Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Ergänzungsvereinbarung zur Zusatzversorgung. Revisibilität der Auslegung von vielfach und wortgleich von demselben Arbeitgeber verwendeten Individualvereinbarungen. konstitutive und deklaratorische Vereinbarungen. Recht der betrieblichen Altersversorgung. Vertragsauslegung
Orientierungssatz
- Es ist zweifelhaft, ob die Auslegung einer vom Arbeitgeber für eine Vielzahl von Fällen wortgleich vorgegebene Vertragsformulierung durch das Landesarbeitsgericht einer uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt.
Der Senat hatte eine Arbeitsvertragsergänzung mit dem folgenden Wortlaut auszulegen:
“Es besteht die Pflicht zur Versicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an. Das Berufsförderungswerk übernimmt für die Person des Arbeitnehmers die monatlichen Pflichtbeiträge zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder.”
Der Inhalt dieser Regelung entsprach der arbeitsvertraglichen und tarifvertraglichen Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung. Der Senat hat sich deshalb der Auslegung des Landesarbeitsgerichts angeschlossen, wonach die Vereinbarung keine konstitutive Bedeutung hat. Aus ihr konnte deshalb keine Pflicht des Arbeitgebers hergeleitet werden, die durch den 24. Änderungstarifvertrag zum Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe eingeführte Beteiligung der Arbeitnehmer an der Umlagefinanzierung zu übernehmen.
Normenkette
BetrAVG § 1; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 06.02.2001; Aktenzeichen 2/9 Sa 1348/00) |
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.06.2000; Aktenzeichen 7 Ca 8397/99) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. Februar 2001 – 2/9 Sa 1348/00 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob der Beklagte die zum 1. Januar 1999 eingeführten Arbeitnehmerbeiträge zur Zusatzversorgung unter Einschaltung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) übernehmen muß.
Der Kläger, der am 9. März 1941 geboren ist und bis zur Gründung von verdi Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) war, ist beim Beklagten seit dem 1. Januar 1976 als Angestellter beschäftigt. Grundlage ist der Anstellungsvertrag vom 18. Dezember 1975, in dem es ua. heißt:
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Tarifverträge
(1) Für das Arbeitsverhältnis gilt der BAT – Bund und Länder – mit Ausnahme der §§ 22 und 23a in der jeweiligen Fassung, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist.
…
§ 3
Sonderregelungen
…
(2) Mit dem Abschluß einer Versorgungsvereinbarung mit der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) kommen die entsprechenden Tarifverträge zum BAT zur Anwendung.
…”
Der Beklagte ist ein 1969 gegründeter eingetragener gemeinnütziger Verein, der seit 1974 Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation für volljährige Behinderte anbietet. Unter anderem waren Gründungsmitglieder das Land Hessen und die Bundesanstalt für Arbeit. Gemäß § 4 Abs. 3 der Satzung können ordentliche Mitglieder nur öffentlich-rechtliche Träger mit Berufsförderungsaufgaben werden.
Seit dem 1. April 1974 meldete der Beklagte seine jeweiligen Mitarbeiter bei der VBL an. Bis 1977 waren Pflichtbeiträge zu leisten. Seit dem 1. Januar 1978 gab es keine Pflichtbeiträge der Arbeitnehmer zur VBL mehr. Die Finanzierung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst erfolgte seither in einem Umlageverfahren, an dem allein die Arbeitgeber teilnahmen. Auch der Beklagte übernahm die Zahlung der Umlagen.
In den Jahren 1978 und 1981 vereinbarte der Beklagte mit der Gewerkschaft ÖTV Haustarifverträge, die – von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen – auf den BAT und alle ändernden und ergänzenden Tarifverträge verweisen und deren Geltung im hier wesentlichen anordnen.
Im Jahre 1983 kam es zu einem Schriftwechsel zwischen der VBL und dem Beklagten. Mit Schreiben vom 11. Oktober 1983 wiederholte die VBL einen schon zuvor gegebenen Hinweis:
“Nach § 26 Abs. 1 Buchstabe d unserer Satzung ist jedoch Voraussetzung für die Pflichtversicherung eines Arbeitnehmers, daß auf Grund eines Tarifvertrages oder Arbeitsvertrages die Pflicht zur Versicherung besteht.
Da für Ihre Mitarbeiter die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft deutscher Länder gelten, besteht für diejenigen Ihrer Mitarbeiter, die Mitglied der Gewerkschaft ÖTV sind, eine diesbezügliche tarifvertragliche Regelung für die Zusatzversicherung … . Demzufolge wäre für Ihre übrigen Arbeitnehmer, die nicht Mitglied der Gewerkschaft ÖTV sind, die Pflicht zur Versicherung arbeitsvertraglich zu vereinbaren.”
Der Beklagte vereinbarte daraufhin mit dem Kläger unter dem 21. Dezember 1983 ebenso wie mit allen zur VBL angemeldeten Mitarbeitern eine “Ergänzung des Anstellungsvertrages/Arbeitsvertrages”:
“Es besteht die Pflicht zur Versicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an. Das Berufsförderungswerk übernimmt für die Person des Arbeitnehmers die monatlichen Pflichtbeiträge zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder.”
Mit Schreiben vom 9. Januar 1984 wandte sich der Beklagte erneut an die VBL und führte ua. aus:
“… können wir Ihnen mitteilen, daß nach Beratung dieses Problems in den Gremien des Hauses die von Ihnen geforderten Ergänzungen der Arbeitsverträge mit allen Arbeitnehmern erstellt worden sind. …”
Am 20. Mai 1998 wurde durch § 1 Nr. 3 des 24. Änderungstarifvertrages § 8 Abs. 1 des gemäß § 46 BAT geschlossenen Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV) geändert. Er erhielt den folgenden Wortlaut:
“Der Arbeitgeber hat eine monatliche Umlage in Höhe des nach § 76 der Satzung der VBL festgesetzten Satzes des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts (Absatz 5) des Arbeitnehmers einschließlich des vom Arbeitnehmer zu zahlenden Beitrags an die VBL abzuführen. Bis zu einem Umlagesatz von 5,2 trägt der Arbeitgeber die Umlage allein, der darüber hinausgehende Finanzierungsbedarf wird zur Hälfte vom Arbeitgeber durch eine Umlage und zur Hälfte vom Arbeitnehmer durch einen Beitrag getragen. Den Beitrag des Arbeitnehmers behält der Arbeitgeber vom Arbeitsentgelt ein.”
Die VBL setzte 1998 den Umlagesatz ab 1. Januar 1999 auf 7,7 vH des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts des Arbeitnehmers fest. Seit dem 1. Januar 1999 behält der beklagte Verein 1,25 vH der monatlichen Bruttovergütung der Mitarbeiter ein und führt diesen Betrag als Arbeitnehmerbeitrag an die VBL ab. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zu diesem Vorgehen.
Mit Schreiben von August 1999 teilten das Landesarbeitsamt und die LVA Hessen dem beklagten Verein ihre Auffassung mit, daß die weitere Übernahme der Arbeitnehmeranteile durch den beklagten Verein eine nicht erstattungsfähige freiwillige soziale Leistung sei. Dem lag ein “Rahmenvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Rehabilitationsträgern und Berufsförderungswerken” aus Anfang 1999 zugrunde, an dem der Beklagte als Vertragspartner beteiligt war und der eine Berücksichtigung der Personalkosten bei der Kostenerstattung nur vorsah, soweit sie nicht über das tarifvertraglich Gebotene hinausgingen.
Nachdem der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom Juni 1999 erfolglos aufgefordert hatte, die einbehaltenen Beträge zu erstatten, hat er mit seiner Klage den Standpunkt eingenommen, die Ergänzungsvereinbarung umfasse unabhängig von den Regelungen des Zusatzversorgungstarifvertrages eine Übernahmepflicht des Beklagten, was alle etwaigen Pflichtbeiträge angehe, die auf die Arbeitnehmer entfielen. Dies ergebe sich schon aus der Verwendung des 1983 nach Satzungsrecht gar nicht mehr vorgesehenen Begriffs der Pflichtbeiträge.
Der Kläger hat zuletzt beantragt:
- Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab dem 1. November 1999 die ihm jeweils zustehende monatliche Vergütung zu zahlen, ohne den Arbeitnehmeranteil der Umlage zur VBL, derzeit 1,25 % seines Bruttogehalts, einzubehalten.
- Der Beklagte wird verurteilt, an ihn die restlichen Gehälter für die Monate Januar 1999 bis 31. Oktober 1999 in Höhe von DM 1.045,81 netto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. November 1999 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach seiner Auffassung ist mit der Ergänzungsvereinbarung erkennbar nicht die Festlegung einer übertariflichen Leistungspflicht verbunden gewesen. Eine solche in Zukunft immer teurer werdende, sich auf derzeit rund 300.000,00 DM jährlich belaufende Verpflichtung könne er überhaupt nicht eingehen, weil sie nicht refinanzierbar sei. Für sie habe im Jahre 1983 auch gar kein Anlaß bestanden. Sein Geschäftsführer, der diese Vereinbarungen unterzeichnet habe, sei zu einer solchen Verpflichtungsübernahme auch nicht berechtigt gewesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision strebt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils erster Instanz an, wobei er die Feststellung auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2001 beschränkt. Zu diesem Zeitpunkt hat der Beklagte eine vorsorgliche Änderungskündigung mit dem Ziel ausgesprochen, daß der Kläger in jedem Falle die Beiträge zur VBL zu tragen hat. Diese Änderungskündigung hat der Kläger nicht angegriffen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Seit dem 1. Januar 1999 ist der Beklagte berechtigt, monatlich 1,25 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts des Klägers einzubehalten und an die VBL abzuführen. Das Landesarbeitsgericht hat seine hiergegen gerichtete Feststellungsklage deshalb ebenso zu Recht abgewiesen, wie seinen Leistungsantrag auf Auszahlung der einbehaltenen Beträge.
Das Recht des Beklagten, die Arbeitnehmer-Pflichtbeiträge zur Versorgung unter Einschaltung der VBL vom Bruttogehalt des Klägers einzubehalten und an die VBL abzuführen, ergibt sich aus § 8 Abs. 1 Versorgungs-TV in der Fassung des 24. Änderungstarifvertrages.
- Durch diesen Tarifvertrag ist die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Finanzierung der Leistungen der VBL wieder eingeführt worden, wie sie in etwa der Rechtslage zu Beginn der Neuregelung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst entsprach, die dann durch den 11. Änderungstarifvertrag vom 3. März 1977 von Grund auf verändert wurde. Bis zum 31. Dezember 1977 waren von Arbeitgeber und Arbeitnehmer Beiträge zu leisten. Jedoch hatten die Arbeitgeber seit dem 1. Juli 1972 die Pflichtbeiträge der Arbeitnehmer, die sich auf 1,5 % belaufen hatten, zunächst zur Hälfte und seit dem 1. Juli 1973 vollständig übernommen (Berger/Kiefer/Langenbrinck Das Versorgungsrecht für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes Stand Juni 2002 Teil A 1 § 8 Erl. 1; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand August 2002 Teil VII-Versorgungs-TV VBL § 8 Erl. 1.1a). Seit dem 1. Januar 1978 wurde die Zusatzversicherung durch alein vom Arbeitgeber aufzubringende Umlagen finanziert.
- Der Versorgungs-TV findet auf das Arbeitsverhältnis des Klägers in seiner jeweiligen Fassung Anwendung. Dies ergibt sich aus der Mitgliedschaft des Klägers in der am Abschluß der Firmentarifverträge vom 19. Juni 1978 und 13. August 1981 beteiligten Gewerkschaft ÖTV. Durch diese Tarifverträge ist von den Tarifvertragsparteien für den Betrieb des Beklagten mit der Geltung aller den BAT ergänzenden Tarifverträge, die zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossen worden sind “bzw.” zukünftig abgeschlossen werden, auch die Geltung des Versorgungs-TV in seiner jeweiligen Fassung angeordnet worden. Auch dieser Tarifvertrag ist von den im Firmentarifvertrag genannten Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden.
- Die Geltung des Versorgungs-TV in seiner jeweiligen Fassung ergibt sich aber auch aus § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages der Parteien. Zwar heißt es dort nur, mit dem – bereits 1974 erfolgten – Abschluß einer Versorgungsvereinbarung mit der VBL kämen die entsprechenden Tarifverträge zum BAT zur Anwendung. Daß mit einer solchen Verweisung im Zweifel eine Inbezugnahme des betreffenden Regelwerks in seiner jeweiligen Fassung gewollt ist, hat der Senat schon mehrfach entschieden (zuletzt 11. Dezember 2001 – 3 AZR 512/00 – zVv., zu I 1 der Gründe mwN). Hiervon Abstand zu nehmen besteht kein Anlaß. Anhaltspunkte dafür, daß im Arbeitsvertrag ausnahmsweise nur eine statische Verweisung auf den Versorgungs-TV in seiner bei Abschluß der Versorgungsvereinbarung mit der VBL geltenden Fassung gewollt gewesen sein könnte, bestehen nicht.
- Daß die Höhe der Einbehaltungen durch den Beklagten den tarifvertraglichen Vorgaben entsprach, die ihrerseits auf der satzungsgemäßen Festlegung des Umlagesatzes auf 7,7 vH des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts durch die VBL beruhen, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
Die Parteien haben mit der Ergänzungsvereinbarung vom 21. Dezember 1983 keine von § 8 Versorgungs-TV nF abweichende, für den Kläger günstigere individualvertragliche Vereinbarung getroffen, auf Grund deren der Beklagte gehindert wäre, den Arbeitnehmerbeitrag zur VBL vom Arbeitsentgelt des Klägers einzubehalten. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht festgestellt.
- Da die Ergänzung des Anstellungsvertrages nach alledem keine Regelung dazu enthält, daß die tarifvertraglich angeordnete Beitragspflicht für Arbeitnehmer vom Beklagten zu übernehmen ist, bleibt es bei dieser tarifvertraglichen Regelung; eine günstigere einzelvertragliche Vereinbarung ist nicht zustande gekommen.
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Bepler, G. Hauschild, Stemmer
Fundstellen
Haufe-Index 893651 |
NZA 2003, 519 |
ZTR 2003, 246 |
AP, 0 |
NJOZ 2003, 1468 |
Tarif aktuell 2003, 12 |