Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtverlängerung bei Intendantenwechsel
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 15.3.1989 7 AZR 316/88.
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 22.04.1988; Aktenzeichen 5 Sa 209/88) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 04.12.1987; Aktenzeichen 2 Ca 3269/87) |
Tatbestand
Der Kläger war seit dem Jahre 1977, zuletzt aufgrund bis zum 16. August 1986 befristeten Dienstvertrages vom 19. März 1985, beim H Staatstheater W des beklagten Landes als Opernsänger engagiert. Auf das Dienstverhältnis finden der Normalvertrag-Solo und der Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht vom 23. November 1977 (TVM) Anwendung.
Am 10. April 1985 war der Kläger vom designierten Intendanten L dazu gehört worden, daß beabsichtigt sei, seinen Arbeitsvertrag nicht über das Ende der Spielzeit 1985/1986 hinaus zu verlängern. Als Grund für die beabsichtigte Nichtverlängerungsmitteilung wurde dem Kläger ausdrücklich und abschließend der Intendantenwechsel genannt. Mit Schreiben vom 20. Mai 1985 teilte das beklagte Land dem Kläger seine Nichtverlängerungsabsicht schriftlich mit.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, durch diese Nichtverlängerungsmitteilung sei sein Arbeitsverhältnis zum beklagten Land nicht zum Ende der Spielzeit 1985/1986 beendet worden. Denn die ihr vorausgegangene Anhörung entspreche nicht den Anforderungen des § 2 Abs. 5 TVM, weil außer dem Intendantenwechsel keine Gründe genannt worden seien.
Der Kläger hat dementsprechend vor dem Bezirksbühnenschiedsgericht Frankfurt am Main eine halbe Monatsgage für die Zeit ab 16. August 1986 eingeklagt und hierzu beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 1.496,25 DM nebst 4 % Zinsen ab 16. September 1986 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hält die ausgesprochene Nichtverlängerungsmitteilung für wirksam, da die Anhörung des Klägers den Anforderungen des TVM entsprochen habe.
Nachdem das Bezirksbühnenschiedsgericht das beklagte Land antragsgemäß verurteilt hatte, wies auf die Berufung des beklagten Landes hin das Bühnenoberschiedsgericht die Klage ab.
Gegen diesen Schiedsspruch hat der Kläger die vorliegende Aufhebungsklage vom 30. April 1987 erhoben und beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 1.496,25 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. September 1986 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Aufhebungsklage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Aufhebungsklage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen worden. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Bühnenoberschiedsgericht und die Vorinstanzen des gerichtlichen Aufhebungsverfahrens haben das Arbeitsverhältnis des Klägers zu Recht als wirksam beendet angesehen, so daß ihm auch der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zusteht.
1. Nach § 2 Abs. 1 des für das Arbeitsverhältnis des Klägers geltenden Tarifvertrages über die Mitteilungspflicht (TVM) endet das Arbeitsverhältnis mit dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Zeitpunkt. Es verlängert sich jeweils um ein Jahr (eine Spielzeit), wenn nicht eine Vertragspartei der anderen bis zum 31. Oktober der laufenden Spielzeit schriftlich mitteilt, daß sie nicht beabsichtigt, den Arbeitsvertrag zu verlängern (Nichtverlängerungsmitteilung). Gemäß § 2 Abs. 5 TVM muß der Arbeitgeber, bevor er eine Nichtverlängerungsmitteilung ausspricht, den Arbeitnehmer hören.
Im Entscheidungsfall geht es allein um die Frage, ob dieser Begriff des "Hörens" im Falle der Nichtverlängerung aus Anlaß eines Intendantenwechsels nur erfordert, daß dem Bühnenmitglied dieser Intendantenwechsel als Grund für die Nichtverlängerung mitgeteilt wird, oder ob es auch in diesem Falle der Angabe auf die Person des Bühnenmitglieds bezogener, konkreter und nachvollziehbarer Gründe bedarf.
2. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage bisher offengelassen. Der Zweite Senat hat in seinem Urteil vom 11. März 1982 (BAGE 39, 1 = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag) im Anschluß an seine Ausführungen über die Notwendigkeit einer auf die Person des betroffenen Bühnenmitglieds bezogenen, konkreten und nachvollziehbaren Begründung angemerkt, etwas anderes könne allenfalls für die in § 2 Abs. 7 TVM ausdrücklich geregelte Nichtverlängerung aus Anlaß des Intendantenwechsels gelten. In diesem Falle möge als Begründung der Hinweis auf diese objektive Ursache ausreichen. Wegen der in § 2 Abs. 7 TVM unter bestimmten Voraussetzungen gegebenen Ansprüche des Bühnenmitglieds auf Abfindung oder auf Zuschuß zu den Umzugskosten im Falle einer Nichtverlängerung aus Anlaß des Intendantenwechsels bedürfe es aber eines eindeutigen und abschließenden Hinweises auf diesen Tatbestand.
Der erkennende Senat hat sich in seinem Urteil vom 18. April 1986 (BAGE 51, 374 = AP Nr. 27 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag) zwar den grundsätzlichen Ausführungen des Zweiten Senats zur Erforderlichkeit einer personenbezogenen, konkreten und nachvollziehbaren Begründung angeschlossen; mit dem Sonderfall des Intendantenwechsels hat er sich jedoch in diesem Urteil nicht befaßt.
3. Der vorliegende Rechtsstreit gibt keinen Anlaß, erneut die grundsätzliche Rechtsfrage aufzugreifen, ob der Begriff des "Hörens" in § 2 Abs. 5 TVM die Angabe konkreter Gründe für die beabsichtigte Nichtverlängerung erfordert. Denn jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung der Nichtverlängerung aus Anlaß des Intendantenwechsels muß, wie es bereits der Zweite Senat in seinem angeführten Urteil angedeutet hat, der Hinweis auf diesen Tatbestand des Intendantenwechsels genügen.
Wie das Bühnenoberschiedsgericht und die Vorinstanzen auf der Grundlage des ausführlichen Sachvortrags des beklagten Landes ausgeführt haben, entspricht es ständigem Bühnenbrauch, daß neubestellte Intendanten zur Verwirklichung ihrer neuen künstlerischen Konzeption einen erheblichen Teil der Bühnenmitglieder auswechseln. Die Nichtverlängerung der Arbeitsverträge mit bisherigem Personal beruht dann nicht so sehr darauf, daß das bisherige Bühnenmitglied wegen in seiner Person liegender Gründe bestimmten Vorstellungen des neuen Intendanten nicht entspricht, sondern darauf, daß die von dem bisherigen Bühnenmitglied besetzte Stelle frei gemacht werden muß, damit der neue Intendant sie mit einem Künstler seiner Wahl neubesetzen kann. Es wäre daher in der Tat vielfach eine unehrliche und das Bühnenmitglied ohne Not herabsetzende Förmelei, personenbezogene Gründe für eine angebliche Ungeeignetheit des Bühnenmitglieds konstruieren zu müssen, obwohl es dem neuen Intendanten allein darum geht, für seine Wunschkandidaten "Platz zu schaffen".
Derartige Überlegungen des neuen Intendanten sind als Motivation für die Nichtverlängerung des Arbeitsvertrages des bisherigen Bühnenmitglieds unabhängig davon legitim, ob sie diese Nichtverlängerung "sachlich rechtfertigen" können. Wie der erkennende Senat in seinem angeführten Urteil vom 18. April 1986 ausdrücklich betont hat, bedarf die Nichtverlängerung keiner objektiven Gründe im Sinne einer sachlichen Rechtfertigung. Auch bei der Anhörung des Bühnenmitglieds gemäß § 2 Abs. 5 TVM geht es daher nicht um die Darlegung derartiger objektiver Gründe, sondern allein um die Offenlegung der subjektiven Motivation des neuen Intendanten. Hat der neue Intendant keine auf die Person des Bühnenmitglieds bezogenen Überlegungen angestellt, so kann von ihm auch nicht verlangt werden, solche gegenüber dem betroffenen Bühnenmitglied zu nennen. Die Nennung derartiger personenbezogener Überlegungen würde überdies die Gefahr in sich bergen, die Grenze zu einer allein aus Anlaß des Intendantenwechsels ausgesprochenen Nichtverlängerungsmitteilung im Sinne des § 2 Abs. 7 TVM zu verwischen. Damit würde der in dieser Vorschrift vorgesehene Abfindungsanspruch des Bühnenmitglieds gefährdet werden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Seidensticker Richter Prof. Dr. Becker Dr. Steckhan
ist durch Urlaub verhindert
zu unterschreiben
Dr. Seidensticker
Breier Bea
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