Entscheidungsstichwort (Thema)
Feiertagslohnzahlung und Streik
Leitsatz (redaktionell)
1. Erklärt eine Gewerkschaft einen Streik am letzten Arbeitstag vor einem gesetzlichen Feiertag für beendet und nehmen die Arbeitnehmer am Tag nach dem Feiertag die Arbeit wieder auf, ist die Arbeitszeit am Feiertag nicht infolge des Streiks, sondern im Sinne von § 1 Abs 1 Satz 1 FeiertLohnzG infolge des Feiertags ausgefallen.
An diesem Ergebnis ändert sich nichts, wenn die Gewerkschaft einen Tag nach Wiederaufnahme der Arbeit erneut zu einem Streik aufruft.
2. Die Unterbrechung des Streiks für den Feiertag und den darauf folgenden Arbeitstag verletzt nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und ist auch nicht rechtsmißbräuchlich. Der Grundsatz der Kampfparität wird dadurch gewahrt, daß die Arbeitgeber mit einer Aussperrung an den "ausgesparten" Tagen die Entstehung eines Anspruchs der Arbeitnehmer auf Feiertagsvergütung verhindern können.
Normenkette
GG Art. 9; BGB § 242; FeiertLohnzG § 1 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 29.10.1992; Aktenzeichen 4 Sa 60/92) |
ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 07.01.1992; Aktenzeichen 3b Ca 1012/91) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob den Klägern für Pfingstmontag Feiertagsvergütung zusteht.
Die Kläger sind Arbeitnehmer der Beklagten. Im Rahmen der Auseinandersetzungen um eine Tariflohnerhöhung und andere materielle Arbeitsbedingungen, wie z.B. das Ausmaß der Arbeit an Samstagen, rief die Gewerkschaft IG Medien im Mai 1991 zu Arbeitskampfmaßnahmen auf. Die Landesstreikleitung der IG Medien teilte der Beklagten durch ein Schreiben von Anfang Mai 1991 mit, daß sie die Arbeitnehmer des Betriebes zu einem befristeten Streik am 6. Mai 1991 aufgefordert habe. Am 13., 14., 15. und 16. Mai wurde der Betrieb ebenfalls bestreikt. Mit Schreiben vom 15. Mai 1991 teilte die Landesstreikleitung der Beklagten mit, der Streik sei vorerst bis Donnerstag, den 16. Mai 1991, befristet. Dieses Schreiben ging am 16. Mai 1991 bei der Beklagten ein. Am 16. Mai 1991 fand eine Streikversammlung der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer statt. Die Belegschaft sprach sich in dieser Versammlung dafür aus, den befristeten Streik bis Freitag, den 17. Mai 1991, fortzuführen. Mit Schreiben vom 16. Mai 1991, bei der Beklagten am gleichen Tage um 17.00 Uhr eingegangen, teilte die Streikleitung mit, daß sie den befristeten Streik bis Freitag, den 17. Mai 1991, verlängert habe. Die Beschäftigten seien darüber informiert, daß sie nach dieser Befristung in üblicher Weise die Arbeit wieder aufzunehmen hätten. Die IG Medien verteilte an ihre Mitglieder im Landesbezirk Nord Schreiben des Landesbezirksvorstands Nord vom 16. Mai 1991 und vom 17. Mai 1991, in denen zum Stand der Tarifverhandlung Stellung genommen wurde und darüber, daß der Arbeitskampf weitergehe.
Am Pfingstdienstag, dem 21. Mai 1991, nahmen die Kläger die Arbeit bei der Beklagten wieder auf. Mit einem weiteren Schreiben, bei der Beklagten am Mittwoch, dem 22. Mai 1991 eingegangen, teilte der Landesbezirksvorstand der IG Medien der Beklagten mit, daß sie die Belegschaft der Beklagten "von heute an zu einem unbefristeten Streik aufgerufen" habe.
Die Beklagte zahlte den Klägern die Vergütung für den Dienstag nach Pfingsten, sie weigert sich aber, den Klägern auch die Feiertagsvergütung für Pfingstmontag zu zahlen.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Beklagte sei hierzu nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FLZG verpflichtet. Sie haben zur Begründung vorgetragen, die Arbeit am Pfingstmontag sei allein infolge des gesetzlichen Feiertags ausgefallen. Der letzte befristete Streik sei am Freitag vor Pfingsten beendet worden. Dies habe die Streikleitung der Beklagten auch ordnungsgemäß mitgeteilt. Am Dienstag nach Pfingsten hätten sie, die Kläger, gearbeitet, so daß eine andere Beurteilung nicht möglich sei.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zur Zahlung der nachfolgend aufge-
führten Beträge nebst 4 % Zinsen seit Rechtshän-
gigkeit zu verurteilen:
Kläger zu 1) 150,15 DM brutto
Kläger zu 2) 131,47 DM brutto
Kläger zu 3) 113,25 DM brutto
Kläger zu 4) 106,28 DM brutto
Kläger zu 5) 133,65 DM brutto
Kläger zu 6) 133,12 DM brutto
Kläger zu 7) 126,15 DM brutto
Kläger zu 8) 175,04 DM brutto
Kläger zu 9) 113,25 DM brutto
Kläger zu 10) 111,67 DM brutto
Kläger zu 11) 176,25 DM brutto
Kläger zu 12) 134,10 DM brutto
Kläger zu 13) 106,27 DM brutto
Kläger zu 14) 149,18 DM brutto
Kläger zu 15) 165,02 DM brutto
Kläger zu 16) 204,-- DM brutto
Kläger zu 17) 122,47 DM brutto
Kläger zu 18) 134,92 DM brutto
Kläger zu 19) 116,32 DM brutto
Kläger zu 20) 146,77 DM brutto
Kläger zu 21) 116,25 DM brutto
Kläger zu 22) 105,-- DM brutto
Kläger zu 23) 81,52 DM brutto
Kläger zu 24) 130,95 DM brutto
Kläger zu 25) 125,03 DM brutto
Kläger zu 26) 116,25 DM brutto
Kläger zu 27) 131,12 DM brutto
Kläger zu 28) 116,25 DM brutto
Kläger zu 29) 114,97 DM brutto
Kläger zu 30) 180,90 DM brutto
Kläger zu 31) 163,27 DM brutto
Kläger zu 32) 130,40 DM brutto
Kläger zu 33) 128,40 DM brutto
Kläger zu 34) 130,95 DM brutto
Kläger zu 35) 109,05 DM brutto
Kläger zu 36) 130,95 DM brutto
Kläger zu 37) 126,08 DM brutto
Kläger zu 38) 103,95 DM brutto
Kläger zu 39) 134,10 DM brutto
Kläger zu 40) 148,72 DM brutto
Kläger zu 41) 144,36 DM brutto
Kläger zu 42) 104,70 DM brutto
Kläger zu 43) 106,27 DM brutto
Kläger zu 44) 130,95 DM brutto
Kläger zu 45) 154,27 DM brutto
Kläger zu 46) 146,77 DM brutto
Kläger zu 47) 114,82 DM brutto
Kläger zu 48) 148,73 DM brutto
Kläger zu 49) 163,50 DM brutto
Kläger zu 50) 106,27 DM brutto
Kläger zu 51) 111,67 DM brutto
Kläger zu 52) 115,12 DM brutto
Kläger zu 53) 147,45 DM brutto
Kläger zu 54) 122,55 DM brutto
Kläger zu 55) 111,67 DM brutto
Kläger zu 56) 165,97 DM brutto
Kläger zu 57) 129,97 DM brutto
Kläger zu 58) 149,48 DM brutto
Kläger zu 59) 111,67 DM brutto
Kläger zu 60) 122,25 DM brutto
Kläger zu 61) 122,93 DM brutto
Kläger zu 62) 127,95 DM brutto
Kläger zu 63) 165,84 DM brutto
Kläger zu 64) 161,03 DM brutto
Kläger zu 65) 147,23 DM brutto
Kläger zu 66) 125,02 DM brutto
Kläger zu 67) 133,12 DM brutto
Kläger zu 68) 132,-- DM brutto
Kläger zu 69) 206,48 DM brutto
Kläger zu 70) 110,55 DM brutto
Kläger zu 71) 114,83 DM brutto
Kläger zu 72) 111,67 DM brutto
Kläger zu 73) 122,92 DM brutto
Kläger zu 74) 108,97 DM brutto
Kläger zu 75) 126,08 DM brutto
Kläger zu 76) 151,65 DM brutto
Kläger zu 77) 106,27 DM brutto
Kläger zu 78) 130,95 DM brutto
Kläger zu 79) 134,17 DM brutto
Kläger zu 80) 174,90 DM brutto
Kläger zu 81) 122,40 DM brutto
Kläger zu 82) 114,83 DM brutto
Kläger zu 83) 117,-- DM brutto
Kläger zu 84) 114,83 DM brutto
Kläger zu 85) 121,13 DM brutto
Kläger zu 86) 164,60 DM brutto
Kläger zu 87) 164,40 DM brutto
Kläger zu 88) 124,50 DM brutto
Kläger zu 89) 109,50 DM brutto
Kläger zu 90) 116,25 DM brutto
Kläger zu 91) 112,35 DM brutto
Kläger zu 92) 130,65 DM brutto.
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Kläger handelten rechtsmißbräuchlich. Bei dem Streik ab dem 13. Mai 1991 habe es sich tatsächlich um einen unbefristeten Streik gehandelt, den die Kläger rechtsmißbräuchlicherweise nur zu dem Zweck unterbrochen hätten, um sich die Pfingstmontagsfeiertagszahlung zu erschleichen. Die Belegschaft habe erkannt, daß die Gewerkschaft mit der (ursprünglichen) Befristung bis zum 16. Mai 1991 und der Beendigung des Streiks einen Tag vor dem Pfingstwochenende der Beklagten die Feiertagslohnzahlung habe aufbürden wollen. Hierfür habe die Belegschaft kein Verständnis gehabt. In der hitzigen Streikversammlung habe die Landesstreikleitung schließlich nachgegeben und sich bereiterklärt, den Streik zu verlängern. Hierbei sei angesprochen worden, daß aber zumindest ein Tag nach Pfingsten gearbeitet werden müsse, da ansonsten die Gewerkschaft den Feiertag zu bezahlen habe. Daß es sich um einen unbefristeten Streik gehandelt habe, ergebe sich auch aus den von der IG Medien an die Belegschaft verteilten Schreiben vom 16. und 17. Mai 1991.
Die Kläger haben erwidert, es sei durch nichts bewiesen, daß die den Streik führende Gewerkschaft ihre Streikbeschlüsse nur deshalb in der vorliegenden Art gewählt habe, um der Beklagten die Vergütung für den 20. Mai 1991 "aufzubürden". Diese aus Indizien zusammengesuchte Feststellung werde bestritten. Die Beklagte habe hierzu substantiiert und unter Beweisantritt und einlassungsfähig vorzutragen. In rechtlicher Hinsicht sei unklar, inwieweit die Kläger das Lohnausfallrisiko tragen müßten, wenn alleiniger Sinn und Zweck der Befristung des ersten Streikabschnitts und der Ausrufung des neuen unbefristeten Streiks gewesen sein sollte, den Feiertag auszusparen. Eine Tarifvertragspartei, die grundsätzlich in der Wahl ihrer Kampfmittel frei sei, könne nicht gebunden sein, die Kampfmaßnahmen so einzurichten, daß der Tarifgegner möglichst verschont bleibe. Die streikführende Gewerkschaft habe auch in keiner Weise den Boden des Gesetzes verlassen, indem sie zunächst einen befristeten Streik, danach einen unbefristeten Streik ausgerufen habe. Es sei in Rechtsprechung und Literatur unbestritten, daß ein gewerkschaftlich geführter Streik den Anspruch auf Feiertagsvergütung unberührt lasse, wenn der Streik am letzten Arbeitstag vor dem Feiertag ende. Sei aber die Aussetzung des Streiks für die Dauer eines Feiertags legitim, so gelte dies erst recht bei einer Streikbeendigungserklärung, zwischenzeitlicher Arbeitsaufnahme und erneuter Streikerklärung.
Die Beklagte hat repliziert, die Arbeitszeit am 20. Mai 1991 sei nicht ausschließlich infolge des gesetzlichen Feiertags, sondern infolge des Streiks ausgefallen. Ihr sei zwar mitgeteilt worden, daß am 17. Mai 1991 der Streik enden solle. Sie habe sich aber nicht darauf verlassen können, daß dies tatsächlich der Fall sei. Das ergebe sich daraus, daß die Gewerkschaft den Streik zunächst bis zum 16. Mai 1991 befristet hatte, um dann zu einer Zeit, als einige Mitarbeiter der Beklagten bereits Feierabend gemacht hätten, die Erweiterung des Streiks um einen weiteren Tag mitzuteilen. Im Zusammenhang mit den Rundschreiben sei aus ihrem Empfängerhorizont nicht ersichtlich gewesen, daß der Streik nur um den einen Tag habe verlängert werden sollen. Sie habe daher nicht ihre Dispositionsfreiheit zurückerhalten. Dementsprechend habe sie auch keine Arbeitsvorbereitungen, die mit erheblichen Kosten verbunden seien, treffen können.
Das Arbeitsgericht hat die Klagen mit der Begründung abgewiesen, die Arbeitszeit sei am Pfingstmontag zwar infolge des gesetzlichen Feiertags ausgefallen, die Ausrufung eines befristeten Streiks bis zum 17. Mai 1991 und die spätere Ausrufung eines unbefristeten Streiks ab 22. Mai 1991 seien aber eine mißbräuchliche Umgehung der Regelungen, die für die Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer während eines Streiks gelten. Die grundsätzlich zulässige Form des befristeten Streiks sei von der IG Medien und den Klägern gewählt worden, um den gesetzlich vorgeschriebenen Verlust des Vergütungsanspruchs für den 20. Mai 1991 zu vereiteln. Nach dem von der Beklagten behaupteten und von den Klägern nicht substantiiert bestrittenen Verlauf der Streikversammlung sei Sinn und Zweck der Befristung des Streiks gewesen, den Klägern einen Anspruch auf Vergütung für den 20. Mai 1991 zu sichern. Dieses Vorgehen sei durch die Tarifautonomie, nach der sich die Tarifparteien bei der Wahl ihrer Kampfmittel und ihrer Kampftaktik an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu orientieren hätten, nicht mehr gedeckt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen mit der Begründung, die Arbeitszeit am Pfingstmontag sei schon nicht infolge des Feiertags ausgefallen, im übrigen sei das Verhalten der Kläger und der IG Medien rechtsmißbräuchlich.
Die Kläger verfolgen mit der Revision ihre ursprünglich gestellten Anträge weiter, während die Beklagte beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts, zur Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und zur Verurteilung der Beklagten.
I. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FLZG hat der Arbeitgeber für die Zeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt, den Arbeitnehmern den Arbeitsverdienst zu zahlen, den sie ohne den Arbeitsausfall erhalten hätten. Danach gilt das sogenannte Lohnausfallprinzip. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitnehmer so zu stellen, wie dieser gestanden hätte, wenn die Arbeit nicht infolge des Feiertags ausgefallen wäre.
1. Aus Wortlaut und Zweck der Regelung ergibt sich, daß der Anspruch auf Feiertagsbezahlung nur dann besteht, wenn der Feiertag die alleinige Ursache des Arbeitsausfalles bildet (BAGE 42, 324 = AP Nr. 39 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; BAGE 44, 160 = AP Nr. 41 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG und zuletzt Senatsurteil vom 31. Mai 1988, BAGE 58, 320 = AP Nr. 56 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG). Dagegen entsteht der gesetzliche Anspruch nicht, wenn der Arbeitsausfall auf anderen Gründen beruht. Das ist u.a. dann der Fall, wenn wegen eines Arbeitskampfes nicht gearbeitet wird. Während eines rechtmäßigen Streiks werden zwar seit dem Beschluß des Großen Senats vom 28. Januar 1955 (BAGE 1, 291 = AP Nr. 1 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) die Hauptpflichten der Parteien aus dem Arbeitsvertrag nur suspendiert. Das ändert aber nichts daran, daß während eines Streiks die Arbeit an einem gesetzlichen Feiertag nicht infolge des Feiertags, sondern aufgrund des Arbeitskampfs ausfällt. Dementsprechend gibt es in diesen Fällen auch keinen Anspruch auf Feiertagsvergütung (vgl. so schon Senatsurteil vom 31. Mai 1988, aaO). Hiervon geht zutreffend auch das Berufungsgericht aus.
Auf der anderen Seite muß der Feiertagslohn gezahlt werden, wenn der Arbeitskampf unmittelbar vor dem Feiertag endet oder sich unmittelbar an den Feiertag anschließt. In beiden Fällen ist einzige Ursache für den Arbeitsausfall der gesetzliche Feiertag (Senatsurteil vom 31. Mai 1988, aaO; Löwisch/Krauß, Schlichtungs- und Arbeitskampfrecht, 1989, Rz 521; Kalb, Arbeitskampfrecht, 1986, Rz 249).
2. Der Senat hat dem Landesarbeitsgericht nicht darin folgen können, daß vorliegend die Arbeit am Pfingstmontag infolge eines Streiks der Kläger ausgefallen ist.
Richtig ist, daß die IG Medien die Kläger schon in der Woche vor Pfingsten ursprünglich bis einschließlich Donnerstag zum Streik aufgerufen hatte. Die Beklagte war zunächst davon verständigt worden, daß die Kläger am Freitag die Arbeit wieder aufnehmen würden. Am 16. Mai abends um 17.00 Uhr hat die Streikleitung die Beklagte dann aber davon unterrichtet, daß die Kläger auch noch am Freitag, dem 17. Mai 1991, streiken würden, danach aber wieder zur Arbeit bereitstünden. Anders als in dem der Entscheidung vom 31. Mai 1988 (aaO) zugrunde liegenden Falle wurde vorliegend die Beklagte also über die Beendigung des Streiks am Freitag, dem 17. Mai 1991, informiert. Damit hatte die Beklagte auch ihre Dispositionsfreiheit zurückgewonnen. Sie konnte Arbeitsvorbereitungen treffen und hat dies auch getan, denn sie hat die Kläger am Dienstag nach Pfingsten ohne zeitliche Verzögerung beschäftigen können. Aus der Tatsache, daß die IG Medien sich entschloß, den Streik um einen Tag zu verlängern, kann nicht hergeleitet werden, daß trotz der Mitteilung von der Beendigung des Streiks am 17. Mai 1991 der Streik über den 17. Mai 1991 hinaus weitergegangen ist. Die Streikleitung ist befugt, für alle Streikteilnehmer verbindliche Erklärungen abzugeben und insbesondere dem Arbeitgeber mitzuteilen, daß der Streik an einem bestimmten Tage beendet sein soll (vgl. BAGE 23, 484 = AP Nr. 44 zu Art. 9 GG Arbeitskampf und BAGE 58, 320 = AP Nr. 56 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; ebenso Löwisch/Krauß, Schlichtungs- und Arbeitskampfrecht, Rz 521). Danach bleibt der Anspruch auf Feiertagsvergütung bestehen, wenn der Arbeitskampf am letzten Arbeitstag vor dem Feiertag endet, vorausgesetzt, eine entsprechende Beendigungserklärung ist zugegangen und auch nicht wieder rückgängig gemacht worden. Vorliegend ist zwar die erste Beendigungserklärung für den 16. Mai 1991 rückgängig gemacht worden, nicht aber die für den 17. Mai 1991. Dementsprechend sind der Streik der Gewerkschaft und die Teilnahme der Kläger an diesem Streik am 17. Mai 1991 beendet worden, da die Kläger sich entsprechend der Beendigungserklärung auch verhalten und am erstmöglichen Tage, dem Dienstag nach Pfingsten, die Arbeit wieder aufgenommen haben.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ändert sich an diesem Ergebnis nichts dadurch, daß die streikführende Gewerkschaft an ihre Mitglieder vom 16. und 17. Mai 1991 datierte Flugblätter über den Stand der Tarifverhandlungen verteilt hat, in denen als Quintessenz des Verhandlungsstandes mitgeteilt wurde, der Streik müsse weitergehen. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß es sich bei den Mitteilungsblättern um Schreiben der IG Medien, Landesbezirk Nord, handelte. Aus den Mitteilungsblättern hat die Beklagte nicht entnehmen können, daß entgegen der Erklärung der Streikleitung bei ihr der Streik fortgesetzt werden sollte. Nach der auch bis dahin verfolgten Streikstrategie der IG Medien war es möglich, daß nach Pfingsten andere Unternehmen bestreikt würden, da der Arbeitskampf ebenso wie der Streik von 1984 sich dadurch auszeichnete, daß die Gewerkschaft abwechselnd unterschiedliche Betriebe bestreikte.
3. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, vorliegend handele es sich um einen von vornherein unbefristeten Streik vom 13. Mai 1991 über den 20. Mai 1991 hinaus, der auf einem einheitlichen Streikbeschluß beruhe, weshalb die Arbeit am Pfingstmontag infolge des Streiks ausgefallen sei.
a) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht zunächst angenommen, die insofern aufgestellten Behauptungen der Beklagten seien als zugestanden zu werten. Die Beklagte hatte behauptet, die Belegschaft habe in der Streikversammlung vom 16. Mai 1991 erkannt, daß die Gewerkschaft mit ihrer ursprünglichen Befristung des Streiks bis 16. Mai 1991 und der Beendigung einen Tag vor dem Pfingstwochenende der Beklagten die Feiertagslohnzahlung habe aufbürden wollen. Hierfür habe die Belegschaft kein Verständnis gehabt. Daraufhin habe die Landesstreikleitung entschieden, den Streik bis zum 17. Mai 1991 zu verlängern mit dem Hinweis, die Belegschaft müsse aber dann am Dienstag nach Pfingsten arbeiten, weil sonst die Gewerkschaft den Feiertag bezahlen müsse. Diese Behauptungen über den Verlauf der Streikversammlung der Belegschaft bei der Beklagten haben die Kläger mit Nichtwissen bestritten, obwohl es sich um Behauptungen handelte, die Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind; die Beklagte hatte den Betriebsratsvorsitzenden G für diese Behauptungen als Zeugen benannt, der einer der Kläger ist. Die übrigen Kläger haben nicht behauptet, in der Streikversammlung nicht anwesend gewesen zu sein. Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen aber nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Haben die Kläger die Behauptungen der Beklagten unzulässigerweise mit Nichtwissen bestritten, ist nach § 138 Abs. 3 ZPO davon auszugehen, daß sie zugestanden sind.
b) Auch unter Berücksichtigung dieses Verlaufs der Streikversammlung ist davon auszugehen, daß die Arbeitszeit am Pfingstmontag allein aufgrund des Feiertags ausgefallen ist. Tatsache bleibt, daß die Gewerkschaft die Beendigung des Streiks gegenüber der Beklagten für den 17. Mai 1991 erklärt hat, und danach zunächst nicht gestreikt wurde, vielmehr die Kläger am Dienstag nach Pfingsten gearbeitet haben. Damit decken sich die Erklärung der Streikleitung und das Verhalten der Kläger. Haben die Arbeitnehmer nach dem Feiertag die Arbeit aufgenommen, kann nicht allein wegen des späteren Verhaltens der Gewerkschaft davon ausgegangen werden, daß die Arbeitszeit am Pfingstmontag nicht infolge des Feiertags ausgefallen ist.
Aus dem Verlauf der Streikversammlung bei der Belegschaft der Beklagten ergibt sich, daß die streikführende Gewerkschaft für den Pfingstmontag kein Streikgeld zahlen, sondern durch ihre Erklärung den Anspruch der Streikteilnehmer auf Feiertagsvergütung auslösen wollte. Daraus ergibt sich aber noch kein einheitlicher Streikbeschluß, wonach der Streik nur für den Dienstag nach Pfingsten unterbrochen werden sollte. Selbst wenn davon auszugehen wäre, kommt man immer noch nicht an den Tatsachen vorbei, daß die streikführende Gewerkschaft gegenüber der Beklagten erklärt hatte, daß am 17. Mai 1991 der Streik beendet werde und die Kläger am Dienstag nach Pfingsten gearbeitet haben. Muß der Feiertagslohn gezahlt werden, wenn der Arbeitskampf unmittelbar vor dem Feiertag endet (BAGE 58, 320 = AP Nr. 56 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG und Löwisch/Krauß, Schlichtungs- und Arbeitskampfrecht, Rz 521), muß dies auch gelten, wenn vor dem Feiertag die Arbeitnehmer den Streik beendet haben, dann einen Tag gearbeitet haben, um dann in einen unbefristeten Streik zu treten. Dementsprechend wird - soweit in der Literatur überhaupt behandelt - die Auffassung vertreten, daß Feiertagslohn zu zahlen sei, wenn die Gewerkschaft den Streik für den Feiertag aussetzt (Färber/ Klischan, Lohnzahlung an Feiertagen, 1985, Rz 71; Däubler/ Colneric, Arbeitskampfrecht, Rz 588).
II. Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Feiertagsvergütung scheitert entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts auch nicht am Rechtsmißbrauch.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dem Beschluß des Großen Senats vom 21. April 1971 (BAGE 23, 292 = AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) werden Arbeitskämpfe an dem Gebot der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne gemessen. Danach sind nur Arbeitskämpfe zulässig, die zur Erreichung eines rechtmäßigen Kampfzieles geeignet, erforderlich und nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen (Grundsatz der Proportionalität). Dazu gehört auch, daß die Art der Kampfführung den Regeln eines fairen Kampfes entspricht, insbesondere nicht auf die Existenzvernichtung des Gegners abzielt (BAGE GS 23, 292 = AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, 2. Aufl., Rz 165). Dieses Gebot der Verhältnismäßigkeit ist eine Konkretisierung des Rechtsmißbrauchsgedankens.
2. Hat die Streikleitung den Streik nur deshalb zunächst am 17. Mai 1991 beendet und die Kläger am Dienstag nach Pfingsten arbeiten lassen, um einen Anspruch der Kläger auf Feiertagslohn nach § 1 FLZG auszulösen, kann daraus allein nicht entnommen werden, daß die Kampfmaßnahme unverhältnismäßig gewesen ist. Der Streik wurde ausgerufen zur Erzwingung eines Tarifvertrags um tariflich regelbare Ziele, nachdem beide Seiten verhandelt hatten und eine Einigung nicht in Sicht war. Aus diesem Grunde ist der Streik sowohl geeignet als auch erforderlich. Der Streik wird auch nicht allein deshalb unverhältnismäßig im Sinne der Disproportionalität, weil infolge der Streikführung der Arbeitgeber verpflichtet ist, Feiertagslohn zu zahlen. Die Streiktaktik der Gewerkschaft widerspricht auch nicht dem Gebot der fairen Kampfführung. Die kampfführenden Parteien haben darauf zu achten, daß die jeweilige Kampfmaßnahme nicht zur Existenzvernichtung des Gegners führt. Bei Beachtung dieses Grundsatzes soll und darf durch jede Kampfmaßnahme, Streik wie Aussperrung, Druck auf den Gegner dadurch ausgeübt werden, daß ihm möglichst viele Kosten auferlegt werden, damit er möglichst schnell einem Tarifvertrag zustimmt, der weitgehend den eigenen Interessen entspricht. Von daher begegnet die Unterbrechung des Arbeitskampfes an Feiertagen keinen rechtlichen Bedenken.
Der Streik wird entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht zu einer Kampfmaßnahme um ein anderes Kampfziel, weil die Gewerkschaft mit der Art der Kampfführung erreichen will, daß der Arbeitgeber Feiertagslohn zu zahlen hat. Es ging im vorliegenden Falle von vornherein ausschließlich um die Erzwingung eines Lohntarifvertrags und gleichzeitig um bestimmte materielle Arbeitsbedingungen, wie sie in den Flugblättern der IG Medien im einzelnen aufgeführt sind. Dieses Kampfziel ändert sich nicht deshalb, weil der Streik für den Feiertag ausgesetzt wird. Dementsprechend kommen die wenigen Autoren, die zu der Frage überhaupt Stellung nehmen, zu dem Ergebnis, daß Feiertagslohn vom Arbeitgeber zu zahlen ist, wenn die Gewerkschaft den Streik für den Feiertag aussetzt (Färber/Klischan, Lohnzahlung an Feiertagen, 1985, Rz 71 und Däubler/Colneric, aaO, Rz 588).
3. Die Art der Kampfführung darf jedoch nicht zu einer Verschiebung der Kampfparität führen. Die Kampfparität bleibt gewahrt, wenn es der Arbeitgeberseite ermöglicht wird, ihrerseits den Anspruch auf Feiertagslohn durch entsprechende Reaktion auf eine solche Kampfführung auszuschließen. Diese Möglichkeit hat der Arbeitgeber, weil er die Arbeitnehmer gerade für die Tage aussperren kann, die die Gewerkschaft vom Streik ausgenommen hat, um den Anspruch auf Feiertagsvergütung entstehen zu lassen. Dabei kommt es allein auf seine Beziehungen gegenüber der streikführenden Gewerkschaft an, mögliche selbstauferlegte einschränkende Bindungen gegenüber dem Arbeitgeberverband können als Verbandsinterna bei der Paritätsprüfung nicht berücksichtigt werden.
Ist die Arbeit am Pfingstmontag infolge des Feiertags ausgefallen und war der Streik nicht mißbräuchlich, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben bzw. abzuändern und den Klagen mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO stattzugeben.
Dr. Kissel Dr. Weller Dr. Rost
K. H. Janzen Spiegelhalter
Fundstellen
Haufe-Index 437393 |
BAGE 73, 141-150 (LT1-2) |
BB 1993, 1081 |
DB 1993, 1724-1726 (LT1-2) |
DStR 1993, 1192-1192 (K) |
NJW 1993, 2829 |
NJW 1993, 2829-2830 (LT1-2) |
BuW 1993, 640 (K) |
EBE/BAG 1993, 126-128 (LT1-2) |
BetrR 1994, 21-22 (LT1) |
DRsp, VI(608) 228a-c (LT1-2) |
NZA 1993, 809 |
NZA 1993, 809-811 (LT1-2) |
SAE 1994, 301-304 (LT1) |
USK, 9316 (ST) |
WiR 1993, 338-339 (S) |
WzS 1994, 58 (L) |
ZTR 1993, 428-429 (LT1-2) |
AP § 1 FeiertagslohnzahlungsG (LT1-2), Nr 63 |
AR-Blattei, ES 170.2 Nr 37 (LT1-2) |
EzA § 1 LFZG, Nr 45 (LT1-2) |
EzBAT § 8 BAT Arbeitskampf, Nr 33 (LT1-2) |
MDR 1994, 75 (LT1-2) |
SVFAng Nr 84, 11 (1994) (KT) |