Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristetes Aushilfsarbeitsverhältnis
Orientierungssatz
Auslegung des § 18 Nr 5 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Schuhindustrie in der Bundesrepublik Deutschland vom 31.10.1984.
Normenkette
TVG § 1; BGB § 620; BetrVG § 102; TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 19.09.1986; Aktenzeichen 5 Sa 34/86) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 09.10.1985; Aktenzeichen 12 Ca 845/85) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis über den 30. April 1985 hinaus besteht.
Der Kläger, von Beruf Organisationsprogrammierer, bewarb sich im November 1984 erfolglos bei der Beklagten um eine ausgeschriebene Stelle eines Systemprogrammierers. Nach einem Hinweis auf seine soziale Situation (verheiratet und vier Kindern unterhaltsverpflichtet) beschäftigte die Beklagte den Kläger ab dem 19. November 1984 im Lager- und Versandbereich als Aushilfskraft gegen einen Stundenlohn von DM 12,-- brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien, auf das kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Schuhindustrie in der Bundesrepublik Deutschland vom 31. Oktober 1984 (MTV) Anwendung findet, wurde zunächst nach dem Arbeitsvertrag vom 19. November 1984 gestaltet, wonach der Kläger als Aushilfe eingestellt wurde, die Aushilfstätigkeit auf höchstens zwei Monate bzw. 50 Arbeitstage befristet und als Datum des voraussichtlichen Endes der Aushilfstätigkeit der 31. Dezember 1984 angegeben war. Das Arbeitsverhältnis wurde über den Ablauf dieser Befristung hinaus fortgesetzt in der Erwartung, in der Abteilung des Klägers werde ein zusätzlicher Dauerarbeitsplatz geschaffen. Mit der Begründung, daß die hierfür erforderliche Stelle nicht genehmigt worden sei und auch sonst keine Möglichkeit bestehe, den Kläger weiter zu beschäftigen, unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 8. Februar 1985 von ihrer Absicht, das Arbeitsverhältnis zum 1. März 1985 durch Kündigung zu beenden. Mit Schreiben vom 15. Februar 1985 widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten fristgerechten Kündigung. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22. Februar 1985 fristgerecht zum 8. März 1985 (Freitag). Aufgrund eines von der Beklagten mit Schreiben vom 11. März 1985 unterbreiteten, vom Kläger noch an diesem Tage angenommenen Angebots schlossen die Parteien sodann für die Zeit vom 11. März 1985 bis zum 29. März 1985 wiederum einen befristeten Aushilfsarbeitsvertrag, der vor seinem Ablauf gemäß dem Schreiben der Beklagten vom 26. März 1985 bis zum 30. April 1985 verlängert wurde. Mit Schreiben vom 30. April 1985 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie keine Aushilfskräfte mehr benötige und keine Möglichkeit sehe, das befristete Arbeitsverhältnis zu verlängern.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, mangels eines sachlichen Grundes für die erfolgten Befristungen bestehe zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmter Dauer. Die Kündigung zum 8. März 1985 sei nur ausgesprochen worden, um den Folgen des § 18 des ab 1. Januar 1985 gültigen MTV zu entgehen. Dieser MTV enthalte nämlich das Verbot, befristete Aushilfsarbeitsverträge über 8 Wochen hinaus andauern zu lassen. Zwar hätten die beiden letzten Befristungen die Dauer von 8 Wochen nicht überschritten. Zum einen sei jedoch das bereits unbefristete Arbeitsverhältnis mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats durch Kündigung der Beklagten nicht rechtswirksam zum 8. März 1985 beendet worden. Zum anderen müsse selbst bei rechtswirksamer Kündigung das Arbeitsverhältnis wegen des unmittelbaren sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs - lediglich das Wochenende sei zwischengeschaltet gewesen - im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Norm des § 18 Nr. 5 MTV seit seinem Beginn am 19. November 1984 als ein einheitliches Arbeitsverhältnis angesehen werden.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß zwischen den Parteien ein
Arbeitsverhältnis über den 30. April 1985
hinaus bestehe.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, die erste Befristung sei aufgrund des am Jahresende wegen des Weihnachtsgeschäftes erhöhten Arbeitsanfalls im Lager und Versand sachlich gerechtfertigt gewesen. Die zum 8. März 1985 ausgesprochene Kündigung sei erforderlich gewesen, weil der für den Kläger zuständige Abteilungsleiter, der den Kläger über den Ablauf der Befristung hinaus weiterbeschäftigt habe, nicht an die Vorschrift des § 18 Nr. 5 MTV gedacht und zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs keine Möglichkeit bestanden habe, den Kläger auch nur vorübergehend weiterzubeschäftigen. Der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden, so daß durch die Kündigung vom 22. Februar 1985 das Arbeitsverhältnis rechtswirksam beendet worden sei und die beiden weiteren befristeten Arbeitsverträge demzufolge von vornherein mit der Vorschrift des § 18 Nr. 5 MTV nicht kollidierten. Zum Abschluß dieser Verträge vom 11. und 26. März 1985 sei es lediglich aus sozialen Erwägungen gekommen, wobei sich die Möglichkeit dazu überraschend durch einen Auftrag der DDR ergeben habe. Da dieser Auftrag entgegen der ursprünglichen Annahme nicht bis zum 29. März 1985 erledigt gewesen sei, sei dann das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auf dessen Drängen hin nochmals verlängert worden, obwohl sich der Auftrag und der sich daraus ergebende Arbeitsengpaß auch ohne den Kläger hätte erledigen lassen. § 18 Nr. 5 MTV verbiete auch nicht ein befristetes Arbeitsverhältnis über die Dauer von acht Wochen sondern ordne lediglich an, daß für befristete Arbeitsverhältnisse von einer Dauer über acht Wochen die normale Kündigungsfrist von 14 Tagen gelten solle.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 30. April 1985 hinaus fortbestehe.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, durch die Befristungen seien zwar weder Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes noch des Betriebsverfassungsgesetzes umgangen worden, da das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum Ablauf der letzten Befristung insgesamt noch keine 6 Monate bestanden habe. Die von den Parteien am 11. März und 26. März 1985 geschlossenen befristeten Arbeitsverträge seien jedoch wegen Verstoßes gegen § 18 Nr. 5, § 20 Nr. 2 MTV nichtig. Die Vorschrift des § 18 Nr. 5 MTV regele nicht nur die Kündigungsmöglichkeiten innerhalb eines Aushilfsarbeitsverhältnisses, sondern verbiete auch die Befristung von Aushilfsarbeitsverhältnissen, soweit diese die Dauer von 8 Wochen überschritte. Dies ergebe sich aus Wortlaut und Sinn der Vorschrift.
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. § 18 Nr. 5 MTV beinhaltet kein Befristungsverbot für über 8 Wochen hinausgehende Aushilfsarbeitsverträge.
1. Bei der Auslegung der Tarifvorschrift ist zunächst zu berücksichtigen, daß sie infolge eines offensichtlichen Redaktionsversehens eine fehlerhafte Bezugnahme enthält.
§ 18 des ab 1. Januar 1985 gültigen MTV vom 31. Oktober 1984 lautet wie folgt:
§ 18 Kündigung
1. Mit neueinzustellenden Arbeitern kann eine Probezeit
bis zu 6 Wochen vereinbart werden. Innerhalb dieser
Zeit hat sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeiter
das Recht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist
das Arbeitsverhältnis zum Schluß des Arbeitstages zu
lösen.
Für Schwerbehinderte kann gemäß § 17 SchwbG eine
Probezeit bis zu 6 Monaten vereinbart werden.
2. Nach Ablauf der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis
beiderseits nur mit einer Kündigungsfrist von 2 Wochen
zum Wochenschluß gekündigt werden. Im übrigen gelten
die gesetzlichen Bestimmungen (§ 622 Abs. 2 Satz 2
ff. BGB).
3. Die gesetzlichen Bestimmungen über fristlose Lösung
des Arbeitsverhältnisses bleiben unberührt.
4. Einem Arbeiter, der das 55. aber noch nicht das
65. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb 20 Jahre
ununterbrochen angehört, kann betriebsbedingt nur noch
aus wichtigem Grund gekündigt werden.
Dies gilt nicht bei Änderungskündigungen sowie bei
Betriebsänderungen, wenn ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz
nicht vorhanden ist. Ebenfalls nicht für
Fälle, wenn frühzeitig Rentenanspruch nach der gesetzlichen
Rentenversicherung besteht.
5. Bei Arbeitern, die zur Aushilfe eingestellt sind, geht
das Arbeitsverhältnis nach Ablauf von 8 Wochen in ein
normales Arbeitsverhältnis über. Bis zu diesem Zeitpunkt
können Kündigungsfristen abweichend von Ziffer 1
vereinbart werden. Dabei soll den Betroffenen möglichst
eine Woche vorher Mitteilung über die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses gemacht werden.
Demgegenüber lauteten die Bestimmungen des die Kündigung betreffenden § 18 in den beiden vorangegangenen Manteltarifverträgen vom 3. September 1970 (gültig ab 1. September 1970) und vom 4. Juni 1976 (gültig ab 1. Juli 1976) übereinstimmend wie folgt:
Kündigung § 18
1. Das Arbeitsverhältnis kann beiderseits mit einer
Frist von zwei Wochen zum Wochenschluß gekündigt
werden.
Im übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen.
2. Die gesetzlichen Bestimmungen über fristlose
Lösung des Arbeitsverhältnisses bleiben unberührt.
3. Mit neu einzustellenden Arbeitern kann eine Probezeit
bis zu vier Wochen vereinbart werden. Innerhalb
dieser Zeit hat sowohl der Arbeitgeber als
auch der Arbeiter das Recht, ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis zum Schluß
des Arbeitstages zu lösen.
Für Schwerbeschädigte gelten die Bestimmungen des
Schwerbeschädigtengesetzes (MTV 1970) - Schwerbehindertengesetzes
- (MTV 1976).
4. Bei Arbeitern, die zur Aushilfe eingestellt sind,
geht das Arbeitsverhältnis nach Ablauf von acht
Wochen in ein normales Arbeitsverhältnis über. Bis
zu diesem Zeitpunkt können Kündigungsfristen abweichend
von Ziffer 1 vereinbart werden. Dabei soll
den Betroffenen möglichst eine Woche vorher Mitteilung
über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses
gemacht werden.
In § 18 des nunmehr geltenden MTV vom 31. Oktober 1984 haben die Tarifvertragsparteien demnach gegenüber früher die die mögliche Probezeit von vier auf sechs Wochen erhöht, eine weitere Ziffer eingefügt, die den Ausschluß der ordentlichen Kündigung für ältere und langjährige Arbeitnehmer betrifft, sowie die Reihenfolge der Ziffern geändert: Die bisher unter Ziff. 1 aufgeführte (grundsätzliche) Kündigungsfrist des Arbeitsverhältnisses ist nunmehr unter Ziff. 2 geregelt. Die fristlose Kündigung wird statt unter Ziff. 2 nunmehr unter Ziff. 3 geregelt. Die Vereinbarung der Probezeit bzw. die Kündigungsfristen während der Probezeit befanden sich in den alten Tarifverträgen unter Ziff. 3 und erscheinen in dem Tarifvertrag von 1985 unter Ziff. 1. Bei Ziff. 4 des jetzigen Tarifvertrages handelt es sich um die neu eingefügte Bestimmung, während die das Aushilfsarbeitsverhältnis betreffende ehemalige Ziff. 4 nunmehr als Ziff. 5 erscheint.
Die das Aushilfsarbeitsverhältnis betreffende Vorschrift ist wortgleich in den neuen MTV übernommen worden. Offensichtlich haben die Tarifvertragsparteien insoweit jedoch übersehen, daß die systematische Stellung der vorangehenden Ziffern verändert worden ist und deswegen die auf eine dieser Ziffern enthaltene Bezugnahme hätte angepaßt werden müssen. Da die bisher unter Ziff. 1 geregelten Bestimmungen nunmehr unter Ziff. 2 geregelt sind, muß Satz 2 der jetzigen Ziff. 5 richtigerweise lauten: "Bis zu diesem Zeitpunkt können Kündigungsfristen abweichend von Ziff. 2 vereinbart werden".
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien die im übrigen wörtlich übernommene Tarifvorschrift im Hinblick auf die Bezugnahme abändern wollten. Eine Bezugnahme auf die unter Ziff. 1 geregelten Kündigungsfristen für das Probearbeitsverhältnis ergäbe nämlich keinen vernünftigen Sinn. Nach Ziff. 1 des jetzt gültigen Tarifvertrages können während der bis zu sechswöchigen Probezeit beide Parteien ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis zum Schluß des Arbeitstages lösen. Diese Bestimmung enthält somit eine Ausnahme von den in Ziff. 2 geregelten "normalen" tariflichen Kündigungsfristen. Eine Ausnahmeregelung trifft jedoch auch Ziff. 5, indem für das Aushilfsarbeitsverhältnis Kündigungsfristen abweichend vereinbart werden können. Hinzu kommt, daß eine von Ziff. 1 abweichende Kündigungsfrist zwangsläufig eine längere Kündigungsfrist als die dort geregelte sein müßte, nachdem Ziff. 1 die beidseitige Kündigungsmöglichkeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bis zum Schluß des Arbeitstages eröffnet. In dem Formularaushilfsarbeitsvertrag vom 19. November 1984 haben die Parteien auch dementsprechend eine Kündigungsmöglichkeit zum Ende des Arbeitstages vorgesehen und damit eine abweichende Regelung von § 18 Ziff. 2 MTV, nicht jedoch von § 18 Ziff. 1 MTV getroffen.
Es ist daher davon auszugehen, daß § 18 Ziff. 5 Satz 2 des ab 1. Januar 1985 geltenden MTV die Möglichkeit regelt, Kündigungsfristen abweichend von der Vorschrift zu vereinbaren.
2. Bei der Tarifauslegung ist entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mitzuberücksichtigen sind, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Verbleiben bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlauts und des tariflichen Gesamtzusammenhangs als den stets und in erster Linie heranzuziehenden Auslegungskriterien im Einzelfalle noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auf weitere Kriterien wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden (BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).
3. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze ist § 18 Ziff. 5 MTV nicht dahingehend auszulegen, er verbiete die Befristung von Aushilfsarbeitsverhältnissen, soweit diese die Dauer von acht Wochen überschreiten.
a) Der Wortlaut von § 18 Ziff. 5 Satz 1 MTV ist nicht eindeutig. Es kommt bei der Auslegung entscheidend darauf an, was die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff des "normalen Arbeitsverhältnisses" umschreiben wollten.
aa) Der Ansatz der Auslegung des Landesarbeitsgerichts "nach § 18 Ziff. 5 MTV gehe das Aushilfsarbeitsverhältnis nach acht Wochen in ein normales Arbeitsverhältnis über" ist schon nicht zwingend. Die Tarifvorschrift bestimmt, daß das Arbeitsverhältnis der zur Aushilfe eingestellten Arbeiter in ein "normales Arbeitsverhältnis übergeht". Dem Wortlaut des Satzes nach kann dies bedeuten, daß dem "normalen" Arbeitsverhältnis das "Aushilfsarbeitsverhältnis" gegenübergestellt wird, es kann jedoch auch gemeint sein, es ändere sich an der Qualifizierung des Aushilfsarbeitsverhältnisses durch den "Übergang" des Arbeitsverhältnisses nichts, d. h. der Arbeiter sei auch nach Übergang des Arbeitsverhältnisses in ein normales Arbeitsverhältnis weiterhin zur Aushilfe eingestellt.
bb) Wenn das Landesarbeitsgericht davon ausgeht, die Tarifvertragsparteien hätten hier dem normalen Arbeitsverhältnis das Aushilfsarbeitsverhältnis gegenüberstellen wollen, so gibt es vom Wortlaut her wiederum verschiedene Auslegungsmöglichkeiten für den Begriff des "normalen Arbeitsverhältnisses".
Ein Aushilfsarbeitsverhältnis will der Arbeitgeber ausdrücklich von vornherein nicht auf Dauer eingehen, sondern nur, um einen vorübergehenden Bedarf an Arbeitskräften zu decken, der nicht durch den normalen Betriebsablauf, sondern durch den Ausfall von Stammkräften oder einem zeitlich begrenzten zusätzlichen Arbeitsanfall begründet ist (KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 622 BGB Rz 167 m. w.N.). Das Aushilfsarbeitsverhältnis kann von vornherein als für eine bestimmte Zeit befristet vereinbart werden, wobei statt einer ausdrücklichen Datumsangabe eine Befristung durch Angabe des Zwecks vereinbart werden kann (KR-Wolf, aa0, Grunds. Rz 366). In diesen Fällen bedarf es keiner Kündigung. Weiterhin können die Parteien die Befristung als Höchstdauer und gleichzeitig eine vorzeitige Kündigung vereinbaren. Schließlich kann auch ein Aushilfsarbeitsverhältnis vorliegen, das nicht auf eine bestimmte Dauer befristet ist und zu seiner Beendigung grundsätzlich der Kündigung bedarf (KR-Wolf, aa0, Grunds. Rz 367). Nur für die beiden letztgenannten Arten von Aushilfsarbeitsverhältnissen bestimmt § 622 Abs. 4 BGB, daß für die ersten drei Monate des Aushilfsarbeitsverhältnisses die in § 622 Abs. 1 und 2 genannten Kündigungsfristen durch einzelvertragliche Vereinbarung verkürzt werden können (vgl. KR-Hillebrecht, aa0, § 622 BGB Rz 170).
Wird das Aushilfsarbeitsverhältnis begrifflich dem normalen Arbeitsverhältnis gegenübergestellt, könnte als normales Arbeitsverhältnis ein solches angesehen werden, welches nicht vom Aushilfszweck bestimmt ist, auf unbestimmte Dauer abgeschlossen ist und den normalen gesetzlichen oder tariflichen Kündigungsfristen unterliegt. Vom Wortlaut der Tarifvorschrift wäre jedoch auch denkbar, daß die Tarifvertragsparteien die Gegenüberstellung nur im Hinblick auf einen der drei Punkte vornehmen wollten.
c) Da aus dem Wortlaut von § 18 MTV der Wille der Tarifvertragsparteien nicht eindeutig zu entnehmen ist, muß auf den tariflichen Gesamtzusammenhang bzw. den hieraus möglicherweise erkennbaren, von den Tarifvertragsparteien beabsichtigten Sinn und Zweck der Tarifnorm abgestellt werden.
Die Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs ergibt, daß die Tarifvertragsparteien in § 18 Ziff. 5 Satz 1 MTV unter den Begriff des "normalen" Arbeitsverhältnisses ein Arbeitsverhältnis mit "normalen" Kündigungsfristen im Sinne des § 18 Ziff. 2 MTV fassen wollten.
aa) Hierfür spricht zunächst die Einordnung der Vorschrift unter § 18 MTV, der die Überschrift "Kündigung" trägt und in seinen einzelnen Abschnitten die Kündigungsfristen bzw. Kündigungsmöglichkeiten regelt. Entscheidend ist jedoch Satz 2 des § 18 Ziff. 5 MTV, wonach bis zu diesem Zeitpunkt (von acht Wochen) die Kündigungsfristen abweichend von Ziff. 2, also abweichend in den Kündigungsfristen des "normalen" Arbeitsverhältnisses vereinbart werden können. Damit haben die Tarifvertragsparteien lediglich eine von des § 622 Abs. 4 BGB abweichende Regelung geschaffen, indem sie den Zeitraum, innerhalb dessen die Kündigungsfrist einzelvertraglich abweichend von den normalen Kündigungsfristen vereinbart werden können, von drei Monaten auf acht Wochen beschränkt haben. Bei der Annahme, nach § 18 Ziff. 5 Satz 1 MTV würde nach acht Wochen das Aushilfsarbeitsverhältnis beendet und ein "normales" Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Dauer begründet, wäre die in § 18 Ziff. 5 Satz 2 MTV getroffene Regelung überflüssig, da sich die Befugnis für die einzelvertraglichen Vereinbarungen von kürzeren Kündigungsfristen für das lediglich acht Wochen bestehende Aushilfsarbeitsverhältnis ohnehin aus § 622 Abs. 4 BGB ergibt.
bb) Diese Auslegung wird auch getragen vom Wortlaut des § 18 Ziff. 1 Satz 1 MTV, wonach mit neueinzustellenden Arbeitern eine Probezeit bis zu sechs Wochen vereinbart werden kann.
Ginge nach der Regelung des § 18 Ziff. 5 Satz 1 MTV das Aushilfsarbeitsverhältnis nach acht Wochen in ein nicht vom Aushilfszweck geprägtes Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Dauer über, dürfte ein Aushilfsarbeitsverhältnis nicht über die Dauer von acht Wochen hinaus abgeschlossen werden. Insofern läge sachlich kein Unterschied zu dem in Ziff. 1 geregelten Probearbeitsverhältnis vor, welches nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nicht über die Dauer von sechs Wochen abgeschlossen werden darf. Während die Tarifvertragsparteien jedoch beim Probearbeitsverhältnis ausdrücklich geregelt haben, daß eine Vereinbarung (nur) bis zu sechs Wochen zulässig ist, haben sie bei der Regelung des Aushilfsarbeitsverhältnisses einen völlig anderen Wortlaut gebraucht.
4. Durch die vorliegenden Vertragsgestaltungen ist daher kein Verstoß gegen § 18 Ziff. 5 MTV ersichtlich, selbst wenn in dieser Vorschrift ein über acht Wochen hinausgehendes Befristungsverbot für zweckbefristete Aushilfsarbeitsverhältnisse zu sehen wäre.
a) Der Kläger ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ab 19. November 1984 für die Dauer des Weihnachtsgeschäftes mit einer Höchstbefristung von zwei Monaten beschäftigt worden. Da das Arbeitsverhältnis über den 18. Januar 1985 hinaus fortgesetzt worden ist, ist es jedenfalls ab diesem Zeitpunkt gemäß § 625 BGB zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis geworden, wobei dahinstehen kann, ob von dieser Rechtsfolge nicht schon aufgrund einer vorherigen vertraglichen Vereinbarung bzw. gemäß § 18 Ziff. 5 MTV auszugehen ist. Dieses unbefristet bestehende Arbeitsverhältnis ist jedoch rechtswirksam durch die ordentliche Kündigung zum 8. März 1985 beendet worden, weil keine Unwirksamkeitsgründe ersichtlich sind.
b) Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Betriebsrat zur Kündigung nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß angehört worden, eine "Anhörung auf Vorrat" liegt nicht vor. Die Beklagte hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 8. Februar 1985 über ihre Absicht, dem Kläger zum 1. März 1985 zu kündigen, informiert. Der Widerspruch des Betriebsrats ging bei der Beklagten am Freitag, dem 15. Februar ein. Da die Kündigungsfrist nach § 18 Ziff. 2 MTV zwei Wochen zum Wochenschluß betrug, hätte die Kündigung zum 1. März 1985 (Freitag) spätestens am 15. Februar 1985 ausgesprochen werden müssen. Diese Frist hat die Beklagte verstreichen lassen und die Kündigung am 22. Februar zum nächstmöglichen Zeitpunkt, dem 8. März 1985 ausgesprochen. Im übrigen wäre eine erneute Anhörung nur dann erforderlich gewesen, wenn sich innerhalb dieser Woche der Kündigungssachverhalt wesentlich verändert hätte (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - AP Nr. 14 zu § 102 BetrVG 1972).
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Kündigung auch nicht wegen rechtsmißbräuchlicher Umgehung des § 18 Ziff. 5 MTV unwirksam. Nach dieser Vorschrift könnte allenfalls die anschließend erfolgt erneute Befristung unwirksam sein.
Schließlich bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Sittenwidrigkeit der Kündigung, nachdem die Beklagte - unbestritten - vorgetragen hat, die erneute befristete Einstellung des Klägers am 11. März 1985 habe auf einem überraschend erteilten DDR-Auftrag beruht.
c) Bei den beiden Verträgen vom 11. März 1985 bzw. 26. März 1985 handelt es sich wiederum um endbefristete Verträge, die in keinem Fall von der Regelung des § 18 Ziff. 5 MTV erfaßt werden. Deswegen ist es unerheblich, ob diese befristeten Verträge - evtl. unter Hinzurechnung der Zeit des unbefristeten Arbeitsverhältnisses - den Zeitraum von acht Wochen überschritten haben.
5. Durch die vorliegende Vertragsgestaltung ist auch kein kündigungsrechtlicher Bestandsschutz umgangen worden, nachdem das Arbeitsverhältnis insgesamt die Dauer von sechs Monaten nicht überschritten hat. Umstände, die für das Vorliegen eines besonderen Kündigungsschutzes des Klägers, der auch bei einem Arbeitsverhältnis von weniger als sechs Monaten einen sachlichen Grund für die Befristung erfordern würde (vgl. BAGE 41, 381 = AP Nr. 74 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag), sind nicht vorgetragen. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht auch davon ausgegangen, daß durch die Befristungen nicht das Mitwirkungsrecht des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG umgangen worden ist. Die Mitwirkung des Betriebsrats bei Befristungen ist ausreichend gewahrt, weil Einstellungen aufgrund befristeter Arbeitsverträge gemäß § 99 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen (KR-Hillebrecht, aa0, § 620 BGB Rz 115; Koch, DB 1978, 122; Richardi, NJW 1978, 488).
Hillebrecht Triebfürst Ascheid
Dr. Kirchner Brenne
Fundstellen