Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht von Abfindungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Abfindungen nach § 9, § 10 KSchG, die für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden, unterliegen auch dann nicht der Beitragspflicht zur Sozialversicherung, wenn für sie Einkommen- oder Lohnsteuer abzuführen ist.
2. Gegenteiliges ergibt sich weder aus § 14 und § 17 SGB IV noch aus § 3 Abs 9 EStG in Verbindung mit den Bestimmungen der Arbeitsentgeltverordnung (ArEV).
Normenkette
AVG § 2; EStG § 3; ArEV § 1; AFG § 168; ArbGG § 2; KSchG § 9; RVO §§ 165, 385; AFG § 117; ZPO § 767; RVO § 1227; KSchG § 10; SGB IV §§ 14, 17
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 21.04.1988; Aktenzeichen 7 Sa 1371/87) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 22.07.1987; Aktenzeichen 6 Ca 6306/86) |
Tatbestand
Der Beklagte stand seit 13. Juni 1977 als Lagerist in den Diensten der Klägerin und erzielte zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von DM 3.222,50. Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 4. März 1986 zum 31. Dezember 1986. Hiergegen erhob der Beklagte Kündigungsschutzklage. Dieser Rechtsstreit endete durch einen am 13. Juni 1986 vom Arbeitsgericht Düsseldorf - 6 Ca 1382/86 - protokollierten Vergleich, der folgenden Wortlaut hat:
1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit dar-
über, daß das Arbeitsverhältnis zwischen ih-
nen aufgrund ordentlicher und fristgerechter
Kündigung der Beklagten aus betrieblicher
Veranlassung zum 30.9.1986 beendet wird.
2. Bis zu dem unter Ziffer 1. genannten Termin
rechnet die Beklagte das Arbeitsverhältnis
ordnungsgemäß ab. Dem Kläger steht insbeson-
dere ein anteiliges 13. Monatsgehalt zu. Et-
waige Gratifikationsleistungen, die für das
gesamte Jahr geleistet worden sind, werden
auch nicht anteilmäßig zurückverlangt. Die
Beklagte verpflichtet sich, dann dem Kläger
nach den Bestimmungen der Reiseordnung für
sich und seine Ehefrau einen Mitarbeiterflug
nach New York für den Monat Oktober 1986
zur Verfügung zu stellen.
3. Die Beklagte zahlt an den Kläger zur Abgel-
tung des Verlustes des sozialen Besitzstan-
des gemäß §§ 9, 10 KSchG i.V.m. § 3 Ziffer
9 EStG eine Abfindung von 29.500,-- DM
(neunundzwanzigtausendfünfhundert).
4. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger
ein qualifiziertes Zeugnis zu erstellen,
das sich auf Führung und Leistung erstreckt
und wohlwollend formuliert ist, damit der
Kläger nicht in seinem beruflichen Fortkom-
men behindert wird.
5. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind zwi-
schen den Parteien alle Ansprüche aus dem
Arbeitsverhältnis und seiner Auflösung abge-
golten.
Die Klägerin zahlte die Abfindung mit dem Septembergehalt 1986 aus, führte jedoch von dem DM 24.000,-- übersteigenden Betrag der Abfindung Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge an die zuständigen Behörden ab. Der Beklagte erhielt den um diese Beiträge verminderten Betrag der Abfindung. Die von der Klägerin abgeführten Sozialversicherungsbeiträge, die in ihrer rechnerischen Höhe unstreitig sind, betrugen insgesamt DM 728,19 (Krankenversicherung: DM 90,19, Rentenversicherung: DM 528,--, Arbeitslosenversicherung: DM 110,--). Diesen von der Klägerin einbehaltenen und an die Sozialversicherungsträger abgeführten Betrag will der Beklagte aus dem gerichtlichen Vergleich vom 13. Juni 1986 vollstrecken. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit einer Vollstreckungsgegenklage.
Die Klägerin hat vorgetragen, nach § 14 SGB IV in Verbindung mit der Arbeitsentgeltverordnung vom 18. Dezember 1984 korrespondiere die Sozialversicherungspflicht mit der Lohnsteuerpflicht. Nach § 3 Nr. 9 EStG seien Abfindungen bis zur Höhe von DM 24.000,-- lohnsteuerfrei. Demgemäß bestehe in dieser Höhe auch keine Sozialversicherungspflicht. Der Betrag, der DM 24.000,-- übersteige, unterliege jedoch der Lohnsteuerpflicht und damit auch der Sozialversicherungspflicht. Die vergleichsweise Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1986 bedeute einen Verzicht des Beklagten auf drei Monate der Kündigungsfrist. Insoweit sei in der von der Klägerin gezahlten Abfindung Arbeitsentgelt für diese drei Monate enthalten. Dieser Arbeitsentgeltanteil begründe die Sozialversicherungspflicht, soweit er DM 24.000,-- übersteige.
Die Klägerin hat beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich
zwischen den Parteien vom 13. Juni 1986
- 6 Ca 1382/86 - des Arbeitsgerichts Düs-
seldorf für unzulässig zu erklären.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, die Abfindung stelle kein Arbeitsentgelt dar, da sie keine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Beklagten sei, sondern allenfalls eine Gegenleistung für die Aufgabe der Beschäftigung des Beklagten bei der Klägerin. Da die Abfindung kein Arbeitsentgelt sei, bestehe auch keine Sozialversicherungspflicht. Das Arbeitsamt habe Arbeitslosengeld zunächst bereits für die Zeit ab 1. Oktober 1986 bewilligt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Klageabweisung. Die Klägerin kann vom Beklagten nicht verlangen, die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 13. Juni 1986 (Arbeitsgericht Düsseldorf - 6 Ca 1382/86 -) zu unterlassen. Die Zwangsvollstreckung aus diesem Vergleich ist vielmehr in dem von dem Beklagten beabsichtigten Umfang (DM 728,19) zulässig. In Höhe von DM 728,19 hat die Klägerin den gerichtlichen Vergleich bisher nicht erfüllt. Dieser Betrag steht dem Beklagten zu. Durch die Abführung von DM 728,19 an Sozialversicherungsträger konnte die Klägerin den Vergleich nicht erfüllen. Denn die von der Klägerin an den Beklagten zu zahlende Abfindung unterliegt nicht der Beitragspflicht zur Sozialversicherung.
Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine Vollstreckungsgegenklage, die sich gegen einen gerichtlich protokollierten Vergleich richtet. Die Zulässigkeit der Klage folgt aus § 767 ZPO in Verbindung mit §§ 795, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit ist gegeben. Es geht um die Vollstreckung eines Anspruchs aus dem Arbeitsverhältnis oder dessen Nachwirkungen (Abfindung). Hierbei sind als Vorfrage sozialversicherungsrechtliche Fragen zu entscheiden. Das berührt aber nicht die am Streitgegenstand orientierte Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a, c ArbGG).
Für die von der Klägerin an den Beklagten zu zahlende Abfindung sind keine Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Denn die Abfindung ist kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV. Sie wird zwar im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gezahlt, erfüllt aber nicht die Anforderungen des § 14 SGB IV. § 14 SGB IV bestimmt den Begriff des Arbeitsentgelts für den Bereich der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung (§ 1 Abs. 1 SGB IV) sowie den Bereich der Arbeitslosenversicherung (§ 173 a AFG). Nach dem Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV richten sich kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften die Beiträge in der Rentenversicherung (für Arbeiter: § 1385 Abs. 3 Buchst. a) RVO, für Angestellte: § 112 Abs. 3 Buchst. a) AVG). Die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung knüpfen an die Beitragsbemessungsgrundlage für die Rentenversicherung und damit wiederum an den Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne von § 14 SGB IV an (§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AFG). In der Krankenversicherung sind Beiträge nach dem Grundlohn zu entrichten (§ 385 RVO); als Grundlohn gilt der auf den Kalendertag entfallende Teil des Arbeitsentgelts (§ 180 Abs. 1 Satz 2 RVO), so daß damit ebenfalls der Bezug zu § 14 SGB IV hergestellt ist. Damit sind von den Bezügen, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erhält, nur insoweit Beiträge zur Sozialversicherung (Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung) abzuführen, als es sich um Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV handelt.
§ 14 SGB IV lautet:
(1) Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder ein-
maligen Einnahmen aus einer Beschäftigung,
gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die
Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung
oder in welcher Form sie geleistet werden und
ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder
im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.
(2) .....
Danach könnte eine Abfindung als einmalige Einnahme angesehen werden, die im Zusammenhang mit der Beschäftigung des Arbeitnehmers erzielt wird. Ohne vorangegangenes Arbeitsverhältnis, das mindestens sechs Monate bestanden hat, kann kein Abfindungsanspruch nach dem Kündigungsschutzgesetz (§§ 9, 10) entstehen. Für die Höhe der Abfindung ist u.a. die Dauer der Betriebszugehörigkeit maßgebend. Dadurch wird der Zusammenhang mit einer Beschäftigung hergestellt.
Im Schrifttum sind die Auffassungen zur streitbefangenen Frage geteilt. Hueck (KSchG, 10. Aufl. 1980, § 10 Rz 19), Maus (KSchG, 1973, § 10 Rz 32), Monjau/Heimeier (KSchG, § 9 Rz 4), Rewolle/Bader (KSchG, § 10 Rz 1) und Stahlhacke (Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 4. Aufl. 1982, Rz 606) gehen ohne nähere Begründung davon aus, daß bei Abfindungen nach dem Kündigungsschutzgesetz keine Beiträge zur Sozialversicherung anfallen. Neumann (AR-Blattei, Kündigungsschutz VI unter H IV 1) verneint eine Sozialversicherungspflicht mit der Begründung, die Abfindung sei keine Vergütung für die Beschäftigung. Becker (KR-Becker, 3. Aufl. 1988, § 10 KSchG Rz 92) verneint eine Beitragspflicht zur Sozialversicherung, soweit Abfindungen als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt würden; hingegen sei der Entgeltanteil einer Abfindung beitragspflichtig. Eine ähnliche Auffassung vertritt Bopp (Kündigung und Kündigungsprozeß im Arbeitsrecht, 1980, S. 263), der Abfindungen nicht für beitragspflichtig hält, soweit es sich nicht um verdeckte Vergütungsansprüche handelt. Nach Auffassung von Wolf (KR-Wolf, aaO, Grds. Rz 648) unterliegen Abfindungen nicht der Beitragspflicht, soweit sie für Zeiten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden. Zweng/Scheerer/Buschmann (Handbuch der Rentenversicherung, Stand: Januar 1988, § 14 SGB IV Anm. I B 1) sehen Abfindungen wegen der Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis nicht als einmalige Einnahmen im Sinne von § 14 SGB IV an, weil es sich nicht um dem Arbeitsentgelt zuzurechnende Zuwendungen handele, sondern die Zahlung aus anderen Rechtsgründen erfolge. Demgegenüber bejahen Herschel/Löwisch (KSchG, 6. Aufl. 1984, § 10 Rz 27) für Abfindungen nach §§ 9, 10 KSchG eine Beitragspflicht zur Sozialversicherung in dem gleichen Umfang, wie die Abfindung einkommensteuerpflichtig ist. Davon gehen auch Koch/Hartmann/Kaltenbach/Meier (Die Rentenversicherung im Sozialgesetzbuch, Stand: Juli 1978, § 14 SGB IV Rz 29) aus. Schaub (Arbeitsrechtshandbuch, 6. Aufl. 1987, S. 966) bejaht eine Beitragspflicht bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze. Peters (Handbuch der Krankenversicherung, Stand: 1. April 1988, § 14 SGB IV Anm. 3) zählt einmalige Abfindungen und Entschädigungen zu den einmaligen Einnahmen im Sinne von § 14 SGB IV. Das Bundessozialgericht hat die Rechtsfrage bisher noch nicht entschieden.
Der Senat schließt sich der insbesondere von Wolf (KR-Wolf, aaO) vertretenen Auffassung an, daß Abfindungen im Sinne von §§ 9, 10 KSchG nicht der Beitragspflicht zur Sozialversicherung unterliegen, soweit sie für Zeiten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, wovon im allgemeinen mangels anderweitiger Anhaltspunkte auszugehen ist. Sinn und Zweck des § 14 SGB IV gebieten eine einengende Auslegung des Gesetzes, die vom bloßen Wortlaut nicht gedeckt ist. Danach sind nur solche Leistungen als "Arbeitsentgelt" anzusehen, die für die Dauer des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden. Der Versicherungspflicht unterliegen - soweit es vorliegend interessiert - nämlich nur Arbeitnehmer (Krankenversicherung: § 165 Abs. 1 Nr. 1 bis 2 RVO, Rentenversicherung: § 1227 RVO, § 2 Abs. 1 Nr. 1 AVG; Arbeitslosenversicherung: § 168 AFG). Das bedeutet, daß insoweit außerhalb oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Versicherungspflicht besteht. Besteht aber keine Versicherungspflicht, wäre es widersprüchlich und sinnwidrig, Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichwohl zur Zahlung der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge heranzuziehen. Daraus folgt, daß Bezüge, die Arbeitnehmer für Zeiten des Arbeitsverhältnisses beziehen, beitragspflichtig, Bezüge, die für Zeiten außerhalb oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, hingegen nicht beitragspflichtig sind. So wird z. B. auch für Versorgungsbezüge, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber im Hinblick und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis erhält, eine Beitragspflicht verneint (Peters, aaO, § 14 SGB IV Anm. 4). Bezüge dieser Art sind kein Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV.
Diese Grundsätze gelten auch für sogenannte Einmalzahlungen, zu denen die - einmalig bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten - Abfindungen gehören. Für Einmalzahlungen, die für Zeiten des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden (z. B. Treueprämien, Jubiläumsgelder, Gratifikationen), sind Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Für Einmalzahlungen, die für Zeiten außerhalb oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, sind keine Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Auch insoweit fehlt der Bezug zu einem versicherungspflichtigen Zeitraum. Diese Auslegung wird insbesondere durch § 385 Abs. 1 a RVO bestätigt. Danach sind bei der Feststellung des Grundlohns dem Arbeitsentgelt zuzurechnende Zuwendungen, die nicht für die Arbeit in einem einzelnen Lohnabrechnungszeitraum gezahlt werden (einmalig gezahltes Arbeitsentgelt), dem Lohnabrechnungszeitraum zuzuordnen, in dem sie ausgezahlt werden (bei Auszahlung nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses dem letzten Lohnabrechnungszeitraum). Durch die Bezugnahme auf den Lohnabrechnungszeitraum bringt das Gesetz hier zum Ausdruck, daß es unter Einmalzahlungen Zuwendungen versteht, die zwar nicht unbedingt für die Arbeit in einem einzelnen Lohnabrechnungszeitraum gezahlt werden, wohl aber für Lohnabrechnungszeiträume insgesamt. Zuwendungen, die nicht nur nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden, sondern auch für Zeiten außerhalb eines Lohnabrechnungszeitraums, bleiben damit außer Betracht.
Abfindungen, die für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden, werden nicht für Zeiten des Arbeitsverhältnisses gezahlt, sondern für Zeiten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und sind daher kein Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV. Bei solchen Abfindungen handelt es sich um eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes (vgl. KR-Becker, aaO, § 10 KSchG Rz 11 ff.); sie sollen den mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen Wegfall der Arbeitsvergütung ausgleichen. Damit werden sie nicht für Zeiten des Arbeitsverhältnisses gezahlt, sondern gerade für die Zeit danach. Davon geht auch das Bundessozialgericht aus (Urteil vom 28. April 1987 - 12 RK 50/85 - und Urteil vom 23. Februar 1988 - 12 RK 34/86 -), wenn es die Abfindung als Einnahme zum Lebensunterhalt für die Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses einstuft und sie deshalb (teilweise) dem Grundlohn für die Berechnung des Beitrags bei der freiwilligen (Weiter-) Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 180 Abs. 4 RVO) zurechnet. Daraus ist im Rückschluß zu entnehmen, daß es sich bei Abfindungen nicht gleichzeitig um Arbeitsentgelt für die Zeit vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses handeln kann, von dem Beiträge im Rahmen der bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses bestehenden Pflichtversicherung abzuführen sind. Dabei kann offenbleiben, ob und inwieweit die Abfindung einen "Arbeitsentgeltanteil" und einen "sozialen Anteil" enthält (vgl. BSG, aaO). Soweit die Abfindung einen Arbeitsentgeltanteil enthält, entfällt dieses Arbeitsentgelt ebenfalls auf die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BSG, aaO) und unterliegt aus diesem Grund nicht der Beitragspflicht (in diesem Sinne auch: Gagel, Sozialrechtliche Konsequenzen von Vergleichen in Kündigungsschutzprozessen, 2. Aufl. 1987, Rz 422 b). Die Zuordnung der Abfindung zu der Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses wird auch durch § 117 AFG bestätigt. Danach ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld in einem bestimmten Umfang, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist vorzeitig gegen Zahlung einer Abfindung beendet wurde. Die Abfindung wird insoweit vom Gesetz als eine Leistung für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses angesehen, die deshalb die Zahlung von Arbeitslosengeld entbehrlich macht (vgl. BSG, aaO; Gagel, aaO).
Abfindungen sind auch dann kein Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV, wenn sie - wie vorliegend - gerade im Hinblick darauf gezahlt werden, daß die Parteien ihr Arbeitsverhältnis vorzeitig - ohne Einhaltung der maßgebenden Kündigungsfrist - beenden. Es liegt im Rahmen der Vertragsfreiheit der Parteien, ein bestehendes Arbeitsverhältnis jederzeit durch einen Aufhebungsvertrag aufzulösen. Solche Aufhebungsverträge müssen auch die Sozialversicherungsträger hinnehmen. Allenfalls dann, wenn durch einen Aufhebungsvertrag in bereits entstandene Rechte Dritter, u.a. auch der Sozialversicherungsträger, eingegriffen wird, stellt sich die Frage, ob der Dritte einen solchen Aufhebungsvertrag gegen sich gelten lassen muß. Dies wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Parteien ihr Arbeitsverhältnis rückwirkend auflösen. Rechte Dritter werden aber nicht berührt, wenn - wie vorliegend - die Parteien im beiderseitigen Einvernehmen das Arbeitsverhältnis zu einem nach dem Vergleichsabschluß liegenden Zeitpunkt auflösen. Bei Nichteinhaltung der Kündigungsfrist mag dann zwar die Abfindung einen Arbeitsentgeltanteil enthalten; dieser entfällt aber auf die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit den sich aus § 117 AFG ergebenden Konsequenzen; er stellt aber kein Arbeitsentgelt für die Zeit des bestehenden Arbeitsverhältnisses dar und ist daher auch nicht beitragspflichtig.
Beitragspflichtig ist eine Abfindung nur, soweit in ihr Beträge enthalten sind, die für die Dauer des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, z. B. wenn in ihr eine Urlaubsabgeltung oder die Vergütung für die letzte Zeit des Arbeitsverhältnisses - bei vereinbartem Fortfall der Vergütungspflicht - enthalten ist ("verdeckte Vergütung"). Davon kann vorliegend keine Rede sein. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß die Klägerin dem Beklagten irgendwelche Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis vorenthalten hat, die dann in den Abfindungsbetrag eingeflossen sind.
Auch aus der Arbeitsentgeltverordnung in der Fassung vom 18. Dezember 1984 (ArEV) läßt sich nicht entnehmen, daß Abfindungen wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes jedenfalls insoweit beitragspflichtig sind, als sie der Einkommen- und Lohnsteuer unterliegen. Nach § 1 ArEV sind einmalige Einnahmen nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus den §§ 2 und 3 ArEV nichts Abweichendes ergibt. Daraus folgt zwar, daß einmalige Einnahmen dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind, soweit sie lohnsteuerpflichtig sind. Im vorliegenden Fall ist die Abfindung, soweit sie DM 24.000,-- übersteigt, nach § 3 Nr. 9 EStG lohnsteuer- und einkommensteuerpflichtig. Daraus folgt jedoch noch nicht, daß die Abfindung auch beitragspflichtig ist. Die ArEV ist aufgrund des § 17 SGB IV ergangen. Danach ist die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß einmalige Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, ganz oder teilweise nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. § 17 SGB IV setzt damit aber voraus, daß überhaupt Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV vorliegt. Soweit Einnahmen nicht dem Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV zuzurechnen sind - wie vorliegend die Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG -, entfällt ohnehin eine Beitragspflicht, so daß für eine besondere Rechtsverordnung gemäß § 17 SGB IV kein Raum ist. § 17 SGB IV betrifft damit nur einmalige Einnahmen, die als Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV angesehen werden können, z. B. Treueprämien, Jubiläumsgelder und Gratifikationen.
Die Klägerin hat als unterlegene Partei gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Dr. Feller Dr. Freitag Dr. Etzel
Polcyn Dr. Kiefer
Fundstellen
Haufe-Index 439323 |
BAGE 60, 127-135 (LT1-2) |
BAGE, 127 |
BB 1989, 428-430 (LT1-2) |
DB 1989, 327-328 (LT1-2) |
NJW 1989, 1381 |
NJW 1989, 1381-1383 (LT1-2) |
EBE/BAG 1989, 18-20 (LT1-2) |
AuB 1989, 308-309 (T) |
BetrR 1989, 85-88 (LT1-2) |
BetrVG, (1) (LT1-2) |
DRsp, VI (614) 120 c (T) |
Stbg 1989, 291-291 (T) |
Stbg 1989, 367-367 (T) |
ARST 1989, 113-115 (LT-2) |
BR/Meuer SGB IV § 14, 09-11-88, 4 AZR 433/88 (ST1-2) |
EWiR 1989, 291-291 (L1-2) |
Gewerkschafter 1989, Nr 3, 38-38 (ST1) |
NZA 1989, 270-272 (LT1-2) |
RdA 1989, 132 |
RzK, I 11c Nr 6 (LT1-2) |
SAE 1989, 176-178 (LT1-2) |
USK, 88120 (ST) |
WzS 1989, 315 (K) |
ZIP 1989, 125 |
ZIP 1989, 125-128 (LT1-2) |
ZTR 1989, 165-166 (LT1-2) |
AP § 10 KSchG 1969 (LT1-2), Nr 6 |
AR-Blattei, ES 1020.6 Nr 1a (LT1-2) |
AR-Blattei, Kündigungsschutz VI Entsch 1a (LT1-2) |
ArbuR 1989, 59-59 (T) |
ArztR 1990, 135 (K) |
EzA § 9 nF KSchG, Nr 24 (LT1-2) |
HV-INFO 1989, 334-341 (KT) |
MDR 1989, 484 (LT1-2) |
SGb 1989, 165 (S) |
SVFAng Nr 52, 13 (1989) (K) |
ZfSH/SGB 1989, 257-259 (KT) |