Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsicherung für Vorhandwerkerzulage
Leitsatz (amtlich)
Eine Rationalisierungsmaßnahme führt zu einem Wechsel der Beschäftigung iSv. § 1 Abs. 1 Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9. Januar 1987, wenn dem von der Rationalisierungsmaßnahme betroffenen Arbeiter eine neue, andere Tätigkeit übertragen wird. Darauf, ob dies im Wege des Direktionsrechts erfolgt oder durch Änderungskündigung, kommt es nicht an(Aufgabe der Senatsrechtsprechung aus dem Urteil vom 15. Oktober 1992 – 6 AZR 342/91 – AP MTB II Nr. 2).
Normenkette
Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9. Januar 1987 § 1 Abs. 1; Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9. Januar 1987 § 3 Abs. 1 bis; Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9. Januar 1987 § 3 Abs. 3; Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9. Januar 1987 § 6 Abs. 1; Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9. Januar 1987 § 6 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 4. Februar 1999 – 3 Sa 2437/97 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 7. Oktober 1997 – 3 Ca 955/96 – abgeändert.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. August 1996 DM 387,53 brutto monatlich als Teil des Sicherungsbetrages gemäß § 6 des Tarifvertrages über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9. Januar 1987 zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten Lohnsicherung nach dem Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9. Januar 1987 (TV RatArb).
Der der Gewerkschaft ÖTV angehörende Kläger ist im System-Instandsetzungs-Zentrum der Beklagten in D. als Arbeiter beschäftigt. Die Beklagte bestellte den Kläger mit Wirkung vom 1. Februar 1971 bis auf Widerruf zum Gruppenführer/Vorhandwerker und zahlte ihm hierfür eine Vorhandwerkerzulage in Höhe von 12 % des Monatstabellenlohns der Lohngruppe 4 Lohnstufe 4. Im Juli 1996 betrug die Zulage 387,53 DM brutto monatlich. Mit Schreiben vom 15. Juli 1996 widerrief die Beklagte zum 31. Juli 1996 die Bestellung zum Vorhandwerker. Als Begründung teilte sie mit, auf Grund einer organisatorischen Maßnahme „im Rahmen der auf wirtschaftliche Leistungserbringung ausgerichteten internen Optimierung” scheide eine künftige Weiterverwendung des Klägers als Vorhandwerker aus. Zum 1. August 1996 faßte die Beklagte die bisherigen Meisterbereiche Teileinheit Optik und Teileinheit Optronik zu einem Meisterbereich zusammen. Gleichzeitig wurde die dem Kläger zugeordnete Vorhandwerkergruppe aufgelöst; der Kläger und die anderen Handwerker seiner Gruppe wurden den beiden verbleibenden Vorhandwerkergruppen zugeordnet. Im August 1996 zahlte die Beklagte noch eine anteilige Vorhandwerkerzulage in Höhe von 211,44 DM brutto und stellte die Zahlung der Zulage vier Wochen nach dem Widerruf endgültig ein. Mit Schreiben vom 12. September 1996 lehnte die Beklagte die vom Kläger begehrte Weiterzahlung der Zulage ab.
Im TV RatArb heißt es:
„§ 1
Begriffsbestimmung
(1) Rationalisierungsmaßnahmen im Sinne dieses Tarifvertrages sind vom Arbeitgeber veranlaßte erhebliche Änderungen der Arbeitstechnik oder wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise, wenn diese Maßnahmen für Arbeiter zu einem Wechsel der Beschäftigung oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen.
Unter den Voraussetzungen des Unterabsatzes 1 kommen als Maßnahmen z.B. in Betracht:
- Stillegung oder Auflösung einer Verwaltung/eines Betriebes bzw. eines Verwaltungs-/Betriebsteils,
- Verlegung oder Ausgliederung einer Verwaltung/eines Betriebes bzw. eines Verwaltungs-/Betriebsteils,
- Zusammenlegung von Verwaltungen/Betrieben bzw. von Verwaltungs-/Betriebsteilen,
- Verlagerung von Aufgaben zwischen Verwaltungen/Betrieben,
- Einführung anderer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren, auch soweit sie durch Nutzung technischer Veränderungen bedingt sind.
…
Protokollnotizen zu Absatz 1:
1. Ob eine Änderung erheblich bzw. wesentlich ist, ist von der Auswirkung der Maßnahme her zu beurteilen.
…
Eine Änderung, die für die gesamte Verwaltung bzw. den gesamten Betrieb nicht erheblich bzw. nicht wesentlich ist, kann für einen Verwaltungs- bzw. Betriebsteil erheblich bzw. wesentlich sein.
Ist die Änderung erheblich bzw. wesentlich, ist es nicht erforderlich, daß sie für mehrere Arbeiter zu einem Wechsel der Beschäftigung oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt.
…
§ 3
Arbeitsplatzsicherung
(1) Der Arbeitgeber ist dem von einer Rationalisierungsmaßnahme im Sinne des § 1 betroffenen Arbeiter nach den Absätzen 2 bis 5 zur Arbeitsplatzsicherung verpflichtet.
…
(2) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeiter einen mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz zu sichern.
Ein Arbeitsplatz ist gleichwertig im Sinne des Unterabsatzes 1, wenn sich durch die neue Tätigkeit die bisherige Einreihung nicht ändert und der Arbeiter in der neuen Tätigkeit vollbeschäftigt bzw. im bisherigen Umfang nicht vollbeschäftigt bleibt.
…
(3) Kann dem Arbeiter kein Arbeitsplatz im Sinne des Absatzes 2 zur Verfügung gestellt werden, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeiter einen anderen Arbeitsplatz anzubieten. Absatz 2 Unterabs. 3 und 4 gilt entsprechend.
…
§ 6
Lohnsicherung
(1) Ergibt sich in den Fällen des § 3 Abs. 2 und 3 eine Lohnminderung, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeiter den Lohn auf der Grundlage des Sicherungsbetrages (Absatz 2) zu wahren.
(2) Der Sicherungsbetrag setzt sich zusammen aus
- dem Monatstabellenlohn (§ 21 Abs. 3 MTB II/MTL II),
- den in der Protokollnotiz Nr. 1 genannten Zulagen, die der Arbeiter für dieselbe Tätigkeit mindestens die letzten drei Jahre vor dem in Absatz 3 Unterabs. 2 genannten Tag ununterbrochen bezogen hat,
…
Protokollnotizen zu Absatz 2:
1. Zulagen im Sinne des Buchstaben b erster Halbsatz sind:
Vorarbeiter-, Vorhandwerker- und Lehrgesellenzulagen nach §§ 3 und 4 des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnis zum MTB II vom 11. Juli 1966 bzw. Vorarbeiterzulagen nach § 3 des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnis zum MTL II vom 11. Juli 1966,
…”
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde ihm Lohnsicherung gemäß § 6 TV RatArb in Höhe der zuletzt gezahlten Vorhandwerkerzulage. Der Widerruf der Bestellung zum Vorhandwerker sei ausschließlich auf Grund einer Rationalisierungsmaßnahme erfolgt. Die Entziehung der Vorhandwerkertätigkeit stelle einen Wechsel der Beschäftigung dar. Seine Aufgabe sei eine andere als vorher, da ihm keine Handwerkergruppe mehr unterstehe, deren Einsatz er zu leiten habe. Die Übertragung einer neuen Tätigkeit sei für einen Wechsel der Beschäftigung nicht erforderlich. Die erforderliche Lohnminderung könne auch in dem Wegfall der Vorhandwerkerzulage liegen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist, dem Kläger ab 1. September 1996 DM 387,53 brutto monatlich als Teil des Sicherungsbetrages gem. § 6 des Tarifvertrages über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9. Januar 1987 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Umstrukturierung sei keine Rationalisierungsmaßnahme iSd. TV RatArb gewesen. Zwar seien die bisher zur Gruppe des Klägers gehörenden Handwerker den anderen Vorhandwerkergruppen zugeteilt worden; es seien aber weder Arbeitsplätze im Handwerksbereich weggefallen noch habe sich die Tätigkeit der Handwerker geändert. Der Wegfall der Vorhandwerkertätigkeit führe für den Kläger auch nicht zu einem Wechsel der Beschäftigung. Ein solcher Wechsel liege nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer einen ihm nach § 3 Abs. 2 oder 3 TV RatArb angebotenen Arbeitsplatz angenommen habe und sich hieraus eine Lohnminderung ergebe. Die Beschäftigung des Klägers sei aber nach der Tätigkeitsdarstellung gleich geblieben. Die Funktion des Vorhandwerkers habe keinen Einfluß auf die Qualifikationsmerkmale der Tätigkeit eines Arbeiters; sie nehme neben der eigentlichen Tätigkeit des Handwerkers lediglich eine untergeordnete Rolle ein. Der Widerruf der Vorhandwerkerfunktion unterliege dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Dies habe die Beklagte nach billigem Ermessen ausgeübt.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des Berufungsurteils und unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
I. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch nach § 6 TV RatArb abgelehnt, weil der Kläger nicht von einer Rationalisierungsmaßnahme iSv. § 1 dieses Tarifvertrags betroffen worden sei. Die Umorganisation habe nicht zu einem Wechsel der Beschäftigung des Klägers geführt. Deshalb sei mit dem Wegfall der Aufgaben eines Vorhandwerkers keine neue oder andere Tätigkeit zugewiesen worden. Der Anspruch ergebe sich auch nicht daraus, daß die Vorhandwerkerzulage in der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 6 Abs. 2 Buchst. b TV RatArb ausdrücklich als Bestandteil des Sicherungsbetrags aufgeführt sei. Die Zulage sei nur zu sichern, wenn dem Arbeitnehmer eine geänderte Tätigkeit iSv. § 3 Abs. 2 oder 3 TV RatArb übertragen worden sei. Die Übertragung der Funktion des Vorhandwerkers und deren Widerruf hätten auf dem Direktionsrecht der Beklagten beruht und die vertraglich auszuübende Tätigkeit des Klägers als Handwerker und dessen Einreihung nicht berührt.
Diesen Ausführungen folgt der Senat nicht.
II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Lohnsicherung nach § 6 Abs. 1 TV RatArb.
1. Nach dieser Tarifbestimmung ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer den Lohn auf der Grundlage des nach § 6 Abs. 2 TV RatArb zu ermittelnden Sicherungsbetrags zu wahren, wenn sich in den Fällen des § 3 Abs. 2 und 3 TV RatArb eine Lohnminderung ergibt.
Die Lohnsicherung erfolgt durch Zahlung einer persönlichen Zulage in Höhe der Differenz zwischen dem Sicherungsbetrag und dem um bestimmte Bestandteile verminderten jeweiligen Monatslohn aus der neuen Tätigkeit (§ 6 Abs. 3 Unterabs. 1 TV RatArb). Der Sicherungsbetrag setzt sich nach § 6 Abs. 2 Buchstaben a und b erster Halbsatz TV RatArb zusammen aus dem Monatstabellenlohn und den in der Protokollnotiz Nr. 1 genannten Zulagen, die der Arbeiter für dieselbe Tätigkeit mindestens die letzten drei Jahre vor dem Tag, an dem er die neue Tätigkeit aufzunehmen hat, ununterbrochen bezogen hat. In dieser Protokollnotiz ist als Zulage im Sinne des Buchstaben b erster Halbsatz ua. die Vorhandwerkerzulage genannt. Zwar nimmt die Protokollnotiz ausdrücklich auf die §§ 3 und 4 des Tarifvertrags über das Lohngruppenverzeichnis zum MTB II vom 11. Juli 1966 Bezug. Dieser Tarifvertrag hat aber mit Wirkung vom 1. März 1996 wegen der Vereinheitlichung des MTB II und des MTL II zum MTArb die Überschrift „Tarifvertrag über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTArb (TVLohngrV)” erhalten. Dennoch erstreckt sich die Bezugnahme weiterhin auf ihn. Die Übergangsvorschrift in § 2 des Änderungstarifvertrags Nr. 15 vom 6. Dezember 1995 zum TVLohngrV bestimmt, daß der Tarifvertrag über das Lohngruppenverzeichnis zum MTB II vom 11. Juli 1966 mit Wirkung vom 1. März 1996 an als „Tarifvertrag über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTArb (TVLohngrV)” weitergilt, soweit in anderen Tarifverträgen auf ihn Bezug genommen wird.
2. Durch den Wegfall der Vorhandwerkerzulage hat sich für den Kläger eine Lohnminderung in unstreitiger Höhe von 387,53 DM brutto monatlich ergeben.
Der Lohnsicherung steht nicht entgegen, daß dem Kläger der Monatstabellenlohn erhalten geblieben und nur die Vorhandwerkerzulage auf Grund der geänderten Tätigkeit entfallen ist. Weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck der Tarifvorschrift lassen darauf schließen, daß eine Lohnsicherung nur bei Änderung des Monatstabellenlohns in Betracht kommt. Das folgt daraus, daß der Tarifvertrag in § 3 Abs. 2 TV RatArb eine Lohnsicherung vorsieht, obwohl eine Minderung des Monatstabellenlohns nicht eintritt. Denn der gleichwertige Arbeitsplatz im Sinne dieser Bestimmung setzt voraus, daß sich die bisherige Einreihung und damit die Lohngruppe gemäß § 2 TVLohngrV nicht ändert.
3. Der Kläger ist auch von einer Rationalisierungsmaßnahme iSv. § 1 Abs. 1 TV RatArb betroffen.
Als Rationalisierungsmaßnahmen bezeichnet die Tarifbestimmung vom Arbeitgeber veranlaßte erhebliche Änderungen der Arbeitstechnik oder wesentliche Änderungen der Arbeitsorganisation mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise, wenn diese Maßnahmen für Arbeiter zu einem Wechsel der Beschäftigung oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Diese Voraussetzungen hat die Beklagte durch ihr Vorgehen erfüllt.
a) Die Beklagte hat eine Änderung der Arbeitsorganisation iSd. § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c TV RatArb veranlaßt.
Die Beklagte hat ab dem 1. August 1996 aus den bisherigen Meisterbereichen Teileinheit – Optik und Teileinheit – Optronik mit drei Vorhandwerkergruppen einen Meisterbereich mit zwei Vorhandwerkergruppen gebildet. Auf Grund der Maßnahme hat sich zwar die Anzahl der Handwerker ebensowenig verändert wie deren Tätigkeit. Allerdings liegt insoweit eine arbeitsorganisatorische Veränderung vor, als die Handwerker nicht in ihren bisherigen Gruppen, sondern in veränderter Zusammensetzung tätig werden. Die Mitglieder der Vorhandwerkergruppe des Klägers wurden auf die beiden anderen Gruppen aufgeteilt; die Handwerker der damaligen Gruppe werden daher künftig in einer anderen Gruppe mit anderen Kollegen und unter einem anderen Vorhandwerker tätig. Für den Kläger ist zudem die Beschäftigung als Vorhandwerker entfallen.
Hierin liegt eine Änderung der Arbeitsorganisation nach § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c TV RatArb. Die Änderung ist mit der Begründung, die die Beklagte selbst gegeben hat, mit dem Ziel einer rationelleren Arbeitsweise im Rahmen der auf wirtschaftliche Leistungserbringung ausgerichteten internen Optimierung erfolgt. Eine Maßnahme kann auch dann der Steigerung der Wirtschaftlichkeit dienen, wenn sie nicht zur Einsparung von Arbeitskräften und damit zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen führt(BAG 14. Mai 1986 – 4 AZR 66/85 – nv.).
b) Die Änderung der Arbeitsorganisation war auch wesentlich iSd. § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 TV RatArb.
Nicht jede, sondern nur eine wesentliche Änderung der Arbeitsorganisation führt zur Anwendung des TV RatArb. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn mit der Maßnahme gewichtige Auswirkungen verbunden oder zu erwarten sind(BAG 14. Mai 1986 – 4 AZR 66/85 – nv.). Ob eine Änderung erheblich bzw. wesentlich ist, ist nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 1 Abs. 1 TV RatArb von der Auswirkung der Maßnahme her zu beurteilen. Die Auswirkungen müssen dabei nicht die gesamte Verwaltung bzw. den gesamten Betrieb betreffen; es genügt vielmehr, wenn die Änderung für einen Verwaltungs- bzw. Betriebsteil erheblich bzw. wesentlich ist (Protokollnotiz Nr. 1 Unterabs. 2 zu § 1 Abs. 1 TV RatArb). Es ist auch nicht erforderlich, daß die Maßnahme für mehrere Arbeiter zu einem Wechsel der Beschäftigung oder zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt (Protokollnotiz Nr. 1 Unterabs. 3 zu § 1 Abs. 1 TV RatArb).
Insbesondere die in den Unterabsätzen 2 und 3 dieser Protokollnotiz bezeichneten Fallgestaltungen lassen erkennen, daß die hier in Rede stehende Änderung der Arbeitsorganisation trotz ihrer allein den Kläger hart treffenden Folge als wesentlich anzusehen ist.
c) Die Änderung der Arbeitsorganisation führte für den Kläger auch zu einem Wechsel der Beschäftigung. Dies ergibt eine Auslegung der Tarifbestimmung.
aa) Der Kläger übt seit dem 1. August 1996 keine Vorhandwerkertätigkeiten mehr aus, da die ihm unterstellte Vorhandwerkergruppe aufgelöst und er – wie die anderen Arbeiter seiner Gruppe – einer der beiden verbliebenen Vorhandwerkergruppen als Handwerker zugeteilt wurde. Die Bestellung des Klägers zum Vorhandwerker hat die Beklagte wirksam durch Widerruf beendet. Die Vorhandwerkerbestellung und ihr Widerruf sind ohne Änderung des Arbeitsvertrags möglich(BAG 28. August 1974 – 4 AZR 496/73 – AP MTB II § 9 Nr. 3 = EzA MTB II § 9 Nr. 1). Nach dem Tarifvertrag über das Lohngruppenverzeichnis zum Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes – MTB II – vom 11. Juli 1966, der – wie erwähnt – mit Wirkung vom 1. März 1996 auf Grund der Vereinheitlichung des MTB II und des MTL II zum MTArb die Überschrift „Tarifvertrag über das Lohngruppenverzeichnis des Bundes zum MTArb (TVLohngrV)” erhalten hat, werden Vorhandwerker durch schriftliche Verfügung als ständige Gruppenführer einer Gruppe von mindestens zwei selbständig tätigen Arbeitern (neben dem Vorhandwerker) bestellt. Aus § 3 Abs. 4 TVLohngrV läßt sich entnehmen, daß die Bestellung zum Vorhandwerker grundsätzlich widerruflich erfolgt, was vorliegend unstreitig geschehen war. Obwohl die überwiegende Tätigkeit des Klägers als Handwerker unverändert geblieben ist, liegt ein Wechsel der Beschäftigung vor, denn die Tätigkeit als Vorhandwerker umfaßt auch Führungs- und Koordinierungsaufgaben(vgl. BAG 11. Juni 1980 – 4 AZR 437/78 – AP MTB II § 9 Nr. 6; 20. Juli 1982 – 4 AZR 23/81 – AP MTL II § 9 Nr. 1). Durch die Bestellung zum Vorhandwerker erlangt ein Arbeiter eine hervorgehobene Stellung in einer Gruppe(vgl. BAG 2. April 1980 – 4 AZR 301/78 – AP MTB II § 9 Nr. 5).
bb) Die Lohnsicherung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte berechtigt war, den Wechsel der Beschäftigung des Klägers auf Grund ihres Direktionsrechts herbeizuführen.
Im Urteil vom 15. Oktober 1992(– 6 AZR 342/91 – AP MTB II § 9 Nr. 2) hat der erkennende Senat einen Anspruch auf Lohnsicherung verneint, weil der Arbeitnehmer auf Grund des Direktionsrechts des Arbeitgebers verpflichtet gewesen sei, die neue Tätigkeit anzunehmen, es also einer Änderung der Arbeitsbedingungen nicht bedurft habe und damit der tariflich geregelte Lohnsicherungsfall nicht vorliege. Der Senat hat gemeint, nach § 6 Abs. 1 TV RatArb sei der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer den Lohn zu wahren, wenn sich in den Fällen des § 3 Abs. 2 und 3 TV RatArb eine Lohnminderung ergebe. Nach § 3 Abs. 2 Unterabs. 1 TV RatArb sei der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer einen mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz zu sichern. Gleichwertig iSd. Unterabsatzes 1 sei ein Arbeitsplatz, wenn sich durch die neue Tätigkeit die bisherige Einreihung nicht ändere und der Arbeiter in der neuen Tätigkeit vollbeschäftigt bzw. im bisherigen Umfang nicht vollbeschäftigt sei. Wie sich aus § 3 Abs. 6 und § 5 Abs. 2 TV RatArb ergebe, müsse es sich aber bei dem angebotenen Arbeitsplatz – solle er eine Lohnsicherungspflicht des Arbeitgebers auslösen – um einen Arbeitsplatz handeln, den der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht schon allein auf Grund arbeitsvertraglicher Vereinbarung übertragen könne. Daran hält der erkennende Senat nicht fest.
Für das Tarifmerkmal „Wechsel der Beschäftigung” ist allein maßgeblich, ob dem Arbeitnehmer eine neue, andere Tätigkeit übertragen worden ist. Darauf, ob dies im Wege des Direktionsrechts geschehen konnte oder einer Änderungskündigung bedurfte, kommt es nicht an. Diese Auslegung ergibt sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut, wohl aber aus dem bei der Tarifauslegung ebenfalls zu berücksichtigenden Gesamtzusammenhang der tariflichen Normen und deren Sinn und Zweck.
Nach § 6 Abs. 1 TV RatArb ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeiter den Lohn auf der Grundlage des Sicherungsbetrags gem. Abs. 2 zu wahren, wenn sich in den Fällen des § 3 Abs. 2 und Abs. 3 eine Lohnminderung ergibt. § 6 Abs. 1 TV RatArb nimmt also Bezug auf § 3 Abs. 2 TV RatArb. Nach Unterabs. 1 dieser Bestimmung ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeiter einen mindestens gleichwertigen Arbeitsplatz zu sichern. Gleichwertig ist ein Arbeitsplatz, wenn sich durch die neue Tätigkeit die bisherige Einreihung nicht ändert und der Arbeiter in der neuen Tätigkeit vollbeschäftigt bzw. im bisherigen Umfang nicht vollbeschäftigt bleibt (§ 3 Abs. 2 Unterabs. 2 TV RatArb). § 3 Abs. 2 TV RatArb konkretisiert § 3 Abs. 1 TV RatArb, wonach der Arbeitgeber dem von einer Rationalisierungsmaßnahme iSd. § 1 betroffenen Arbeitnehmer nach den Abs. 2 bis 5 zur Arbeitsplatzsicherung verpflichtet ist. § 3 Abs. 2 TV RatArb nimmt daher über § 3 Abs. 1 auf § 1 TV RatArb bezug. Die in § 3 TV RatArb vorgesehene Arbeitsplatzsicherung und die damit einhergehende Lohnsicherung nach § 6 TV RatArb greift daher ein bei Arbeitern, bei denen eine Rationalisierungsmaßnahme zu einem Wechsel der Beschäftigung führt (§ 1 Abs. 1 TV RatArb) und der Wechsel der Beschäftigung in der Übertragung einer neuen Tätigkeit besteht (§ 3 Abs. 1 TV RatArb). Ob diese Tätigkeit im Wege des Direktionsrechts übertragen werden kann, ist somit nach dem Wortlaut der genannten Bestimmungen unerheblich. Der Senat hat seine gegenteilige Meinung aus § 3 Abs. 6 und § 5 Abs. 2 TV RatArb hergeleitet. Nach § 3 Abs. 6 TV RatArb ist der Arbeiter verpflichtet, einen ihm angebotenen Arbeitsplatz iSd. Abs. 2 bis 5 anzunehmen, es sei denn, daß ihm die Annahme nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten billigerweise nicht zugemutet werden kann. Nach § 5 Abs. 2 TV RatArb darf eine Kündigung mit dem Ziel der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur dann ausgesprochen werden, wenn dem Arbeiter ein Arbeitsplatz nach § 3 Abs. 2 bis 5 TV RatArb nicht angeboten werden kann oder der Arbeiter einen Arbeitsplatz entgegen § 3 Abs. 6 TV RatArb nicht annimmt. Diese Bestimmungen sprechen in der Tat dafür, daß Tätigkeiten, die der Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts zuweisen kann, eine Vergütungssicherung nicht auslösen können, weil es in einem solchen Fall der Annahme durch den Arbeitnehmer nicht bedarf. Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Arbeitgeber dem Arbeiter einen gleichwertigen Arbeitsplatz iSd. § 3 Abs. 2 Unterabs. 2 TV RatArb in der Regel ohne weiteres im Wege des Direktionsrechts nach § 8 Abs. 2 MTArb zuweisen kann. Für eine Lohnsicherung nach § 6 TV RatArb bliebe deshalb bei einer Arbeitsplatzsicherung nach § 3 Abs. 2 TV RatArb in der Regel kein Raum. Dies widerspräche jedoch § 6 Abs. 1 TV RatArb, wonach der Arbeitgeber ausdrücklich auch im Falle der Arbeitsplatzsicherung nach § 3 Abs. 2 TV RatArb zur Lohnsicherung verpflichtet ist. Für die Frage, ob ein Wechsel der Beschäftigung im Sinne des Tarifvertrages vorliegt, kann es deshalb nicht darauf ankommen, durch welches individualrechtliche Gestaltungsmittel dem Arbeiter die neue Tätigkeit übertragen wird; entscheidend ist vielmehr allein, daß dem von einer Rationalisierungsmaßnahme betroffenen Arbeiter die neue, geänderte Tätigkeit übertragen wird.
Der erkennende Senat folgt damit dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts, sofern dessen Ausführungen in dem nicht veröffentlichen Urteil vom 14. Mai 1986 (– 4 AZR 66/85 –) zu der entsprechenden Rechtsprechung zum Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 29. Oktober 1971 und in der Fassung vom 18. Oktober 1973 und vom 7. November 1974 (TVRat) ebenfalls in diesem Sinne zu verstehen sein sollten.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, H. Schmidt, G. Helmlinger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.10.2000 durch Klapp, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 140 |
BB 2001, 1640 |
FA 2001, 284 |
NZA 2002, 339 |
AP, 0 |
PersR 2001, 393 |