Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Betriebsübergang. Weiterbeschäftigung
Orientierungssatz
1. Die Regelung des § 613a Abs 4 S 1 BGB, nach der die Kündigung wegen Betriebsübergang unwirksam ist, enthält ein eigenständiges Kündigungsverbot im Sinne von § 13 Abs 3 KSchG, § 134 BGB und stellt nicht die Sozialwidrigkeit einer Kündigung klar, die nach dem Maßstab des § 1 KSchG zu beurteilen ist. Deshalb muß bei einer Klage, bei der die Unwirksamkeit einer Kündigung wegen des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs geltend gemacht wird, nicht die Klagefrist des § 4 KSchG eingehalten werden.
2. Der gekündigte Arbeitnehmer hat außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs 5 BetrVG, 79 Abs 2 BPersVG einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzprozeßes, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegend schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen.
Normenkette
BGB §§ 611, 613a Abs. 1, 4 S. 1; KSchG § 4 Fassung 1969-08-25, § 7 Fassung 1969-08-25, § 1 Abs. 2 Fassung 1969-08-25
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 18.09.1984; Aktenzeichen 12 Sa 6/84) |
ArbG Göttingen (Entscheidung vom 01.12.1983; Aktenzeichen 1 Ca 1672/82) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung durch den Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin (Beklagter zu 1) und darüber, ob der Kläger einen Anspruch hat, im Betrieb nach dessen Veräußerung bei der Beklagten zu 2) weiterbeschäftigt zu werden.
Der Kläger war seit 1970 bei der Firma I GmbH, Göttingen, (Gemeinschuldnerin) als Hilfsoptiker zu einem Stundenlohn von zuletzt 14,54 DM beschäftigt. Nach vorangegangenem Vergleichsverfahren wurde am 7. Oktober 1982 über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Anschlußkonkursverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1) zum Konkursverwalter bestellt. Dieser schloß am 20. Oktober 1982 mit dem Betriebsrat der Gemeinschuldnerin eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan, der eine Stillegung des Betriebs und Abfindungszahlungen vorsah. Mit Schreiben vom 21. Oktober 1982 kündigte der Beklagte zu 1) dem Kläger zum 31. Dezember 1982. Am 30. November 1982 verkaufte der Beklagte zu 1) - nachdem ein früherer Kaufvertrag mit anderen Käufern keine Wirksamkeit erlangt hatte - der Firma I GmbH in Hamburg (Beklagte zu 2) Gegenstände des Anlagevermögens, des Vorratsvermögens und das know-how der Gemeinschuldnerin. Die Beklagte zu 2) führte ab 1. Dezember 1982 die Produktion unter eigenem Namen fort und lehnte eine Übernahme und Weiterbeschäftigung des Klägers ab. Mit seiner am 8. Dezember 1982 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung sei nichtig und die Beklagte zu 2) sei deshalb verpflichtet, ihn zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Hilfsoptiker weiterzubeschäftigen.
Der Kläger hat vorgetragen, bei den Verhandlungen über den Sozialplan habe der Beklagte zu 1) dem Betriebsrat gegenüber geäußert, es bestünden berechtigte Aussichten, den Betrieb zu verkaufen, es könnten aber nur noch 150 bis 200 Arbeitnehmer statt bisher 300 beschäftigt werden. Nur falls es nicht zum Verkauf komme, werde der Betrieb zum 31. Dezember 1982 stillgelegt. Die Kündigungen vom 21. Oktober 1982 seien daher vorsorglich ausgesprochen worden. Unter Berücksichtigung der Vorgeschichte sei es von besonderer Bedeutung, daß der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin heute auch Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Beklagten zu 2) sei. Bereits seit Jahren sei die Gemeinschuldnerin "am Wackeln gewesen". Bereits am 4. Juni 1981 habe der Betriebsrat den Geschäftsführer L gefragt, ob er die Gemeinschuldnerin kaufen würde, wenn der Mehrheitsaktionär der Firma Sch K AG, Herr M, die Gemeinschuldnerin, die eine Tochter dieser Aktiengesellschaft war, abstoßen wolle. Herr L habe damals gesagt, die Firma sei noch zu teuer, er übernehme sie, wenn dies nicht mehr der Fall sei. Am 26. Februar 1982 habe der Geschäftsführer dem Betriebsrat gegenüber mitgeteilt, er habe beabsichtigt, in die Gemeinschuldnerin als Teilhaber einzusteigen, Herr M habe dies jedoch abgelehnt. Anfang Mai 1982 habe der Geschäftsführer L dem Betriebsrat gesagt, er und ein guter Freund von ihm seien bereit, die GmbH zu übernehmen, diese müsse aber erst am Ende sein. Danach habe der Geschäftsführer L gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden und dem Betriebsratsmitglied K mehrfach geäußert, es müsse jemand gefunden werden, der in der Stunde Null notwendige Formalitäten erledige, etwa ein Konkursverwalter wie bei der Firma R, der bereit sei, den Betrieb - wenn auch in kleinerem Umfang - zu verkaufen. Dementsprechend sei der Beklagte zu 1) als Vergleichs- und Konkursverwalter gewonnen worden. Der Beklagte zu 1) habe als Vergleichsverwalter noch im September 1982 den Industrie- und Handelsmakler A beauftragt, Verkaufsangebote einzuholen und die Gemeinschuldnerin zum Verkauf anzubieten. Bereits am 2. Oktober 1982 habe der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, Herr L, ein Kaufangebot abgegeben. Dieses habe der Beklagte zu 1) auch zur Kenntnis genommen. Zwischen Geschäftsführer L und dem Beklagten zu 1) sei es vor der Kündigung vom 21. Oktober 1982 zu verschiedenen Gesprächen über die Betriebsübernahme gekommen. Am 16. November 1982 hätten der Beklagte zu 1) und der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin und jetzige Hauptgesellschafter der Beklagten zu 2) die Anteile an der Firma T - Warenhandelsgesellschaft mbH (einen Firmenmantel) erworben und am selben Tage umfirmiert in I GmbH, die dann ebenfalls am 16. November 1982 das Anlagevermögen, das Vorratsvermögen und das know-how der Gemeinschuldnerin durch Rechtsgeschäft übernommen habe. Es bestehe also ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung und dem Betriebsübergang; hinzu komme, daß der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin und der Geschäftsführer der übernehmenden Gesellschaft identisch seien. Das begründe den ersten Anschein dafür, daß die Kündigung wegen Betriebsübergangs ausgesprochen worden sei. Diesen Anschein habe der Beklagte zu 1) nicht entkräftet. Unschädlich sei es, daß die Klage erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG erhoben worden sei, weil § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB, wonach die Kündigung w e g e n des Übergangs eines Betriebs unwirksam ist, ein eigenständiges Kündigungsverbot enthalte.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß die durch den Be-
klagten zu 1) mit Schreiben vom 21. Ok-
tober 1982 zum 31. Dezember 1982 aus-
gesprochene Kündigung unwirksam ist;
2. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den
Kläger zu den bisherigen Arbeitsbedin-
gungen als Hilfsoptiker weiterzubeschäf-
tigen.
Die Beklagten zu 1) und 2) haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung haben sie vorgetragen, bei der Regelung des § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB handele es sich um einen Sondertatbestand der betriebsbedingten Kündigung, weshalb die Klagefrist des § 4 KSchG einzuhalten sei. Da die Klage nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben worden sei, gelte die Kündigung nach § 7 KSchG als wirksam. Dementsprechend sei die Feststellungsklage ebenso abzuweisen wie die Klage auf Weiterbeschäftigung.
Darüber hinaus sei die Kündigung aber auch nicht w e g e n des Betriebsübergangs ausgesprochen worden. Der Kläger sei hierfür darlegungs- und beweispflichtig.
Der Beklagte zu 1) habe gehofft, daß die Bemühungen um die Erhaltung der Betriebsstätte erfolgreich sein würden und habe sich eher zuversichtlich als pessimistisch gezeigt. Er habe aber bei den Sozialplanverhandlungen gesagt, es gebe noch keine konkreten Verkaufsaussichten. Deshalb müsse der Betrieb zum 31. Dezember 1982 stillgelegt werden. Da kein Kaufinteressent vorhanden gewesen sei, habe der Beklagte zu 1) auch alle Vorbereitungen für eine Betriebsstillegung zum Jahresende getroffen. In diesem Zusammenhang habe er allen Arbeitnehmern gekündigt. Der Vertrag zum Verkauf des Unternehmens sei erst Mitte November 1982 ausgehandelt worden. Vorher habe er, der Beklagte zu 1), nur auf erfolgreiche Verkaufsverhandlungen gehofft. Am 16. November 1982 habe er mit Herrn L zusammen Anteile der T-Warenhandelsgesellschaft mbH erworben, am selben Tage umfirmiert in I GmbH, die dann als Käuferin habe auftreten können. Die I GmbH sei eine "Vorratsgründung" gewesen, mit der Kaufinteressenten ein fertiger GmbH-Mantel angeboten werden sollte. Dementsprechend sei am 16. November 1982 mit der I GmbH erstmals ein Kaufvertrag über Gegenstände des Anlagevermögens, des Vorratsvermögens und des know-how abgeschlossen worden. Herr L habe ein Drittel des Stammkapitals und die Ty -Gruppe aus New York zwei Drittel des Stammkapitals übernehmen sollen. Im November habe sich jedoch die Ty-Gruppe aus den Kaufverhandlungen zurückgezogen. Als Notlösung habe dann er, der Beklagte zu 1), mit der Masse selbst 50 % der Kapitalanteile der Käufer-GmbH übernommen, während Herr L sich entschlossen habe, seine Beteiligung auf 50 % zu erhöhen. Im Januar 1983 habe die neue Interessentengruppe Firma O Corp. Californien und des Walter R zum 2. Februar 1983 die Anteile übernommen, die bis dahin er, der Konkursverwalter, gehalten habe. Zum Zeitpunkt der Kündigung sei also noch völlig offen gewesen, ob das Unternehmen habe verkauft werden können.
Auch die Vorgeschichte sei vom Kläger nicht zutreffend geschildert worden. Bei der Betriebsratssitzung am 4. Juni 1981 habe Herr L gesagt, wenn die Firma Sch in Vermögensverfall geriete, habe er die Zusicherung der Landesregierung, daß sie ihm helfen werde. Er sei auch bereit, zur Erhaltung der Arbeitsplätze sich selbst zu beteiligen. Am 26. Februar 1982 habe dann Herr L dem Betriebsratsvorsitzenden und dem Betriebsratsmitglied K gesagt, die Banken wollten keine Kredite mehr geben, sie forderten eine Erhöhung des Eigenkapitals. Er sei zu einer Beteiligung bereit, wenn die Banken dies forderten und die Anteilseigner zustimmten. Der Mehrheitsaktionär M habe aber vor, den Betrieb zu schließen und die Produktpalette in Kr herzustellen. Das am 2. Oktober 1982 eingegangene Kaufangebot des früheren Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin L sei völlig unzureichend gewesen und habe deshalb zurückgewiesen werden müssen, ebenso wie das am 23. Oktober 1982 in Hamburg erörterte Angebot des Herrn L und der Ty-Gruppe. Im September 1982 habe nicht er, der Beklagte zu 1), sondern noch der Geschäftsführer L den Industrie- und Handelsmakler A beauftragt, einen Käufer für das Unternehmen zu suchen. Wie unzureichend diese Angebote gewesen seien, zeige der Umstand, daß später 1,4 Millionen DM mehr erlöst worden seien als die Ty-Gruppe und Herr L hätten zahlen wollen. Am 16. November 1982 sei dann unter neun aufschiebenden Bedingungen ein ganz neuer Kaufvertrag geschlossen worden. Wegen der Unsicherheit, den Betrieb veräußern zu können, habe er die Kündigungen aussprechen müssen.
Die Beklagte zu 2) hat sich diese Ausführungen zu eigen gemacht und die Auffassung vertreten, aus der Wirksamkeit der Kündigung gegenüber dem Kläger ergebe sich bereits, daß er keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung habe.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten zu 1), ein möglicher späterer Betriebsübergang sei nicht das Motiv für die Kündigung gewesen, vielmehr sei diese wegen der vorgesehenen Betriebsschließung erfolgt. Danach hat es dem Feststellungsantrag stattgegeben und die Klage auf Weiterbeschäftigung gegen die Beklagte zu 2) abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten zu 1) hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und auch die Feststellungsklage abgewiesen, ferner hat es die Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Antrags auf Weiterbeschäftigung zurückgewiesen. Mit der Revision beantragt der Kläger, das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern, soweit es die Klage abgewiesen hat. Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung gelte als von Anfang an rechtswirksam, da der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht habe. Die Wirksamkeit der Kündigung habe ihrerseits zur Folge, daß der Kläger auch keinen Weiterbeschäftigungsanspruch habe.
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß § 613 a BGB auch auf eine Betriebsveräußerung durch den Konkursverwalter anzuwenden ist (vgl. zur näheren Begründung BAG 43, 13 = AP Nr. 34 zu § 613 a BGB mit insoweit zustimmender Anm. von Grunsky). Es hat weiter im Anschluß an Henckel (ZGR 1984, 225 ff.) und Hanau (ZIP 1984, 141 ff.) angenommen, die entsprechende Anwendung der §§ 4 bis 7 KSchG auf § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB sei geboten, soweit das betroffene Arbeitsverhältnis überhaupt vom Kündigungsschutzgesetz erfaßt werde. In Prozessen wegen Verstoßes gegen § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB gehe es nämlich in aller Regel darum, ob die Kündigung unzulässigerweise auf den Betriebsübergang oder zulässigerweise auf einem der in § 1 Abs. 2 KSchG genannten Gründe beruhe. Bei Anwendung des § 613 a Abs. 4 BGB sei nämlich stets zu überprüfen, ob es neben dem Betriebsübergang einen sachlichen Grund gebe, der aus sich heraus die Kündigung zu rechtfertigen vermöge, so daß der Betriebsübergang nur äußerer Anlaß, nicht aber der tragende Grund für die Kündigung gewesen sei.
Entscheidend sei in diesem Zusammenhang also ebenso wie im Kündigungsschutzprozeß das Vorliegen einer sozialen Rechtfertigung der Kündigung und das rechtfertige die entsprechende Anwendung der §§ 4 bis 7 KSchG.
B. Der Senat hat den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Feststellungsklage nicht folgen können.
I. Der Senat hat in seinem Grundsatzurteil vom 31. Januar 1985 (- 2 AZR 530/83 - EzA § 613 a BGB Nr. 42 = NZA 1985, 593 ff.) entschieden, die Regelung des § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB, nach der die Kündigung wegen des Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils unwirksam ist, enthalte ein eigenständiges Kündigungsverbot im Sinne von § 13 Abs. 3 KSchG, § 134 BGB und stelle nicht die Sozialwidrigkeit einer Kündigung klar, die nach dem Maßstab des § 1 KSchG zu beurteilen sei. Deshalb müsse bei einer Klage, bei der die Unwirksamkeit einer Kündigung w e g e n des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs geltend gemacht werde, nicht die Klagefrist des § 4 KSchG eingehalten werden.
An dieser Auffassung hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung fest. In dem Urteil vom 31. Januar 1985 (aaO) war der Senat nach einer ausführlichen Auseinandersetzung mit der Gegenmeinung davon ausgegangen, daß nach dem Wortlaut des § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB diese Bestimmung eindeutig ein selbständiges Verbot der Kündigung wegen Betriebsübergangs enthält. Wegen des klaren Wortsinnes könne § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB nicht aufgrund einer reinen Gesetzesauslegung auf den Ausschluß des Betriebsübergangs als betriebsbedingten Grund für eine nach § 1 KSchG zu beurteilende Kündigung beschränkt werden. Diese Einschränkung wäre vielmehr nur aufgrund einer teleologischen Reduktion möglich und geboten, die voraussetzen würde, daß der klare Wortlaut der Bestimmung über die ebenso eindeutig in den parlamentarischen Beratungen bekundeten Vorstellungen des Gesetzgebers und die im § 613 a BGB zum Ausdruck gekommene Zweckbestimmung und Systematik hinausgehe. Die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion seien nicht gegeben: Der Geltungsbereich des § 613 a Abs. 1 BGB alter und neuer Fassung erstrecke sich nach unbestrittener Auffassung nicht nur auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch das Kündigungsschutzgesetz gegen Kündigungen geschützt ist. Vielmehr sei bereits durch § 613 a Abs. 1 BGB a.F. auch für Arbeitnehmer, die vor ordentlichen Kündigungen sonst nicht geschützt waren, ein beschränkter Bestandsschutz eingeführt worden, und zwar punktuell in dem Sinne, daß sie nicht w e g e n eines Betriebsübergangs ohne weiteres ihren Arbeitsplatz verlieren sollten. Darin habe keine unzulässige Ausdehnung des Kündigungsschutzgesetzes gelegen, sondern nur eine sachliche und systemgerechte Einschränkung des freien Kündigungsrechts des Arbeitgebers gegenüber den Arbeitnehmern, die (noch) nicht unter den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fielen: An wirksame Kündigungen von Arbeitnehmern ohne Kündigungsschutz seien nämlich nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an Kündigungen von Arbeitsverhältnissen, die nach § 1 KSchG zu beurteilen seien. Der Bestandsschutz sei bei ihnen schon dann nicht berührt, wenn die Betriebsveräußerung nicht der t r a g e n d e G r u n d für die Kündigung gewesen ist. Dazu reiche j e d e n a c h v o l l z i e h b a r e B e g r ü n d u n g aus, die den Verdacht einer Kündigung w e g e n des Betriebsübergangs ausschließe. Selbst wenn der Umfang des Schutzzwecks des früheren § 613 a BGB nicht so zweifelsfrei zu bestimmen wäre, würden diese Zweifel durch § 613 a Abs. 4 BGB ausgeräumt, nachdem das Verbot der Kündigung wegen Betriebsübergangs für alle bestehenden Arbeitsverhältnisse gelte und ein selbständiger Grund für die Unwirksamkeit einer trotzdem aus diesem Grunde ausgesprochenen Kündigung sei: Die EG-Richtlinie vom 14. Februar 1977, die nach der Begründung des Regierungsentwurfs durch § 613 a Abs. 4 BGB in das innerstaatliche Recht habe übertragen werden sollen, habe dem Gesetzgeber in Art. 4 Abs. 1 Satz 3 ausdrücklich die Regelungsbefugnis eingeräumt, abgegrenzte Gruppen von Arbeitnehmern, auf die sich die Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Kündigungsschutzes nicht erstreckten, von dem Verbot der Kündigung wegen des Betriebsübergangs auszunehmen. Damit habe der deutsche Gesetzgeber vor der Wahl gestanden, das Kündigungsverbot uneingeschränkt zu übernehmen oder die nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallenden Arbeitnehmer auszunehmen. Der Gesetzgeber habe sich aber eindeutig für einen Schutz ohne Einschränkung entschieden. Für eine dem Wortlaut entsprechende Auslegung des § 613 a Abs. 4 BGB spreche auch die rechtssystematische Einordnung des Kündigungsschutzverbots in das Bürgerliche Gesetzbuch und nicht in das Kündigungsschutzgesetz.
Auch eine entsprechende Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes auf eine nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksame Kündigung ist nicht möglich.
Der Senat nimmt die Gelegenheit wahr, noch einmal darauf hinzuweisen, daß einer entsprechenden Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes auf eine nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksame Kündigung insbesondere die unterschiedliche Interessenlage entgegensteht. In den Fällen des Betriebsübergangs steht der Arbeitnehmer - im Gegensatz zu sonstigen Kündigungen - oft vor einer Situation, die für ihn in ihrer Entwicklung noch unübersehbar ist. Wie der Streitfall zeigt, kann der Arbeitnehmer zumeist nicht sogleich beurteilen, ob der Betrieb - wie ihm gegenüber angegeben - tatsächlich stillgelegt oder in Wahrheit auf einen Erwerber übertragen wird. Nach Ansicht des Senats muß ihm deshalb auch eine angemessene Zeitspanne zugebilligt werden, in der er die Entwicklung beobachten kann, und dazu reicht in der Regel die Klagefrist des § 4 KSchG nicht aus.
II. Unter Zugrundelegung der Rechtsgrundsätze im Urteil vom 31. Januar 1985 (aaO) war das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
1. Der Kläger hat die Kündigung gerade mit der Begründung angegriffen, sie sei w e g e n des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs unwirksam. Der in § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB geregelte Bestandsschutz ist ein sonstiger Kündigungsgrund im Sinne von § 13 Abs. 3 KSchG, so daß die Klagefrist des § 4 KSchG nicht eingehalten werden mußte. Aus diesem Grunde ist die Klage auch nicht verspätet. Insoweit ist dem Berufungsgericht ein revisionsrechtlich erheblicher Rechtsfehler unterlaufen, auf dem das angefochtene Urteil beruht. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich nicht hilfsweise festgestellt, daß der Betrieb stillgelegt wurde und aus diesem Grunde die Klage ebenfalls abzuweisen wäre. Das Gegenteil ist zwischen den Parteien wohl auch unstreitig. Die Parteien haben nur entgegengesetze Behauptungen darüber aufgestellt, wann der Betrieb durch Rechtsgeschäft an die Beklagte zu 2) veräußert worden ist und o b die Kündigung w e g e n des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs erklärt worden ist.
2. Die Rechtssache war an das Landesarbeitsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 565 ZPO). Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung allein auf die Rechtsauffassung gestützt, die Rechtswirksamkeit gelte nach § 7 KSchG als rechtswirksam und hat deshalb nicht geprüft, ob der Beklagte zu 1) dem Kläger w e g e n des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs gekündigt hat. Die entsprechenden Feststellungen und Würdigungen hat das Berufungsgericht nachzuholen.
3. Dabei hat das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen, daß entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts der K l ä g e r die Voraussetzungen des Kündigungsverbotes darzulegen und zu beweisen hat (vgl. dazu näher das Urteil des Senates vom heutigen Tage in Sachen 2 AZR 3/85), also ob der Betriebsübergang der Beweggrund, das Motiv für die Kündigung gewesen ist (BAG 43, 13, 21, 23 = AP, aaO, zu III 1 und V 1 der Gründe). Bei der Anwendung des § 613 a Abs. 4 BGB ist deswegen stets zu prüfen, ob es neben dem Betriebsübergang einen "sachlichen Grund" gibt, der "aus sich heraus" die Kündigung zu rechtfertigen vermag, so daß der Betriebsübergang nur äußerlicher Anlaß, nicht aber der tragende Grund für die Kündigung gewesen ist (vgl. Urteil vom 27. September 1984 - 2 AZR 309/83 - EzA § 613 a BGB Nr. 40, zu B III 1 der Gründe). Zu diesen "sachlichen Gründen" gehört nach dem Urteil vom 27. September 1984 (aaO) auch die ernsthafte und endgültige Stillegungsabsicht, wenn sie bereits greifbare Formen angenommen hat. Es spricht aber eine tatsächliche Vermutung gegen eine endgültige Stillegungsabsicht, wenn vor Ablauf der Kündigungsfrist es zu einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang kommt (BAG Urteil vom 27. September 1984, zu B III 3 der Gründe m.w.N.). Vorliegend kündigte der Beklagte zu 1) dem Kläger mit Schreiben vom 21. Oktober zum 31. Dezember 1982, am 30. November 1982 veräußerte der Beklagte zu 1) Gegenstände des Anlage- und Vorratsvermögens sowie das know-how der Firma I GmbH Hamburg. Bereits am 1. Dezember 1982 nahm die Beklagte zu 2) die Produktion wieder auf. Gegen die endgültige Stillegungsabsicht des Beklagten zu 1) spricht auch dessen Vortrag, er habe g e h o f f t, die Betriebsstätte halten zu können und habe sich eher optimistisch als pessimistisch gezeigt, sowie die Tatsache, das zwischen dem Beklagten zu 1) und Herrn L bereits vor Ausspruch der Kündigung Gespräche über eine Veräußerung des Betriebes stattfanden, die schließlich auch zu einem erfolgreichen Abschluß führten. Auch der Interessenausgleich zum Sozialplan spricht eher gegen eine endgültige Stillegungsabsicht, obwohl der Eingangssatz lautet:
"Die Vertragsschließenden sind sich darüber einig,
daß im Rahmen des eingeleiteten Konkursverfahrens
der Betrieb zum 31. 12. 1982 stillgelegt werden
muß."
Der Sozialplan enthält aber mehrere Regelungen, die eine Betriebsveräußerung voraussetzen: So sollen nach Ziffer 2.2. f) "Arbeitnehmer, die von einem Erwerber des Betriebs oder eines Betriebsteils weiterbeschäftigt werden (§ 613 a BGB)" keine Ansprüche haben und sich der Abfindungsbetrag für diejenigen Arbeitnehmer, die im Zuge eines Verkaufes des Betriebes vom Käufer nicht übernommen werden, verdoppeln. Besteht also eine tatsächliche Vermutung gegen die endgültige Stillegungsabsicht des Beklagten zu 1) zum Zeitpunkt der Kündigung, müssen die Beklagten nunmehr diese Vermutung widerlegen oder andere sachliche Gründe darlegen.
C. I. Nur wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommt, die Kündigung sei rechtsunwirksam, kann der Kläger unter Berücksichtigung der Rechtsgrundsätze, die der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts im Beschluß vom 27. Februar 1985 (GS 1/84 - EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9) aufgestellt hat, einen Anspruch gegen die Beklagte zu 2) auf Weiterbeschäftigung haben. Der Große Senat hat entschieden, der gekündigte Arbeitnehmer habe außerhalb der Regelung der §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet nach Auffassung des Großen Senats die Ungewißheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der N i c h t beschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses. Dieses ü b e r w i e g t in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozeß ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht. S o l a n g e ein solches Urteil besteht, kann die Ungewißheit des Prozeßausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen. Hinzu kommen müssen dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen.
II. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den vorliegenden hat der Kläger für den Fall, daß das Landesarbeitsgericht nach erneuter Verhandlung die Kündigung für unwirksam erklärt, einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2), es sei denn, diese würde nunmehr zusätzliche Umstände geltend machen, aus denen sich ihr überwiegendes Interesse ergibt, den Kläger nicht zu beschäftigen. Zu denken ist hierbei an solche Umstände, die auch im streitlos bestehenden Arbeitsverhältnis den Arbeitgeber zur vorläufigen Suspendierung des Arbeitnehmers berechtigen. Darüber hinaus muß das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung auch dann überwiegen, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde. Schon die gesetzliche Regelung des Weiterbeschäftigungsanspruchs des gekündigten Arbeitnehmers in § 102 Abs. 5 BetrVG gibt dem Arbeitgeber unter dieser Voraussetzung nämlich die Möglichkeit, sich durch einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung entbinden zu lassen. Nur beim Vorliegen solcher zusätzlichen, sie besonders belastenden Umstände kann die Beklagte zu 2) trotz eines bereits ergangenen, wenn auch noch nicht rechtskräftigen Urteils, das die Unwirksamkeit der Kündigung feststellt, ihre Verurteilung zur Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Rechtsstreits abwenden. Hierauf muß sie hingewiesen werden.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller
Sickert Dr. Kirchner
Fundstellen