Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung. Urlaubsabgeltung und Übertragungsgründe. Urlaubsrecht
Orientierungssatz
- Endet das Arbeitsverhältnis, so hat der Arbeitgeber den noch nicht genommenen Erholungsurlaub nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Dieser Abgeltungsanspruch setzt voraus, daß der Urlaub noch vor Ablauf des Kalenderjahres oder infolge Übertragung nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG bis zum 31. März des Folgejahres hätte gewährt werden können.
Eine vertragliche Regelung, die
- bestimmt, daß der Urlaubsanspruch spätestens am 31. März des folgenden Jahres erlischt und
- auf eine tarifliche Regelung verweist, die ihrerseits auf das BUrlG Bezug nimmt,
enthält keine von § 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 BUrlG abweichende Übertragungsregelung. Fehlen gesetzliche Übertragungsgründe, geht der bis zum Ende des laufenden Jahres nicht in Anspruch genommene Urlaub unter.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 3-4; Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Hessen, Fassungen vom 10. Dezember 1996 und vom 6. Oktober 2000, § 13
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 21. August 2002 – 6 Sa 1391/01 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revision noch über eine Abgeltung von zehn Urlaubstagen aus dem Jahre 2000.
Der Kläger war bei der Beklagten, die Restaurants betreibt, und ihren Rechtsvorgängerinnen seit dem 1. Oktober 1994 als Schichtführer des Bereiches “Operations” in Hessen tätig. Dem Arbeitsverhältnis lag zuletzt der Arbeitsvertrag vom 21. September 1995 zugrunde, der ua. folgendes bestimmte:
“…
5. Sie haben in jedem Jahr Anspruch auf einen zusammenhängenden Erholungsurlaub, der auf der Basis der derzeitigen tariflichen Bestimmungen bis auf weiteres 26 Arbeitstage beträgt. Der Urlaubsantritt richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen; das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
Der Urlaubsanspruch erlischt spätestens am 31. März des folgenden Jahres. …
11. …
Soweit in diesem Vertrag keine besonderen Vereinbarungen getroffen werden, finden die Bestimmungen der jeweils gültigen Tarifverträge im Hotel- und Gaststättengewerbe Anwendung.
…”
Der Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Hessen vom 10. Dezember 1996 (MTV 1996), gültig ab 1. Januar 1997 bis 31. Dezember 2000 regelte den Urlaub wie folgt:
“
§ 13
Urlaub
Es gilt das Bundesurlaubsgesetz mit folgenden Abweichungen:
1. Die Höhe des Jahresurlaubs ergibt sich aus der nachstehenden Tabelle. …
2. Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Der Urlaub wird jeweils für ein volles Kalenderjahr gewährt.
Im Jahr des Eintritts oder Austritts erhält der Arbeitnehmer so viele Zwölftel seines Jahresurlaubs, als sein Arbeitsverhältnis volle Monate während des Urlaubsjahres bestanden hat, auch wenn die Wartezeit nicht erfüllt ist. Mit mehr als 14 Tagen angebrochene Monate gelten als volle Monate. Der gesetzliche Urlaubsanspruch wird hiervon nicht berührt.
…”
Nach der Tabelle in § 13 Nr. 1 MTV 1996 betrug der Urlaubsanspruch vom sechsten bis neunten Beschäftigungsjahr 29 Arbeitstage. Nach § 13 Nr. 2 Abs. 3 MTV 1996 galt als Beschäftigungsjahr das Kalenderjahr und als erstes Beschäftigungsjahr das Kalenderjahr des Eintritts.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2000, dem Kläger zugegangen am 6. Dezember 2000, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich. Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage hat das Landesarbeitsgericht im vorliegenden Verfahren rechtskräftig abgewiesen.
Mit seiner Klage vom 11. Dezember 2000, beim Arbeitsgericht eingegangen am 14. Dezember 2000 und der Beklagten zugestellt am 27. Dezember 2000, hat der Kläger zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm 26 Urlaubstage für das Jahr 2000 zu gewähren. Im Kammertermin am 22. Mai 2001 hat der Kläger ergänzend hilfsweise beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn in der Höhe rechnerisch unstreitige 3.728,40 DM Urlaubsabgeltung für 26 Urlaubstage zu zahlen.
Der Kläger macht geltend, Übertragungsgründe seien wegen der zwischen den Parteien getroffenen vertraglichen Vereinbarung nicht erforderlich.
Der Kläger hat zuletzt – soweit hier von Interesse – beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.728,40 DM brutto Urlaubsabgeltung zu zahlen,
- hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihm den Jahresurlaub für 2000 in Höhe von 26 Urlaubstagen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, daß dem Kläger 26 Urlaubstage zustünden. Jedenfalls habe er keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Gründe, den Urlaub aus dem Jahre 2000 in das Jahr 2001 zu übertragen, lägen nicht vor.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die dagegen gerichtete Berufung hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert. Es hat einen Urlaubsabgeltungsanspruch nur für so viele Tage für begründet gehalten, als gerechnet mit dem Zugang der außerordentlichen Kündigung, der Kläger noch im Jahre 2000 hätte arbeiten müssen. Es hat dazu festgestellt, daß 16 Arbeitstage angefallen wären. Auf dieser Grundlage hat es dem Kläger eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.294,40 DM = 1.173,11 Euro zugesprochen. Hinsichtlich der Abgeltung für weitere zehn Arbeitstage hat es die Klage in Höhe von 1.434,00 DM = 733,19 Euro abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung für weitere zehn Urlaubstage oder auf Gewährung von zehn Tagen Urlaub zu. Der Kläger hat im Jahre 2000 einen Urlaubsanspruch von jedenfalls die dem Klageantrag zugrunde liegenden 26 Urlaubstage erworben. Für 16 Tage hat das Landesarbeitsgericht ihm Urlaubsabgeltung zugesprochen. Für die restlichen zehn Urlaubstage kommt keine Abgeltung in Betracht. Sie sind nach der gesetzlichen Regelung und den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien verfallen. Deshalb sind sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag unbegründet. Im Einzelnen gilt folgendes:
1. Im Ergebnis zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß der Kläger für das Jahr 2000 jedenfalls einen Urlaubsanspruch von 26 Arbeitstagen erworben hat. Nr. 5 Satz 1 des Arbeitsvertrages legt den Urlaub “bis auf weiteres” auf 26 Arbeitstage fest und nimmt dabei die “derzeitigen tariflichen Bestimmungen” in Bezug. Daraus wird deutlich, daß sich die Dauer des Urlaubs nach den jeweiligen tariflichen Bestimmungen richten sollte. Damit stand dem Kläger für das gesamte Kalenderjahr 2000 auf Grund der Regelungen im MTV 1996 ein kalenderjährlicher Urlaub von 29 Arbeitstagen zu. Auf Grund der Zwölftelungsregelung in § 13 Nr. 2 Abs. 2 des MTV 1996 standen ihm auf Grund seines Ausscheidens am 6. Dezember 2000 11/12 dieses Urlaubs zu. Der gesetzliche Urlaubsanspruch von 24 Werktagen kalenderjährlich (§ 3 BUrlG) wird nicht unterschritten.
2. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger rechtskräftig Urlaubsabgeltung für 16 Arbeitstage Urlaub zugesprochen. In der Revision wird damit noch um zehn Urlaubstage gestritten, hinsichtlich derer der Kläger Urlaubsabgeltung, hilfsweise Urlaubsgewährung begehrt. Insoweit steht dem Kläger weder nach der Systematik des BUrlG, noch nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ein Anspruch zu.
a) Nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist Urlaub, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, abzugelten. Durch diese Bestimmung wird der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch, ohne daß es dafür weiterer Handlungen des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers bedürfte, in einen Abgeltungsanspruch umgewandelt. Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht als Ersatz für die wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr mögliche Befreiung von der Arbeitspflicht und nicht als Abfindungsanspruch, für den es auf urlaubsrechtliche Merkmale wie Bestand und Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs nicht mehr ankäme. Abgesehen von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Abgeltungsanspruch deshalb an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie der Urlaubsanspruch (zB Senat 17. Januar 1995 – 9 AZR 664/93 – BAGE 79, 92). Hätte der Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf des Urlaubsjahres nur teilweise gewährt werden können und liegen keine Übertragungsgründe vor, ist der Urlaub nur in dem Teil, wie er hätte gewährt werden können, abzugelten (vgl. Senat 7. Dezember 1993 – 9 AZR 683/92 – BAGE 75, 171).
b) Eine Abgeltung von Urlaub über die rechtskräftige Verurteilung durch das Landesarbeitsgericht hinaus kommt danach nicht in Betracht. Nach dem BUrlG steht dem Kläger für das Jahr 2000 kein Urlaubsanspruch mehr zu. Da keine Übertragungsgründe vorlagen, ist der Urlaub mit dem Ende des Kalenderjahres verfallen. Aus dem Arbeitsvertrag der Parteien ergibt sich nichts anderes.
aa) Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG muß der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des folgenden Kalenderjahres ist nur dann statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen (§ 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 BUrlG). Liegen derartige Übertragungsgründe nicht vor, besteht ein Urlaubsanspruch lediglich noch insoweit, als er im Urlaubsjahr gewährt werden kann. Im übrigen verfällt er (vgl. Senat 24. November 1992 – 9 AZR 549/91 – AP BUrlG § 1 Nr. 23 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 102).
Der Kläger hat nicht vorgetragen, daß Gründe für die Übertragung des Urlaubs aus dem Jahre 2000 in das Jahr 2001 vorlagen. Zum Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses hatte er deshalb nur noch insoweit einen Urlaubsanspruch, als dieser Urlaub im Jahre 2000 gewährbar war. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenenFeststellungen des Landesarbeitsgerichts, die für den Senat verbindlich sind (§ 559 Abs. 2 ZPO), waren dies lediglich 16 Arbeitstage. Die noch streitbefangenen weiteren zehn Urlaubstage konnten dem Kläger im Jahre 2000 nicht mehr gewährt werden.
bb) Weitergehende Ansprüche ergeben sich auch nicht aus der vertraglichen Vereinbarung der Parteien.
Das Landesarbeitsgericht hat diese Vereinbarung nicht ausgelegt. Unabhängig davon, ob es sich um eine typische oder um eine atypische Vereinbarung handelt, kann der Senat die Auslegung selber vornehmen. Auf die Feststellung besonderer Umstände des Einzelfalles kommt es hier nicht an (vgl. Senat 9. November 1993 – 9 AZR 494/91 –; BAG 28. Februar 1990 – 7 AZR 143/89 – BAGE 64, 220; 17. Mai 1984 – 2 AZR 161/83 – AP BAT § 55 Nr. 3).
Nach dem Arbeitsvertrag erlischt der Urlaubsanspruch “spätestens” am 31. März des Folgejahres. Aus dem Wort spätestens ergibt sich, daß auch ein früheres Erlöschen des Urlaubsanspruchs möglich ist. Wann dies der Fall ist, ist im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich geregelt. Es kommt deshalb die Verweisung nach Nr. 11 des Arbeitsvertrages auf die jeweils gültigen Tarifverträge im Hotel- und Gaststättengewerbe zur Anwendung. Das sind für den Arbeitsort des Klägers die Manteltarifverträge für das Hotel- und Gaststättengewerbe im Lande Hessen. Sowohl der noch im Jahre 2000 geltende MTV 1996, als auch der im Jahre 2001 geltende MTV 2000 verweisen in § 13 auf das Bundesurlaubsgesetz und damit auch auf die dort anwendbaren Verfallsregeln. Danach ist – wie dargelegt – der Urlaubsanspruch verfallen.
Gegen diesen Rückgriff auf die tarifvertragliche und damit die gesetzliche Regelung kann entgegen der vom Kläger in der Revisionsverhandlung geäußerten Ansicht auch nicht eingewandt werden, die vertragliche Regelung über den Verfall des Urlaubs spätestens mit dem 31. März des Folgejahres sei dann überflüssig. Diese Regelung hat nur eine deklaratorische Funktion. Sie weist den Arbeitnehmer auf einen möglichen Verfall hin und gibt ihm Anlaß, durch rechtzeitige Inanspruchnahme des Urlaubs dem Verfall entgegenzuwirken. Eine derartige deklaratorische Regelung haben die Parteien im übrigen auch gewählt, als sie hinsichtlich der Dauer des Erholungsurlaubs die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus ihrer Sicht maßgebliche Zahl der tariflich festgelegten Urlaubstage in den Vertrag aufgenommen haben.
Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 7. November 1985 (– 6 AZR 62/84 – BAGE 50, 112). Die Entscheidung ist nicht zu einer tariflichen Regelung ergangen, die den gleichen Wortlaut wie der Arbeitsvertrag der Parteien hat. In der dort auszulegenden Regelung hieß es, der “Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres”. Das für die Auslegung hier entscheidende Wort “spätestens” fehlte dort.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Unterschriften
Düwell, Reinecke, Zwanziger, Benrath, Otto
Fundstellen
BB 2005, 2015 |
NZA 2004, 1352 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 8 |
EzA |
NJOZ 2006, 1113 |