Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückgewähr nachvertraglich erbrachter Leistung. Ausschlußfrist
Leitsatz (amtlich)
Der Klageabweisungsantrag des Arbeitgebers in einem Kündigungsschutzrechtsstreit enthält nicht zugleich die nach § 70 BAT-O erforderliche schriftliche Geltendmachung für Ansprüche des Arbeitgebers auf Rückgewähr solcher Leistungen, die er für die Zeit nach der rechtskräftig festgestellten Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtsgrundlos dem Arbeitnehmer erbracht hat.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 2-3; ZPO § 717 Abs. 3; BAT-O § 70
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers und die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 24. Juni 1997 – 9 Sa 594/96 – aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt.
Der 1933 geborene Beklagte war seit 1960 an der Klinik für Augenkrankheiten der Universität … als Optiker und Leiter der Abteilung “Kontaktlinsen” beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis waren zuletzt vereinbarungsgemäß die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages-Ost (BAT-O) anzuwenden. Nach § 70 BAT-O sind Ansprüche des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis binnen 6 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Anderenfalls verfallen sie.
Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis des Beklagten schriftlich zum 31. Dezember 1991. Das Kreisgericht gab der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage des Beklagten statt und stellte den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 1991 hinaus fest. Die Berufung des Klägers wurde durch Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 26. August 1992 zurückgewiesen. Auf die Anschlußberufung des Beklagten wurde der Kläger verurteilt, an den Beklagten für die Monate Januar 1992 bis Juni 1992 22.125,12 DM brutto sowie 1.226,19 DM netto (Sonderzahlung 1991) nebst Zinsen zu zahlen. Einen Antrag auf Weiterbeschäftigung hatte der Beklagte nicht gestellt. Auf die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des Klägers hat das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 26. August 1993 das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 8. Februar 1994 abgewiesen und die Anschlußberufung des Beklagten zurückgewiesen. Das den Prozeßbevollmächtigten am 4. Mai 1994 zugestellte Urteil ist rechtskräftig geworden.
Nachdem der Beklagte den Kläger im Dezember 1992 unter Androhung der Zwangsvollstreckung zur Zahlung des durch Urteil des Landesarbeitsgerichts zuerkannten Betrags aufgefordert hatte, teilte der Kläger, vertreten durch den Kanzler der Universität, dem Beklagten im Januar 1993 schriftlich mit:
“im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst beurlaube ich Sie hiermit unter Fortzahlung der Bezüge mit sofortiger Wirkung von Ihren Dienstpflichten als Leiter eines Arbeitsbereiches der Klinik Augenkrankheiten an der Medizinischen Fakultät der Universität …. Diese Beurlaubung gilt bis auf Widerruf oder bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem laufenden Arbeitsgerichtsverfahren.”
Im Februar 1993 informierte das Landesamt für Finanzen den Beklagten, auf der Grundlage des Urteils des Landesarbeitsgerichts, das bei der Behörde am 4. Februar 1993 eingegangen sei, werde eine sofortige Abschlagszahlung erfolgen. Dem Beklagten wurden dementsprechend im Februar 6.000,00 DM überwiesen. In der dem Beklagten übersandten Verdienstmitteilung vom 1. März 1993 heißt es:
“Ab 1.1.1992 Wiederaufnahme der Zahlung Ihrer Bezüge nach vorausgegangenem Wegfall ab 1.1.1992 wegen laufendem Gerichtsverfahren. Abschlagszahlung.”
Im Mai 1993 wurden dem Beklagten für den Abrechnungszeitraum Januar 1992 bis Mai 1993 weitere 23.216,57 DM überwiesen. Außerdem erstattete der Kläger der Bundesanstalt für Arbeit das dem Beklagten für die Zeit vom 24. Januar 1992 bis 27. Februar 1993 gezahlte Arbeitslosengeld von 22.048,80 DM zzgl. der von der Arbeitsverwaltung entrichteten Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung. Von Juni 1993 bis einschließlich Juni 1994 zahlte der Kläger dem Beklagten Vergütung nach der VergGr. IIa BAT-O. Der Kläger führte in dieser Zeit die gesetzlichen Beiträge zur Sozialversicherung und die Lohnsteuer ab. Die an das Finanzamt abgeführte Lohnsteuer betrug für die Monate Januar 1992 bis Dezember 1993 23.491,30 DM.
Mit Schreiben vom 14. Juni 1994 kündigte der Kläger, vertreten durch den Verwaltungsdirektor Bereich Medizin der Universität, “vorsorglich” ordentlich gem. § 53 BAT zum 31. Dezember 1994. In dem Schreiben heißt es weiter:
“Im übrigen stelle ich fest, daß Sie den gem. § 11 Kündigungsschutzgesetz vorgeschriebenen Einkommensnachweis bisher nicht geführt haben. Dies bitte ich durch Vorlage der Einkommenssteuerbescheide 1992 und 1993 bis 15.07.1994 nachzuholen. Ausdrücklich erkläre ich, daß die Fortzahlung der Bezüge während Ihrer Beurlaubung unter dem Vorbehalt stand und steht, daß Sie kein Einkommen durch anderweitige Arbeit, öffentlich-rechtliche Leistungen usw. erhalten.”
Mit der am 15. Juli 1995 erhobenen Klage hat der Kläger den Beklagten auf Rückzahlung des geleisteten Nettoarbeitsentgelts von 86.771,13 DM sowie auf Erstattung der an das Finanzamt abgeführten Lohnsteuer in Anspruch genommen. Der Beklagte sei um diese Leistungen ungerechtfertigt bereichert. Die in § 70 BAT-O bestimmte Ausschlußfrist habe er gewahrt, da er den Beklagten nicht erst durch Schreiben vom 20. Dezember 1994 zur Zahlung aufgefordert habe, sondern bereits durch Schreiben vom 6. Juli und 5. August 1994.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 110.262,43 DM nebst 6,1 % Zinsen hieraus seit 20. Dezember 1994 zu bezahlen.
Der Beklagte hat beantragt, den Kläger mit der Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Beklagten zur Rückzahlung der für die Monate Januar 1992 bis Februar 1993 einschließlich erhaltenen Beträge zzgl. der abgeführten Lohnsteuer, insgesamt in Höhe von 39.783,37 DM nebst 6,1 % Zinsen seit dem 20. Dezember 1994 verurteilt und im übrigen die Klage abgewiesen. Hiergegen richten sich die vom Landesarbeitsgericht für beide Parteien zugelassenen Revisionen des Klägers und des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen beider Parteien sind begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, daß der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückgewähr der erbrachten Leistungen erworben hat. Es hat aber rechtsfehlerhaft den Beklagten wegen der für den Zeitraum März 1993 bis Juni 1994 erlangten Nettoentgelte als entreichert angesehen. Wegen der Erstattung abgeführter Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung ist der Kläger nicht auf den Sozialversicherungsträger zu verweisen. Die Revision des Klägers hat deshalb Erfolg.
Die Revision des Beklagten ist begründet, weil das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft angenommen hat, der Kläger habe mit den im Vorprozeß gestellten Klageabweisungsanträgen seine Ansprüche fristwahrend im Sinne von § 70 BAT-O geltend gemacht. Für beide Revisionen kommt es auf die Wahrung der Ausschlußfrist durch den Kläger an. Die hierzu vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen lassen keine Endentscheidung durch den Senat zu. Beide Revisionen führen deshalb zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
- Die Revisionen der Parteien sind zulässig. Das gilt auch für die Revision des Beklagten. Zwar setzt sich diese nicht mit den gesamten Urteilsgründen auseinander, sondern knüpft nur an die Rechtsfrage an, ob der Kläger die Ausschlußfrist von § 70 BAT-O gewahrt hat. Diese auf Verletzung der Verfallklausel gestützte Rüge genügt jedoch als Revisionsbegründung. Der Beklagte stellt damit das gesamte Urteil in Frage. Denn das Landesarbeitsgericht hat hinsichtlich der Verfallfrist nicht zwischen den verschiedenen Zeiträumen, für die der Kläger Zahlungen geleistet hat und die er nunmehr zurückverlangt, unterschieden. Die vom Kläger für die seiner Ansicht nach unzureichende Revisionsbegründung des Beklagten angezogene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 11. März 1998 – 2 AZR 497/97 – AP Nr. 49 zu § 519 ZPO, auch zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen) ist nicht einschlägig. Sie betrifft ein Rechtsmittel, das sich nur mit einer vom angegriffenen Urteil gegebenen Begründung befaßt, obwohl das Urteil auf mehrere selbständige tragenden Begründungen gestützt ist.
Der vom Kläger erhobene Anspruch ist in Höhe des Klagebetrags von 110.262,43 DM entstanden. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt.
- Der Kläger ist an der Rechtsverfolgung seiner Ansprüche entgegen der Auffassung des Beklagten nicht wegen Rechtsmißbrauchs gehindert. Der Kläger handelt nicht widersprüchlich, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Beklagten die Rückgewähr der nach Maßgabe des Schreibens vom 20. Januar 1993 rechtsgrundlos erbrachten Leistungen verlangt.
Den danach entstandenen Ansprüchen des Klägers stehen sozialrechtliche Vorschriften nicht entgegen.
- Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, bei Lohnrückzahlungen könne der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht auf Erstattung von Arbeitnehmerbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen. Es stehe lediglich das Erstattungsverfahren gegen den Sozialversicherungsträger nach § 26 Abs. 2 und Abs. 3 SGB IV zur Verfügung. Bereicherungsrecht könne nicht ergänzend herangezogen werden.
- Ob dem zuzustimmen ist, kann offen bleiben. Die Frage stellt sich hier nicht, weil die Klage ausschließlich die dem Beklagten tatsächlich zugeflossenen Leistungen, also Nettoentgelte, sowie die an das Finanzamt abgeführte Lohnsteuer betrifft. Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung enthält die Klageforderung nicht. Das ergibt sich aus dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt und dem rechnerischen Ergebnis der aufgeführten Zahlungen. Zu einer Beitragsentrichtung an den Sozialversicherungsträger hatte der Kläger im übrigen auch keinen Anlaß, da das dem Beklagten gezahlte Gehalt die in § 18 SGB IV festgelegten Beitragsbemessungsgrenzen überstieg und damit nach § 257 SGB V nur Anspruch auf einen Zuschuß des Arbeitgebers bestand.
Der Anspruch des Klägers ist nicht aufgrund der vom Beklagten erhobenen Einrede des Wegfalls der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) entfallen.
Der Senat kann über die Revision des Klägers nicht abschließend entscheiden, weil nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht beurteilt werden kann, ob der Kläger die Ausschlußfrist des § 70 BAT-O gewahrt hat. Dieser Umstand steht auch der abschließenden Entscheidung über die Revision des Beklagten entgegen, der die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts insoweit zu Recht rügt.
Die vom Kläger geltend gemachten Rückzahlungsansprüche unterliegen der tariflichen Verfallklausel, wonach Angestellte und Arbeitgeber “Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend machen müssen, anderenfalls verfallen sie.
Ausschlußfristen, die für “Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” gelten, erfassen jeden Anspruch, den die Arbeitsvertragsparteien in sachlichem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gegeneinander haben. Einbezogen sind damit auch gesetzliche Ansprüche auf Rückgewähr rechtsgrundlos erbrachter Leistungen des Arbeitgebers. Das gilt unabhängig davon, ob der Rückzahlungsanspruch aus Überzahlungen während oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses herrührt (BAG Urteil vom 11. Juni 1980 – 4 AZR 443/78 – AP Nr. 7 zu § 70 BAT). Unerheblich ist auch, ob die Überzahlung auf Versehen des Arbeitgebers beruht oder ob er bewußt zur Abwehr der Vollstreckung und zur Vermeidung weiterer auf Vorschriften über den Annahmeverzug gestützten Gehaltsklagen leistet.
Etwas anderes gilt nicht für den auf § 717 Abs. 3 ZPO gestützten Rückforderungsanspruch des Arbeitgebers. Dieser gesetzliche Anspruch unterscheidet sich zwar vom gesetzlichen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung dadurch, daß ihm ein vorläufig vollstreckbarer Titel zugrunde liegt. Sein sachlicher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis wird dadurch aber nicht aufgehoben. Dem steht die Entscheidung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Februar 1994 (– 5 AZR 415/93 – n.v.) nicht entgegen. Dort hatte der Fünfte Senat die Anwendung der einschlägigen Verfallklausel für den Sonderfall verneint, daß der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber versehentlich veranlaßte Doppelzahlung einer in einem Prozeßvergleich vereinbarten Summe unmittelbar bemerkt hat.
Ob der Kläger die Ausschlußfrist gewahrt hat und der Klage damit in vollem Umfange stattzugeben ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden, weil die vom Kläger im Vorprozeß gestellten Anträge auf Klageabweisung nicht geeignet waren, die Ausschlußfrist des § 70 BAT-O für die hier verlangte Rückzahlung der geleisteten Entgelte zu wahren.
Der Anspruch des Klägers kann nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht wegen Versäumung der Verfallfrist ausgeschlossen werden. Das Urteil des Landesarbeitsgericht erweist sich damit nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
- Die in § 70 BAT-O bestimmte Verfallfrist beginnt mit “Fälligkeit” des jeweiligen Anspruchs. Der Begriff wird im Tarifvertrag nicht näher erläutert. Deshalb ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien ihn im allgemein üblichen Sinn verwenden. Nach § 271 Satz 1 BGB wird eine Forderung fällig, sobald der Gläubiger seinen Anspruch geltend machen kann. Regelmäßig ist das dann der Fall, wenn der Anspruch entsteht. Ein Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung versehentlich zuviel gezahlten Arbeitsentgelts wird deshalb regelmäßig im Zeitpunkt der Überzahlung fällig, weil von diesem Zeitpunkt an die zuviel gezahlte Summe zurückverlangt werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG Urteil vom 14. September 1994 – 5 AZR 407/93 – AP Nr. 127 zu § 4 TVG Ausschlußfristen).
- Das gilt hier aber nicht. Eine versehentliche Überzahlung liegt nicht vor. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger die Zahlung der Dienstbezüge aufgenommen, um die angedrohte Zwangsvollstreckung abzuwehren und zugleich weitere Gehaltsklagen zu vermeiden. Das Bestehen von Ansprüchen des Beklagten auf diese Leistungen und damit auch das Bestehen von Ansprüchen des Klägers auf Rückgewähr konnte von beiden Parteien erst mit der rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutz- und Zahlungsrechtsstreits beurteilt werden. Die für die Rückforderungsansprüche des Klägers geltende Ausschlußfrist begann deshalb mit Rechtskraft dieses Urteils. Die Parteien beurteilen diese Frage zu Recht nicht anders. Dem steht die Entscheidung des Fünften Senats vom 27. März 1996 (– 5 AZR 336/94 – BAGE 82, 327 = AP Nr. 26 zu § 70 BAT) nicht entgegen. Sie betrifft einen einseitig vom Arbeitgeber erklärten Vorbehalt zu Überzahlungen im bestehenden Arbeitsverhältnis, die der Arbeitgeber wegen einer Änderung tariflicher Eingruppierungsvorschriften und sich daraus ergebenden möglichen Ansprüchen des Angestellten auf eine höhere Vergütung erbringt.
- Das Urteil im Kündigungsschutzrechtsstreit ist dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 4. Mai 1994 zugestellt worden. Auch wenn die Frist von einem Monat zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72a Abs. 2 ArbGG) berücksichtigt wird, lag der Zugang des Geltendmachungsschreibens des Klägers vom 20. Dezember 1994, das den Beklagten unstreitig erreicht hat, außerhalb der Frist von sechs Monaten. Dieses Schreiben war danach nicht geeignet, den Verfall der Ansprüche zu verhindern. Wann das Urteil intern dem für die Berechnung und Zahlbarmachung von Zahlungen sowie Geltendmachung von Ansprüchen zuständigen Landesamt für Finanzen zugeleitet worden ist, ist demgegenüber unbeachtlich. Von derartigen Zufälligkeiten hängt der Lauf einer tariflichen Ausschlußfrist nicht ab.
Gleichwohl erlaubt dies keine Endentscheidung des Senats, weil nach dem Vorbringen des Klägers von einer rechtzeitigen Geltendmachung auszugehen ist.
Danach hat der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 6. Juli 1994 und vom 5. August 1994 aufgefordert, die für die Zeit nach dem 31. Dezember 1991 erhaltenen Leistungen zurückzuzahlen. Inhaltlich sind diese Schreiben als ausreichende Geltendmachung im Sinne von § 70 BAT-O anzusehen. Der Kläger hat für seine vom Beklagten bestrittene Behauptung, die Schreiben seien diesem zugegangen, ordnungsgemäß Beweis angeboten durch Parteivernehmung des Beklagten und durch Zeugnis der für den Inhalt und die Absendung der Schreiben verantwortlichen Mitarbeiterinnen des Klägers. Das Beweisangebot erstreckt sich auch auf die Behauptung des Klägers, keines dieser Schreiben sei an den Absender – hier das Landesamt für Finanzen – zurückgelangt. Ob die Behauptung des Klägers zutrifft, hat das Landesarbeitsgericht ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig nicht geprüft.
Das Landesarbeitsgericht wird bei seiner erneuten Verhandlung diese Frage aufzuklären und die vom Kläger angebotenen Beweise zu erheben haben. Es wird sich nach Maßgabe von § 286 ZPO davon überzeugen müssen, ob die Behauptung des Klägers zum Zugang als wahr oder unwahr anzusehen ist. Hierbei wird es ggf. auch zu berücksichtigten haben, daß den Beklagten nach seiner Behauptung lediglich diese beiden Schreiben nicht erreicht haben sollen, während der Zugang aller anderen Schreiben des Klägers, die Gegenstand des Rechtsstreits sind, nicht bestritten ist.
Gelangt das Landesarbeitsgericht zur Überzeugung, der Kläger habe seine Ansprüche fristgerecht geltend gemacht, wird es zu beachten haben, daß mit einer schriftlichen Geltendmachung der Hauptforderung regelmäßig nur der gesetzliche Zinssatz von 4 % (§ 288 Abs. 1 BGB) als geltendgemacht gilt. Den Schreiben des Klägers vom 6. Juli 1994 und vom 5. August 1994 läßt sich die Geltendmachung einer höheren Zinsforderung nicht entnehmen. Die Forderung von 6,1 % Zinsen findet sich erstmals in der Klageschrift. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.
Unterschriften
Leinemann, Reinecke, Otto, Schodde
zugleich für den infolge Urlaubs verhinderten Richter Düwell
Leinemann
Fundstellen
Haufe-Index 871683 |
BB 1999, 1716 |
DB 1999, 1964 |
FA 1999, 299 |
FA 1999, 332 |
NZA 1999, 1040 |
ZTR 1999, 469 |
AP, 0 |
AuA 1999, 525 |
NJ 1999, 664 |
PersR 1999, 417 |
RiA 2000, 64 |