Entscheidungsstichwort (Thema)
Erforderlichkeit eines Schlichtungsverfahrens bei Streit über die Verlängerung eines Berufsausbildungsverhältnisses
Orientierungssatz
1. Die in § 111 Abs 2 Satz 5 BBiG vorgeschriebene Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuß, die bei Streitigkeiten aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis der Klage vor dem Arbeitsgericht vorausgegangen sein muß, sofern bei der zuständigen Handwerksinnung ein solcher Ausschuß besteht, ist eine Prozeßvoraussetzung für die Klage.
2. Auf diese Prozeßvoraussetzung kann nicht gemäß § 295 Abs 1 ZPO oder in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift von den Prozeßparteien verzichtet werden (vergleiche BAG Urteil vom 13.4.1989 2 AZR 441/88).
Normenkette
BBiG § 29; ZPO §§ 295, 559; ArbGG § 111
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 28.10.1988; Aktenzeichen 4b Sa 51/88) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 13.06.1988; Aktenzeichen 8 Ca 1530/88) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Berufsausbildungsverhältnis über den 30. September 1987 hinaus bis zum 15. August 1988 bestanden hat.
Die Klägerin schloß am 23. Juni 1986 mit dem Beklagten einen Vertrag über die Ausbildung zur Friseuse. Unter Anrechnung früherer Ausbildungszeiten bei anderen Ausbildenden wurde eine Ausbildungsdauer vom 10. Juni 1986 bis 30. September 1987 vertraglich vereinbart. Die Klägerin legte während dieses Zeitraums weder die Zwischenprüfung noch die Gesellenprüfung ab.
Anläßlich einer Auseinandersetzung am 27. August 1987 forderte der Beklagte die Klägerin auf, ihren Arbeitsplatz sofort zu verlassen und nach Hause zu gehen. Mit Schreiben vom 28. August 1987 mahnte er die Klägerin wegen der Vorfälle des Vortages ab und bot ihr die einvernehmliche Aufhebung des Ausbildungsverhältnisses zum 15. September 1987 an. Nach Ablehnung dieses Angebotes durch die Klägerin kündigte der Beklagte das Ausbildungsverhältnis unter Angabe von Gründen mit Schreiben vom 7. September 1987 fristlos. Mit Schreiben vom 2. und 16. September 1987 bot die Klägerin dem Beklagten ihre Arbeitskraft an. Diese Angebote lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 21. September 1987 ab.
Die Klägerin rief mit Schreiben vom 31. August 1987 und 16. September 1987 den zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden gebildeten Schlichtungsausschuß der Friseur-Innung (künftig: Schlichtungsausschuß) wegen der Kündigungen an. Am 14. Dezember 1987 fand eine Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuß statt, die zu keiner Einigung führte. Das am 8. Februar 1988 über diese Verhandlung gefertigte Protokoll ging dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 9. Februar 1988 zu.
Auf Antrag der Klägerin vom 17. August 1988 verlängerte die Handwerkskammer mit Schreiben vom 22. September 1988 "das Ausbildungsverhältnis" bis zum 30. September 1988. Im Juli 1988 legte die Klägerin den ersten Teil und am 15. August 1988 den zweiten Teil der Gesellenprüfung mit Erfolg ab.
Mit der am 1. März 1988 bei Gericht eingegangenen Klage hat die Klägerin sich gegen die fristlose Kündigung gewandt und vorgetragen, daß ein Grund für die fristlose Kündigung nicht vorliege, und die Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses begehrt, da das Bestehen eines wirksamen Ausbildungsverhältnisses Voraussetzung für die Ablegung der Gesellenprüfung sei. Sie hat beantragt
festzustellen, daß ihr Ausbildungsverhältnis mit
dem Beklagten durch die fristlose Kündigung des
Beklagten vom 7. September 1987 nicht beendet
wurde, sondern sich um ein weiteres Jahr verlängert
hat.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat vorgetragen, daß die Klage gemäß § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG wegen Fristversäumnis unzulässig sei. Sie sei aber auch unbegründet. Sowohl das zu der Auseinandersetzung führende Verhalten der Klägerin am 27. August 1987 als auch ihr unentschuldigtes Fehlen ab dem 28. August 1987 habe einen wichtigen Grund für die Kündigung dargestellt. Ihre Weiterbeschäftigung über den 30. September 1987 hinaus könne die Klägerin nicht verlangen, da sie das Nichterreichen des Ausbildungszieles selbst verschuldet habe.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 13. Juni 1988 festgestellt, daß das Ausbildungsverhältnis durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 7. September 1987 nicht beendet wurde, sondern bis zum 30. September 1987 fortbestand. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil hat nur die Klägerin Berufung eingelegt.
Sie hat weiter vorgetragen, sie habe mit Schreiben vom 17. August 1988 bei der zuständigen Handwerkskammer die Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses um ein weiteres Jahr beantragt, da sie erst aufgrund der Entscheidung des Arbeitsgerichts gewußt habe, daß das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden sei. Wenn sie vor Verkündung des Urteils die Verlängerung beantragt hätte, hätte die Handwerkskammer darauf verwiesen, daß das Ausbildungsverhältnis zunächst als durch die Kündigung beendet betrachtet werden müsse. Vom Beklagten habe sie die Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses zwar nicht ausdrücklich, jedoch konkludent mit ihrem von ihm abgelehnten Arbeitsangebot verlangt.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß ihr Ausbildungsverhältnis
mit dem Beklagten durch die fristlose Kündi-
gung des Beklagten vom 7. September 1987 nicht
beendet wurde, sondern bis zum 15. August 1988
fortbestanden hat.
Der Beklagte hat erwidert, die Klägerin hätte nach Ablauf der vereinbarten Ausbildungszeit die Vertragsverlängerung beantragen müssen. Ein Fortbestehen des Ausbildungsverhältnisses sei weder für die Zwischenprüfung noch für die Gesellenprüfung erforderlich gewesen. Der kurz vor der Prüfung gestellte Verlängerungsantrag an die Handwerkskammer sei ihm erst am 12. August 1988 zugegangen. Im übrigen habe er gegen die Entscheidung der Handwerkskammer Widerspruch eingelegt. Die Voraussetzung für eine Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses sei nicht gegeben.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt im Ergebnis ohne Erfolg. Die Klage ist bereits deshalb unzulässig, weil vor einer gerichtlichen Entscheidung über den Fortbestand des Ausbildungsverhältnisses bis zum 15. August 1988 gemäß § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG zunächst ein (erneutes) Verfahren vor dem Schlichtungsausschuß hätte stattfinden müssen.
I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, wie bereits in der Berufungsinstanz, nur noch die Frage, ob das Ausbildungsverhältnis der Parteien über den vertraglich vereinbarten Endtermin vom 30. September 1987 hinaus bis zum 15. August 1988 fortbestanden hat. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist rechtskräftig, soweit es festgestellt hat, daß das Ausbildungsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 7. September 1987 nicht beendet worden ist, weil der durch diesen Ausspruch beschwerte Beklagte keine Berufung eingelegt hat. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch den Berufungsantrag der Klägerin entgegen seinem Wortlaut unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung dahin ausgelegt, daß das arbeitsgerichtliche Urteil nur insoweit angefochten werden sollte, als es die Klage abgewiesen hat und die Klägerin hierdurch beschwert ist.
II. Das Berufungsgericht hat ein Fortbestehen des Ausbildungsverhältnisses über den 30. September 1987 hinaus verneint.
Es hat ausgeführt, der Klage stehe nicht entgegen, daß sie nicht gemäß § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG binnen zwei Wochen nach Zustellung des Protokolls über die Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuß erhoben worden sei. Die Klagefrist habe in jedem Falle wegen der fehlenden Rechtsmittelbelehrung nicht zu laufen begonnen.
Einer Anrufung des Schlichtungsausschusses wegen der in der Berufungsinstanz allein noch umstrittenen Frage, ob das Ausbildungsverhältnis über den vertraglich vorgesehenen Termin hinaus auf Verlangen der Klägerin fortgesetzt bzw. verlängert worden sei, habe es nicht bedurft. Im Gegensatz zum Streit über die Wirksamkeit einer Kündigung und damit über die Frage, ob das Ausbildungsverhältnis beendet sei oder nicht, sei Streitgegenstand im vorliegenden Fall nur noch die von der Klägerin behauptete Fortsetzung bzw. Verlängerung des am 30. September 1987 durch Fristablauf gemäß § 14 Abs. 1 BBiG zunächst beendeten Ausbildungsverhältnisses. Es handele sich somit nicht mehr um eine Streitigkeit aus einem bestehenden Ausbildungsverhältnis im Sinne des § 111 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.
In seinen weiteren Ausführungen hat das Berufungsgericht dargelegt, daß das Ausbildungsverhältnis mit Ablauf der vereinbarten Ausbildungszeit am 30. September 1987 sein Ende gefunden habe. Die Verlängerung der Ausbildungszeit durch die Handwerkskammer habe nicht bereits auch das Ausbildungsverhältnis der Parteien verlängert. Die Entscheidung der Handwerkskammer ersetze nicht die rechtsgeschäftliche Einigung zwischen den Parteien. Eine solche sei im vorliegenden Fall nicht zustande gekommen.
III. Der Würdigung des Berufungsgerichts kann nicht gefolgt werden. Die noch anhängige Klage ist unzulässig, weil wegen der Frage der Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses nochmals der Schlichtungsausschuß hätte angerufen werden müssen.
1. Auch im Revisionsverfahren ist von Amts wegen nachzuprüfen, ob gemäß § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG eine Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuß erforderlich war.
a) Nach § 559 Abs. 2 Satz 2 ZPO darf das angefochtene Urteil auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, nur geprüft werden, wenn die Mängel nach den §§ 554, 556 ZPO gerügt worden sind. Von Amts wegen nachzuprüfen ist vom Revisionsgericht demgemäß nur das Vorliegen der unverzichtbaren Prozeßvoraussetzungen und Prozeßfortsetzungsvoraussetzungen (vgl. BAGE 11, 276, 277 = AP Nr. 3 zu § 551 ZPO, zu I der Gründe).
b) Die in § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG vorgeschriebene Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuß, die bei Streitigkeiten aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis der Klage vor dem Arbeitsgericht vorausgegangen sein muß, sofern - wie vorliegend - bei der zuständigen Handwerksinnung ein solcher Ausschuß besteht, ist eine Prozeßvoraussetzung für die Klage (BAG Urteil vom 25. November 1976 - 2 AZR 751/75 - AP Nr. 4 zu § 15 BBiG, zu A I 1 der Gründe, m.w.N.).
c) Wie der Senat in dem ebenfalls am 13. April 1989 verkündeten Urteil in der Revisionssache - 2 AZR 441/88 - (auch zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden hat, kann auf diese Prozeßvoraussetzung nicht gemäß § 295 Abs. 1 ZPO oder in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift von den Prozeßparteien verzichtet werden (a.M.: Grunsky, ArbGG, 5. Aufl., § 111 Rz 3; Schaub, Arbeitsrechtliche Formularsammlung und arbeitsgerichtliches Verfahren, 4. Aufl., § 82 I 3 c, S. 440).
Nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG muß der Klage in allen Fällen die Verhandlung vor dem Ausschuß vorausgegangen sein. Zwar ergibt sich hieraus nicht, daß einer vor der Verhandlung vor dem Ausschuß erhobenen Klage ein unbehebbares Prozeßhindernis entgegensteht. Die Verhandlung ersetzt vielmehr das Güteverfahren und macht eine Klage nur dann überflüssig, wenn beide Parteien den Spruch des Ausschusses anerkannt haben. Dem Erfordernis des außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens wird nach seinem Zweck und seiner Bedeutung auch dann genügt, wenn die Verhandlung vor dem Ausschuß erst nach Klageerhebung, aber vor der Streitverhandlung ohne bindenden Spruch stattfindet. Die zunächst unzulässige Klage wird dann nachträglich zulässig (BAG Urteil vom 25. November 1976, aaO, zu A I 2 der Gründe).
Hieraus folgt jedoch nicht, daß die Parteien auf die Durchführung des Vorschaltverfahrens gänzlich verzichten können. Die gesetzliche Regelung hat ihren Grund in der Rücksichtnahme auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Ausbildendem und Auszubildendem. Um dieses Verhältnis zu schützen und zu erhalten, sollen Streitigkeiten vor paritätisch zusammengesetzten Ausschüssen beigelegt werden. Ziel der Regelung ist es, nach Möglichkeit zu vermeiden, daß sich Prozeßparteien streitend vor Gericht gegenüberstehen, solange Ungewißheit über die rechtswirksame Beendigung besteht (BAGE 27, 279, 282 = AP Nr. 2 zu § 111 ArbGG 1953, zu I 2 b der Gründe). Dieses Ziel wird zwar auch noch erreicht, wenn das Schlichtungsverfahren erst nach Klageerhebung, aber vor der streitigen Verhandlung ohne bindenden Spruch stattfindet. Dagegen würde der Gesetzeszweck vereitelt, wenn es die Parteien in der Hand hätten, den Ausschuß durch ausdrücklichen Verzicht oder rügeloses Verhandeln vor dem Arbeitsgericht gänzlich auszuschalten. Der Ausschuß ist aufgrund seiner größeren Sachnähe und Sachkunde in der Lage, einen Rechtsstreit oder zumindest seine Durchführung zu verhindern. Diese Vermittlungsfunktion kann er deshalb auch noch nach Klageerhebung, nicht aber im Falle eines wirksamen Verzichts der Parteien auf die Durchführung des Schlichtungsverfahrens erfüllen. Eine Prozeßvoraussetzung ist nicht notwendig verzichtbar, wenn sie auch noch nach Klageerhebung erfüllt werden kann. So ist die Prozeßfähigkeit eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung. Jedoch kann dieser Mangel noch während des Prozesses nach Erlangung der Prozeßfähigkeit durch die Partei oder Bestellung eines gesetzlichen Vertreters durch Genehmigung des bisherigen Verfahrens geheilt werden (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl., § 56 Anm. 1 A und C, m.w.N.). Das Schlichtungsverfahren ist deshalb keine die Zulässigkeit der Klage betreffende verzichtbare Rüge im Sinne des § 296 Abs. 3, § 529 Abs. 1 ZPO. Diese Prozeßvoraussetzung ist nicht der Einrede des Schiedsvertrags gleichzusetzen, bei der es sich nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 1027 a ZPO und auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren, wie sich aus § 102 Abs. 1 ArbGG ergibt, um eine verzichtbare prozeßhindernde Einrede handelt (BAG Urteil vom 30. September 1988 - 4 AZR 233/87 - EzA § 72 ArbGG 1979 Nr. 9).
2. Im vorliegenden Fall mußte auch wegen des Streits der Parteien über die Verlängerung bzw. Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses über den vertraglich vereinbarten Beendigungstermin vom 30. September 1987 hinaus ein Schlichtungsverfahren nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG durchgeführt werden.
a) Gemäß § 111 Abs. 2 Satz 1 ArbGG können die Schlichtungsausschüsse zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden "aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis" gebildet werden. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich zunächst nur, daß Streitigkeiten aus einem beendeten Berufsausbildungsverhältnis nicht vor den Ausschuß gehören. Diese Einschränkung läßt aber zugleich die Schlußfolgerung zu, daß im übrigen, nämlich immer dann, wenn das Ausbildungsverhältnis noch besteht, der Schlichtungsausschuß zuständig ist (BAGE 27, 279, 281 f. = AP, aaO, zu I 2 a der Gründe).
b) Wie der Senat in dem vorbezeichneten Urteil weiter entschieden hat, ist der Schlichtungsausschuß danach auch dann zuständig, wenn über die Wirksamkeit einer Kündigung und damit über das Bestehen des Ausbildungsverhältnisses selbst gestritten wird.
§ 111 Abs. 2 ArbGG regelt die Zuständigkeitsfrage für ein dem Gerichtsverfahren vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren. Für die sachliche Zuständigkeit des Schlichtungsausschusses ist, wie allgemein für die Zuständigkeit der Gerichte, der jeweilige Streitgegenstand maßgebend, der durch das Klagebegehren bestimmt wird. Begehrt die Klagepartei die Feststellung, daß das Ausbildungsverhältnis durch eine Kündigung nicht aufgelöst sei, sondern fortbestehe, handelt es sich um einen Streit darüber, ob ein "bestehendes Berufsausbildungsverhältnis" vorliegt.
Diese Auslegung wird, wie der Senat weiter ausgeführt hat, auch durch die Entstehungsgeschichte des § 111 ArbGG bestätigt und steht im Einklang mit Sinn und Zweck des Schlichtungsverfahrens. Das Gebot, vor Inanspruchnahme des Arbeitsgerichts den Ausschuß anzurufen, hat seinen Grund in der Rücksichtnahme auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Ausbildendem und Auszubildendem. Um dieses Verhältnis zu schützen und zu erhalten, sollen Streitigkeiten vor paritätisch zusammengesetzten Ausschüssen beigelegt werden. Ziel dieser Regelung ist es, nach Möglichkeit zu vermeiden, daß die Parteien des Berufsausbildungsvertrages sich als Prozeßparteien streitend vor dem Gericht gegenüberstehen, solange Ungewißheit über die rechtswirksame Beendigung besteht. Allein die tatsächliche Beendigung kann daher für die Frage der Zuständigkeit des Ausschusses nicht entscheidend sein. Gerade bei Streitigkeiten über die Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ist das Verfahren vor dem Schlichtungsausschuß vorzüglich geeignet, der Auflösung des Berufsausbildungsverhältnisses entgegenzuwirken.
c) Gleiches gilt für einen Streit über eine Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses, sofern der Auszubildende damit den nahtlosen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über das vertraglich vereinbarte Fristende hinaus geltend macht. Auch dann streiten die Parteien darüber, ob ein "bestehendes Berufsausbildungsverhältnis" vorliegt. Der Streit geht in diesem Fall nicht um die behauptete Fortsetzung bzw. Verlängerung eines infolge Fristablaufs gemäß § 14 Abs. 1 BBiG zunächst beendeten Ausbildungsverhältnisses. Unerheblich ist insoweit, ob nach der materiellen Rechtslage sich das Berufsausbildungsverhältnis im Falle einer Verlängerung über das Fristende ohne Unterbrechung fortsetzt, oder ob es zunächst durch Fristablauf endet und sich erst nach entsprechender Einigung der Parteien fortsetzt. Dies wird überwiegend angenommen, wenn der Auszubildende erst nach Fristablauf gemäß § 14 Abs. 3 BBiG wegen Nichtbestehens der Abschlußprüfung die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung verlangt, oder wenn auf seinen erst nach diesem Zeitpunkt gestellten Antrag gemäß § 29 Abs. 3 BBiG die zuständige Stelle die Ausbildungszeit verlängert und dann durch diese behördliche Entscheidung oder eine - nach einer im Schrifttum verbreiteten Meinung erforderliche - zusätzliche Einigung der Parteien auch das Ausbildungsverhältnis verlängert wird (vgl. jeweils Natzel, Berufsbildungsrecht, 3. Aufl., S. 269, m.w.N. in Fn 22 sowie S. 388, 389, m.w.N. in Fn 120, 121). Begehrt der Auszubildende jedoch die Feststellung der unmittelbaren Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses, so bestimmt dieses Begehren den Streitgegenstand, und es ist eine Frage der Begründetheit dieser Klage, ob das Ausbildungsverhältnis ohne Unterbrechung fortbesteht oder nicht.
d) So liegt der Fall hier. Die Klägerin begehrt, wie sich aus ihrem Klageantrag und auch aus der Begründung ergibt, die Feststellung der Fortsetzung bzw. Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses im unmittelbaren Anschluß an den vertraglich vereinbarten Beendigungstermin um ein weiteres Jahr.
3. Die sonach im vorliegenden Fall auch wegen des Streits über die Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses der Parteien erforderliche Schlichtungsverhandlung hat jedoch zu dieser Frage nicht stattgefunden.
Die Klägerin trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens oder seine Entbehrlichkeit, etwa deshalb, weil kein Schlichtungsausschuß besteht (vgl. Senatsurteil vom 24. Oktober 1985 - 2 AZR 505/83 - nicht veröffentlicht, zu I 3 a der Gründe, m.w.N.).
Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, behauptet die Klägerin jedoch selbst nicht, daß diese Frage Gegenstand der Verhandlung vor dem Ausschuß gewesen sei. Auch ihrem Schreiben an die Friseur-Innung bzw. Handwerkskammer und dem Protokoll über die Verhandlung vor dem Schlichtungsausschuß kann dies nicht entnommen werden.
Die Klägerin wendet sich darin ausdrücklich nur gegen die von dem Beklagten erklärten außerordentlichen Kündigungen. Ihr an den Ausschuß gerichteter schriftlicher Antrag bezieht sich ebenfalls nur auf die Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigungen. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, daß in der Verhandlung vor dem Ausschuß Gegenstand der Erörterungen auch die Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses gewesen sei.
Das Protokoll über die Schlichtungsverhandlung enthält ebenfalls keine Hinweise auf die Verfahrensgegenstände. Es gibt lediglich die formale Tatsache wieder, daß eine Verhandlung stattgefunden habe sowie das Ergebnis, daß eine Einigung der Parteien nicht habe erzielt werden können. Aus der weiteren Feststellung, dies sei trotz längerer Diskussion deshalb nicht möglich gewesen, daß der Beklagte eine Wiedereinstellung der Klägerin abgelehnt habe, kann ebenfalls nicht geschlossen werden, daß die Frage der Verlängerung Gegenstand der Verhandlung gewesen ist.
4. Das Schlichtungsverfahren kann auch nicht mehr nachgeholt werden.
Nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG muß der Klage in allen Fällen die Verhandlung vor dem Ausschuß vorangegangen sein. Von diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung Ausnahmen zugelassen. Dem Erfordernis des außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens wird nach seinem Sinn und Zweck auch dann genügt, wenn die Verhandlung vor dem Ausschuß zwar erst nach Klageerhebung, jedoch vor der streitigen Verhandlung ohne bindenden Spruch stattfindet (BAG Urteil vom 25.November 1976 - 2 AZR 751/75 - AP Nr. 4 zu § 15 BBiG, zu I 2 der Gründe). Die zunächst unzulässige Klage wird dann nachträglich zulässig. Ob darüber hinaus das Schlichtungsverfahren bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz nachgeholt werden kann (so KR-Weigand, 3. Aufl., §§ 14, 15 BBiG Rz 113), kann vorliegend dahingestellt bleiben. In der Revisionsinstanz ist dies jedenfalls nicht mehr möglich.
IV. Der Senat konnte gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO abschließend entscheiden. Die Klage ist nach dem festgestellten Sachverhalt unzulässig. Die Revision war deshalb bereits aus diesem Grund zurückzuweisen.
Hillebrecht Triebfürst Ascheid
Schulze Wisskirchen
Fundstellen