Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhendes Arbeitsverhältnis - Geschäftsführervertrag
Leitsatz (redaktionell)
Soll der Arbeitnehmer zwecks späterer Anstellung als GmbH-Geschäftsführer zunächst in einem Arbeitsverhältnis erprobt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, daß mit Abschluß des Geschäftsführervertrages das ursprüngliche Arbeitsverhältnis beendet sein soll (teilweise Korrektur der Rechtsprechung im Urteil des Senats vom 9. Mai 1985 - 2 AZR 330/84 - BAGE 49,81 = AP Nr 3 zu § 5 ArbGG 1979).
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 12.01.1993; Aktenzeichen 4 Sa 903/92) |
ArbG Aachen (Entscheidung vom 01.06.1992; Aktenzeichen 5 Ca 716/92) |
Tatbestand
Die Beklagte ist ein Handelsunternehmen der Medizintechnik-Branche. Mit der Durchführung von Serviceleistungen hinsichtlich der von ihr vertriebenen Geräte beauftragte sie eine Firma F GmbH. Die Gesellschafter beider Unternehmen waren teilweise identisch.
Der Kläger schloß am 23. März 1989 mit der F GmbH einen unbefristeten Anstellungsvertrag mit Wirkung zum 1. April 1989. In diesem Vertrag vereinbarten die Parteien unter anderem eine Probezeit von 6 Monaten mit einer Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Monatsende; ferner einigte man sich auf ein Gehalt von monatlich 12.000,-- DM. Dem Vertragsschluß war ein Schreiben der F GmbH vom 15. März 1989 vorausgegangen, in dem es unter anderem heißt:
"Zusätzlich zum Vertrag bestätigen wir Ihnen fol-
gende Vereinbarungen: ... es ist vorgesehen, Sie
bei entsprechender Entwicklung der Zusammenarbeit
nach Beendigung der Probezeit in die Geschäfts-
führung der F GmbH aufzunehmen. Darüber hin-
aus gilt, daß Ihnen in diesem Falle die Möglich-
keit einer 10prozentigen Beteiligung an der F -
zum Nennwert eingeräumt wird. Beide Vorgänge
bedürfen weitergehender Regelungen zum Ende der
Probezeit. Der Form halber möchten wir darauf
aufmerksam machen, daß eine über das übliche Maß
hinausgehende Gehaltsanpassung derzeit nicht vor-
gesehen ist. Dies aufgrund des Zugeständnisses
eines Firmenwagens in der Größenordnung eines
Ford Scorpio in üblicher Ausstattung ..."
Nach seinem Arbeitsantritt bei der F GmbH erstattete der Kläger unter dem 5. April 1989 ein "Strategiekonzept", in dem er unter anderem anmerkte, im Hinblick auf die geplante Übernahme der Geschäftsführung sollte er selbst von Anfang an in alle Bereiche involviert werden.
Am 11. Juli 1989 haben der Kläger und die F GmbH mit Wirkung zum 1. Oktober 1989 einen Geschäftsführervertrag mit einer Laufzeit von 5 Jahren geschlossen. Als Gehalt ist ein monatlicher Betrag in Höhe von 12.000,-- DM vereinbart worden; auf der Grundlage dieses Vertrages wurde der Kläger mit Wirkung zum 1. Oktober 1989 zum Geschäftsführer bestellt. Mit notariellem Vertrag vom 14. August 1989 wurde dem Kläger von dem Gesellschafter der F GmbH W mit Wirkung zum 1. Oktober 1989 ein 10prozentiger Geschäftsanteil an der F GmbH mit Gewinnbezugsrecht übertragen. Allerdings kam es während der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der F GmbH zu keiner Gewinnausschüttung der Gesellschafter, da die F GmbH mit erheblichen Verlustvorträgen gekauft worden war. In dem Vertrag vom 14. August 1989 hat sich der Kläger ferner verpflichtet, seinen Anteil unentgeltlich zurückzuübertragen, wenn er als Geschäftsführer bis zum 30. September 1992 aus der Gesellschaft ausscheiden sollte.
Im Zusammenhang mit Überlegungen zur Stillegung der F GmbH bot deren Hauptgesellschafter in einer unternehmensinternen Mitteilung vom 1. Juli 1991 dem Kläger die technische Leitung der Beklagten an. In diesem Angebot ist davon die Rede, die Stellung sei mit Gesamtprokura, fachlicher und disziplinarischer Führung des Technikerstabes im Innen- und Außendienst sowie entsprechenden Kompetenzen verbunden; auf Verlangen sollte der Kläger die Geschäftsführung der Beklagten vertreten und einen neuen Anstellungsvertrag von der Beklagten erhalten. In einer Gesellschafterversammlung der F GmbH vom 20. Juli 1991 lehnte der Kläger die ihm auf diese Weise angebotene Position des technischen Leiters der Beklagten ab. In derselben Versammlung wurde der Beschluß gefaßt, auf Vorschlag des Klägers alle F -Mitarbeiter von der Beklagten zu übernehmen; lediglich der Kläger sollte als Geschäftsführer bei der F verbleiben. Die Frage, ob der Kläger gegebenenfalls im Ausland eingesetzt werden könnte, wurde von ihm offengelassen. Der Beschluß zur Übernahme der F -Mitarbeiter wurde zum 1. September 1991 ausgeführt. Seitdem erbringt die Beklagte die früher von der F GmbH erbrachten Serviceleistungen mit Hilfe der übernommenen Arbeitnehmer und der von der F an die Beklagte veräußerten sächlichen Betriebsmittel. Am 11. September 1991 unterrichtete der Kläger den Geschäftsführer der Beklagten darüber, nunmehr seien seit 1. September 1991 alle Mitarbeiter mit Ausnahme des Unterzeichneten in die Beklagte überführt. Aufgrund eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses vom 20. Dezember 1991 wurde die F GmbH zum 31. Dezember 1991 liquidiert; der Kläger wurde zum Liquidator bestellt; die Liquidation der Gesellschaft sollte bis zum 31. März 1992 erfolgen.
Am 21. Januar 1992 haben die F GmbH und der Kläger mit Wirkung zum 31. Dezember 1991 einen Aufhebungsvertrag geschlossen, wonach der Arbeitsvertrag in beiderseitigem Einvernehmen aufgelöst wird, der Kläger eine Abfindung für den Verlust seines Arbeitsplatzes von 60.000,-- DM erhält, womit alle Forderungen des Klägers aus der Vergangenheit, der Gegenwart und für die Zukunft abgegolten seien. In einem von dem Kläger selbst erstellten Zeugnisentwurf vom 29. Januar 1992 heißt es unter anderem:
Die Mitarbeiter der F GmbH sind unter Mit-
empfehlung und mit Hilfe von Herrn S ...
übernommen worden. Leider konnte Herrn S
dort keine nach seiner Vorstellung adäquate Posi-
tion angeboten werden. Mit der Liquidation der
F GmbH wird der Dienstvertrag daher im bei-
derseitigen guten Einvernehmen aufgelöst.
Der Kläger hat geltend gemacht, weder er noch die F GmbH hätten den ursprünglichen Anstellungsvertrag vom 23. März 1989 aufheben wollen, als sie am 11. Juli 1989 den Geschäftsführervertrag abschlossen. Der Vertrag sei auch nicht konkludent aufgehoben worden, vielmehr sei im Zweifel davon auszugehen, das ursprüngliche Anstellungsverhältnis bestehe neben dem Geschäftsführervertrag fort. Die Aufgabe seines Besitzstandes als Arbeitnehmer sei nämlich nicht durch verbesserte Konditionen im Geschäftsführervertrag ausgeglichen worden. Im übrigen habe der ursprüngliche Vertrag einmal als Grundlage für eine Tätigkeit beim Aufbau einer Linsenproduktion in Ungarn und in den Vereinigten Staaten dienen sollen. Erst später hätten sich derartige Pläne zerschlagen. Infolge des Betriebsüberganges vom 1. September 1991 sei sein ruhendes Arbeitsverhältnis gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen, ohne daß er dem etwa dadurch widersprochen habe, daß er im Juli 1991 das Angebot der Beklagten zur Übernahme einer Stelle als technischer Angestellter abgelehnt habe. Auch durch den Vertrag vom 21. Januar 1992 habe das mittlerweile zur Beklagten bestehende ruhende Arbeitsverhältnis nicht aufgehoben werden können, da die F GmbH diesbezüglich nicht dispositionsbefugt gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß zwischen den Parteien ein
unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unverän-
derten Arbeitsbedingungen als technischen An-
gestellten weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat mit ihrem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, der ursprüngliche Anstellungsvertrag vom 23. März 1989 sei mit Abschluß des Geschäftsführervertrages aufgehoben worden. Dies ergebe sich schon daraus, daß der Kläger von Anfang an nur zum Zwecke der späteren Bestellung zum Geschäftsführer eingestellt worden sei. Deshalb habe er schon bei Abschluß des Anstellungsvertrages Konditionen zugebilligt erhalten, wie sie nur für einen Geschäftsführer üblich seien. Ferner enthalte der Geschäftsführervertrag Besserstellungen im Vergleich zum ursprünglichen Anstellungsvertrag, was ebenfalls für dessen Aufhebung spreche. Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß der Kläger zum Zeitpunkt des Vertragswechsels noch keinen Kündigungsschutz gehabt habe, den er etwa mit Abschluß des Geschäftsführervertrages verloren habe. Eine Tätigkeit des Klägers im Ausland auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 23. März 1989 sei niemals beabsichtigt gewesen. Im übrigen habe der Kläger durch die Ablehnung seiner Weiterbeschäftigung als technischer Leiter bei ihr, der Beklagten, dem Übergang eines eventuell noch bestehenden Anstellungsverhältnisses widersprochen. Schließlich zeigten der Aufhebungsvertrag und der Zeugnisentwurf des Klägers, daß dieser selbst nicht vom Fortbestand des ursprünglichen Anstellungsvertrages ausgegangen sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Der Senat tritt der Entscheidung der Vorinstanz bei.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Nachdem die Beklagte die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nicht mehr rüge, sei die Zulässigkeit des Rechtsweges nicht zu prüfen (§ 65 ArbGG). Die Feststellungsklage und damit auch der Weiterbeschäftigungsanspruch seien unbegründet, weil das ursprünglich begründete Anstellungsverhältnis mit Abschluß des Geschäftsführervertrages konkludent beendet worden und deshalb auch nicht auf die Beklagte nach § 613 a BGB übergegangen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne zwar ein zwischen GmbH und ihrem Arbeitnehmer begründetes Arbeitsverhältnis nach dessen Bestellung zum Geschäftsführer im Zustand des Ruhens der beiderseitigen Rechte und Pflichten fortbestehen und nach der Abberufung wieder auf seinen ursprünglichen Zustand zurückgeführt werden. Davon könne jedoch vorliegend nicht ausgegangen werden. Ausdrücklich sei solches von den Parteien nicht vereinbart worden und ergebe sich auch nicht aus dem pauschalen Vortrag des Klägers, daß Pläne für einen Einsatz wegen einer Linsenproduktion in Ungarn "angedacht" worden seien. Aus derartigen Überlegungen ergebe sich keinerlei Hinweis darauf, daß die Vertragsparteien schon bei Abschluß des Geschäftsführervertrages ein späteres Engagement des Klägers im Ausland ins Auge gefaßt hätten. Dagegen spreche schon die fünfjährige Vertragsdauer des Geschäftsführervertrages und die Tatsache, daß der Kläger selbst weder in seinem Schreiben vom 11. September 1991 noch im Aufhebungsvertrag vom 21. Januar 1992 auf der Fortdauer des Arbeitsverhältnisses bestanden habe. Ein schlüssiger Vortrag des Klägers hinsichtlich einer Absprache, einen Auslandseinsatz auf der Basis des Arbeitsvertrages vom 23. März 1989 zu realisieren, liege nicht vor; im Gegenteil: In dem Anschreiben vom 15. März 1989 sei insofern nur von einem Beratervertrag die Rede.
Vergleiche man im übrigen die Bedingungen von Arbeits- und Geschäftsführervertrag, so sei zunächst darauf hinzuweisen, daß der Arbeitsvertrag nur Erprobungscharakter gehabt habe und der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer habe dienen sollen. Auch wenn die Vergütung nach beiden Vertragsgrundlagen im wesentlichen gleich geblieben sei - den 10prozentigen Geschäftsanteil habe er bei Abberufung als Geschäftsführer wieder zurückübertragen müssen -, sei entscheidend darauf abzustellen, daß der Kläger einen kündigungsrechtlichen Bestandsschutz mit Übernahme des Geschäftsführerpostens nicht verloren habe. Denn mangels Erfüllung der Wartezeit von 6 Monaten habe der Kläger vor der Bestellung zum Geschäftsführer unter Einhaltung der normalen Frist gekündigt werden können. Deshalb könne auch nicht von einem Verzicht des Arbeitnehmers auf einen Kündigungsschutz, der durch zusätzliche finanzielle Verbesserungen abgekauft werde, die Rede sein. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne auf die vorliegende Fallkonstellation nicht ohne weiteres übertragen werden.
Es könne deshalb unerörtert bleiben, ob der Kläger überhaupt ausreichend für einen Betriebsübergang nach § 613 a BGB vorgetragen habe, wenn nur die Serviceabteilung ohne ihn auf die Beklagte übertragen worden sei und er noch ein neues Konzept für ein Fortbestehen der F GmbH habe entwickeln sollen. Schließlich könne auch dahinstehen, ob der Kläger nicht durch den mit der F GmbH geschlossenen Aufhebungsvertrag auf Ansprüche gegenüber der Beklagten verzichtet habe.
II. Das Urteil des Berufungsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Seine Begründung, aufgrund des Abschlusses des Geschäftsführervertrages vom 11. Juli 1989 sei der ursprüngliche Anstellungsvertrag vom 23. März 1989 gegenstandslos geworden, läßt keine Rechtsfehler erkennen.
1. Das Landesarbeitsgericht ist aufgrund einer Auslegung individueller Vertragsabsprachen nach dem Vertragstext vom 11. Juli 1989, dem ursprünglichen Anstellungsvertrag vom 23. März 1989 und der Vereinbarung vom 15. März 1989 zu dem Ergebnis gekommen, die Parteien hätten für die Zeit ab 1. Oktober 1989 ihre Vertragsbeziehungen mit dem in allen Einzelheiten ausgearbeiteten Geschäftsführerdienstvertrag auf eine völlig neue Rechtsgrundlage gestellt. Dabei habe das vorhergehende Arbeitsverhältnis bereits im Wege der Erprobung der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführers dienen sollen, wie der Zusatzvereinbarung vom 15. März 1989 zu entnehmen sei. Auch habe sich der Kläger entsprechend verhalten, wie die Ausführung des Strategieplans vom 5. April 1989 zeige.
a) Bei diesen vom Landesarbeitsgericht gewürdigten Absprachen der Parteien handelt es sich um die Auslegung von Willenserklärungen individueller Art, die grundsätzlich Sache der Tatsacheninstanz ist. In diesen Fällen ist eine Überprüfung durch das Revisionsgericht nur dahin möglich, ob das Berufungsgericht eine Auslegung völlig unterlassen hat, ob diese unzureichend ist oder ob gegen ein Gesetz verstoßen oder wesentlicher Auslegungsstoff nicht herangezogen worden ist (ständige Rechtsprechung, u. a. BAG Urteil vom 27. Juni 1963 - 5 AZR 383/62 - AP Nr. 5 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsabschluß; BAG Urteile vom 17. Februar 1966 - 2 AZR 162/65 -, vom 17. April 1970 - 1 AZR 302/69 - AP Nr. 30 und 32 zu § 133 BGB; BAGE 22, 424 = AP Nr. 33 zu § 133 BGB; Urteil vom 14. September 1972 - 5 AZR 212/72 - AP Nr. 34 zu § 133 BGB sowie BAG Urteile vom 16. Mai 1964 - 5 AZR 534/63 - und vom 27. Oktober 1964 - 5 AZR 117/64 - AP Nr. 1 und 2 zu § 157 BGB).
Die der Auslegung des Landesarbeitsgericht zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen, die das Revisionsgericht binden, sofern dagegen keine zulässigen und begründeten Revisionsangriffe erhoben sind (§ 561 Abs. 2 ZPO), sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es sind keine begründeten Revisionsrügen im Sinne von § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ZPO erhoben worden.
b) Die Revision macht im Grunde genommen nur geltend, der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, nach den Gesamtumständen könne nicht davon ausgegangen werden, am 1. September 1991 habe noch ein ruhendes Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der F GmbH bestanden, könne nicht gefolgt werden. Die Revision will damit lediglich die Vertragsabsprachen anders gewürdigt sehen und setzt ihre Würdigung an die Stelle derer des Landesarbeitsgerichts, ohne revisible Rechtsfehler aufzuzeigen.
aa) Das gilt zunächst für die Überlegung, die Nichterfüllung der 6monatigen Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes rechtfertige es nicht, die Aufhebung des Arbeitsvertrages vom 23. März 1989 anzunehmen, weil der Bestandsschutz schon im alten Arbeitsverhältnis des Klägers vor dem ersten Oktober 1989 angelegt worden sei; das gelte auch dann, wenn nicht auf einen bereits bestehenden, sondern auf einen unmittelbar bevorstehenden Bestandsschutz verzichtet werde; der Kläger wäre nämlich in Kürze unter den Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes gefallen.
Demgegenüber ist das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 9. Mai 1985 - 2 AZR 330/84 - BAGE 49, 81 = AP Nr. 3 zu § 5 ArbGG 1979 und vom 12. März 1987 - 2 AZR 336/86 - BAGE 55, 137, 146 f. = AP Nr. 6, aaO, zu II 2 a der Gründe) zu Recht davon ausgegangen, es sei nur bei Fehlen einer ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung hinsichtlich des ursprünglichen Anstellungsvertrages im Zweifel anzunehmen, daß der Geschäftsführer mit seiner Bestellung zum Vertretungsorgan nicht endgültig den bisher erworbenen Bestandsschutz seines Arbeitsverhältnisses aufgeben wolle, ohne dafür einen finanziellen Ausgleich durch eine höhere Vergütung zu erhalten. Das Landesarbeitsgericht hat aber nach seinen den Senat bindenden Feststellungen (§ 561 ZPO) gerade eine solche konkludente (Aufhebungs-)Vereinbarung angenommen. Wie dazu ergänzend anzumerken ist, wurde dem Kläger mit dem fest auf 5 Jahre abgeschlossenen Geschäftsführervertrag im Vergleich zu seiner bisher ungesicherten Position ein erheblicher Vorteil eingeräumt.
Im übrigen hat der Senat seine Vermutungsregel gerade an die Bedingung geknüpft, daß der zum Geschäftsführer berufene Angestellte einen bisher erworbenen Bestandsschutz nicht ohne weiteres aufgeben wolle. Hier hat das Landesarbeitsgericht aber zutreffend betont, daß ein solcher Bestandsschutz für den Kläger in dem vorhergehenden Probearbeitsverhältnis zur Zeit der Bestellung zum Geschäftsführer (noch) nicht bestand. Ein künftiger Bestandsschutz, auf den die Revision abstellt, ist eben (noch) kein aktueller Bestandsschutz auf den der Kläger verzichten konnte.
Zumindest für die vorliegende Fallkonstellation ist auch nicht an der vom Senat (aaO) aufgestellten Vermutungsregel festzuhalten. Angesichts der Tatsache, daß nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das vorgeschaltete Arbeitsverhältnis der Erprobung des Klägers für die von Anfang an in Aussicht genommene Tätigkeit als Geschäftsführer diente, spricht vielmehr eine Vermutung dafür, daß mit Abschluß des Geschäftsführervertrages der vorhergehende (Probe-)Arbeitsvertrag von den Parteien als erledigt, d. h. gegenstandslos angesehen wurde. Es braucht vorliegend nicht vertieft zu werden, ob nicht in Abweichung von der früheren Senatsrechtsprechung (u. a. Urteil vom 9. Mai 1985 - 2 AZR 330/84 - BAGE 49, 81 = AP Nr. 3 zu § 5 ArbGG 1979, mit krit. Anm. von Martens) generell eher eine Vermutung dafür spricht, daß Parteien, die einen neuen (Dienst-)Vertrag schließen, damit im Zweifel den alten (Arbeits-)Vertrag aufheben wollen. Es mag, wie der Senat früher (aaO) ausgeführt hat, zwar Fälle geben, in denen nach den Vorstellungen der Parteien ein bisheriges Arbeitsverhältnis trotz Abschluß eines (freien) Dienstverhältnisses ruhend fortbestehen soll. Fehlt es jedoch an einer solchen Vereinbarung, dann dürfte aber im Normalfall von einer "automatischen" Vertragsumwandlung auszugehen sein (so Martens in Anm. AP, aaO). Auch im Falle der Befristungsrechtsprechung wird vom Bundesarbeitsgericht angenommen (seit Urteil vom 8. Mai 1985 - BAGE 49, 73 = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; siehe auch Urteil vom 21. März 1990 - 7 AZR 286/89 - AP Nr. 135, aaO), daß auf den früheren Vertrag im Zweifel nicht mehr zurückgegriffen werden kann, sondern die Rechtsfolgen aus dem letzten Vertrag herzuleiten sind. Eine derartige Vermutung gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund eines Probearbeitsvertrages für eine spätere Geschäftsführertätigkeit getestet werden soll. Ist dies mit Erfolg geschehen, hat der Probevertrag seinen Zweck erfüllt und ist damit hinfällig. Es wäre dann widersinnig, nach Beendigung des Geschäftsführervertrages auf das alte Probeverhältnis, das nach Meinung des Klägers ruhend (zur Erprobung?) fortbestehen soll, zurückzugreifen.
bb) Wenn die Revision weiter ausführt, ein Wille der Parteien zur Aufhebung des ursprünglich geschlossenen Arbeitsvertrages sei nicht feststellbar, setzt sie auch damit nur ihre Würdigung an die Stelle der Auslegung des Berufungsgerichts. Auch der Senat hat im Urteil vom 12. März 1987 (BAGE 55, 137, 146 = AP, aaO, zu II 2 a) betont, ob das ursprüngliche Arbeitsverhältnis in diesem Zustand fortbestehe, hänge von dem im jeweiligen Fall zu ermittelnden Willen der Parteien ab. Diesen Willen hat das Landesarbeitsgericht hier ermittelt, ohne daß damit eine gebotene Auslegung unterlassen worden ist, diese gegen ein Gesetz verstößt oder wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist. Derartige Fehler zeigt die Revision nicht auf. Sie weist lediglich auf die hypothetische Möglichkeit hin, die Parteien hätten gegebenenfalls ein befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen, was unterhalb der Geschäftsführerebene naheliegend gewesen sei. Die Revision verkennt indessen selbst nicht, daß Probearbeitsverträge grundsätzlich sowohl befristet als auch unbefristet geschlossen werden können; sie räumt damit letztlich selbst ein, daß ein Denkfehler des Landesarbeitsgerichts nicht vorliegt.
cc) Was schließlich die Argumentation der Revision angeht, der Vortrag zu einer beabsichtigten Tätigkeit in Ungarn und USA sei vom Landesarbeitsgericht zu Unrecht als unsubstantiiert zurückgewiesen worden, korrigiert sie wiederum lediglich eine angeblich falsche Auslegung des Schreibens vom 15. März 1989. Sie meint, entgegen den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lasse sich aus diesem Schreiben nicht schließen, die Tätigkeit des Klägers beim Aufbau einer Linsenproduktion habe nicht auf der Grundlage seines Arbeitsvertrages mit der F , sondern aufgrund eines von dieser unabhängigen Vertrages mit der Beklagten erfolgen sollen. Inwiefern die Auslegung des Berufungsgerichts, in dem Schreiben sei hinsichtlich des Aufbaus einer Linsenproduktion der Beklagten von einem Beratungsvertrag die Rede, denkgesetzlich keine Rückschlüsse darauf zulasse, daß die fragliche Tätigkeit nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Friema GmbH zu erbringen sei, zeigt die Revision nicht auf. Die weitere Überlegung des Berufungsgerichts, der Abschluß eines Fünfjahresvertrages als Geschäftsführer spreche eher dagegen, daß die Parteien davon ausgegangen seien, der Kläger werde alsbald auf der Grundlage seines bisherigen Arbeitsvertrages und unter Aufgabe seiner Geschäftsführertätigkeit in Ungarn tätig werden, ist logisch jedenfalls eher nachvollziehbar als die Argumentation der Revision. Wenn das Landesarbeitsgericht ferner auf das eigene Schreiben des Klägers vom 11. September 1991 und die Formulierungen im Aufhebungsvertrag vom 21. Januar 1992, in denen von einem weiterbestehenden Arbeitsverhältnis im Hinblick auf das Ungarnprojekt nicht die Rede sei, eingegangen ist, so ist auch dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, denn durch dieses nachfolgende Verhalten des Klägers können die früheren Vertragsabsprachen durchaus bestätigt worden sein. Ein Denkfehler ist darin nicht zu erkennen. Er wird auch von der Revision nicht aufgezeigt.
dd) Wenn letztlich das Berufungsgericht im Hinblick auf die besondere Vertragsgestaltung des Klägers und der F GmbH in der gleichbleibenden Vergütung im Probearbeitsvertrag und im nachfolgenden Geschäftsführervertrag kein besonderes Indiz für die Aufrechterhaltung des Probevertrages, der eben mit erfolgreicher Erprobung naturgemäß seine Erledigung gefunden hatte, gesehen hat, so ist dies durch die Besonderheiten des Falles nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gerechtfertigt: Danach hatte der Kläger von Anfang an praktisch schon die Stellung des Geschäftsführers, was auch bereits die Gestellung eines Firmen-PKW zur privaten Nutzung, der Abschluß der Unfallversicherung und die später eingeräumte Beteiligung an der Gesellschaft belegen.
2. Fehlt es schon an einem noch bestehenden Arbeitsverhältnis, so ist die Klage zu Recht abgewiesen worden, ohne daß es noch auf die Frage des eventuellen Übergangs eines solchen Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte ankommt. Mangels eines (fort-)bestehenden Arbeitsverhältnisses ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, den Kläger "zu unveränderten Arbeitsbedingungen" weiterzubeschäftigen.
Hillebrecht Bitter Dr. Rost
Engel Mauer
Fundstellen
BB 1994, 148 |
BB 1994, 287 |
BB 1994, 287-288 (LT1) |
DB 1994, 428-429 (LT1) |
GmbH-Rdsch 1994, 243-244 (LT1) |
EBE/BAG 1994, 18-20 (LT1) |
WiB 1994, 246-247 (LT) |
ARST 1994, 81 (LT1) |
NZA 1994, 212 |
NZA 1994, 212-214 (LT1) |
RzK, I 4b Nr 6 (LT1) |
ZIP 1994, 319 |
ZIP 1994, 319-322 (LT1) |
AP § 5 ArbGG 1979 (LT1), Nr 16 |
AR-Blattei, ES 1270 Nr 23 (LT1) |
AuA 1994, 365-366 (LT1) |
EzA-SD 1994, Nr 1/2, 8-11 (LT1) |
EzA § 5 ArbGG 1979, Nr 9 (LT1) |
GmbHR 1994, 243 |