Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorrang der SR 2a zum MTA der BA vor Art 1 § 1 BeschFG 1985
Leitsatz (redaktionell)
Die in der Protokollnotiz Nr 1 zu Nr 1 der Sonderregelungen der Anlage 2a zum Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit (SR 2a MTA) enthaltene Regelung, nach der "Zeitangestellte nur eingestellt werden dürfen, wenn hierfür sachliche oder in der Person des Angestellten liegende Gründe vorliegen", ist eine Tarifnorm, die zugunsten des Arbeitnehmers von der gesetzlichen Befristungsregelung des Art 1 § 1 BeschFG 1985 abweicht, weil sie die Zulässigkeit befristeter und deshalb vom zwingenden gesetzlichen Kündigungsschutzrecht ausgenommener Arbeitsverträge von strengeren Voraussetzungen abhängig macht als das Gesetz.
Orientierungssatz
Frage, ob die Protokollnotiz Nr 1 zu Nr 1 der SR 2a zum MTA für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit im Geltungsbereich des Art 1 § 1 BeschFG 1985 weiterhin gültiges Tarifrecht ist.
Normenkette
MTA Anl SR; BGB § 620; MTATVG § 1; BeschFArbRG § 1; BeschFG 1985 Art. 1 §§ 1, 6
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 09.06.1988; Aktenzeichen 17 Sa 2281/87) |
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 20.07.1987; Aktenzeichen 6 Ca 5176/86) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der vereinbarten Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1986.
Der 1954 geborene Kläger ist Volljurist und seit dem 1. Juli 1974 Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV). Er wurde von der Beklagten aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 5. November 1985 ab 6. November 1985 als vollbeschäftigter Angestellter gemäß Art. 1 § 1 Abs. 1 des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 (BeschFG 1985) vom 26. April 1985 (BGBl. I S. 710) als Zeitangestellter für die Zeit bis zum 31. Dezember 1986 beim Arbeitsamt D eingestellt. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit wurde er ab Dezember 1985 als Sachbearbeiter von Widersprüchen aus dem Bereich Arbeitslosengeld/Arbeitslosenhilfe und ab Juli 1986 aus dem Bereich der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Arbeitserlaubnisrecht beschäftigt.
§ 2 des Arbeitsvertrages vom 5. November 1985 lautet wie folgt:
"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem
Manteltarifvertrag für die Angestellten der
BA vom 21. April 1961 (MTA) und den diesen
ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarif-
verträgen in der jeweils geltenden Fassung;
die Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 der Anlage
2a gilt nicht. Außerdem finden die für die BA
jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge
Anwendung."
Die von der Anwendung ausgenommene Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA hat folgenden Wortlaut:
"Zeitangestellte dürfen nur eingestellt werden,
wenn hierfür sachliche oder in der Person des
Angestellten liegende Gründe vorliegen."
Nach Ablauf der bis zum 31. Dezember 1986 vereinbarten Befristung des Arbeitsverhältnisses besetzte die Beklagte die vom Kläger innegehabte Stelle mit einem anderen Arbeitnehmer. Die Bewerbung des Klägers um eine andere Sachbearbeiterstelle beim Arbeitsamt D wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 6. April 1987 abschlägig beschieden.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Kläger allein wegen der in Art. 1 § 1 BeschFG 1985 enthaltenen erleichterten Befristungsmöglichkeit befristet als Sachbearbeiter eingestellt worden ist.
Mit seiner am 16. Dezember 1986 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage erstrebt der Kläger die Feststellung, daß die Befristung des Arbeitsverhältnisses unwirksam ist, weil nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA eine Befristung seines Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte nur aus den dort genannten Gründen zulässig sei. Derartige Gründe hätten jedoch bei Vertragsabschluß nicht vorgelegen. Zwar sei die Geltung der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA in § 2 seines Arbeitsvertrages ausgeschlossen worden. Dies sei aber unerheblich, da diese tarifliche Regelung aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der ÖTV kraft zwingender Bindung nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG auf sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten anzuwenden sei. Soweit Art. 1 § 1 BeschFG 1985 bei einer Neueinstellung eine Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zu 18 Monaten vorsehe, gehe die tarifliche Regelung in der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA vor, da sie für ihn günstiger sei.
Stehe er aber in einem Dauerarbeitsverhältnis zur Beklagten, sei diese verpflichtet, ihn zu den bisherigen Bedingungen auch weiterzubeschäftigen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß zwischen den Parteien über
den 31. Dezember 1986 hinaus ein unbefristetes
Arbeitsverhältnis besteht;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den
31. Dezember 1986 hinaus zu unveränderten
Arbeitsbedingungen als Sachbearbeiter in
der Widerspruchsstelle weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA stelle keine eigenständige Tarifnorm dar. Sie wiederhole nur in deklaratorischer Weise die geltende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge. Deswegen sei es zulässig gewesen, den Kläger nach der Regelung für Neueinstellungen in Art. 1 § 1 BeschFG 1985 befristet für die Zeit vom 6. November 1985 bis zum 31. Dezember 1986 einzustellen.
Aber selbst wenn es sich bei der Regelung in der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA um eine eigenständige Tarifnorm handeln sollte, sei dieser dadurch Rechnung getragen worden, daß der Kläger nach Art. 1 § 1 BeschFG 1985 befristet eingestellt worden sei. Denn dort sei gesetzlich als Sachgrund für den Abschluß eines befristeten Arbeitsverhältnisses die "Beschäftigungsförderung" anerkannt worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Es hat lediglich dem Kläger den Weiterbeschäftigungsanspruch nur dahingehend zugesprochen, daß die Beklagte verurteilt wird, den Kläger über den 31. Dezember 1986 hinaus weiterzubeschäftigen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und den Urteilstenor unter Ziffer 2) wie folgt neu gefaßt: Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag nach Ziffer 1) mit Tätigkeiten der VergGr. IV b MTA weiterzubeschäftigen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Klageantrags zu 2) haben beide Parteien für den Fall, daß der Senat über den Feststellungsantrag zu 1) abschließend entscheiden sollte, die Hauptsache für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich des Klageantrags zu 1) unbegründet.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, daß die unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 1 § 1 BeschFG 1985 vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses infolge Fehlens eines "sachlichen oder in der Person des Angestellten liegenden Grundes" gegen die Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 der Sonderregelungen der Anlage 2a des Manteltarifvertrages für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit (MTA) verstößt, die wegen der beiderseitigen Tarifgebundenheit der Parteien bei Abschluß des Arbeitsvertrages vom 5. November 1985 unmittelbar und zwingend als Tarifnorm zur Anwendung kommt (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG).
I. Aus Gründen des staatlichen Rechts bedurfte es im Streitfall keines sachlichen Grundes zur Wirksamkeit der mit dem Kläger vereinbarten Befristung des Arbeitsvertrages, denn es handelt sich um eine Neueinstellung eines Arbeitnehmers für einen Zeitraum von nicht mehr als 18 Monaten i. S. des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeschFG 1985 (vgl. zum Begriff der Neueinstellung das zur Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom 27. April 1988 - 7 AZR 593/87 -, unter I 1 b der Gründe; BAG Urteil vom 10. Juni 1988 - 2 AZR 7/88 -, unter III 1 der Gründe, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt). Für den Zeitraum ihrer Geltungsdauer (1. Mai 1985 bis zum 1. Januar 1990) befreit die Vorschrift des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeschFG 1985 den Arbeitgeber von dem durch die Befristungsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (grundlegend BAGE GS 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) aufgestellten Erfordernis eines sachlichen Grundes. Die vom Gesetzgeber mit der Schaffung des Art. 1 § 1 BeschFG 1985 verfolgten beschäftigungspolitischen Zielvorstellungen stellen ihrerseits nicht die gesetzliche Normierung eines "sachlichen Grundes" dar (vgl. das zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmte Senatsurteil vom 25. September 1987 - 7 AZR 315/86 - AP Nr. 1 zu § 1 BeschFG 1985, unter II 2 b der Gründe). Die Vorschrift des Art. 1 § 1 BeschFG 1985 ist von ihrem objektiven Regelungsgehalt her so zu verstehen, daß der Gesetzgeber für eine Übergangszeit (1. Mai 1985 bis zum 1. Januar 1990) die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgestellten Befristungsgrundsätze aus beschäftigungspolitischen Gründen für die gesetzlich geregelten Fallkonstellationen aufheben wollte.
II. Das Erfordernis eines sachlichen Grundes für die Befristung des Arbeitsvertrages des Klägers ergibt sich im Streitfall aber aus tarifrechtlichen Gründen, und zwar aus der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen.
1. Die Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA ist eine Tarifnorm, die zugunsten des Arbeitnehmers von der gesetzlichen Befristungsregelung des Art. 1 § 1 BeschFG 1985 abweicht, weil sie die Zulässigkeit befristeter und deshalb vom zwingenden gesetzlichen Kündigungsschutzrecht ausgenommener Arbeitsverträge von strengeren Voraussetzungen abhängig macht als das Gesetz. Mit dieser rechtlichen Beurteilung knüpft der Senat an die (zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmte) Entscheidung vom 25. September 1987 (- 7 AZR 315/86 - AP Nr. 1 zu § 1 BeschFG 1985) an, die sich mit dem Vorrang der inhaltsgleichen Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 der SR 2y BAT vor Art. 1 § 1 BeschFG 1985 befaßt. An den dort aufgestellten Grundsätzen hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest.
a) Das Landesarbeitsgericht ist bei seiner Würdigung unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 25. September 1987 (aaO) zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei der gesetzlichen Befristungsregelung des Art. 1 § 1 BeschFG 1985 um eine einseitig zwingende gesetzliche Vorschrift handelt, die als Arbeitnehmerschutznorm für den Zeitraum ihrer Geltungsdauer (1. Mai 1985 bis zum 1. Januar 1990) nur solche abweichenden tariflichen Regelungen ausschließt, die für den Arbeitnehmer ungünstiger sind. Für den Arbeitnehmer günstigere vorgesetzliche oder nachgesetzliche tarifvertragliche Befristungsregelungen sind auch im Anwendungsbereich des Art. 1 § 1 BeschFG 1985 gültiges Tarifrecht.
b) Dem Landesarbeitsgericht ist auch insoweit zuzustimmen, als es der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA Tarifnormcharakter beigemessen hat.
Der Senat hat im Urteil vom 25. September 1987 (aaO, unter C II 1 der Gründe) entschieden, daß die inhaltsgleiche Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT, nach der "Zeitangestellte nur eingestellt werden dürfen, wenn hierfür sachliche oder in der Person des Angestellten liegende Gründe vorliegen", eine echte Tarifnorm ist. Eine andere rechtliche Beurteilung hinsichtlich der hier streitigen Protokollnotiz könnte sich allenfalls aus der Tarifgeschichte ergeben. Zwingende Anhaltspunkte, die gegen einen Tarifnormcharakter der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA sprechen, haben die Parteien weder vorgetragen noch sind solche aus den von der Beklagten zur Entstehungsgeschichte vorgelegten Materialien ersichtlich.
Der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Bundesanstalt für Arbeit stammt vom 21. April 1961; er ist rückwirkend zum 1. April 1961 in Kraft getreten. Dies gilt ebenso für die hier streitigen "Sonderregelungen für Zeitangestellte, Angestellte für Aufgaben von begrenzter Dauer und für Aushilfsangestellte (SR 2a MTA)". Die ohne mündliche Verhandlung ergangene Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Oktober 1960 (BAGE 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) ist den damaligen Prozeßparteien am 10. bzw. 11. März 1961 zugestellt worden. Die maßgeblichen Tarifverhandlungen zwischen der ÖTV und der DAG sowie der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (BAVAV) fanden am 3. März 1961 in Bad Kreuznach statt. Dabei ging es im wesentlichen um die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Vorschriften des BAT vom 23. Februar 1961 nebst den Sonderregelungen für die Angestellten der BAVAV übernommen werden sollten. Weder aus dem von der Beklagten vorgelegten Schreiben der BAVAV vom 11. März 1961 an die Hauptvorstände der DAG und der ÖTV noch aus dem Protokoll über die weitere Tarifverhandlung vom 11. April 1961 in Nürnberg geht hervor, daß die Tarifvertragsparteien im Hinblick auf die am 10. bzw. 11. März 1961 den Prozeßparteien zugestellte Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Oktober 1960 (aaO) der hier streitigen Protokollnotiz einen anderen Regelungsgehalt gegenüber der inhaltsgleichen Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT beimessen wollten. Ergibt sich somit aus der Tarifgeschichte eine uneingeschränkte und vorbehaltlose Übernahme der inhaltsgleichen Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT auf die Angestellten der BAVAV in Gestalt der hier streitigen Protokollnotiz, so ist der vom Senat im Urteil vom 25. September 1987 (aaO, unter C II 1 der Gründe) bejahte Tarifnormcharakter der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT auch bei der hier streitigen Protokollnotiz aus den dort im einzelnen dargelegten Gründen anzunehmen.
Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich auch nicht aus den von ihr zitierten Urteilen des Zweiten Senats vom 11. November 1982 (- 2 AZR 552/81 - AP Nr. 71 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) und vom 17. Februar 1983 (BAGE 41, 381 = AP Nr. 74 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) ein gegenteiliger Rechtsstandpunkt. In beiden Entscheidungen setzt sich der Zweite Senat nur mit der Frage auseinander, ob ein befristeter Arbeitsvertrag von nicht mehr als sechs Monaten aus Gründen der objektiven Umgehung des zwingenden staatlichen Kündigungsrechts eines sachlichen Grundes bedarf oder nicht. Zur Tarifnormqualität der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT nimmt der Zweite Senat in den Urteilen vom 11. November 1982 und vom 17. Februar 1983 (aaO) nicht Stellung. In dem Urteil vom 17. Februar 1983 (aaO) bestand für den Zweiten Senat bereits deshalb kein Anlaß, sich mit der Rechtsnatur der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT zu befassen, weil die betreffende Klägerin mit einem Lehrauftrag von 13 Stunden beschäftigt und daher nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des BAT fiel. Im übrigen ergibt sich aus dem der Entscheidung vom 17. Februar 1983 (aaO) zugrunde liegenden Sachverhalt kein Hinweis auf eine Tarifbindung der dortigen Klägerin. Dies gilt ebenso für die Entscheidung des Zweiten Senats vom 11. November 1982 (aaO), wobei mit dem dortigen Kläger allerdings einzelvertraglich die Anwendung des BAT vereinbart war. Auch aus dem von der Revision weiterhin angeführten unveröffentlichten Urteil des Senats vom 13. März 1985 (7 AZR 42/84) kann nicht zwingend entnommen werden, der Senat habe der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA keine Normqualität beigemessen. Abgesehen davon, daß der dortige Kläger nicht tarifgebunden gewesen ist, sind in diesem Urteil keine Ausführungen zur Rechtsnatur und zum Regelungsgehalt der hier streitigen Protokollnotiz enthalten. Der Senat hat in diesem Urteil lediglich zu der Frage Stellung genommen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein befristeter Arbeitsvertrag von nicht mehr als sechs Monaten aus Gründen einer objektiven Umgehung des zwingenden staatlichen Kündigungsschutzrechts eines sachlichen Grundes bedarf oder nicht. Aufgrund dieser Rechtsprechung konnte die Beklagte somit nicht darauf vertrauen, der hier streitigen Protokollnotiz werde von den hierfür zuständigen Senaten des Bundesarbeitsgerichts keine Tarifnormqualität beigemessen.
Im übrigen spricht im vorliegenden Falle der Umstand, daß in § 2 des formularmäßigen Arbeitsvertrages der Parteien vom 5. November 1985 die Anwendung der hier streitigen Protokollnotiz ausdrücklich ausgeschlossen ist, für die Annahme, daß die Beklagte bei Vertragsabschluß offensichtlich selbst von der Tarifnormqualität der hier streitigen Protokollnotiz ausgegangen ist.
c) Rechtlich nicht zu beanstanden ist die weitere Annahme des Berufungsgerichts, nach der zwischen der generellen Befristungsbeschränkung der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA und der gesetzlichen Befristungsregelung des Art. 1 § 1 BeschFG 1985 eine inhaltliche Kollision besteht, denn die Tarifnorm sieht für die in Art. 1 § 1 BeschFG 1985 geregelten Fallkonstellationen keine Ausnahme von dem Erfordernis des sachlichen Grundes bzw. des Grundes in der Person des Angestellten vor.
Der Senat hat bereits im Urteil vom 25. September 1987 (aaO, unter C II 2 a der Gründe) zur inhaltsgleichen Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT im einzelnen ausgeführt, daß durch das Inkrafttreten des Art. 1 § 1 BeschFG 1985 nicht für die Dauer seiner Geltung (1. Mai 1985 bis zum 1. Januar 1990) eine tarifvertragliche Regelungslücke entstanden ist. Gegen eine derartige Annahme spricht der generalklauselartige Charakter der hier streitigen Protokollnotiz. Sie ist daher - ebenso wie die inhaltsgleiche Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2y BAT - auch auf die gesetzlich geregelten Fallkonstellationen mit der Maßgabe anwendbar, daß es auch in diesen Fällen eines sachlichen oder in der Person des Angestellten liegenden Grundes bedarf.
d) Die inhaltliche Kollision der hier streitigen Protokollnotiz mit der Befristungsregelung des Art. 1 § 1 BeschFG 1985 hat das Landesarbeitsgericht zutreffend mittels eines normativen Günstigkeitsvergleichs gelöst.
Vergleicht man den objektiven Regelungsgehalt des Art. 1 § 1 BeschFG 1985 mit dem Inhalt der hier streitigen Protokollnotiz, so ergibt sich, daß die tarifliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist als die gesetzliche. Die gesetzliche Regelung läßt in dem dort festgelegten Rahmen befristete und damit nicht bestandsgeschützte Arbeitsverhältnisses zu, ohne daß ein sachlicher Grund für die Befristung vorzuliegen braucht, während die Tarifnorm beim Fehlen eines sachlichen Befristungsgrundes eine vereinbarte Befristung nicht gelten, sondern ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstehen läßt, von dem sich der Arbeitgeber einseitig nur durch Kündigung unter Beachtung des gesetzlichen Kündigungsschutzes lösen kann. Weil die hier streitige Protokollnotiz die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge somit von strengeren Voraussetzungen abhängig macht als das Gesetz, bietet sie dem Arbeitnehmer einen größeren Schutz für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses.
2. Bei der hier streitigen Protokollnotiz handelt es sich um eine Abschlußnorm i. S. des § 4 Abs. 1 TVG. Dies hat der Senat bereits in mehreren unveröffentlichten Urteilen vom 11. November 1988 (- 7 AZR 51/88, 7 AZR 86/88, 7 AZR 87/88, 7 AZR 88/88 -) entschieden, wobei er seinerzeit die Tarifnormqualität der hier streitigen Protokollnotiz unterstellt hat.
Wegen der bei Abschluß des Arbeitsvertrages (5. November 1985) bestehenden beiderseitigen Tarifbindung konnten die Arbeitsvertragsparteien die für den Kläger gegenüber Art. 1 § 1 BeschFG 1985 günstigere Befristungsregelung der Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA einzelvertraglich nicht wirksam ausschließen (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG). Der in § 2 des Arbeitsvertrages enthaltene Ausschluß der hier streitigen Protokollnotiz ist daher unwirksam. Bei einer derartigen Sachlage besteht - entgegen der Ansicht der Revision - kein Raum für die Anwendung des Rechtsinstituts des Fehlens oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage.
Tatsachen, die dazu geeignet wären, das Vorliegen eines sachlichen Grundes oder eines in der Person des Klägers liegenden Grundes zu bejahen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Die mit dem Kläger vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1986 ist daher wegen Verstoßes gegen die Protokollnotiz Nr. 1 zu Nr. 1 SR 2a MTA unwirksam.
III. Im Hinblick darauf, daß die Parteien übereinstimmend für den Fall, daß der Senat rechtskräftig über die Befristung des Arbeitsvertrages des Klägers (Klageantrag zu 1) entscheiden sollte, den Rechtsstreit hinsichtlich des auf die einstweilige Weiterbeschäftigung gerichteten Klageantrages zu 2) erledigt erklärt haben, war insoweit gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden. Im Streitfall haben die Vorinstanzen zu Recht das beklagte Land zur einstweiligen Weiterbeschäftigung für die Dauer des Befristungsrechtsstreits verurteilt (vgl. BAG, Großer Senat, Beschluß vom 27. Februar 1985, BAGE 48, 122 ff. = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Die vom Großen Senat für Kündigungsrechtsstreitigkeiten aufgestellten Grundsätze gelten entsprechend für eine einstweilige Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Rahmen eines Befristungsrechtsstreits (vgl. BAG Urteil vom 13. Juni 1985 - 2 AZR 410/84 - AP Nr. 19 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht und BAG Urteil vom 11. November 1988 - 7 AZR 51/88 -, unveröffentlicht, zu III der Gründe).
Im Streitfall war die Beklagte zur Weiterbeschäftigung verpflichtet, da die vom Großen Senat (aaO) aufgestellten Voraussetzungen vorlagen. Wie oben ausgeführt, besteht das Arbeitsverhältnis der Parteien wegen Unwirksamkeit der Befristung fort. Auch die Interessenabwägung mußte zugunsten des Klägers ausfallen, da in den Vorinstanzen das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses festgestellt worden ist und besondere Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers ergeben könnte, nicht ersichtlich sind. Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers war somit zulässig und begründet, so daß der Beklagten hinsichtlich des von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärten Weiterbeschäftigungsantrags die Kosten gemäß § 91 a ZPO aufzuerlegen waren.
Dr. Seidensticker Dr. Steckhan Dr. Becker
Bea Breier
Fundstellen
JR 1990, 44 |
JR 1990, 44 (S) |
RdA 1989, 200 |
RzK, I 9f Nr 20 (LT1) |
AP § 1 BeschFG 1985 (LT1), Nr 7 |
AR-Blattei, Beschäftigungsförderung Entsch 7 (LT1) |
AR-Blattei, ES 430 Nr 7 (LT1) |
EzA § 1 BeschFG 1985, Nr 8 (LT1) |
EzBAT, BeschFG 1985 Nr 3 (LT1) |
PersR 1990, 87 (L1) |
VR 1989, 420 (K) |