Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag eines Studenten
Orientierungssatz
1. Hinweise des Senats:
Abweichende Fallgestaltung gegenüber dem Senatsurteil vom 29. Oktober 1998 - 7 AZR 561/97 - BB 1999, 962 - DB 1999, 964.
2. Seit dem Senatsurteil vom 10. August 1994 (- 7 AZR 695/93 - AP Nr. 162 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) ist zu differenzieren, daß die Befristung nur dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn sie angesichts der Vertragsgestaltung erforderlich ist, um die Erwerbstätigkeit den immer wieder wechselnden Erfordernissen des Studiums anzupassen. Wird hingegen diesem Interesse des Studenten bereits durch eine entsprechende Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses Rechnung getragen, so kann die Befristung nicht auf den Gesichtspunkt der Anpassung der Erwerbstätigkeit an die Erfordernisse des Studiums gestützt werden.
Tenor
Die Landesarbeitsgerichts München vom 12. November 1997 - 9 Sa
315/97 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. März 1996.
Der Kläger ist Student. Er gehört zu einer Gruppe von etwa 400 Studenten, die bei der Beklagten auf dem Flughafen München teilzeitbeschäftigt im Geschäftsbereich "Bodendienste" tätig sind.
Der Kläger war seit 1. Juli 1994 auf der Grundlage von 11 aneinandergereihten befristeten Arbeitsverträgen bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Die einzelnen Verträge hatten jeweils eine Laufzeit von ein bis zu drei Monaten. Die Beklagte hatte dem Kläger, wie auch den übrigen bei ihr beschäftigten Studenten, die Befristung des Arbeitsverhältnisses jeweils für die Dauer einer Flugplanperiode angeboten, zuletzt für die Zeit vom 1. November 1995 bis zum 31. März 1996. Da sich der Kläger jedoch am Beginn der Flugplanperiode hinsichtlich der für ihn möglichen Arbeitszeiten noch nicht festlegen konnte und die Beklagte ein Arbeitsverhältnis mit variabler Arbeitszeit nicht abschließen wollte, wurden für den Zeitraum 1. November 1995 bis 31. März 1996 drei befristete Arbeitsverhältnisse mit unterschiedlicher Arbeitszeit vereinbart, und zwar für die Zeit vom 1. November bis zum 31. Dezember 1995, vom 1. Januar bis zum 29. Februar 1996 und vom 1. März bis zum 31. März 1996. Während des letzten befristeten Arbeitsvertrags für die Zeit vom 1. März bis zum 31. März 1996 hatte der Kläger folgende Arbeitszeiten:
- Montag 17.00 Uhr - 21.00 Uhr
- Dienstag 7.00 Uhr - 12.00 Uhr
- Mittwoch 7.00 Uhr - 12.00 Uhr
- Donnerstag 7.00 Uhr - 12.00 Uhr, 17.00 Uhr - 21.00 Uhr
- Freitag 17.00 Uhr - 21.00 Uhr
- Samstag 7.00 Uhr- 12.00 Uhr
Diesem letzten befristeten Arbeitsverhältnis lag der Arbeitsvertrag vom 1. März 1996 zugrunde. Nach dessen § 1 endet das Arbeitsverhältnis, ohne daß es einer Kündigung bedarf, am 31. März 1996, wobei das Recht zur vorherigen Kündigung unberührt bleiben sollte. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags bestimmt sich das Arbeitsverhältnis u.a. nach dem Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G).
Für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Juli 1996 hat die Beklagte dem Kläger erneut einen befristeten Arbeitsvertrag angeboten. Dieses Angebot hat der Kläger unter dem Vorbehalt angenommen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen gegenüber dem letzten Vertrag rechtmäßig, zulässig und nicht sozial ungerechtfertigt ist und daß die Befristung des letzten Arbeitsvertrags nicht unwirksam war. Zum 30. November 1997 ist der Kläger durch eigene Kündigung bei der Beklagten ausgeschieden.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis über den 31. März 1996
hinaus zu unveränderten Bedingungen bis zum 30. November 1997
fortbestanden hat.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält die Befristung des Arbeitsvertrags für rechtswirksam. Der sachliche Befristungsgrund liege darin, daß die Befristung dem Kläger die Möglichkeit gebe, sein Interesse an einem geregelten Studium mit den Anforderungen der Erwerbstätigkeit in Einklang zu bringen. Der Kläger sei nicht bereit gewesen, sich hinsichtlich seiner Arbeitszeit jeweils länger als für ein bis zu drei Monate zu binden. Die kurzen Vertragslaufzeiten seien daher auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers gewählt worden.
Das Arbeitsgericht hat die Befristung für unwirksam gehalten. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. November 1997. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis hat durch rechtswirksame Befristung zum 31. März 1996 geendet.
I. Die Vorinstanzen haben der Befristungskontrolle zutreffend nur den für die Zeit vom 1. März bis zum 31. März 1996 abgeschlossenen Arbeitsvertrag zugrunde gelegt, obwohl anschließend ein neuer befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde. Denn durch die klägerseitige Annahme des Vertragsangebots der Beklagten nur unter dem Vorbehalt, daß zwischen den Parteien nicht ohnehin bereits ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestehe, und die Weiterbeschäftigung des Klägers durch die Beklagte trotz dieses Vorbehalts haben die Parteien zulässigerweise die Rechtsbedingung vereinbart, daß der Anschlußarbeitsvertrag nur gelten solle, wenn der vorangegangene, bis zum 31. März 1996 laufende Arbeitsvertrag rechtswirksam befristet war. Die Vereinbarung einer derartigen Rechtsbedingung ermöglicht nach ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. BAG Urteil vom 30. Oktober 1987 - 7 AZR 115/87 - BAGE 57, 13 = AP Nr. 8 zu § 119 BGB, zu I 1 der Gründe, m.w.N.) die Überprüfung der Rechtswirksamkeit der Befristung des vorangegangenen Arbeitsvertrags, weil dieser im Fall der Unwirksamkeit der Befristung nach wie vor die alleinige Grundlage für die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien darstellt.
II. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zum 31. März 1996 war rechtswirksam. Angesichts der besonderen, vom Landesarbeitsgericht festgestellten Umstände des vorliegenden Einzelfalles war sie erforderlich, um das Interesse des Klägers an einem geregelten Studium mit seinen Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis in Einklang zu bringen. Damit liegt ein sachlicher Befristungsgrund vor.
1. In der älteren Senatsrechtsprechung (Urteil vom 4. April 1990 - 7 AZR 259/89 - BAGE 65, 86 = AP Nr. 136 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; vgl. auch die nicht veröffentlichten Senatsurteile vom 18. August 1982 - 7 AZR 353/80 - und vom 13. Februar 1985 - 7 AZR 345/82 -) wurde die Befristung von Arbeitsverträgen mit Studenten, die neben ihrem Studium bezahlte Beschäftigungsmöglichkeiten suchen und ihre Erwerbstätigkeit immer wieder den wechselnden Erfordernissen ihres Studiums anpassen müssen, grundsätzlich als im Arbeitsleben üblich und sachlich gerechtfertigt angesehen.
Seit dem Senatsurteil vom 10. August 1994 (- 7 AZR 695/93 - AP Nr. 162 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) ist indessen dahingehend zu differenzieren, daß die Befristung nur dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn sie angesichts der Vertragsgestaltung erforderlich ist, um die Erwerbstätigkeit den immer wieder wechselnden Erfordernissen des Studiums anzupassen. Wird hingegen diesem Interesse des Studenten bereits durch eine entsprechende Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses Rechnung getragen, so kann die Befristung nicht auf den Gesichtspunkt der Anpassung der Erwerbstätigkeit an die Erfordernisse des Studiums gestützt werden.
Auf der Grundlage dieser neueren Rechtsprechung hat der Senat in seinem Urteil vom 29. Oktober 1998 (- 7 AZR 561/97 -, zur Veröffentlichung vorgesehen) die Befristung des Arbeitsvertrages eines Studenten für rechtsunwirksam gehalten, der bei der Beklagten für die Dauer der gesamten Flugplanperiode jeweils wöchentlich an zwei Tagen in der Nachtschicht von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr und von 22.30 Uhr bis 3.30 Uhr arbeitete. Damit war die Erwerbstätigkeit des damaligen Klägers den Erfordernissen seines Studiums bereits durch die konkrete Ausgestaltung seiner Arbeitszeit angepaßt, so daß es dafür nicht noch zusätzlich einer Befristung seines Arbeitsverhältnisses bedurfte. Darüber hinaus hätte jener Student im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit gehabt, seinerseits zu kündigen, wenn sich Konflikte mit den Pflichten aus seinem Studium durch Veränderung des Studienplans ergeben würden. Zur Wahrung seiner Interessen war damit eine Befristung nicht erforderlich.
2. Abweichend von dieser Fallgestaltung war im vorliegenden Fall der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht bereit, das Angebot der Beklagten auf Abschluß eines Arbeitsvertrags mit feststehender Arbeitszeitverpflichtung für die Dauer einer Flugplanperiode anzunehmen. Vielmehr wünschte er eine variable Arbeitszeit, über die von den Parteien keine Einigung erzielt wurde. Der Kläger war daraufhin jeweils nur bereit, sich hinsichtlich der Arbeitszeit für ein bis zu drei Monaten festzulegen.
Bei dieser Sachlage war die Befristung des Arbeitsvertrags die einzige realistische Möglichkeit, eine vom Kläger nicht gewollte Bindung mit feststehender Arbeitszeitverpflichtung über den Zeitraum von ein bis zu drei Monaten hinaus zu vermeiden. Zwar war das Interesse des Klägers nicht auf eine Befristung seines Arbeitsverhältnisses, sondern auf eine flexible, an den Erfordernissen seines Studiums orientierten Arbeitszeitgestaltung gerichtet. Wie das Landesarbeitsgericht jedoch zutreffend angenommen hat, war die Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger eine variable, von seinen jeweiligen Wünschen abhängige Arbeitszeitgestaltung anzubieten.
3. Auch die eigenen Kündigungsmöglichkeiten des Klägers waren nicht geeignet, seinem Interesse, sich nicht über die jeweiligen Erfordernisse seines Studiums hinaus arbeitsvertraglich zu binden, hinreichend Rechnung zu tragen. Zwar sieht § 1 (letzter Satz) seines Arbeitsvertrags trotz der vereinbarten Befristung eine Kündigungsmöglichkeit vor. Gemäß § 50 Abs. 2 des im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen BMT-G II beträgt jedoch die beiderseitige Kündigungsfrist bei einer Beschäftigungszeit bis zu einem Jahr einen Monat zum Monatsschluß und nach einer Beschäftigungszeit von mehr als einem Jahr sechs Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres. Da der Kläger auch im Falle eines unbefristeten Arbeitsvertrags keinen Anspruch auf vertragliche Abkürzung dieser Fristen gehabt hätte, konnte er auch durch Ausspruch einer eigenen Kündigung nicht erreichen, daß seine Vertragspflichten gegenüber der Beklagten bereits zu einem Zeitpunkt enden, bis zu dem er sich längstens hinsichtlich seiner Arbeitszeit binden wollte. Vielmehr hätte der Kläger, was ersichtlich nicht seinem Interesse entsprach, sein Arbeitsverhältnis mindestens jeweils bereits zu Beginn des Zeitraums, für den er sich hinsichtlich seiner Arbeitszeit festlegen wollte, vorsorglich kündigen müssen.
Steckhan Schmidt Fischermeier
U. Zachert Zumpe
Fundstellen