „Ruhensregelung” damals getroffen worden ist. Gerade für diesen Fall – und mit Blick auf die Ausstrahlungswirkung auf die anderen Vorstandsmitglieder – ist es nach dem Sinn des § 112 AktG geboten, daß der Aufsichtsrat der Beklagten die Aktiengesellschaft gegenüber ihrem ehemaligen Vorstandsmitglied vertritt.
2. Die Nichtbeachtung des § 112 AktG führt infolge der fehlenden ordnungsgemäßen Vertretung der Beklagten (§ 51 Abs. 1 ZPO) zur Unzulässigkeit der Klage(BAG 20. August 1998; BGH 9. Oktober 1986 und 21. Juni 1999, alle aaO; ErfK/Oetker aaO § 112 AktG Rn. 8; Hüffer aaO § 112 Rn. 8; Nirk/Reuter/Bächle aaO I Rn. 1025; Werner ZGR 1989, 369, 373; Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPO 15. Aufl. § 44 IV 5; Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. § 51 Rn. 16; Hager NJW 1992, 352, 354). Eine Heilung des Vertretungsmangels, der nachträglich noch möglich ist, ist vorliegend nicht erfolgt, da der Aufsichtsrat der Beklagten weder in den Prozeß eingetreten ist noch die Prozeßführung des Vorstands genehmigt hat(vgl. hierzu Mertens aaO § 112 Rn. 7; Hüffer aaO § 112 Rn. 8; ErfK/Oetker aaO § 112 Rn. 8).
Die Frage der Vertretung der Beklagten ist in den Tatsacheninstanzen angesprochen worden. Dementsprechend bestand für das Landesarbeitsgericht auch keine Veranlassung zu einer weiteren Aufklärung bzw. zu weiteren gerichtlichen Hinweisen. Die Revision rügt in diesem Zusammenhang erfolglos die Verletzung des § 139 ZPO. Hinzu kommt, daß die Rüge nicht in der nach § 554 Abs. 3 Ziff. 3 b ZPO gebotenen Form erhoben worden ist. Der Kläger, der die Verletzung des § 139 ZPO rügt, muß im einzelnen angeben, welche Fragen bzw. welche rechtlichen Hinweise hätten angebracht werden müssen und vor allem, was er darauf erwidert hätte. Der zunächst unterbliebene Vortrag muß vollständig nachgeholt und über die Verfahrensrüge schlüssig gemacht werden(BAG 30. November 1962 – 3 AZR 86/59 – BAGE 13, 340, 344; 5. Juli 1979 – 3 AZR 197/78 – BAGE 32, 56, 66). Diesen Anforderungen genügt die vom Kläger erhobene Verfahrensrüge nicht. Der Kläger bleibt hierzu jeglichen konkretisierenden Vortrag schuldig.
3. Schließlich spricht gegen die Unzulässigkeit der Klage auch nicht der Umstand, daß an eine „Kündigungsschutzklage” im Prozeß keine hohen Anforderungen zu stellen sind und beispielsweise die formelle Bezeichnung einer Partei in der Klageschrift für deren Parteistellung allein nicht maßgeblich ist(vgl. beispielsweise zuletzt BAG 15. März 2001 – 2 AZR 141/00 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Denn vorliegend ist kein Fall der Berichtigung des Rubrums gegeben. Der Kläger hat die Vertreterstellung nicht falsch bezeichnet, sondern bewußt – allerdings unzutreffend – gewählt und an ihr festgehalten. Eine nachträgliche Berichtigung des Rubrums scheidet deshalb aus.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Eylert, Dr. Roeckl, Claes
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.07.2001 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 706941 |
BAGE, 196 |
BB 2002, 692 |
BB 2002, 948 |
DB 2002, 956 |
NJW 2002, 1444 |
ARST 2002, 188 |
FA 2002, 54 |
NZA 2002, 401 |
NZG 2002, 392 |
SAE 2002, 159 |
AG 2002, 458 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 13 |
EzA |