Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Diskriminierung wegen des Alters. Späteheklausel
Leitsatz (amtlich)
Regelungen in Versorgungsordnungen, die eine Hinterbliebenenversorgung ausschließen, wenn der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer bei der Eheschließung ein bestimmtes Alter überschritten hatte, unterfallen § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG jedenfalls dann, wenn dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer eine Altersversorgung zugesagt wird und sich die Höhe der Hinterbliebenenversorgung an der Höhe der betrieblichen Altersrente oder – sofern versprochen – der Invaliditätsrente orientiert. Die Hinterbliebenenversorgung steht dann regelmäßig in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Alters- oder Invaliditätsrente.
Orientierungssatz
1. Bei der Beurteilung der Frage, ob Regelungen einer betrieblichen Hinterbliebenenversorgung eine Benachteiligung iSd. Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bewirken, ist auf die Person des Arbeitnehmers und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen.
2. Eine Hinterbliebenenversorgung kann als „Annex” einer Alters- oder Invaliditätsversorgung unter § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG fallen.
3. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen grundsätzlich aber nicht immer zulässig. Die in der Versorgungsordnung festgelegte konkrete Altersgrenze muss angemessen und erforderlich sein.
4. Altersgrenzen in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit, die an betriebsrentenrechtliche Strukturprinzipien – wie etwa die feste Altersgrenze – anknüpfen, sind angemessen iSv. § 10 Satz 2 AGG.
Normenkette
AGG §§ 1, 2 Abs. 2 S. 2, § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1-2, § 10 Sätze 1-2, 3 Nr. 4; Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) Art. 6 Abs. 1; Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) Art. 6 Abs. 2; Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) Art. 8 Abs. 1; AEUV Art. 267
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. Oktober 2016 – 12 Sa 238/16 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenversorgung.
Die 1949 geborene Klägerin ist die Witwe des 1926 geborenen und im August 2014 verstorbenen K, mit dem sie seit 2007 verheiratet war. Seine erste Ehefrau verstarb im Jahr 2001. Der verstorbene Ehemann der Klägerin war seit 1967 bis zum 31. Mai 1991 für die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig. Ihm war eine Altersversorgung nach der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes in ihrer jeweils geltenden Fassung zugesagt worden. Der verstorbene Ehemann der Klägerin bezog nach dem Eintritt in den Altersruhestand ab Januar 1992 ein monatliches Ruhegeld iHv. zuletzt 6.177,76 Euro brutto.
Bei Eintritt des Nachversorgungsfalls im August 2014 galt die Leistungsordnung des Bochumer Verbandes idF vom 1. Januar 2012 (im Folgenden LO 2012) mit den Übergangsbestimmungen A, B und C. Die LO 2012 lautet ua.:
Ӥ 2 |
Voraussetzungen für das Ruhegeld |
(1) |
Ruhegeld erhält ein Angestellter, der aus dem Dienst des Mitgliedes ausscheidet, weil er |
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… |
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b) |
die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht hat oder |
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c) |
als Untertage-Angestellter die Altersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung für den Bezug der Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute erreicht hat oder |
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d) |
Rente wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe in Anspruch nimmt (Vollrente i. S. d. § 42 SGB VI). |
… |
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§ 4 |
Hinterbliebenenbezüge |
(1) |
Beim Tode eines Angestellten oder Empfängers von Ruhe- oder Übergangsgeld erhalten |
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a) |
der hinterbliebene Ehegatte, wenn der Verstorbene den Familienunterhalt überwiegend bestritten hat, ein Ehegattengeld auf der Grundlage von 60 vH des Ruhegeldes nach § 3 in Verbindung mit § 8 Abs. 1, das dem Verstorbenen am Todestag zustand oder zugestanden hätte, wenn er an diesem Tage wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden wäre, |
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… |
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(6) |
War der Verstorbene bei der Eheschließung 65 oder mehr Jahre alt oder mehr als 25 Jahre älter als sein Ehegatte oder war die Ehe nur geschlossen worden, um den Hinterbliebenen die Leistungen zuzuwenden, wird weder Ehegattennoch Waisengeld gewährt. Das Gleiche gilt für Ehegatten und Waisen aus Ehen, die von Empfängern von Ruhegeld nach § 2 Abs. 1 b – d, § 7 Abs. 1 oder von Übergangsgeld geschlossen worden sind, und für von diesen adoptierte Waisen. |
… |
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§ 5 |
Übergangsbezüge im Sterbefall |
Stirbt ein Empfänger von Ruhe- oder Ehegattengeld unter Hinterlassung von leistungsberechtigten Hinterbliebenen im Sinne des § 4, werden die gesamten letzten Bezüge in den auf den Sterbemonat folgenden 3 Monaten als Übergangsbezüge weitergezahlt. …
§ 7 |
Regelung in besonderen Fällen |
… |
(3) |
Von der Versagung des Ehegatten- und Waisengeldes nach § 4 Abs. 6 kann in Ausnahmefällen ganz oder teilweise abgesehen werden. |
… |
(1) |
Diese Leistungsordnung tritt am 01.01.1985 in Kraft. |
… |
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(5) |
Für Angestellte, die am 31.08.2009 angemeldet waren, gelten gesonderte Übergangsbestimmungen C. |
…” |
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Die in § 25 Abs. 5 LO 2012 genannten Übergangsbestimmungen C zur Änderung der Leistungsordnung zum 1. September 2009 lauten wie folgt:
„Für alle am 31. August 2009 angemeldeten Angestellten gilt für
- die Voraussetzungen für den Bezug des Ruhegeldes (§ 2),
- die Berechnung des Ruhegeldes (§ 3) und
- die Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft (§ 11)
die Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. des 60. Lebensjahres bei Untertage-Angestellten statt des Erreichens der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Fall der Buchstaben a) und b) gilt dies, soweit sie tatsächlich eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, einer befreienden Lebensversicherung oder einer anderen Versorgungseinrichtung, für die der Arbeitgeber dem Angestellten anstelle der Arbeitgeberbeiträge zur jeweiligen gesetzlichen Rentenversicherung Zuschüsse gezahlt hat, beziehen.”
Für den Monat September 2014 zahlte die Beklagte an die Klägerin Übergangsbezüge iHv. 6.177,76 Euro brutto. Ab Oktober 2014 lehnte die Beklagte die Zahlung eines weiteren Übergangsgeldes und eines daran anschließenden Ehegattengeldes iHv. 3.706,66 Euro brutto monatlich unter Berufung auf § 4 Abs. 6 LO 2012 ab.
Die Klägerin hat den Leistungsausschluss nach § 4 Abs. 6 LO 2012 für unwirksam gehalten. § 4 Abs. 6 Satz 1 LO 2012 verstoße aufgrund der Anknüpfung an das 65. Lebensjahr gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Dies gelte auch für die Regelung in § 4 Abs. 6 Satz 2 LO 2012.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 67.955,42 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 6.177,76 Euro seit dem 1. Oktober 2014 und seit dem 1. November 2014 sowie aus jeweils 3.706,66 Euro seit dem 1. Dezember 2014, 1. Januar 2015, 1. Februar 2015, 1. März 2015, 1. April 2015, 1. Mai 2015, 1. Juni 2015, 1. Juli 2015, 1. August 2015, 1. September 2015, 1. Oktober 2015, 1. November 2015, 1. Dezember 2015, 1. Januar 2016, 1. Februar 2016 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, monatlich im Voraus den Betrag von 3.706,66 Euro brutto an sie zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch, soweit die Klägerin mit ihrem Klageantrag zu 2. die Zahlung künftiger Leistungen begehrt. Bei wiederkehrenden Leistungen, die – wie Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung – von keiner Gegenleistung abhängen, können nach § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende Beträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen (vgl. etwa BAG 21. März 2017 – 3 AZR 464/15 – Rn. 18 mwN).
II. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin Übergangsgeld im Sterbefall nach § 5 LO 2012 und Ehegattengeld nach § 4 Abs. 1 Buchst. a LO 2012 zu zahlen. Die Ansprüche der Klägerin sind nach § 4 Abs. 6 Satz 1 LO 2012 ausgeschlossen. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch nach der Härtefallklausel in § 7 Abs. 3 LO 2012.
1. Die Ansprüche der Klägerin auf Übergangsgeld im Sterbefall und Ehegattengeld sind nach § 4 Abs. 6 Satz 1 LO 2012 ausgeschlossen, denn die Ehe der Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehemann wurde erst geschlossen, nachdem dieser bereits sein 65. Lebensjahr vollendet hatte. Die Klägerin ist damit keine leistungsberechtigte Hinterbliebene iSd. § 4 LO 2012, weshalb auch keine Pflicht der Beklagten zur Gewährung eines Übergangsgeldes besteht. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Regelung in § 4 Abs. 6 Satz 1 LO 2012 wirksam. Sie verstößt nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1 AGG.
a) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist anwendbar.
aa) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentengesetz nicht vorrangige Sonderregelungen enthält (st. Rspr. seit BAG 11. Dezember 2007 – 3 AZR 249/06 – Rn. 22, BAGE 125, 133; 4. August 2015 – 3 AZR 137/13 – Rn. 38, BAGE 152, 164). Letzteres ist nicht der Fall.
bb) Auch der persönliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AGG eröffnet.
(1) Zwar unterfällt die Klägerin – im Verhältnis zur Beklagten – als Hinterbliebene ihres versorgungsberechtigten Ehemannes selbst nicht unmittelbar dem Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, da sie insoweit nicht zu den in § 6 Abs. 1 AGG genannten Personengruppen zählt. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Benachteiligung vorliegt, ist allerdings auf den versorgungsberechtigten Arbeitnehmer und nicht auf den Hinterbliebenen abzustellen (vgl. etwa BAG 15. September 2009 – 3 AZR 294/09 – Rn. 28). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16, im Folgenden Richtlinie 2000/78/EG; EuGH 24. November 2016 – C-443/15 – [Parris] Rn. 67).
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG ist auch eine aus Anlass des Arbeitsverhältnisses zugesagte Hinterbliebenenversorgung eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung. Sie ist damit – auch – Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Betriebszugehörigkeit. Ein Arbeitnehmer, dem von seinem Arbeitgeber eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt ist, muss nicht seinerseits für eine finanzielle Absicherung seiner möglichen Hinterbliebenen Vorsorge treffen (vgl. BAG 28. März 1995 – 3 AZR 343/94 – zu II 3 der Gründe). Dieser geldwerte Vorteil des Arbeitnehmers entfällt nicht deshalb, weil der – ehemalige – Arbeitnehmer mit dem Eintritt der Voraussetzungen für die Hinterbliebenenversorgung nicht mehr lebt (aA aber LAG Baden-Württemberg 9. März 2017 – 17 Sa 7/17 – zu II 3 d der Gründe im Anschluss an: Bauer/ Krieger NZA 2016, 22, 24; Seel MDR 2016, 305, 306). Der Vorteil einer Hinterbliebenenversorgung besteht für den Arbeitnehmer darin, dass die Notwendigkeit einer eigenständigen Vorsorge entfällt oder jedenfalls geringer wird. Ob das Versorgungsinteresse für die Hinterbliebenen bei den Arbeitnehmern unterschiedlich ausgeprägt ist, ist bei der insoweit gebotenen typisierenden Betrachtung unerheblich.
(2) Damit ist der persönliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vorliegend eröffnet. Die Klägerin beruft sich auf eine Benachteiligung ihres verstorbenen Ehemannes. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AGG gilt das Gesetz auch für Personen, deren Beschäftigungsverhältnis – wie im Falle des verstorbenen Ehemannes der Klägerin – beendet ist.
cc) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist schließlich auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Seine Anwendung setzt voraus, dass unter seinem zeitlichen Geltungsbereich ein Rechtsverhältnis zwischen dem versorgungsberechtigten Arbeitnehmer (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG) und dem Versorgungsschuldner bestand. Allerdings ist nicht erforderlich, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt noch ein Arbeitsverhältnis bestand. Ausreichend ist vielmehr, wenn der Arbeitnehmer Versorgungsempfänger ist und das Versorgungsverhältnis bei Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes noch bestand (ausführlich dazu etwa BAG 15. Oktober 2013 – 3 AZR 653/11 – Rn. 31 mwN).
Da der verstorbene Ehemann der Klägerin bis August 2014 selbst ein Ruhegeld von der Beklagen bezogen hat und damit Versorgungsempfänger war, bestand bei Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes am 18. August 2006 (Art. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006, BGBl. I S. 1897) das für die Anwendbarkeit des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erforderliche Rechtsverhältnis.
b) § 4 Abs. 6 Satz 1 LO 2012 bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 3 Abs. 1, § 1 AGG.
aa) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe, ua. wegen des Alters, benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam (vgl. BAG 4. August 2015 – 3 AZR 137/13 – Rn. 40, BAGE 152, 164; 18. März 2014 – 3 AZR 69/12 – Rn. 17, BAGE 147, 279).
bb) Der in § 4 Abs. 6 Satz 1 LO 2012 enthaltene Ausschluss, wonach kein Anspruch auf Hinterbliebenenbezüge besteht, wenn die Ehe erst nach der Vollendung des 65. Lebensjahres des unmittelbar Versorgungsberechtigten geschlossen wurde, bewirkt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 AGG. Die Regelung knüpft unmittelbar an die Vollendung des 65. Lebensjahres an und führt zu einem vollständigen Ausschluss der Hinterbliebenenbezüge bei Versorgungsberechtigten, deren Ehe erst nach der Vollendung ihres 65. Lebensjahres geschlossen wurde. Damit erfahren Arbeitnehmer, die – wie der verstorbene Ehemann der Klägerin – die Ehe nach der Vollendung ihres 65. Lebensjahres schließen, wegen ihres Alters eine ungünstigere Behandlung als Arbeitnehmer, die vor der Vollendung des 65. Lebensjahres heiraten (vgl. BAG 4. August 2015 – 3 AZR 137/13 – Rn. 41, BAGE 152, 164).
c) Die durch die Späteheklausel in § 4 Abs. 6 Satz 1 LO 2012 bewirkte Ungleichbehandlung ist jedoch nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.
aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist dies der Fall bei der Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen. Indem der Gesetzgeber den in Nr. 4 geregelten Tatbestand in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Festsetzung von Altersgrenzen für den Anspruch auf Leistungen aus den dort aufgeführten betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit grundsätzlich objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist. Da eine solche Altersgrenze in der jeweiligen Versorgungsregelung festzusetzen ist, muss die konkret gewählte Altersgrenze allerdings iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein (st. Rspr., vgl. etwa BAG 4. August 2015 – 3 AZR 137/13 – Rn. 43, BAGE 152, 164; 9. Dezember 2014 – 1 AZR 102/13 – Rn. 25, BAGE 150, 136; 18. März 2014 – 3 AZR 69/12 – Rn. 20, BAGE 147, 279; 12. November 2013 – 3 AZR 356/12 – Rn. 22 mwN). Soweit die Voraussetzungen von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG erfüllt sind, ist eine unterschiedliche Behandlung danach zwar grundsätzlich, aber nicht immer zulässig.
bb) Unerheblich ist, dass ein solches Verständnis der gesetzlichen Regelung zur Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit unionsrechtlich nicht geboten ist. Wie die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 24. November 2016 (– C-443/15 – [Parris]) und vom 16. Juni 2016 (– C-159/15 – [Lesar]) zeigen, verlangt die § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen entsprechende Regelung des Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 2000/78/EG zur Rechtfertigung der von ihr erfassten Benachteiligungen nicht, dass diese objektiv und angemessen und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel – worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind – gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Denn das vorliegende Verständnis der Regelungen in § 10 AGG ergibt sich aus nationalem Recht. Sowohl der Wortlaut als auch die Systematik und die Entstehungsgeschichte zeigen, dass der Gesetzgeber an die von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG erfassten Ungleichbehandlungen weiter gehende Anforderungen stellen wollte (ausführlich dazu BAG 26. September 2017 – 3 AZR 72/16 – Rn. 42 ff.). Soweit das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz damit in seinen Anforderungen an die Zulässigkeit von Altersgrenzen in betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit über das nach Unionsrecht Erforderliche hinausgeht, ist dies unionsrechtlich zulässig. Nach Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG dürfen die Mitgliedstaaten Vorschriften einführen oder beibehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die in der Richtlinie 2000/78/EG vorgesehenen Vorschriften sind.
cc) Die durch die Späteheklausel nach § 4 Abs. 6 Satz 1 LO 2012 bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters unterfällt § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG.
(1) Einschlägig ist hier die in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG aufgeführte Fallgruppe der „Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen”. Es geht weder darum, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin überhaupt einen Anspruch auf Leistungen nach der LO 2012 hat und damit nicht um die „Mitgliedschaft” im Versorgungssystem noch um die Durchführung versicherungsmathematischer Berechnungen innerhalb des Versorgungssystems. Vielmehr legt die LO 2012 in ihrem § 4 Abs. 6 Satz 1 besondere Voraussetzungen für den Bezug einer Hinterbliebenenrente fest (vgl. BAG 4. August 2015 – 3 AZR 137/13 – Rn. 46, BAGE 152, 164).
(2) § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG knüpft für die Fallgruppe der „Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für den Bezug von Leistungen” von seinem Wortlaut her ausschließlich an die Risiken „Alter” und „Invalidität” und nicht an das Risiko des „Todes” an. Deshalb ging der Senat bislang davon aus, dass § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG nur die Alters- und Invaliditätsversorgung erfasst (BAG 4. August 2015 – 3 AZR 137/13 – Rn. 47, BAGE 152, 164). Entgegen dieser vom Senat vertretenen Auffassung hat der Gerichtshof der Europäischen Union zu dem insofern wortlautidentischen Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG erkannt, dass eine Hinterbliebenenversorgung, die an die Altersrente des Arbeitnehmers anknüpft und sich in ihrer Höhe nach der Höhe der Altersrente richtet, eine „Form der Altersrente” iSv. Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG darstellt (vgl. EuGH 24. November 2016 – C-443/15 – [Parris] Rn. 71 f. mwN).
Vor diesem Hintergrund gibt der Senat seine insofern abweichende Auslegung von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG auf. Entsprechend dem Unionsrecht unterfällt eine Hinterbliebenenversorgung jedenfalls dann § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG, wenn dem Arbeitnehmer – wie hier – eine Altersversorgung zugesagt wird und sich die Höhe der Hinterbliebenenversorgung an der Höhe der betrieblichen Altersrente oder – sofern versprochen – der Invaliditätsrente orientiert. Die Hinterbliebenenversorgung steht regelmäßig in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Alters- oder Invaliditätsrente. Dies führt dazu, dass sie als „Annex” von der in § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG aufgeführten Alters- bzw. Invaliditätsrente miterfasst wird.
dd) Die durch § 4 Abs. 6 Satz 1 LO 2012 bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters beruht auf einem legitimen Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG.
(1) Legitime Ziele iSv. § 10 Satz 1 AGG sind wegen der in Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG genannten Beispielsfälle „Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung” nicht nur solche aus dem Bereich Arbeits- und Sozialpolitik (vgl. EuGH 13. September 2011 – C-447/09 – [Prigge ua.] Rn. 81 mwN; vgl. auch BVerfG 24. Oktober 2011 – 1 BvR 1103/11 – Rn. 15). Auch Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik, die ein Arbeitgeber mit einer im Arbeitsvertrag vorgesehenen betrieblichen Altersversorgung anstrebt, können legitime Ziele im Sinne der europäischen Vorgaben sein (vgl. EuGH 26. September 2013 – C-476/11 – [HK Danmark] Rn. 60 ff.). Dementsprechend sind Ziele, die im Rahmen von Anliegen der Beschäftigungspolitik und des Sozialschutzes einen Ausgleich zwischen verschiedenen beteiligten Interessen schaffen sollen, um damit der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu dienen, als legitim iSv. § 10 Satz 1 AGG anzusehen. Dazu gehört auch, den unternehmerischen Belangen einer begrenz- und kalkulierbaren Belastung Rechnung zu tragen (vgl. EuGH 13. Juli 2017 – C-354/16 – [Kleinsteuber] Rn. 62 ff.). Indem § 10 AGG erlaubt, in Versorgungsordnungen die Leistungspflichten des Versorgungsschuldners zu begrenzen und damit für diesen eine verlässliche und überschaubare Kalkulationsgrundlage zu schaffen, verfolgt die gesetzliche Bestimmung das Ziel, die betriebliche Altersversorgung zu verbreiten. Es hält sich demnach im Rahmen dieses legitimen Ziels, wenn in einer Versorgungsordnung von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird.
(2) Die durch § 4 Abs. 6 Satz 1 LO 2012 bewirkte Ungleichbehandlung wegen des Alters beruht auf einem legitimen Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG.
Durch die Regelung soll der Kreis der anspruchsberechtigten Hinterbliebenen beschränkt werden. Das mit der Klausel erkennbar verfolgte Ziel ist es, die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken für den Versorgungsschuldner zu begrenzen, um den Versorgungsaufwand der Hinterbliebenenversorgung für die Beklagte überschaubar und kalkulierbar zu halten. Eine Begrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Dritten durch zusätzliche anspruchsbegründende oder besondere anspruchsausschließende Merkmale liegt gerade im Bereich der Hinterbliebenenversorgung nahe, weil ein dahingehendes Leistungsversprechen zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken mit sich bringt. Diese betreffen nicht nur den Zeitpunkt des Leistungsfalls, sondern auch die Dauer der Leistungserbringung (vgl. BAG 4. August 2015 – 3 AZR 137/13 – Rn. 62, BAGE 152, 164).
ee) Die in § 4 Abs. 6 Satz 1 LO 2012 bestimmte Altersgrenze ist auch angemessen und erforderlich iSv. § 10 Satz 2 AGG.
(1) Eine Altersgrenze iSv. § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist nach § 10 Satz 2 AGG grundsätzlich angemessen, wenn sie erlaubt, das mit ihr verfolgte Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Arbeitnehmer zu führen, die aufgrund der Klausel benachteiligt werden (vgl. EuGH 26. Februar 2015 – C-515/13 – [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 25). Sie ist erforderlich iSd. § 10 Satz 2 AGG, wenn sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (vgl. EuGH 26. September 2013 – C-546/11 – [Dansk Jurist – og økonomforbund] Rn. 59). Dabei ist im Anwendungsbereich von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG zudem zu berücksichtigen, dass Altersgrenzen in den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit zwar nicht immer aber grundsätzlich gerechtfertigt sind. Altersgrenzen, die an betriebsrentenrechtliche Strukturprinzipien anknüpfen, sind deshalb in der Regel angemessen iSv. § 10 Satz 2 AGG.
(2) Danach ist die in § 4 Abs. 6 Satz 1 LO 2012 auf die Vollendung des 65. Lebensjahres festgelegte Altersgrenze für ehemalige Arbeitnehmer, die – wie der verstorbene Ehemann der Klägerin – am 31. August 2009 bereits beim Bochumer Verband angemeldete Angestellte iSd. LO 2012 waren und daher nach § 25 Abs. 5 LO 2012 den Übergangsbestimmungen C zur LO 2012 unterfallen, angemessen iSv. § 10 Satz 2 AGG.
(a) Soweit die LO 2012 – auch in ihrem § 4 Abs. 6 Satz 1 – an die Vollendung des 65. Lebensjahres anknüpft, stellt sie damit jedenfalls bei den Arbeitnehmern, die den Übergangsbestimmungen unterfallen und, wie der verstorbene Ehemann der Klägerin, nach Vollendung ihres 65. Lebensjahres eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen bzw. bezogen haben, auf das Erreichen der für diese Personengruppe maßgeblichen festen Altersgrenze ab. Für diese – auch ehemaligen – Arbeitnehmer ordnet Satz 1 der Übergangsbestimmungen C zur LO 2012 an, dass ua. hinsichtlich der Voraussetzungen für den Bezug des Ruhegeldes (§ 2 LO 2012) und die Berechnung des Ruhegeldes (§ 3 LO 2012) die Vollendung des 65. Lebensjahres statt des Erreichens der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung gilt. Nach Satz 2 der Übergangsbestimmungen C gilt dies, soweit die Arbeitnehmer tatsächlich eine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Für – ehemalige – Arbeitnehmer, die bereits im „Altersruhestand” wegen Erreichens der in der früheren Fassung der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes vorgesehenen festen Altersgrenze „Vollendung des 65. Lebensjahres” waren, bleibt diese damit weiterhin die maßgebliche feste Altersgrenze nach der LO 2012.
(b) Damit knüpft die Regelung an ein betriebsrentenrechtliches Strukturprinzip an. Das Erreichen der festen Altersgrenze nach der Versorgungsordnung stellt – wie der Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer – eine Zäsur dar (vgl. BAG 15. Oktober 2013 – 3 AZR 653/11 – Rn. 38; 15. Oktober 2013 – 3 AZR 294/11 – Rn. 32, BAGE 146, 200). Die feste Altersgrenze bezeichnet den Zeitpunkt, zu dem nach der Versorgungszusage im Regelfall – und zwar unabhängig von den Voraussetzungen des § 6 BetrAVG – mit einer Inanspruchnahme der Betriebsrente und einem altersbedingten Ausscheiden aus dem Berufs- und Erwerbsleben zu rechnen ist (BAG 18. März 2014 – 3 AZR 952/11 – Rn. 29 mwN, BAGE 147, 291). Sie ist der im Betriebsrentengesetz vorgesehene Anknüpfungspunkt für die Berechnung der Betriebsrente im Falle des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis (§ 2 BetrAVG). Vor diesem Hintergrund ist es angemessen, wenn eine Bestimmung über die Hinterbliebenenversorgung zur Begrenzung des mit der Versorgungszusage verbundenen Risikos und Aufwands auf diesen Zeitpunkt abstellt. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers in der Zeit danach bei der Abgrenzung seiner Leistungspflichten unberücksichtigt zu lassen (vgl. BAG 4. August 2015 – 3 AZR 137/13 – Rn. 70, BAGE 152, 164).
(3) Die in § 4 Abs. 6 Satz 1 LO 2012 vorgesehene Begrenzung lässt sich mit gleichwirksamer Genauigkeit nicht durch ein milderes Mittel erreichen und ist deshalb auch erforderlich iSv. § 10 Satz 2 AGG.
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Hinterbliebenenbezüge nach der Härtefallklausel in § 7 Abs. 3 LO 2012.
a) Nach § 7 Abs. 3 LO 2012 kann von der Versagung des Ehegattengeldes nach § 4 Abs. 6 LO 2012 in Ausnahmefällen ganz oder teilweise abgesehen werden. Solche Härtefallklauseln sollen verhindern, dass die Anwendung der Ruhegeldregelungen in besonders gelagerten und nicht vorhersehbaren Einzelfällen zu Ergebnissen führt, die unangemessen erscheinen und nicht dem Sinn der Regelung entsprechen (BAG 15. Oktober 2013 – 3 AZR 294/11 – Rn. 49 mwN, BAGE 146, 200). Dabei geht es nur um die Abmilderung der Rechtsfolgen in Grenzfällen. Härtefallklauseln sind nicht dazu bestimmt, eine generelle Korrektur der Versorgungsgrundsätze oder gar eine Änderung des Regelungszwecks zu ermöglichen.
Danach kommt ein Härtefall in Betracht, wenn jemand über das angestrebte Regelungsziel hinausgehend erheblich nachteilig von einer beschränkenden Regelung betroffen wird, weil er aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt (BAG 15. Oktober 2013 – 3 AZR 294/11 – Rn. 49 mwN, BAGE 146, 200). Ob von der in einer Härtefallklausel vorgesehenen Möglichkeit zur Ausnahmeentscheidung Gebrauch gemacht wird, steht nicht im freien Belieben des Verpflichteten, sondern unterliegt als Ermessensentscheidung einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB (BAG 15. Oktober 2013 – 3 AZR 294/11 – Rn. 49 mwN, aaO).
b) Gemessen an diesen Vorgaben ist die Entscheidung der Beklagten, von der in § 4 Abs. 6 Satz 1 LO 2012 bestimmten Versagung der Hinterbliebenenbezüge nicht nach § 7 Abs. 3 LO 2012 zugunsten der Klägerin ganz oder teilweise abzusehen, nicht unbillig iSv. § 315 BGB. Es fehlt an einem Härtefall im Sinne dieser Bestimmung.
aa) Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin über das angestrebte Regelungsziel hinaus erheblich nachteilig von der Versagung der Hinterbliebenenversorgung betroffen wird. Es sind keine Umstände ersichtlich, dass die Klägerin nur aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise von dem Anspruchsausschluss erfasst wird. Die Ehe der Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehemann wurde erst 16 Jahre nach dessen Eintritt in den Altersruhestand geschlossen.
bb) Ein Härtefall ist auch nicht deshalb zu bejahen, weil der verstorbene Ehemann der Klägerin bei seinem Eintritt in den Ruhestand verheiratet war, bis seine frühere Ehefrau im Jahr 2001 verstarb. Die Wiederheirat nach dem Tod eines Ehepartners ist kein besonders gelagerter Einzelfall. Die spätere Eheschließung mit der Klägerin stellte auch nicht den bei Eintritt in den Ruhestand ohnehin bestehenden Zustand wieder her. Sie begründete ein neues Versorgungsrisiko, das durch § 4 Abs. 6 LO 2012 gerade ausgeschlossen werden soll.
3. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV bedarf es nicht. Die unionsrechtliche Rechtslage ist ua. durch die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Parris (EuGH 24. November 2016 – C-443/15 –) hinreichend klar (vgl. zu den Vorlagevoraussetzungen EuGH 6. Oktober 1982 – C-283/81 – [C.I.L.F.I.T.]).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Zwanziger, Spinner, Ahrendt, Busch, Schüßler
Fundstellen
Haufe-Index 11538019 |
BAGE 2018, 56 |
BB 2018, 627 |
DB 2018, 7 |
DB 2018, 900 |